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Durchgebrannt! - Warum Eva und Julius beschlossen, ihr Glück in der Fremde zu suchen
Für seine geliebte Eva würde Julius alles tun, sie ist der wichtigste Mensch in seinem Leben! Doch seiner Familie ist das mittellose Madel nicht gut genug. Nichts, was Julius sagt oder tut, kann die Meinung seiner Eltern ändern. Tapfer erträgt Eva alle Vorhaltungen und Zweifel in der Hoffnung, dass ihre Liebe die Familie eines Tages für sie einnehmen wird, aber die Situation spitzt sich immer weiter zu. Schließlich sieht das junge Paar keine andere Möglichkeit, als durchzubrennen. Die beiden möchten nicht ewig im Unfrieden leben und beschließen, in der Fremde ihr Glück zu suchen.
Während eines Unwetters stranden sie in St. Christoph. Julius ist verletzt, deshalb suchen sie den Bergdoktor auf. Dr. Burger behandelt nicht nur die Blessuren des jungen Mannes, sondern hilft den beiden Verliebten auch beim Start in ein neues Leben. Er vermittelt Julius einen Ausbildungsplatz, und Eva findet Arbeit als Magd. Endlich sieht es so aus, als würde sich für die beiden alles zum Guten wenden, doch da wird Eva schwer krank - und diesmal scheint nicht einmal mehr der Bergdoktor helfen zu können ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Durchgebrannt!
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-7490-2
www.bastei-entertainment.de
Durchgebrannt!
Warum Eva und Julius beschlossen, ihr Glück in der Fremde zu suchen
Von Andreas Kufsteiner
Für seine geliebte Eva würde Julius alles tun, sie ist der wichtigste Mensch in seinem Leben! Doch seiner Familie ist das mittellose Madel nicht gut genug. Nichts, was Julius sagt oder tut, kann die Meinung seiner Eltern ändern. Tapfer erträgt Eva alle Vorhaltungen und Zweifel in der Hoffnung, dass ihre Liebe die Familie eines Tages für sie einnehmen wird, aber die Situation spitzt sich immer weiter zu. Schließlich sieht das junge Paar keine andere Möglichkeit, als durchzubrennen. Die beiden möchten nicht ewig im Unfrieden leben und beschließen, in der Fremde ihr Glück zu suchen.
Während eines Unwetters stranden sie in St. Christoph. Julius ist verletzt, deshalb suchen sie den Bergdoktor auf. Dr. Burger behandelt nicht nur die Blessuren des jungen Mannes, sondern hilft den beiden Verliebten auch beim Start in ein neues Leben. Er vermittelt Julius einen Ausbildungsplatz, und Eva findet Arbeit als Magd. Endlich sieht es so aus, als würde sich für die beiden alles zum Guten wenden, doch da wird Eva schwer krank – und diesmal scheint nicht einmal mehr der Bergdoktor helfen zu können …
»Ich fürchte, wir haben uns verfahren.« Unsicher beugte sich Eva nach vorn und folgte mit den Augen der Serpentinenstraße, die sich vor ihnen bergauf schlängelte.
Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass sie Mayrhofen hinter sich gelassen hatten. Ringsum gab es nichts als einsame Wiesen und Felsen. Sie schienen beinahe allein auf der Welt zu sein inmitten des wild auf das Autodach trommelnden Regens und der Sturmböen, die am Wagen rüttelten.
Eva hatte ein flaues Gefühl im Magen.
»Hätten wir net längst das nächste Dorf erreichen müssen?«, fragte sie bang.
»Eigentlich ja«, gab Julius zurück, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
Er sprach ruhig, aber Eva kannte ihn gut genug, um die Sorge aus seiner Stimme herauszuhören. Seine Hände hielten das Lenkrad so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
Ihr Freund war von großer, kräftiger Statur. Seine dunkelblonden Haare waren stets leicht verwuschelt, als wäre er gerade erst aufgestanden.
