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Er hat uns beide nicht verdient! - Wie aus Rivalinnen Freundinnen wurden
Als sie nachts nicht schlafen kann, beschließt Lisbeth, aufzustehen und im Internet noch ein Stündchen nach Schnittmustern für Brautkleider zu suchen. Doch kaum hat sie den Computer ihres Verlobten eingeschaltet, als sie die ungelesene Nachricht einer gewissen Chrissy findet: Das Mädchen sehnt sich nach Ruperts leidenschaftlichen Küssen und kann es kaum erwarten, wieder in seinen Armen zu liegen.
Lisbeth ist klar: Ihr Liebster betrügt sie. Doch als sie ihn zur Rede stellt, streitet er alles ab. Nein, er habe keine Affäre, es sei nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Es tue ihm furchtbar leid, er liebe nur sie allein, und er beschwört sie, ihm zu verzeihen!
Blind vor Tränen packt Lisbeth ein paar Sachen ein und fährt zu ihren Großeltern nach St. Christoph, um Abstand zu gewinnen. Während sie versucht, die Trauer über den Betrug ihres Verlobten zu überwinden und noch um eine Entscheidung ringt, ob sie ihm verzeihen oder die Verlobung lösen soll, steht plötzlich Ruperts "einmaliger Ausrutscher" vor der Tür ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Er hat uns beide nicht verdient!
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6763-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Er hat uns beide nicht verdient!
Wie aus Rivalinnen Freundinnen wurden
Von Andreas Kufsteiner
Als sie nachts nicht schlafen kann, beschließt Lisbeth, aufzustehen und im Internet noch ein Stündchen nach Schnittmustern für Brautkleider zu suchen. Doch kaum hat sie den Computer ihres Verlobten eingeschaltet, als sie die ungelesene Nachricht einer gewissen Chrissy findet: Das Mädchen sehnt sich nach Ruperts leidenschaftlichen Küssen und kann es kaum erwarten, wieder in seinen Armen zu liegen.
Lisbeth ist klar: Ihr Liebster betrügt sie. Doch als sie ihn zur Rede stellt, streitet er alles ab. Nein, er habe keine Affäre, es sei nur ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Es tue ihm furchtbar leid, er liebe nur sie allein, und er beschwört sie, ihm zu verzeihen!
Blind vor Tränen packt Lisbeth ein paar Sachen ein und fährt zu ihren Großeltern nach St. Christoph, um Abstand zu gewinnen. Während sie versucht, die Trauer über den Betrug ihres Verlobten zu überwinden und noch um eine Entscheidung ringt, ob sie ihm verzeihen oder die Verlobung lösen soll, steht plötzlich Ruperts »einmaliger Ausrutscher« vor der Tür …
Der Notruf erreichte Dr. Burger exakt um siebzehn Uhr. Er wusste das deshalb so genau, weil er gerade auf dem Heimweg war und im Autoradio die Nachrichten begannen.
Hinter ihm lagen ein langer Tag in seiner Praxis sowie ein Hausbesuch auf dem Bayer-Hof. Dort hatte es das dritte Baby der Familie nicht mehr erwarten können und war zwei Wochen vor der Zeit zur Welt gekommen – so eilig, dass an eine Fahrt ins Krankenhaus nicht mehr zu denken gewesen war.
Martin Burger war gerade noch rechtzeitig eingetroffen, um das Baby in Empfang zu nehmen und Mutter und Kind zu untersuchen. Nach zwei Buben hatte die Familie nun ein kleines Madel bekommen. Mutter und Tochter ging es prächtig, deshalb hatte der Bergdoktor nichts dagegen einzuwenden gehabt, als die Bäuerin nichts von einer Überweisung in die Klinik hatte hören wollen.
Nele sollte der Sonnenschein der Familie heißen. Dr. Burger wünschte dem kleinen Madel den allerbesten Start ins Leben. Morgen früh, das notierte er sich in Gedanken, würde er vor seiner Sprechstunde noch einmal zum Bayer-Hof hinauffahren, um nach Mutter und Kind zu sehen.
