Der Bergdoktor 1937 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1937 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Ein neues Zuhause für Max und Leonie - Wie sich Dr. Burger für zwei Waisenkinder einsetzte


Ein Notfall ruft den Bergdoktor zu einem abgeschiedenen Haus am Waldrand. Hierhin hat sich Wally Lechner mit ihren beiden Enkelkindern Max und Leonie zurückgezogen, seit ein Feuer den Hof zerstört hat. Die Eltern der Kinder sind in der Flammenhölle ums Leben gekommen.

Doch Wally ist schwer krank. Viel zu lange hat sie eine Untersuchung hinausgeschoben und ihre Symptome verdrängt - die häufigen Durchfälle, die Bauchschmerzen und die Blutungen. Aus Angst, man könne ihre Enkelkinder in ein Heim schicken, hat sie niemanden um Hilfe gebeten und sich eingeredet, alles wäre nicht so schlimm.

Doch das ist es: Dr. Burger diagnostiziert einen Tumor in ihrem Darm. Wally muss unverzüglich operiert werden.
In ihrer Not wendet sich Wally an den Paten ihrer Enkel und bittet ihn, die Geschwister eine Zeitlang bei sich aufzunehmen. Hannes war der beste Freund ihres Sohnes, aber er lehnt ihre Bitte rundheraus ab!

Mit Engelszungen redet Dr. Burger auf Wally ein, sich umgehend einer Operation zu unterziehen, doch sie will Max und Leonie keinem anderen Menschen als Hannes anvertrauen. Und langsam läuft ihr die Zeit davon ...

***

Im schönen Zillertal lebt und wirkt der Mann, den Millionen Leser und Fernsehzuschauer seit Jahren lieben: Dr. Martin Burger - Der Bergdoktor. Ein Mann, dessen persönliches Schicksal ihn empfänglich gemacht hat für die Probleme und das Leid seiner Mitmenschen. Ein Arzt, der stets bereit ist, das Äußerste für seine Patienten zu wagen. Das idyllische Dorf St. Christoph dient als Kulisse für die spannenden Geschichten. Hier ist Dr. Martin Burger eine soziale und moralische Instanz - ein aufrechter, geradliniger Charakter, der alle guten traditionellen Werte in sich vereinigt und selbstlos danach handelt.

Mit inzwischen über 1800 Folgen, einer Gesamtauflage von über 55 Millionen Exemplaren und einer gleichnamigen TV-Serie hat "Der Bergdoktor" längst den Gipfel der Berg- und Heimatromane erklommen. Eine echte Erfolgsserie!

Jede Woche erscheint eine neue Folge.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 124

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Ein neues Zuhause für Max und Leonie

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: FamVeld / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6768-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ein neues Zuhause für Max und Leonie

Wie sich Dr. Burger für zwei Waisenkinder einsetzte

Von Andreas Kufsteiner

Ein Notfall ruft den Bergdoktor zu einem abgeschiedenen Haus am Waldrand. Hierhin hat sich Wally Lechner mit ihren beiden Enkelkindern Max und Leonie zurückgezogen, seit ein Feuer den Hof zerstört hat. Die Eltern der Kinder sind in der Flammenhölle ums Leben gekommen.

Doch Wally ist schwer krank. Viel zu lange hat sie eine Untersuchung hinausgeschoben und ihre Symptome verdrängt – die häufigen Durchfälle, die Bauchschmerzen und die Blutungen. Aus Angst, man könne ihre Enkelkinder in ein Heim schicken, hat sie niemanden um Hilfe gebeten und sich eingeredet, alles wäre nicht so schlimm.

Doch das ist es: Dr. Burger diagnostiziert einen Tumor in ihrem Darm. Wally muss unverzüglich operiert werden.

In ihrer Not wendet sich Wally an den Paten ihrer Enkel und bittet ihn, die Geschwister eine Zeitlang bei sich aufzunehmen. Hannes war der beste Freund ihres Sohnes, aber er lehnt ihre Bitte rundheraus ab!

