1,99 €
Ein halbes Leben will ich nicht - Nach dem Sturz spürt Betti ihre Beine nicht mehr
Nach einer großen Enttäuschung in der Liebe flüchtet sich die junge Grafikerin Bettina in die vermeintlich heile Welt der Zillertaler Berge. Doch schnell muss sie feststellen, dass ihr Herz auch hier nicht in Sicherheit ist. Ausgerechnet dann, als sie es am wenigsten erwartet, verliebt sie sich aufs Neue - diesmal in den charmanten und fürsorglichen Schäfer Lukas. Zum Glück scheint der ganz anders zu sein als ihr früherer Freund Clemens. Weder ist Lukas steinreich, noch glaubt er, sich deshalb alles erlauben zu können, und auch an anderen Frauen ist er nicht interessiert. Noch ahnt Betti nicht, dass sie sich zumindest in einem der Punkte schwer täuscht ...
Als sie es schließlich herausfindet, flüchtet sie sich - bitter enttäuscht - in die Berge und verunglückt dort schwer. Nachdem sie wieder zu sich gekommen ist, stellt sie erschrocken fest, dass sie ihre Beine nicht mehr spürt! Wer kann ihr jetzt noch helfen?
***
Im schönen Zillertal lebt und wirkt der Mann, den Millionen Leser und Fernsehzuschauer seit Jahren lieben: Dr. Martin Burger - Der Bergdoktor. Ein Mann, dessen persönliches Schicksal ihn empfänglich gemacht hat für die Probleme und das Leid seiner Mitmenschen. Ein Arzt, der stets bereit ist, das Äußerste für seine Patienten zu wagen. Das idyllische Dorf St. Christoph dient als Kulisse für die spannenden Geschichten. Hier ist Dr. Martin Burger eine soziale und moralische Instanz - ein aufrechter, geradliniger Charakter, der alle guten traditionellen Werte in sich vereinigt und selbstlos danach handelt.
Mit inzwischen über 1800 Folgen, einer Gesamtauflage von über 55 Millionen Exemplaren und einer gleichnamigen TV-Serie hat "Der Bergdoktor" längst den Gipfel der Berg- und Heimatromane erklommen. Eine echte Erfolgsserie!
Jede Woche erscheint eine neue Folge.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Ein halbes Leben will ich nicht
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: cokacoka / iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-7170-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Ein halbes Leben will ich nicht
Nach dem Sturz spürt Betti ihre Beine nicht mehr
Von Andreas Kufsteiner
Nach einer großen Enttäuschung in der Liebe flüchtet sich die junge Grafikerin Bettina in die vermeintlich heile Welt der Zillertaler Berge. Doch schnell muss sie feststellen, dass ihr Herz auch hier nicht in Sicherheit ist. Ausgerechnet dann, als sie es am wenigsten erwartet, verliebt sie sich aufs Neue – diesmal in den charmanten und fürsorglichen Schäfer Lukas. Zum Glück scheint der ganz anders zu sein als ihr früherer Freund Clemens. Weder ist Lukas steinreich, noch glaubt er, sich deshalb alles erlauben zu können, und auch an anderen Frauen ist er nicht interessiert. Noch ahnt Betti nicht, dass sie sich zumindest in einem der Punkte schwer täuscht …
Als sie es schließlich herausfindet, flüchtet sie sich – bitter enttäuscht – in die Berge und verunglückt dort schwer. Nachdem sie wieder zu sich gekommen ist, stellt sie erschrocken fest, dass sie ihre Beine nicht mehr spürt! Wer kann ihr jetzt noch helfen?
»Nix gibt’s!«
»Bitte, Vaterl …«
»Das kommt net infrage, Emil.«
»Aber alle Kinder aus meiner Klasse dürfen ein Haustier haben. Linus hat sogar zwei! Zwei Meerschweinchen.« Emil trat von einem Fuß auf den anderen. »Warum darf ich das net auch?«
»Weil ich es sag. Darum.« Sein Vater beugte sich noch tiefer über die geöffnete Motorklappe des Traktors und blickte nicht einmal hoch. Konzentriert werkelte er an dem Motor herum. Seine Hände waren längst schon schwarz vom Motoröl.