Konzentriert schaute er auf die Straße. Dabei lag ein besorgter Ausdruck in seinen blauen Augen, die so gütig und liebevoll schauen konnten. Sie waren es gewesen, in die Eva sich als Erstes verliebt hatte. Seine Augen – und das verschmitzte Funkeln darin.
Wieder fauchte eine Sturmbö heran. Die Scheibenwischer schafften es kaum, die Regenmassen zur Seite zu schaufeln. Buntes Herbstlaub wurde über die Straße gewirbelt.
Sie kamen an einem windschiefen Heustadel vorüber, dessen Dach mit Steinen beschwert war. Kein Mensch war zu sehen, auch kein anderes Fahrzeug. Eva wünschte sich, sie würden endlich irgendwo ankommen, wo sie in Sicherheit waren, aber weit und breit gab es nur Einsamkeit und das tosende Unwetter.
Julius knipste das Autoradio an. Nur ein Rauschen drang aus den Lautsprechern. Ein paar vergebliche Knopfdrücke später gab er es auf und schaltete das Radio wieder aus.
»Kein Empfang«, murmelte er. »Könnte am Wetter liegen.«
Eva biss sich auf die Lippen. Die gewundene Straße war so schmal, dass sie sich unwillkürlich fragte, was sie tun sollten, wenn ihnen ein anderes Fahrzeug entgegenkam. Der Platz reichte nur für ein Auto. Links versperrte ein steiniger Hang den Weg, und rechts führte die Wiese steil bergab …
»Diese Straße kann unmöglich richtig sein«, sorgte sich Eva.
»Wir werden schon ankommen. Mach dir keine Gedanken. Wenigstens haben wir es hier drinnen trocken und warm.«
»Du findest an jeder Situation etwas Gutes, oder?«
»Ich versuche es.« Ein Lächeln schwang in seiner Stimme mit.
Sein fester, unverbrüchlicher Glauben an das Gute hatte Eva gleich gefallen. Julius war davon überzeugt, dass sich alles zum Besten fügen würde. Immer.
Eva wünschte sich manchmal dieselbe Zuversicht. Ihr selbst kam der dunkle, wolkenverhangene Himmel jedoch vor wie ein schlimmes Vorzeichen. Anstatt sonnig und bunt zeigte sich das Zillertal ausgesprochen trüb. Graue Schwaden zogen zwischen den Bergen hindurch.
War so die Zukunft, die auf sie wartete? Düster und kalt?
Der Druck auf Evas Brust wurde stärker. Julius und sie waren auf dem Weg in ein neues Leben, aber die Angst überwog die Vorfreude.
Es war über drei Stunden her, dass sie ihr Heimatdorf hinter sich gelassen hatten. Sie waren ohne ein festes Ziel losgefahren, nur mit der vagen Vorstellung, irgendwo in den Bergen ihr Glück zu suchen.
Hinter ihnen lagen monatelange Streitereien mit seinen Eltern. Für den Großbauern und seine Frau war Eva nicht die passende zukünftige Schwiegertochter. Das ließen sie sie auch spüren.
Irgendwann hatten Eva und Julius keinen anderen Ausweg mehr gesehen: Sie hatten alles Nötige in das Auto gepackt und waren losgefahren, ohne jemandem vorher davon zu erzählen. Nur eine Nachricht hatten sie zurückgelassen.
»Ach, du liebe Zeit!« Unvermittelt trat Julius auf die Bremse – so kräftig, dass Eva in ihren Sicherheitsgurt gepresst wurde. »Warte hier! Ich bin gleich wieder da!«
Er löste seinen Gurt und stieg aus. Kalter Wind fegte zur offenen Autotür herein und ließ Eva frösteln.
Ihr Freund lief im Licht der Scheinwerfer ein Stück voraus, bückte sich und hob etwas von der Fahrbahn auf: einen Igel! Er trug seinen Findling zum Straßenrand und setzte ihn ein gutes Stück entfernt an einer Hecke ab. Dann kehrte er mit langen Schritten zurück und stieg prustend wieder ins Auto.