Mit Engelszungen redet Dr. Burger auf Wally ein, sich umgehend einer Operation zu unterziehen, doch sie will Max und Leonie keinem anderen Menschen als Hannes anvertrauen. Und langsam läuft ihr die Zeit davon …

Das Schwimmbad Tivoli war beliebt bei Groß und Klein. Die riesige Parkanlage im Herzen von Innsbruck bot nicht nur mehrere Schwimmbecken und eine grüne Liegewiese, sondern auch einen traumhaft schönen Ausblick auf die Tiroler Bergwelt.

Auch Gabi Fiechtl zog es an diesem Nachmittag ins kühle Nass. Sie schwamm mehrere Bahnen und genoss die Aussicht auf die schroffen Berggipfel.

Die Sonne ließ das Wasser glitzern und wärmte die Luft auf über dreißig Grad.

Gabi drehte sich auf den Rücken und trat Wasser, bis sie den Rand des Beckens erreicht hatte und sich an der Leiter nach oben ziehen konnte. Ihre hellblonden Haare waren zu einem Zopf gebunden. Der Badeanzug war blau und weiß geringelt und betonte ihre sommerlich gebräunte Haut. Gabi ging zu ihrer Decke hinüber und trocknete sich ab.

Schmetterlinge gaukelten über der grünen Hecke, welche die Liegewiese von den Becken trennte. Der sanfte Wind brachte den Geruch von chlorhaltigem Wasser, Sommerblumen und Sonnenmilch mit. Von der Wasserrutsche drang das fröhliche Quietschen der Kinder. Noch waren Ferien und das Bad dementsprechend gut besucht. Wo sonst ließ sich diese Hitze auch besser aushalten?

Gabi setzte sich auf ihre karierte Decke und verschränkte die Beine unter sich. Die warme Luft würde ihren Badeanzug im Handumdrehen trocknen. Sie angelte die Flasche mit dem Eistee aus ihrer Basttasche und trank einen langen Schluck. Dann nahm sie die Tageszeitung heraus und blätterte sie auf.

Es war herrlich, einmal nicht Anatomie und Arzneimittellehre pauken zu müssen. Während der vergangenen Wochen hatte es für Gabi nichts als Lernen und Prüfungen gegeben. Sie hatte nächtelang gelernt und dabei mehrere Pfund abgenommen, weil sie das Essen oftmals schlicht vergessen hatte.

Doch die Anstrengung hatte sich gelohnt. Sie hatte ihren Abschluss als Gesundheits- und Krankenpflegerin mit Auszeichnung gemacht. Im Herbst hatte sie eine Stelle im Landeskrankenhaus in Aussicht. Bis dahin wollte sie sich ein wenig erholen und neue Kräfte sammeln.

Sie überflog den Kulturteil mit den Lesetipps für den Sommer und blieb an einem Roman hängen, der von der Redaktion empfohlen wurde. Ein unheimlicher Thriller, der in einer abgelegenen Hütte am Meer angesiedelt war. In Gedanken machte sich Gabi eine Notiz, bei ihrem nächsten Stadtbummel nach dem Buch Ausschau zu halten. Beim Lesen konnte sie sich am besten entspannen.

Von der Decke neben ihr kam unvermittelt ein entrüstetes Schnauben. Eine Frau sonnte sich darauf. Sie trug eine Sonnenbrille. Ein Strohhut schützte ihren Kopf vor der Sonne. Ihre Lippen kräuselten sich missbilligend.

»Können die sich denn kein Zimmer nehmen?«, tadelte sie.

Gabi drehte den Kopf, um nachzuschauen, was die andere Frau so empörte. Ein paar Decken weiter lag ein Paar eng umschlungen und küsste sich. Sie schienen kurz davor zu sein, übereinander herzufallen.

Das war es jedoch nicht, was Gabi einen schmerzhaften Stich gab. Es war das Tattoo, das sich über die Schulter des Mannes ringelte. Ein kunstvoll gemalter Drache. Sie kannte ihn.

David! Ihr Herz verkrampfte sich. Offenbar war er nicht alleine hier. Von seiner Begleiterin waren lediglich eine rote Lockenmähne und ein knapper Bikini zu erkennen.

Gabi wandte hastig den Kopf ab, aber es war zu spät. Der Anblick des turtelnden Paares schien sich in ihre Netzhäute eingebrannt zu haben.

Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als David vor ihr gestanden und sie gefragt hatte, ob sie ihm den Weg zeigen könne. Auf ihre Frage, wohin, hatte er geantwortet: zu deinem Herzen.