»Ein Meerschweinchen, Vaterl, bitte. Oder einen Hamster. Ich werde mich auch gut darum kümmern.« Emil ließ nicht locker. »Versprochen.«
»Wie lange würde das wohl gut gehen? Eine Woche oder zwei? Dann hätten deine Mutter oder ich die Arbeit mit dem Tier. Nein, Emil, wir haben genug Tiere auf dem Hof. Einen ganzen Stall voll. Um die kannst du dich kümmern, das muss reichen.«
»Aber das ist etwas anderes. Ich hätte so gern ein eigenes Haustier. Eines, das nur mir gehört.«
Das Letzte sagte Emil ganz leise, darum war er sich auch nicht ganz sicher, ob sein Vater ihn überhaupt hörte. Die Kühe im Stall waren nicht zum Liebhaben da, sondern zum Milchgeben und Schlachten.
Vor vielen Jahren hatte er einmal sein Herz an ein Kälbchen gehängt, das wenig später auf den Anhänger des Metzgers verladen und nie wiedergekommen worden war. Seitdem hütete er sich davor, die Kühe zu sehr zu mögen.
Ein Hamster wäre da schon etwas anderes. Den könnte er in seinem Zimmer halten, füttern und streicheln. Sie könnten Freunde sein.
Leider wollte sein Vater nichts davon wissen.
»Bitte …« Emil zupfte am Ärmel seines Vaters.
»Lass mich arbeiten, Emil. Ich muss den verflixten Traktor vor dem Abend wieder zum Laufen bringen und habe jetzt wirklich keinen Nerv für eine Unterhaltung. Geh ins Haus und mach deine Hausaufgaben.«
»Hab ich schon.«
»Dann spiel irgendetwas, hörst du?« Sein Vater angelte den Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten, ehe er wieder in den Tiefen des Motorraums verschwand.
Emil erkannte, dass weiteres Bitten seinen Papa nur aufbringen würde. Es war wohl besser, er gab es auf – vorerst zumindest.
Bekümmert ließ er die Schultern hängen und trollte sich davon.
Durch das offene Küchenfenster drang das Rattern der Nähmaschine. Seine Mutter saß wieder an einer Näharbeit. Mit ihren flinken Fingern nähte sie hübsche Kissenbezüge und Gardinen, mit denen sie das Bauernhaus wohnlich gestaltete. Nicht nur die Räume, die die Familie bewohnte, sondern auch die beiden Ferienwohnungen unter dem Dach.
Mit seinen zehn Jahren besuchte Emil die vierte Klasse der Volksschule von St. Christoph. In wenigen Tagen begannen die Sommerferien, deshalb gab der Lehrer ihnen kaum noch Hausaufgaben auf.
Ab Herbst würde Emil die weiterführende Schule unten in der Stadt besuchen. Darauf freute er sich schon, aber ein wenig bang war ihm auch, denn dann würde er in eine neue Klasse kommen. Zum Glück wechselten mit Linus und Tim seine beiden besten Freunde ebenfalls dorthin, sodass er einige vertraute Kameraden um sich haben würde.
Der Bauernhof seiner Familie stand ein wenig abseits vom Dorf an einer steilen Serpentinenkurve. Wenn Emil nach der Schule seine Freunde besuchen wollte, musste er eine halbe Stunde nach St. Christoph laufen.
Oder er nahm das Fahrrad, das seine Eltern ihm zum Geburtstag geschenkt hatten. Der Rückweg war allerdings so steil, dass er es den größten Teil der Strecke schieben musste.
Ein Bach plätscherte munter am Haus und an den Ställen vorbei. Emil saß gern am Ufer und schaute dem munteren Spiel der Libellen zu, die wie winzige Hubschrauber über das Wasser flogen. An diesem Tag schien es jedoch sogar den Insekten zu heiß zu sein, denn nicht eines ließ sich sehen.
Der Sommer zeigte sich seit Tagen von seiner besten Seite. Die Sonne ließ nicht nur die Geranien auf den Balkonen aufblühen, sondern auch Mutters Garten.
Die Berggipfel hüllten sich in leichten Dunst. Als Kind der Berge wusste Emil, dass das eine stabile Schönwetterlage verhieß. Es würde noch lange heiß bleiben.
Über der Eingangstür seines Elternhauses waren Geweihe angebracht – Trophäen, die sein Vater von der Jagd mit heimgebracht hatte. Emil dauerten die Tiere, aber wenn er das andeutete, schnaubte sein Vater nur und erklärte ihm, dass ihre Vorfahren schon immer in den Bergen gejagt hatten.