»Mei, ist das ein Mistwetter!« Regenwasser rann ihm über das Gesicht. »Es würde mich net wundern, wenn Noah demnächst mit seiner Arche vorbeigeschippert käme!«
»So weit ist es zum Glück noch net. Du hast den Igel gerettet.«
»Na ja, der arme Kerl wäre sonst garantiert vom nächsten Auto überfahren worden. Bei diesem Regen kann man kaum ein paar Meter weit sehen. Es war ein Glück, dass ich ihn überhaupt entdeckt habe.« Julius schnallte sich wieder an, setzte den Blinker und fuhr weiter.
»Du bist ganz durchnässt«, stellte Eva fest und kramte die Thermoskanne aus ihrer Umhängetasche. »Möchtest du einen Becher Tee?«
»Da sage ich net Nein. Haben wir auch etwas zu essen?«
»Apfelschnitze und Topfenstrudel.«
»Nehme ich auch.«
»Möchtest du lieber den Apfel oder den Strudel?«
»Was genau meinst du mit ›oder‹?« Seine Augen blitzten vergnügt.
»Verstehe.« Schmunzelnd kramte Eva die beiden Dosen aus ihrer Tasche und reichte ihrem Freund zuerst ein Stück Strudel und danach einen Apfelschnitz.
Je höher sie in die Berge kamen, desto dichter wurden die Wolkenschwaden um sie herum. Unwillkürlich rieselte ihr ein Schauer über den Rücken.
Ihr Freund schien das zu spüren, denn er nahm seine rechte Hand vom Lenkrad und legte sie beruhigend auf ihre Linke.
»Alles wird gut«, sagte er sanft. »Wir beide können alles schaffen, wenn wir zusammenhalten.«
»Wir haben alles aufgegeben«, flüsterte sie. »Und wofür?«
»Für die Möglichkeit, ohne Zank zu leben. Ich bin froh, dass wir den Schritt gewagt haben. Es war höchste Zeit.«
»Aber wir wissen net, was kommen wird.«
»Wer weiß das schon? Wir werden zusammen sein, und das ist das Einzige, was für mich zählt. Ich hab dich so lieb, Eva. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben.«
»Und du in meinem. Ich möchte net, dass du es irgendwann bereust, dich meinetwegen mit deinen Eltern überworfen zu haben.«
»Ich hoffe, dass sie unsere Liebe irgendwann akzeptieren und sich mit uns freuen werden. Bis dahin …«
Weiter kam Julius nicht, weil unerwartet der Motor zu stottern begann. Ruckelnd rollten sie noch einige Meter weiter und blieben dann stehen.
Erschrocken sah Eva ihren Freund an. »Was ist passiert?«
»Ich weiß es net.« Er drehte den Zündschlüssel. Nichts geschah. »Am mangelnden Benzin kann es net liegen. Ich habe unten im Tal vollgetankt. Seltsam. Ich werde mir das mal ansehen. Bleib hier im Wagen, ja?«
Julius schaltete die Warnblinkanlage ein. Dann stieg er aus, warf die Tür hinter sich zu und öffnete die Motorhaube.
Angespannt blieb Eva sitzen, während ihr Freund werkelte. Ihr Herz klopfte wild gegen ihre Rippen.
Sie waren auf einer Fahrt ins Ungewisse, ein Sturm fauchte über sie hinweg – und nun hatten sie mitten im strömenden Regen auch noch eine Panne! Würden sie an diesem Tag überhaupt noch ankommen?
Julius kennt sich mit Autos aus, redete sie sich selbst gut zu. Er wird uns bestimmt bald wieder flottmachen. Dann können wir weiterfahren.