Inzwischen wusste Gabi, dass das sein Standardspruch war, wenn er eine Frau näher kennenlernen wollte, aber an jenem bitterkalten Wintertag hatten sein unbekümmertes Lächeln und das Blitzen in seinen Augen sie verzaubert.

David konnte unendlich charmant sein – und genauso grausam, wenn ihm eine Beziehung zu eng wurde. Seine harten Worte gellten noch in ihren Ohren, obwohl es Monate her war, dass er sie ihr entgegengeschleudert hatte. Es ist vorbei, finde dich damit ab. Als könnte sie ihre Gefühle für ihn von einem Moment zum anderen einfach ausknipsen!

Gabi schluckte, aber der Kloß in ihrer Kehle ließ sich nicht vertreiben. Vielleicht sollte sie wieder nach Hause radeln. Sie hatte wirklich keine Lust darauf zuzuschauen, wie ihr früherer Freund seine neue Flamme in den Armen hielt. Dabei hatte sie den Nachmittag im Schwimmbad verbringen wollen.

Sie seufzte leise. Die Versuchung hinüberzuschauen war groß, obwohl sie das gar nicht wollte. Hastig beugte sie den Blick wieder über ihre Zeitung und blätterte weiter. Plötzlich blieb ihr Blick auf einer Stellenanzeige hängen.

Krankenpflegedienst sucht Verstärkung in St. Christoph/Zillertal.

Eine Anstellung im Zillertal?

War diese Anzeige vielleicht ein Wink des Schicksals?

Hier in Innsbruck bestand jederzeit die Gefahr, David über den Weg zu laufen. Die Stadt war nicht so groß, dass man sich nicht doch einmal wiedersah. Und jede Begegnung tat bitterlich weh. Womöglich wäre es ein Ausweg, fortzuziehen und woanders neu anzufangen? Warum eigentlich nicht?

St. Christoph, überlegte Gabi. Von diesem Ort hatte sie noch nie gehört, aber die Vroni aus ihrem Kurs hatte ihre Großeltern in der Gegend und oft von der Landschaft geschwärmt.

Das Zillertal musste wunderschön sein. Umgeben von hohen Bergen und grünen Almen. Der perfekte Ort für einen Neustart. Weit weg von David und dem Trubel der Stadt. Das könnte Gabi gefallen.

Je länger sie darüber nachdachte, umso stärker reizte sie die Idee, in die Berge zu ziehen. Sie war schon immer gern gewandert, und in St. Christoph würde sie sicherlich zahlreiche Wanderwege direkt vor der Haustür haben.

Einen Versuch ist es wert, dachte sie und nickte vor sich hin. Sie würde es wagen und sich für die Stelle bewerben. Vielleicht hatte sie Glück und würde angenommen werden. Dann wartete ein neues Leben auf sie.

Gabi suchte in dem Inserat nach einer Adresse für ihre Bewerbung, fand jedoch nur eine Telefonnummer und entschied sich, ihr Glück sofort zu versuchen.

Hoffentlich war die Stelle noch zu haben!

***

Über dem Zillertal lastete eine drückende Hitze. Die Luft schien zu flirren, und kein Windzug bot die ersehnte Abkühlung. Viele Urlauber suchten Erholung in den höheren Regionen oder am Ufer des Mühlbachs, der munter an den grünen Wiesen vorbeiplätscherte. Das Weidevieh suchte sich Plätze im Schatten und döste. Über allem lag ein träger Frieden.

In St. Christoph schienen die Uhren ein wenig langsamer zu ticken. Die meisten Bauern verlegten ihre Arbeit auf die kühleren Morgen- oder Abendstunden, sodass es tagsüber angenehm ruhig zuging.

Oben am Waldrand stand ein kleines Alpenhaus, das von einem hübschen Garten umgeben wurde. Sonnenblumen wippten hinter dem Zaun. Aus dem Stall drang das fröhliche Meckern von Ziegen. Von hier aus war das nahe Dorf nicht auszumachen. Lediglich die Spitze des Kirchturms ragte über dem Hügel auf.

Abgelegen war es, das Haus am Wald, aber das war Wally Lechner gerade recht so. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens hier verbracht.