Emil vergrub die Hände in den Taschen seiner Latzhose und schlenderte durch das Gras. Ein Ziel hatte er nicht.
Seine Freunde hatten an diesem Nachmittag keine Zeit zum Spielen. Linus musste zum Geigenunterricht und Tim zum Zahnarzt.
Emil hätte in sein Zimmer gehen und dort spielen können, aber die Enttäuschung steckte wie ein dicker Klumpen Quark in seinem Hals und ließ sich nicht hinunterschlucken. Warum nur erlaubten seine Eltern ihm kein Haustier? Er war doch kein Baby mehr, sondern schon zehn! Er konnte sich um ein Tier kümmern.
Ein leises Schniefen entfuhr ihm, gefolgt von einem hellen Krächzen. Das allerdings kam nicht aus seiner Kehle, sondern von einem Vogel, der über ihm kreiste.
Emil legte den Kopf in den Nacken und blinzelte gegen das Sonnenlicht. Eine Krähe! Das schwarze Gefieder des Vogels und der rote Schnabel waren unverkennbar: eine Alpenkrähe.
Seine Großmutter mochte diese Vögel nicht. Unglücksboten nannte sie sie.
Emil erschauerte unwillkürlich, denn die Krähe schwebte weiterhin über seinem Kopf und stieß ein lautes Krächzen aus. Galt das etwa ihm?
Seine Nackenhärchen stellten sich vor lauter Schreck auf. Was hatte der Vogel denn gegen ihn?
Er blickte noch eine Weile nach oben, aber die Krähe zog nicht ab. Stattdessen gesellte sich noch eine zweite dazu.
Nun wurde es dem Buben mulmig zumute. Er wollte sich gerade umwenden und heimlaufen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ein kleines Federknäuel lag am Fuß einer windschiefen Kiefer. Ein Vogeljunges!
»Oh!«
Emil eilte zu dem Winzling hinüber. Das Junge hatte bereits Federn. Sie waren noch flaumig und standen zerzaust ab. Es flatterte mit den Flügeln, schien aber noch nicht fliegen zu können.
Als es den Schnabel öffnete, drangen helle Piepslaute heraus. Dem Bub wurde das Herz ganz weit.
»Wer bist denn du, hm?«
Er kniete sich hin und streckte einen Finger aus. Vorsichtig, ganz vorsichtig berührte er das flaumige Gefieder. Wie weich es war!
»Bist du etwa aus dem Nest gefallen?«
Emil schaute zwischen dem Nestling und den Krähen hin und her. Der rote Schnabel war ähnlich. Das hier musste eine junge Alpenkrähe sein, vermutlich war sie kaum wenige Wochen alt.
»Wenn du hier unten bleibst, holt dich der Marder.«
Emil hob den Jungvogel behutsam auf und barg ihn an seiner Brust.
»Ich werde dich mitnehmen und im Schuppen verstecken. Ich kenne eine Ecke, in die der Vater niemals schaut. Hab keine Angst. Ich werde mich gut um dich kümmern. Versprochen.«
Der Bub spürte, wie sich der kleine Vogel zittrig an ihn drängte. Er schien ihm zu vertrauen. Emil wurde warm vor Freude.
Die drängenden Rufe der beiden Vögel über ihm beachtete er gar nicht.
»Du wird es gut bei mir haben«, flüsterte er und ahnte dabei nicht, welches Verhängnis schon bald über sein Heimatdorf hereinbrechen sollte …
***
»Mei, Albin, dein Blutdruck gefällt mir gar net.« Besorgt zog Dr. Burger das Stethoskop aus seinen Ohren. »Die Werte sind viel zu hoch. Das ist mir ein Rätsel. Du bekommst Medikamente, die eigentlich besser anschlagen sollten.«
»Ja, nun, was das angeht …«
Der Bauer rieb sich das bärtige Kinn. In die dunklen Härchen mischten sich bereits vereinzelte graue Strähnen. Er blickte verlegen drein.