Nun freute er sich auf eine Tasse Kaffee und einen Blick in die Zeitung, am liebsten in seinem Garten, wo er dem Rauschen des Windes in den Kirschbäumen und dem Lachen seiner Kinder zuhören konnte.
Dieser Plan musste jedoch warten, weil ihn ein dringender Anruf erreichte: Der junge Schäfer vom Rautenstein hatte eine verletzte Frau gefunden.
»Sie liegt unterhalb der Kogler-Alm! Das Blut läuft ihr nur so über Kopf und Gesicht, und sie liegt völlig verdreht da!«
»Ist sie am Berg abgestürzt?«
»Kann ich net genau sagen. Als ich sie entdeckt hab, lag sie schon so im Gras. Möglich, dass sie am Fels abgestürzt ist.«
»Weißt du, wer sie ist?«
»Leider net. Eine Urlauberin vermutlich. War wohl mit ihrem Dackel wandern. Der Kleine ist völlig durch den Wind.« Im Hintergrund war lautes Gebell zu vernehmen.
»Ist die Verletzte ansprechbar?«
»Nein, sie ist net bei Besinnung – was wohl eine Gnade ist, wenn ich mir ihre Verletzungen so anschaue.«
»Verstanden. Danke, dass du mich informiert hast, Valentin. Ich mache mich sofort auf den Weg. Bin in …« Er überschlug kurz den Weg. Sein Geländewagen konnte notfalls auch quer über die Wiesen fahren. Das würde ihn schneller zum Unglücksort bringen. »Ich bin in zehn Minuten da.«
»Alles klar. Beeilen Sie sich, bitte, Herr Doktor. Es sieht wirklich net gut aus, und ich kann ihr net helfen.«
»Stabile Seitenlage und die Blutungen so weit wie möglich stillen. Bewege sie möglichst net, solange wir net wissen, ob sie innere Verletzungen hat oder ihr Rücken betroffen ist. Ich komme so schnell, wie ich kann.«
Martin Burger beendete das Gespräch, drehte an seinem Lenkrad und gab Gas!
Sein Wagen rumpelte über die Wiese. Uneben war der Untergrund, deshalb wurde der Arzt gehörig durchgeschüttelt. Doch er war Schlimmeres gewohnt. Seine Notfalleinsätze hatten ihn schon zu den entlegensten Stellen des Zillertals geführt. Kraxelnd, rennend oder notfalls auch durch verfallene Bergwerksschächte kriechend, war er bereits zu Patienten vorgedrungen.
Nun ging es also steil den Hang hinauf in Richtung Kogler-Alm. Er trieb seinen Wagen voran. Wenigstens gab es hier oben keine Weidezäune, die ihn hätten aufhalten können. Das Weidevieh durfte sich frei bewegen und grasen, wo es wollte. Er musste einer Herde brauner Kühe ausweichen, ehe er wieder Gas geben und weiterfahren konnte.
Es war ein milder Sommerabend. Die Berge waren in Dunst gehüllt – ein Zeichen dafür, dass das herrliche Wetter noch mindestens einen weiteren Tag anhalten würde.
Tagsüber war es beinahe schon zu heiß gewesen. Er hatte in seiner Praxis die Jalousien fest geschlossen gehalten, um die Hitze des Tages auszusperren, und trotzdem war es in den Räumen drückend warm gewesen.
Nun jedoch, gegen Abend, wurden die Temperaturen durchaus angenehm. Insekten summten über den grünen Hängen, die mit leuchtend gelben Löwenzahnblüten gesprenkelt waren.
Vor Dr. Burger tauchte die Almhütte auf. So weit musste er jedoch nicht mehr fahren, denn unterhalb der Alm ging es eine steile Felswand hinab, und an deren Fuß stand ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren.
Valentin trug nur eine helle Hose, kein Hemd. Das kräftige Spiel seiner Muskeln verriet, dass er sich in den Bergen zu bewegen wusste, und der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht verriet, dass er schon schwere Zeiten erlebt hatte. Er hütete die Schafe auf dem nahen Rautenstein.
»Gott sei Dank, dass Sie da sind!« Der Schäfer winkte ihm. »Kommen Sie, bitte. Wir sind hier!«
Vor ihm lag eine Frau mit grau melierten Haaren im Gras. Ihr Gesicht war erschreckend fahl, und sie blutete aus mehreren Wunden an Kopf und Armen.