Ihr Mann war Musiker gewesen und hatte seine Zuhörer mit seiner Zither und seinen schwungvollen Liedern den mühseligen Alltag für eine Weile vergessen lassen. Der Herrgott hatte ihn viel zu früh heimgeholt. Sein Herz war nicht gesund gewesen. Elf Jahre war es nun schon her. Wally konnte es kaum fassen. Wie die Zeit verging!

Vor einem halben Jahr hatte das Schicksal ihr auch noch den einzigen Sohn und die Schwiegertochter genommen. Ein Feuer war auf dem Hof der jungen Familie ausgebrochen. Steffen und Lisa hatten versucht, ihre Kühe aus dem brennenden Stall zu retten, aber das Stalldach war über ihnen zusammengebrochen. Die Feuerwehr hatte ihnen nicht mehr helfen können.

Seit dem Unglück hatte Wally keinen Fuß mehr in die Nähe des zerstörten Hauses gesetzt. Den Anblick hätte sie nicht ertragen. Die Ruine war inzwischen verkauft worden, und das Grundstück sollte neu bebaut werden. Wally wünschte den neuen Eigentümern mehr Glück, als es ihrem Sohn vergönnt gewesen war.

Seine beiden Kinder lebten nun bei ihr. Max und Leonie waren von Rettungskräften geborgen worden, ehe das Feuer Schlimmeres angerichtet hatte. Ihre beiden Enkelkinder waren Wallys einziger Halt. Für die beiden hielt sie alles aus, auch ihre Trauer und den Zorn auf das Schicksal, das ihren Sohn und seine Frau so früh aus dem Leben gerissen hatte.

»Omi?« Leonie sauste mit wippendem Röckchen heran und kaute unsicher auf ihrer Faust herum.

Wally wässerte gerade die Erdbeeren mit einem Gartenschlauch und drehte nun das Wasser ab.

»Was gibt es denn, Spatzerl?«

»Der Max … drinnen«, druckste die Vierjährige. Wally hatte das rote Kleidchen mit den weißen Punkten selbst genäht. Sie hatte es extra ein wenig länger gemacht, aber Leonie war schon wieder beinahe herausgewachsen.

»Was ist denn mit deinem Bruder?«

»Kannst du gucken?«

»Freilich.« Wally richtete sich auf und kniff sekundenlang die Augen zusammen, weil ihr wieder schwindlig war. Diese verflixte Hitze! Die bekam ihr einfach nicht. Sie ging ins Haus und folgte dem gedämpften Schluchzen ins Badezimmer.

Hier saß Max auf dem Vorleger und blickte ganz betreten auf. Der feuchte Fleck an seiner Hose verriet, dass ihm ein Malheur passiert war.

Mit seinen drei Jahren brauchte der Bub längst keine Windeln mehr, aber seit dem Feuer gab es doch hin und wieder eine Überraschung.

Wally holte frische Unterwäsche und eine saubere Hose aus dem Kinderzimmer und half ihrem Enkel dabei, sich zu waschen und umzuziehen. Die feuchten Sachen kamen gleich in die Waschmaschine.

»Tut mir leid«, wisperte Max.

»Ist schon gut, Maus.« Wally strich ihm über das Köpfchen. »Geh zu deiner Schwester hinaus in den Garten. Bis zum Abendessen könnt ihr noch spielen.«

Das ließ sich der Bub nicht zweimal sagen. Munter flitzte er hinaus.

Wally folgte ihm nach draußen. Leonie saß mit dem Kater auf dem Schoß auf der oberen Eingangsstufe und kraulte ihn.

»Gell, ich hab bald Geburtstag, Omi?«

»Nun, bis dahin sind es noch vier Monate.«

»Ist das lange?«

»Net mehr sehr lange. Nein. Du hast wohl schon einen Wunsch auf dem Herzen, Spatzerl?«

»Ein Radl«, brach es sehnsüchtig aus der Vierjährigen heraus. Ihre Augen glänzten. »Ich hätte so gern ein Radl.«

»Jesses, ein Fahrrad?« Wallys Hand fuhr an ihre Brust. »Das ist viel zu gefährlich. Wie oft werden arglose Radfahrer von Autos angefahren. Nein, Spatzerl, daraus wird nix.«

»Och bitte …« Leonies Augen glänzten, aber von einem Fahrrad für ihre Enkelin wollte Wally nichts wissen. Die beiden Enkel waren alles, was ihr geblieben war. Sie würde sie beschützen, was auch immer kam.

