1,99 €
Auch Männer träumen von der Liebe - Dr. Burger und ein durch und durch romantischer Patient
"Ich werde bald wieder zu Hause sein und dann den Hof übernehmen, weil ich es meinen Eltern schuldig bin. Aber ich tue es auch, weil ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mich wieder dort niederzulassen, wo meine Wurzeln sind.
Mit Ihnen, Herr Doktor, möchte ich gern ausführlich reden, sobald ich wieder da bin. Vorab gibt es aber etwas, das ich Ihnen schon in diesem Brief mitteilen will, denn es ist von größter Wichtigkeit.
Ich muss Sie nicht erst um Stillschweigen bitten, weil ich sowieso weiß, dass ich Ihnen hundertprozentig vertrauen kann. Und nun komme ich zum Kernpunkt dieses Briefes ..."
Das Geständnis, mit dem Marius Brandauer den Bergdoktor in den nächsten Zeilen konfrontiert, ist erschütternd, und Dr. Burger ist sich anschließend nicht mehr sicher, ob die Rückkehr in die Heimat wirklich die richtige Entscheidung ist ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 111
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Auch Männer träumen von der Liebe
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6765-2
www.bastei-entertainment.de
Auch Männer träumen von der Liebe
Dr. Burger und ein durch und durch romantischer Patient
Von Andreas Kufsteiner
»Ich werde bald wieder zu Hause sein und dann den Hof übernehmen, weil ich es meinen Eltern schuldig bin. Aber ich tue es auch, weil ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mich wieder dort niederzulassen, wo meine Wurzeln sind.
Mit Ihnen, Herr Doktor, möchte ich gern ausführlich reden, sobald ich wieder da bin. Vorab gibt es aber etwas, das ich Ihnen schon in diesem Brief mitteilen will, denn es ist von größter Wichtigkeit.
Ich muss Sie nicht erst um Stillschweigen bitten, weil ich sowieso weiß, dass ich Ihnen hundertprozentig vertrauen kann. Und nun komme ich zum Kernpunkt dieses Briefes …«
Das Geständnis, mit dem Marius Brandauer den Bergdoktor in den nächsten Zeilen konfrontiert, ist erschütternd, und Dr. Burger ist sich anschließend nicht mehr sicher, ob die Rückkehr in die Heimat wirklich die richtige Entscheidung ist …
Die Sonne war gerade erst aufgegangen.
Hanna blickte aus dem Fenster. Es würde wieder einer dieser makellos schönen Tage werden, die sie in diesem Sommer im Zillertal erleben durfte.
Nicht von ungefähr hatte sie sich entschieden, Salzburg für eine gewisse Zeit den Rücken zu kehren und dorthin zu gehen, wo hoffentlich alles ganz anders war als vorher. Es kam ihr darauf an, dass sie das schlimme Ereignis vergessen konnte, das wie ein Stachel in ihrem Herzen saß – oder es wenigstens zu verdrängen, damit sie zur Ruhe kam.
Hanna war aus Salzburg in die Zillertaler Bergwelt gekommen, in der tiefe Wälder, mächtige Gipfel, rauschende Wasserfälle und klare Bäche sich zu einem wunderbaren Naturerlebnis vereinten, einem Meisterwerk der Schöpfung.
Es fühlte sich unbeschreiblich an, am frühen Morgen barfuß durch die Wiesen zu laufen und in jedem Tautropfen eine glitzernde Kostbarkeit zu entdecken.
Noch war es still im Barockschloss der Familie von Brauneck. Auch vom angrenzenden Gut, auf das der Baron stets sein besonderes Augenmerk richtete, war kaum etwas zu hören, wenn man vom gelegentlichen Wiehern der Pferde absah.
Das Haflingergestüt lag Markus von Brauneck so sehr am Herzen, dass er sogar wichtige Termine verschob, wenn ein Fohlen zur Welt kam. Er gab zu, dass er sich nur ungern von einem Pferd trennte, das verkauft werden sollte. Aber natürlich konnten nicht alle im »Schlössl« bleiben, wie das Schloss samt Gut und Nebengebäuden genannt wurde.
Während der Baron einerseits bodenständig war, andererseits aber auch als charmanter Unterhalter und großzügiger Gastgeber galt, widmete sich seine feinsinnige Gattin Christine den »schönen Künsten«, zum Beispiel der Malerei und dem Theater, vor allem aber der Musik. Regelmäßig fanden Konzertabende im Schlössl statt.