Sie verschlang ihre Finger ineinander und überlegte sich, wie sie ihrem Schatz helfen konnte. Leider hatte sie keine Ahnung von Autos, und einen Regenschirm schützend über ihn zu halten, war bei diesem Sturm vermutlich sinnlos, aber sie wollte es wenigstens versuchen.
Eva kramte ihren Schirm hervor, löste den Gurt und öffnete die Beifahrertür. Sie hatte den Fuß noch nicht aus dem Wagen gesetzt, als in der Nähe etwas lautstark krachte. Dann flog etwas Dunkles auf das Auto zu. Ein Ast! Der Sturm musste ihn von einem der nahe gelegenen Bäume abgerissen haben.
Plötzlich schrie ihr Freund gepeinigt auf.
Der Schrecken fuhr Eva in alle Glieder.
»Julius! Mei, geht es dir gut?«
Sie sprang aus dem Wagen. Sofort prasselte der kalte Regen auf sie nieder. Warum antwortete ihr Freund denn nicht?
»Julius?« Sie rannte um das Auto herum und schrie auf, als sie ihren Freund auf der Straße liegen sah.
Julius hatte die Augen geschlossen. Eine dunkelrote Flüssigkeit rann aus einer klaffenden Wunde an seinem Kopf. Der schwere Ast musste ihn direkt getroffen haben!
»Oh nein!« Eva beugte sich über ihren Freund und berührte behutsam seinen Arm.
Er reagierte nicht. Sein Blut sickerte auf den Asphalt und floss in einem dunklen Rinnsal fort.
Gehetzt schaute sich Eva um. Sie war fremd hier in der Gegend und hatte keine Ahnung, wie weit es bis zum nächsten Dorf war oder wo sich ein Krankenhaus befand.
Ich muss die Rettung anrufen, schoss es ihr durch den Kopf. Aber wie soll ich meinen Standort durchgeben? Ich habe keine Ahnung, wo wir uns befinden!
Zittrig fischte sie das Mobiltelefon aus ihrer Tasche und riss bestürzt die Augen auf. Kein Empfang! Nicht einmal der Notruf stand zur Verfügung. Lag es an den hohen Bergen? Oder war das Netz wegen des Unwetters ausgefallen?
So oder so saß sie mitten im Nirgendwo fest – ohne jede Möglichkeit, Hilfe zu rufen!
Gehetzt blickte sie sich um. Was sollte sie jetzt nur tun?
***
Das darf doch net wahr sein!
Martin Burger blickte ungläubig auf den Bildschirm seines Computers. Von einem Moment zum nächsten war der Monitor schwarz geworden. Und nicht nur das: Auch das Licht in seinem Sprechzimmer war unversehens erloschen. Das schummrige Halbdunkel dieses regnerischen Herbstnachmittags kroch in jeden Winkel seiner Praxis.
Er hatte gerade die Blutwerte des Pfarrers studiert, die vom Labor geschickt worden waren. Der Geistliche litt an einem Vitaminmangel, der unbedingt ausgeglichen werden musste.
Weiter war Dr. Burger bei der Auswertung noch nicht gekommen. Ein Druck auf den Einschaltknopf seines Computers blieb erfolglos. Auch die Schreibtischleuchte blieb dunkel. Offensichtlich war der Strom ausgefallen.
Martin Burger stand von seinem Schreibtisch auf. Draußen wehte der Sturm den heftigen Regen schwallartig gegen die Fenster des Doktorhauses. Laub wurde durch die Luft gewirbelt.
Auch die Bauernhöfe in der Nähe waren dunkel. Nicht einmal die Apotheke auf der gegenüberliegenden Straßenseite war beleuchtet, und selbst die Straßenlaternen waren aus. Offenbar war der Strom im gesamten Dorf ausgefallen!
Martin Burger blieb ruhig. Seine Sprechstunde war seit einer Stunde vorüber, und das war auch gut so, denn ans Arbeiten wäre bei diesen Lichtverhältnissen kaum zu denken. Ohne Licht, ohne den Computer oder seine technischen Geräte war seine Arbeit zwar nicht unmöglich, aber doch stark erschwert.