Sie hatte Wanderkleidung an, aber die karierte Bluse war ebenso zerrissen und blutig wie ihre grüne Hose mit den zahlreichen Taschen. Ihr rechtes Bein stand in einem alarmierenden Winkel ab, und auch ihre rechte Hand schien gebrochen zu sein.
Neben ihr saß ein Dackel und fiepte kläglich. Er schien zu wissen, dass es nicht gut um sein Frauchen stand.
Dr. Burger eilte mit seiner Tasche zu der Verletzten und tastete nach ihren Vitalfunktionen. Dabei zerbiss er einen Fluch auf den Lippen.
Ihr Puls war extrem schwach, ebenso wie ihre Atmung. Sie hatte bereits zu viel Blut verloren. Ihr Kreislauf stand kurz vor dem Kollabieren!
Ihre Wunden waren mit hellen Stoffstreifen abgedeckt. Offenbar hatte Valentin ihre Verletzungen notdürftig mit Fetzen seines Hemdes verbunden.
Eine kurze Untersuchung ergab ein alarmierendes Bild: Die Frau war nicht nur schlimm abgestürzt, nein! Wunden wie ihre hatte er schon einmal gesehen: Form und Größe verrieten ihm, dass sie von Kuhhörnern verursacht worden waren!
Die Frau musste auf ihrer Wanderung über die Weide gelaufen sein. Vielleicht hatte ihr Hund die Kühe aufgebracht, vielleicht war es einfach nur ihr Auftauchen gewesen, das war schwer zu sagen.
Die Kühe hatten Junge, die sie verteidigt hatten. Die Frau war von mindestens einer Kuh angegriffen und schwer verletzt worden, vermutlich sogar von mehreren Tieren. Sie wies auch Quetschungen an Brustkorb und Armen auf.
War sie niedergetrampelt worden?
Plötzlich regte sie sich und schlug stöhnend die Augen auf.
Ein Wimmern entfuhr ihr.
»Ganz ruhig, Sie sind in Sicherheit«, versicherte er rasch. »Ich bin Doktor Burger. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Bleiben Sie bitte liegen, Sie sind verletzt.«
»Was ist mit mir passiert?«
»Erinnern Sie sich nimmer?«
»Ich war mit dem Hias wandern, und dann … oh!« Sie keuchte und hob den Kopf. »Jessas, was ist mit meinen Beinen? Warum spüre ich meine Beine net?«
Martin Burger fing einen alarmierten Blick von Valentin auf. Eine stumme Frage lag in den Augen des Schäfers.
»Wähl den Notruf und bitte in der Leitstelle um einen Helikopter«, bat der Bergdoktor halblaut. »Kannst du in der Zentrale unsere genaue Position durchgeben?«
»Natürlich.« Der junge Schäfer hielt das Telefon schon in seiner Hand.
Dr. Burger zog in der Zwischenzeit eine kreislaufstärkende Spritze auf und injizierte sie seiner Patientin. Anschließend machte er sich daran, ihre Wunden zu versorgen.
Auf keinen Fall durfte sie noch mehr Blut verlieren, sonst würde ihr Kreislauf nicht mehr lange durchhalten! Er führte Kochsalzlösung in seiner Ausrüstung bei sich, aber auch die würde nicht lange helfen.
Die Frau musste auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus! Hoffentlich stand gleich ein Helikopter zur Verfügung, sonst würde es eng werden. Seiner Patientin lief die Zeit davon!
***
Zwölf Monate später …
Der Stoff des Brautkleides raschelte bei jeder Bewegung. Lisbeth betrachtete sich im Spiegel und erkannte sich kaum wieder. Sie versank förmlich in der weißen Seide!
Das Mieder war über und über mit Perlen bestickt und so eng, dass sie kaum atmen konnte. Unterhalb der Taille bauschte sich der Rock in zahllosen Lagen. Er war weit genug, um problemlos eine halbe Fußballmannschaft darunter zu verstecken.