Vor einigen Jahren hatte sich Christine von Brauneck mit diesen Musik-Events von einem stillen Kummer ablenken wollen. Denn ihr Mann war schönen Frauen gegenüber alles andere als gleichgültig gewesen. Erst nach der Geburt der heute sechsjährigen Tochter Ulrike, die ein reizender kleiner Wirbelwind war, hatte Markus von Brauneck das Ruder herumgerissen und sich seinen »Familienpflichten« gewidmet.
Wie es derzeit aussah, wusste niemand so genau. Aber das Ehepaar hatte sich arrangiert, Markus und Christine von Brauneck zeigten sich in der Öffentlichkeit harmonisch und bewahrten ansonsten Stillschweigen. Nur ganz wenige Freunde und Vertrauenspersonen, unter anderem Dr. Martin Burger und seine Frau, waren in einige private »Geheimnisse« des Paares eingeweiht.
Hanna war auf eine Annonce hin nach St. Christoph ins Schlössl gekommen und fand es herrlich, an diesem traumhaften Platz für eine begrenzte Zeit zu leben und zu arbeiten.
Zwar bewohnte sie derzeit nur ein großes Zimmer im Obergeschoss, aber schon bald würde sie in ins so genannte »Lehnshäusl« drunten im Dorf umziehen können.
Das »Lehnshäusl« gehörte zum Besitz des Barons, man hatte es renovieren und herrichten lassen, sogar ein schöner Rosengarten gehörte dazu.
Hanna hätte es nicht besser treffen können. Tagsüber auf dem Schlössl, nach Feierabend in dem urgemütlichen, kleinen Haus, das mit seinem Erker und dem hölzernen Bundwerk an vergangene Zeiten erinnerte, das kam ihrem Bedürfnis nach Harmonie perfekt entgegen.
Hannas Aufgaben waren vielfältig. Das gefiel ihr, denn je mehr Abwechslung sie hatte, desto weniger geriet sie ins Grübeln.
Sie kümmerte sich für die eine oder andere Stunde um die kleine Baroness Ulrike, wenn das Kindermädchen freihatte, sie assistierte der Hausdame, sie organisierte Einladungen und die meisten Termine, die im Schlössl anfielen. Obendrein übernahm sie wichtige Büroarbeiten.
Dass ihre Anstellung auf ein Jahr begrenzt war, fanden mittlerweile alle bedauerlich, vor allen Dingen Hanna selbst. Aber man hatte sie ja nur als Vertretung für Franziska Klieber eingestellt, die ein Baby bekommen hatte und vorerst daheimblieb, »Ich denke darüber nach, ob wir Sie weiterhin im Schlössl behalten, auch wenn Franzi wieder da ist«, hatte die Baronin neulich gemeint. »Sie können wirklich alles, Hanna. Hauswirtschaft, Sekretariat und vieles mehr bringen Sie mit leichter Hand unter einen Hut. Und dann noch Ihre geschmackvollen Dekorationen in unseren Räumen und Ihre großartigen Ideen, vor allem für meine Musikabende. Das beeindruckt mich sehr.«
Hanna lächelte verlegen. »Es macht mir Freude.«
Baronin Christine nickte. »Das spürt man bei allem, was Sie tun. Aber ganz besonders freue ich mich, dass Sie sich für Musik interessieren, denn ich habe gern Menschen um mich, die Verständnis für meine Musikbegeisterung zeigen. Und Sie lesen viel. Mir ist aufgefallen, dass Sie sich oft in unserer Bibliothek umschauen.«
Ich bin erst zwei Monate hier, dachte Hanna. Und dann schon so viel Lob! Es war ihr gar nicht recht, denn oft verblasste die Begeisterung ziemlich schnell.
Was würde die Zukunft bringen, jene Zeit, die noch im Dunkel kommender Tage lag? Hanna wollte eigentlich gar nicht darüber nachdenken.
Längst hatte sie aufgehört, ihr Leben auf geheimen Wünschen und Träumen aufzubauen.
Schade, dass sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren kaum noch wagte, sich in Gedanken an wunderschöne Traumplätze zu begeben. Sie hatte sich immer so gern vorgestellt, bis zu den Sternen zu fliegen oder unter Palmen an einem weißen, menschenleeren Strand aufs Meer zu schauen und darauf zu warten, dass jemand »Ich liebe dich« zu ihr sagte. Nicht irgendwer natürlich, sondern der eine, einzige Mann, der für immer bei ihr bleiben würde …
Mädchenträume und später die sehnsüchtigen Gedanken einer jungen Frau, wer kannte das nicht?