»Manchmal vergesse ich die Medikamente«, gestand er. »Ich muss jeden Morgen so zeitig raus, dass ich die Einnahme hin und wieder versäume. Wenn es mir abends einfällt, nehme ich mir vor, morgens auf jeden Fall daran zu denken, aber dann geht alles von vorn los.«
»Es ist wichtig, die Tabletten regelmäßig einzunehmen, sonst steigt der Blutdruck an, und das macht sich mit Kopfschmerzen und Schlafstörungen bemerkbar. Neben den Medikamenten sind auch eine gesunde, salzarme Ernährung und ausreichend Bewegung wichtig für dich.«
»Oh, Bewegung habe ich auf meinem Hof genug.«
»Das ist gut, aber ohne die Medikamente reicht das net aus. Auf Dauer können die hohen Blutdruckwerte deinen Körper schädigen. Vor allem das Herz. So weit dürfen wir es net kommen lassen.«
Martin Burger untersuchte seinen Patienten sorgfältig und machte ein EKG, um auf Nummer sicher zu gehen. Albin ließ alles geduldig über sich ergehen.
Die Praxis war im Anbau des Doktorhauses untergebracht. Dank der Jalousien war es in den hellen, modernen Räumen auch jetzt im Sommer angenehm kühl.
Martin Burger hatte die Praxis von seinem Vater übernommen und ausgebaut. Er liebte seine Arbeit und war bei gesundheitlichen wie privaten Sorgen für seine Patienten da.
Er studierte die Kurven des Messgerätes sorgsam und war beruhigt.
»Dein EKG sieht gut aus«, stellte er fest. »Es sind keine Auffälligkeiten zu entdecken. Aber bitte denk in Zukunft jeden Tag an die Einnahme der Tabletten, Albin. Das ist wirklich wichtig, wenn wir Folgeschäden vermeiden wollen.«
»Das werde ich. Versprochen, Herr Doktor. Schon, damit ich das verflixte Kopfweh loswerde.« Albin Palfinger stieß hörbar den Atem aus.
»Brauchst du ein neues Rezept?«
»Das wäre schön. Könnten Sie mir vielleicht auch etwas gegen Liebeskummer aufschreiben?«
»Gegen Liebeskummer? Hat es dich etwa erwischt, Albin?«
»Mich net, aber meine Patentochter, die Bettina. Ich hatte immer ein mieses Gefühl bei ihrem Freund, wissen Sie? Aber ich wollte nix sagen, weil sie so verliebt war, und nun haben wir die Bescherung: Sitzen gelassen hat der Bazi sie!«
»Das ist ja furchtbar!«
»Und ob.« Albin nickte. »Das Madel ist am Boden zerstört. Sie ist wie ihre Mutter: Sie verschenkt ihr Herz entweder ganz oder gar net. Der Clemens war ihr Traummann, und nun leidet sie fürchterlich. Ohne sie ist er in den lang ersehnten Urlaub gefahren – mit einer anderen.«
»Wie kommt sie denn damit zurecht?«
»Gar net, fürchte ich. Sie geht nimmer aus und verkriecht sich daheim, aber das tut ihr net gut. Ich würde ihr so gern helfen, aber ich komme leider nur selten in die Stadt, um sie zu besuchen. Sie ist einsam.«
»Vielleicht würde ihr ein Ortswechsel guttun? Manchmal können neue Bilder einem dabei helfen, schlimme Erinnerungen zu verarbeiten und den Blick nach vorne zu richten.«
»Eine Reise, meinen Sie? Ich weiß net, ob sie sich alleine dazu aufraffen könnte. Ich würde sie ja auch begleiten, aber ich kann meinen Hof net so lange alleinlassen.« Der Bauer zuckte traurig mit den Schultern.
»Und wenn du sie hierher einlädst? Die Berge haben oft eine heilsame Wirkung.«
»Das ist wahr … Ja, diese Idee hat etwas für sich. Darüber muss ich in Ruhe nachdenken. Vielleicht …« Der Bauer unterbrach sich, als vor dem Fenster des Sprechzimmers ein lautes Krächzen zu hören war. »Nanu, was ist denn da draußen los?«
»Das ist eine gute Frage.« Beunruhigt stand Martin Burger hinter seinem Schreibtisch auf, zog die Jalousie auf und spähte hinaus.
Was er dann erblickte, trieb ihm einen eisigen Schauer über den Rücken: Mehrere Krähen kreisten über der Dorfstraße und stießen unheilvolle Rufe aus!