Das Kleid ist viel zu übertrieben, dachte Lisbeth zweifelnd. Es wird schwer genug sein, darin zu laufen. An Tanzen ist gar net zu denken!
Sie versuchte, sich zu drehen, aber die meterlange Schleppe nagelte sie förmlich an ihrem Platz fest. Steif und schwer zerrte das Kleid an ihr. Es fühlte sich beinah an, als hätte sie einen Betonklotz an den Füßen.
Ihre zukünftige Schwiegermutter war jedoch begeistert.
»Zauberhaft! Einfach zauberhaft!«, schwärmte Irene Stadler. »Wir müssen nicht weitersuchen. Dieses Kleid ist wie für dich gemacht. Wie für dich gemacht.« Sie hatte die Angewohnheit, im Überschwang Dinge zweimal zu sagen.
»Findest du wirklich?«
»Unbedingt. In diesem Kleid siehst du genau so aus, wie ich mir die zukünftige Frau meines Sohnes vorstelle. Genau so.«
»Ist es net zu üppig?« Lisbeth strich über den bestickten weißen Stoff und die Perlen. Dieses Kleid kostete vermutlich mehr als ihr Auto, und es gefiel ihr nicht einmal.
Eigentlich musste sie sich um die Kosten keine Sorgen machen. Ihre zukünftige Schwiegermutter bestand darauf, für die Hochzeit aufzukommen, auch für das Brautkleid. Damit fühlte sich Lisbeth noch weniger wohl als in dem engen Mieder.
Die Familie ihres Verlobten wünschte sich eine große Hochzeit – die Kosten spielten dabei keine Rolle –, und sie wollte ihnen den großen Tag nicht verderben. Auch wenn ihr davor graute!
»Lass meinen Eltern doch die Freude«, hatte Rupert sie gebeten. »Wir heiraten nur ein Mal im Leben, dann kann es ruhig ein großes Fest werden. Wir werden es richtig krachen lassen!«
Es krachen lassen? Oh ja, das würden sie. Zu der Feier waren mehr als dreihundert Gäste eingeladen.
Lisbeth kannte nicht einmal einen Bruchteil von ihnen. Sie hatte noch keine Ahnung, worüber sie mit ihnen sprechen sollte, aber darum musste sie sich nicht länger sorgen. In diesem Panzer von einem Kleid würde sie ohnehin kaum genug Atem für eine Unterhaltung haben.
»Wir nehmen das Kleid«, beschloss Irene Stadler.
»Ich werde darüber nachdenken.« Lisbeth verschwand hinter dem Wandschirm, um sich umzuziehen. Sie musste an sich halten, um sich diesen Seide gewordenen Albtraum nicht unsanft vom Leib zu zerren.
Als sie endlich ihr cremefarbenes Sommerkleid aus leichter Viskose übergestreift hatte, atmete sie erleichtert auf. Das war schon viel besser!
»Am liebsten würde ich im Dirndl heiraten«, entfuhr es ihr, als sie wieder hervortrat.
Ihre zukünftige Schwiegermutter schnappte nach Luft, als hätte Lisbeth soeben vorgeschlagen, in einem Kartoffelsack zu der Zeremonie zu erscheinen.
»Ein traditionelles Kleid für deine Hochzeit? Das geht auf keinen Fall! Du wirst eine Stadler sein, Lisbeth, das ist mit allerlei Annehmlichkeiten, aber auch mit einigen Verpflichtungen verbunden. Eine davon ist es, stets passend gekleidet zu sein.«
»Was ist denn an einem Dirndl unpassend?«
»Einfach alles!«
»Aber ein Hochzeitsdirndl würde besser zu mir passen als so ein Prinzessinnenkleid«, beharrte Lisbeth auf ihrer Meinung. »Immerhin stamme ich aus einer Bauernfamilie.«
»Das muss man dir aber net gleich auf den ersten Blick ansehen, oder?« Irene Stadler hob das Kinn, als müsste sie einen aufdringlichen Geruch ignorieren.
Trotz der sommerlichen Temperaturen trug sie ein hochgeschlossenes blaues Kostüm. Kein Härchen wagte es, aus ihrer eleganten Hochsteckfrisur auszubrechen.