»Hanna«, hatte sie oft von ihren Eltern gehört, »träum nicht vor dich hin. Man muss die Realität immer vor Augen haben. Sonst kommt man nicht vorwärts im Leben. Mit beiden Beinen fest auf dem Boden bleiben, seinen Anker an einem Platz auswerfen, der gute Erfolgsaussichten bietet, nur das ist wichtig.«
Dass ihre Eltern die Dinge stets sachlich und schnörkellos betrachtet hatten, lag sicher daran, dass sie jeden Tag in Salzburg um Punkt acht Uhr in der Früh ihr Restaurant »Fasanengarten« mit dem dazu gehörigen Café »Mozartstüberl« aufgeschlossen hatten.
Für Tagträume war ihnen keine Zeit geblieben. Immer wach sein, immer auf dem Posten, nicht nachlassen! Nach arbeitsreichen Jahren so war einiges zusammengekommen, eine ansehnliche Geldsumme und Grundstücke, ein Wochenendhaus am Wolfgangsee übrigens auch, das aber wegen Zeitmangel meistens leer stand.
Inzwischen hatte Hannas Bruder den »Fasanengarten« übernommen, die Eltern Lindner schauten aber immer noch nach dem Rechten und hatten darauf bestanden, das »Mozartstüberl« auszubauen und zusätzlich eine Weinstube einzurichten.
Ruhestand? Alles, nur das nicht!
Sehr selten gönnten sich Hannas Eltern einen Urlaub, und wenn es dann doch mal so weit war, dann ging es zum Wandern nach Südtirol. Nur nicht irgendwo auf der Strandmatte liegen mit Palmwedeln, Sonnenöl und Meeresrauschen! Langweilig war das, nichts für Leute, die einfach nicht die Hände stillhalten konnten.
So dachten Hannas Eltern, und weil sie von Anfang an am gleichen Strang gezogen hatten, waren sie zufrieden mit ihrem oft sehr stressigen und von Zahlenkolonnen geprägten Leben. Abends hatten sie meistens noch selbst die Buchhaltung aufs Laufende gebracht.
Franz und Magda Lindner konnten bis heute nicht verstehen, dass ihre Tochter ganz anders war als sie und schon als Kind fantastische Ideen gehabt hatte: »Ich mag später mal zur Sonne und zum Mond hinauffliegen! Und dann such ich nach dem Paradies und dem ganz großen Regenbogen, denn der reicht um die ganze Welt. Dort wartet dann ein echter Prinz auf mich.«
Gut, dass Stefan, Hannas Bruder, auch nie etwas von Fantasie und Träumereien gehalten hatte, sondern in die Fußstapfen seiner Eltern getreten war.
Hanna hingegen hatte eine Haushaltungsschule besucht, hernach eine Sekretärinnen-Ausbildung absolviert und sich außerdem zur Erzieherin ausbilden lassen.
»Du weißt nicht, was du willst, Kind«, hatte ihr Vater sie getadelt. Aber bald war klar geworden, dass sich Hanna viele Möglichkeiten boten.
Vielleicht wäre sie noch lange am Mondsee in der Nähe von Salzburg geblieben, um mit besten Aufstiegschancen im »Haus Finkenbach« zu arbeiten, einem Kurheim für Menschen jeden Alters. Am See arbeiten, in Salzburg wohnen. Sie war zufrieden damit gewesen, es hätte sich nichts verändern müssen.
Aber dann war die Sache mit Benno passiert, und sie hatte sich schließlich entschieden, Salzburg zu verlassen. Doch die Erinnerungen verfolgten sie überallhin.
Durch Hannas Leben war ein Riss gegangen, der immer noch da war. Auch heute, an diesem sonnigen Julimorgen in den Bergen, fühlte sie sich plötzlich matt und deprimiert.
Die Albträume der vergangenen Nächte fielen ihr ein, qualvolle Bilder, vor denen sie panische Angst hatte. Diese düsteren Träume suchten sie sehr oft heim. Meistens begannen sie mit einem Blick auf Trümmerfelder. Dann sah sie die Straße an ihrer Salzburger Wohnung vor sich, sie hörte den Knall und das Bersten der Hausmauer, gegen die Benno mit seinem neuen Auto gefahren war …
Wenn sie dann erwachte, raste ihr Herz und sie weinte bittere Tränen. Auch hier, in diesem Bergidyll, verfolgten sie die Geister der Vergangenheit.
Ich muss irgendwann mit jemandem darüber sprechen und Hilfe suchen, ging es Hanna durch den Kopf.