»Diese verflixten Viecher.« Albin war neben ihn getreten und schnaufte hörbar. »Diesen Schwarm kenne ich! Heuer wüten die Krähen wie eine von den sieben biblischen Plagen. Ich habe schon zwei meiner Hühner an diese Biester verloren.«
»Die Vögel greifen deine Hühner an?«
»Oh ja. In diesem Jahr scheint es besonders viele von ihnen zu geben, vielleicht wegen des milden Frühjahrs. Kann sein, dass sie dadurch gut brüten konnten und sich besonders stark vermehrt haben. Ich weiß es net. Jedenfalls jagen sie meine Hühner und hacken ihnen die Augen aus. Es ist schlimm, Herr Doktor. Wirklich schlimm …«
Der Landwirt hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als von draußen plötzlich ein heller Hilfeschrei hereindrang.
Erschrocken fuhr der Bergdoktor zusammen.
Die Kinder!, schoss es ihm durch den Kopf. Sie spielen draußen im Garten!
Bestürzt fuhr er herum, stürmte aus seiner Praxis und blickte sich alarmiert um. Neben dem großen Birnbaum entdeckte er Filli und Klein-Laura, die sich bang hinter ihre große Schwester duckten. Tessa riss die Arme hoch und schützte damit ihr Gesicht – keinen Augenblick zu früh, denn eine Krähe schoss vom Himmel herab und flog geradewegs auf die Achtjährige zu!
Tessa schrie auf.
»Weg! Geh weg!« Martin Burger rannte zu seinen Kindern, wedelte mit den Armen und rief laut, sodass die Krähe krächzend aufstob und in den blauen Sommerhimmel verschwand.
»Papa!« Schluchzend warf sich Tessa in seine Arme. Sie zitterte am ganzen Leib.
Martin Burger hielt sie fest und murmelte leise, beruhigende Worte, ehe er sich sanft von ihr löste und ihre Verletzungen anschaute. Auf ihrem rechten Unterarm zeichneten sich zwei blutige Striemen ab. Der Anblick schnitt ihm ins Herz.
Prüfend schaute er sich nach seinen beiden anderen Kindern um. Ging es ihnen gut?
Filli und Klein-Laura waren schneeweiß im Gesicht. Filli stand stocksteif da. Sein Mund klappte auf und wieder zu, ohne dass ein Laut herauskam. Das Mauserl schniefte.
Albin Palfinger war dem Bergdoktor ins Freie gefolgt und hob das Mauserl auf seinen Arm. Er schaukelte die Zweijährige und murmelte beruhigende Worte. Mit der freien Hand strich er Filli über den Kopf.
»Alles ist gut, Kinder«, versicherte er dabei. »Der Vogel kann euch nix mehr tun. Ihr seid in Sicherheit.«
Tessa bekam vor lauter Aufregung einen Schluckauf.
»Es … hicks … ging alles so schnell«, schluchzte sie.
»Du warst sehr tapfer«, murmelte Martin Burger, dem der Schrecken noch in allen Gliedern saß. »Du hast deine Geschwister beschützt.«
»Warum waren die Vögel denn so böse, Papa?«
»Das weiß ich net. Vielleicht haben sie ein Nest in der Nähe und dachten, ihr wollt an ihre Jungen heran.« Martin Burger sah sich nachdenklich um, konnte jedoch kein Vogelnest ausmachen.
Doch das musste nichts heißen. Im nahe gelegenen Wald wäre jedes Nest gut getarnt.
»Komm mit in die Praxis, Spatzerl«, sagte er zu seiner Tochter. »Ich werde deinen Arm sauber machen und verbinden.«
»Soll ich derweil ein Auge auf die beiden Kleinen haben, Herr Doktor?«, fragte Albin ihn.
»Das wäre wunderbar. Wenn es dir nichts ausmacht? Meine Frau ist noch unterwegs, und Zenzi scheint noch net vom Einkaufen zurück zu sein.«
»Alles klar. Dann gebe ich auf die beiden Acht. Verarzten Sie Tessa in aller Ruhe.«
Albin ließ sich breitbeinig am Sandkasten nieder, setzte das Mauserl ab und winkte Filli zu sich heran.
»Was haltet ihr davon, wenn wir eine schöne Burg aus Sand bauen?«, schlug er dann vor. »Mit einem Geheimgang, versteht sich.«
»Kannst du so etwas?« Fillis Augen leuchteten auf.