»Wir nehmen das Kleid mit der Schleppe«, wandte sie sich an die Modistin, die aussah, als könnte sie nur schwer einen Jubelschrei unterdrücken. Oh ja, das Kleid musste ein Vermögen kosten!
»Warte!«, bat Lisbeth ihre zukünftige Schwiegermutter. »Wir sollten wirklich noch weitersuchen. In diesem Kleid falle ich viel zu sehr auf. Das ist nichts für mich.«
»Was soll denn das bedeuten? Du bist die Braut. Du musst auffallen!«
»Aber …« Unsicher ließ sie die Schultern hängen. »Es ist so eng.«
»Es hat deine Maße. Oder haben die sich etwa geändert? Du bist doch net etwa schon schwanger, oder?« Irene musterte prüfend Lisbeths Leibesmitte.
»Nein, bin ich net.«
»Dann ist ja alles in schönster Ordnung. Komm, wir müssen noch einen Schleier für dich aussuchen. Damit können wir das Brautkleid von der Liste der Erledigungen abhaken. Um die restlichen Vorbereitungen kümmert sich der Hochzeitsplaner.«
Lisbeth schwieg und schaute nachdenklich auf ihren Verlobungsring nieder. Der tropfenförmige Lapislazuli war in Weißgold gefasst. Rupert hatte ihr beim Anstecken gesagt, dass ihn die Farbe des Steins an ihre Augen erinnerte: blau wie ein sternenübersäter Nachthimmel.
Wie glücklich sie in diesem Augenblick gewesen war! Doch dieses Gefühl war im Augenblick wie weggeblasen.
Aber es wird wiederkommen, machte sie sich selbst Mut. Wir gehören zusammen, Rupert und ich. Bevor wir unser gemeinsames Leben beginnen können, müssen wir nur noch diesen einen Tag überstehen.
Die Anprobe für ihr Brautkleid fand im Haus ihrer Schwiegereltern statt. Irene hatte die Modistin mit einer Auswahl an Kleidern zu sich bestellt. Jetzt wählte sie einen Schleier aus, und Lisbeth nickte ihn ergeben ab, weil Widerworte ohnehin auf taube Ohren gestoßen wären.
Danach war ihre zukünftige Schwiegermutter an der Reihe, sich ein Kleid für den großen Tag auszusuchen.
»Du musst net bleiben«, entließ sie Lisbeth kühl. »Ich weiß schon, was ich suche, und brauche keine Hilfe bei der Auswahl.«
»Dann sehen wir uns später.« Lisbeth nickte und verließ das Ankleidezimmer.
Ihre zukünftigen Schwiegereltern lebten in einer eleganten Villa in einem Vorort von Salzburg. Mit seinen Erkern und Türmchen wirkte das Haus wie eine Burg aus einem anderen Jahrhundert. Dazu passte der verträumte Rosengarten, in dessen Mitte ein Springbrunnen sprudelte.
Lisbeth zog tief die herrlich frische Luft ein und genoss es, sich nicht mehr von einem Mieder eingeengt zu fühlen. Sie folgte dem sanft geschwungenen Weg zwischen den Rosenbeeten und spürte, wie die Last auf ihren Schultern ein wenig leichter wurde.
Wenn Irene dieses Kleid so wichtig war, würde sie es eben anziehen. Es war doch nur ein Kleid, nicht wahr?
Lisbeth seufzte leise, vergaß jedoch ihre Sorgen, als sie ihren Verlobten bemerkte. Er saß auf der Steinbank neben dem Springbrunnen, lehnte sich entspannt zurück und las auf einem E-Reader. Während Lisbeth auf ihre gedruckten Bücher niemals hätte verzichten können, liebte Rupert die moderne Technik und las nur noch elektronisch.
Mit seiner großen Statur und dem sportlich gestählten Körper, den er dreimal in der Woche im Fitnessstudio trainierte, war er umwerfend attraktiv. Sein Lächeln schien jeden Tag ein wenig heller zu machen.
Oh, wie sehr sie es liebte! Ebenso wie seine dunklen Haare, die so herrlich dicht waren, dass sie ihre Hände zu gern darin vergrub, während sie sich küssten.