Manchmal hatte sie allerdings wunderbare Träume gehabt, zuweilen wie aus einer anderen Welt.
Es war schon eine ganze Zeit her, dass sie sich jemandem ganz nah gefühlt hatte. Im Traum hatte sie leise mit einem Mann geredet, den sie aber in der Realität nicht kannte. Sie erinnerte sich daran, dass sie sein Gesicht berührt hatte, ganz sacht und behutsam. Es war unsagbar schön gewesen, seine tiefe Zuneigung zu spüren, die von weither zu kommen schien.
Aber gerade diese Träume waren im Licht des Morgens verweht, zerbrochen wie Glas. Alles, was das Herz berührte, ließ sich nicht festhalten …
Aber gab es nicht doch ein neues Zeichen der Hoffnung, ein kleines Licht auf ihrem Weg?
Heute Mittag wurde Alexander Gernheimer erwartet. Sein Besuch war der dritte, seitdem Hanna im Schlössl wohnte und arbeitete.
Baron Markus von Brauneck kannte Hartwig Gernheimer, Alexanders Vater, schon seit zehn Jahren. Beide waren ausgesprochene »Pferdenarren«. Und auch Alex kam, wie er betonte, besonders gern wegen der Haflinger aufs Schlössl. Außerdem hatte er Freunde im nahen Innsbruck, mit denen er hin und wieder auf Hüttentouren im Zillertal unterwegs war oder auch mal feierte.
»Unsere Partys sind stadtbekannt«, scherzte er oft.
Schon bei seinem ersten Besuch, der zwei volle Wochen gedauert hatte, war Hanna ein bisschen verwirrt gewesen. Und aus dieser Verwirrung war mehr entstanden, nämlich eine Schwärmerei.
Beim zweiten Besuch hatte Hanna sich in ihn verliebt und gespürt, dass Alex ihre Gefühle erwiderte. Küsse, Zärtlichkeiten, das Versprechen, sich nicht aus den Augen zu verlieren, das war für Hanna wie ein Neuanfang ihres Lebens gewesen. Aber dennoch war sie nicht so ganz aus ihrem Schneckenhaus herausgekommen. Ehe sie jemandem vertraute, musste sie sich ganz sicher sein.
Wenn sie an ihn dachte, schlug ihr Herz schneller.
Alex konnte professionell reiten, er saß völlig entspannt auf dem Pferd und sah dabei so gut aus, dass man ihn einfach anschauen musste, auch wenn man es eigentlich gar nicht wollte. Außerdem war er heiter und charmant. Auf die gebrandmarkte Hanna wirkten diese Eigenschaften wie Balsam auf eine Wunde.
Und nun kam er also wieder. Ihretwegen? Sie wusste es nicht mit Bestimmtheit, aber sie wünschte es sich sehr.
Angeblich wollte er zwei Pferde kaufen, eins für sich, ein weiteres war als Geschenk für eine Verwandte gedacht. Alex nannte nahe am Wörthersee ein Landgut sein eigen, ein sehr schmuckes Anwesen mit weitläufigen Wiesen, auf denen sich die Pferde wohlfühlen konnten. Er besaß schon einige Haflinger und bezeichnete seine »Rösser« als sein liebstes Hobby.
Alles zu schön, um wahr zu sein, dachte Hanna.
Ein tolles Landhaus, der Wörthersee war ganz in der Nähe, Pferde und Kutschen, ein Segelboot, zwei schnelle Autos und ein modernes Anwaltsbüro in Villach. Es war ein bisschen wie in einem Fernsehfilm am Sonntagabend, aber Alex hatte die Wahrheit gesagt. Keine Angeberei, kein leeres Geschwätz, das hatte er nicht nötig. Alles war echt, keine Fassade. Und dass er auffallend gut aussah, ließ sich auch nicht leugnen. Er sah im sportlichen Pulli oder Karohemd genauso gut aus wie im Abendanzug. Aber Einzelheiten aus seinem Leben gab er nicht preis.
Immerhin konnte er zärtlich sein. Hanna hatte seinen Küssen eigentlich ausweichen wollen. Aber was macht man, wenn ein fescher Mann einem ins Ohr flüstert: »Du bist so süß, Hannerl, sei doch nicht gar so abweisend zu mir!«
Es wurde Zeit, das Fenster zu schließen und sich für den Tag zu wappnen.
Ein heller Sommertag, an dem die Schatten aus Hannas Vergangenheit wenigstens für eine Weile verblassen würden.