»Wir finden etwas anderes, das dir Freude macht«, tröstete sie das Madel und schleppte sich zur Gartenbank. Ihre Beine fühlten sich butterweich an nach dem langen Tag. Ihr Nähzeug lag schon bereit, ebenso der Korb mit Sachen, die geändert oder ausgebessert werden mussten.

Bei zwei Hosen von Max wollte sie den Saum herauslassen. An Leonies Rosenblüschen fehlte ein Knopf. Und für sich selbst musste sie einen Rock enger machen. Er rutschte ihr schon beinahe über die Hüften. Dabei hatte er im vergangenen Sommer noch wunderbar gepasst.

Wally fädelte mühsam einen Faden in die Nähnadel und machte sich ans Werk.

Eine Wäscheleine war zwischen den Apfelbäumen gespannt. Darauf hingen drei Nachthemden. Sie musste sie fast jeden Tag wechseln, weil sie nachts so stark schwitzte, dass sie schon Handtücher unterlegte, um ihre Matratze nicht völlig zu durchnässen. Und dieses Schwitzen hatte mit den Wechseljahren nichts zu tun. Da war sich Wally ganz sicher.

Wollte ihr Körper ihr womöglich irgendetwas mitteilen?

Schmarrn. Das musste am Sommer liegen, wischte sie den unliebsamen Gedanken energisch fort und stach die Nadel in den blauen Stoff ihres Rocks. Obwohl die Bäume ihr Schatten spendeten, schwitzte Wally aus allen Poren.

Der Sommer meinte es heuer fast schon zu gut. Tagsüber brannte die Sonne, und abends krachten häufig Gewitter. Auch jetzt ballten sich Unwetterwolken über dem Tal zusammen und verhießen nichts Gutes.

»Griaß dich, Wally!« Aus dem Tal stieg eine korpulente Frau mit roten Wangen und einem Weidenkorb unter dem Arm herauf. Fanny war die Haushälterin des Pfarrers, eine herzensgute Frau, die jedoch auch fuchsig werden konnte, wenn jemand schlecht über ihre Kochkünste redete.

»Mei, Fanny, hast du dich bei dieser Hitze auf den Weg hierher gemacht?«

»Es hilft ja nix! Der Herr Pfarrer ist sein Marillenkompott gewöhnt. Dafür brauche ich Nachschub an Früchten. Hast du mir eine Stiege bereitgestellt, Wally?«

»Freilich. Wie versprochen. Steht drinnen im Kühlen. Ich hole sie dir gleich. Magst du ein Glas Milch zur Erfrischung trinken?«

»Von euren Ziegen? Immer gern. Am liebsten schön kühl.« Fanny strich sich mit dem Handrücken über die Stirn.

»Das versteht sich. Setz dich ruhig schon. Ich bin gleich wieder da.« Wally stemmte sich vom Gartentisch hoch und schwankte kurz, weil ihr plötzlich schwindlig war.

»Geht es dir net gut?«, erkundigte sich ihre Besucherin alarmiert.

»Doch, doch.« Wally winkte ab. Sie mochte nicht darüber sprechen, was sie bedrückte. Schon gar nicht mit Fanny.

Die Wirtschafterin des Pfarrers war immer freundlich, aber sie konnte nichts für sich behalten. Das Tageblatt des Dorfes nannte Wally sie bei sich. Wenn man etwas über einen Nachbarn wissen wollte, war sie der richtige Ansprechpartner. Doch Wally mochte sich ihr Gebrechen nicht einmal selbst eingestehen. Geschweige denn ein Dorfgespräch daraus machen.

Eilig ging sie ins Haus und holte zwei Gläser mit kühler, sahniger Ziegenmilch. Auch die Lieferung Marillen für den Haushalt des Pfarrers brachte sie gleich mit nach draußen. Die Früchte waren saftig und süß und stammten aus ihrem eigenen Garten. Heuer war die Ernte besonders gut, denn die Spätfröste waren ausgeblieben, die sonst vielen Blüten den Garaus machten.