Seine Praxis befand sich im Anbau seines Hauses: Helle, moderne Räume waren es, die er von seinem Vater übernommen und ausgebaut hatte. Er liebte seine Aufgabe als Hausarzt und hatte immer ein offenes Ohr für seine Patienten.
Der Stromausfall beendete seine Arbeit für diesen Tag. Er entschied sich, Feierabend zu machen, schloss seine Praxis ab und ging durch den Flur hinüber ins Wohnhaus. Aus der oberen Etage waren die lebhaften Stimmen seiner Kinder zu hören.
Bei dem fröhlichen Geplauder huschte ein Lächeln über das Gesicht des Bergdoktors. Seine Familie war sein Ein und Alles.
Nachdem seine erste Frau unter dramatischen Umständen ums Leben gekommen war, hatte er lange Zeit allein gelebt und nicht an ein neues Glück geglaubt – bis er Sabine begegnet war. Die warmherzige Ärztin hatte sein Herz im Sturm erobert. Sie verstanden sich ohne Worte und hatten sich ein liebevolles Zuhause geschaffen, das ihre drei Kinder komplett machten.
Er hatte Durst, deshalb ging er in die Küche.
Sein Vater stand vor der geöffneten Kühlschranktür und zuckte sichtlich zusammen, als Martin eintrat.
»Oh, du bist es«, schnaufte er dann. »Ich dachte schon, Zenzi hätte mich erwischt, wie ich ihre Kuchenvorräte plündere.«
»Wolltest du net abnehmen?«
»Keineswegs. Zenzi redet mir allerdings dauernd zu, mein Gewicht zu reduzieren. Ich wünschte, das wäre so einfach. Es schmeckt mir einfach zu gut.« Pankraz Burger schloss die Kühlschranktür und ließ sich mit seinem Kuchenteller am Tisch nieder. Ein Lächeln huschte über sein bärtiges Gesicht. »Magst du auch ein Stück?«
»Hast du auch Kaffee dazu?«
»Nur Milch.«
»Die tut es auch.« Er nahm sich ein Glas Milch und setzte sich zu seinem Vater. Gemeinsam ließen sie es sich schmecken.
»Ich habe heute die Familienchronik vom Prechtle-Franz bekommen«, erzählte sein Vater. »Birgit hat sie vorbeigebracht. Ihre Familiengeschichte reicht über zweihundert Jahre zurück.«
»Ist ihr Hof wirklich schon so alt? Das hätte ich net gedacht.«
»Ich auch net. Ich hoffe auf interessante Details in den Aufzeichnungen. Vielleicht kann ich etwas davon verwenden.«
Pankraz Burger hatte ein Faible für Geschichte. Schon früher, als er noch selbst praktiziert hatte, hatte er jede freie Minute genutzt, um die Vergangenheit des Zillertals zu erforschen. Inzwischen hatte seine Chronik nicht nur einen beachtlichen Umfang, er hatte sogar ein kleines Heimatmuseum in der alten Sägemühle eingerichtet.
»Du solltest …« Martin Burger unterbrach sich, als unvermittelt jemand lautstark an die Haustür schlug.
Wumm! Wumm! Wumm!
Sein Vater wollte aufstehen, aber er winkte ab.
»Lass nur. Ich gehe nachsehen, wer draußen steht.«
Wumm! Wumm! Wumm!
Das hörte sich dringend an. Ein Notfall womöglich? Bei diesem Wetter lag diese Befürchtung nahe.
Martin Burger eilte in den Flur und öffnete die Tür. Er musste sie gut festhalten, weil der Sturm sie ihm beinahe aus den Fingern riss.
Ein kalter Regenschwall wehte ihm entgegen. Er blinzelte und erkannte eine junge Frau, die vor ihm stand und ihn flehend ansah.
Sie war alarmierend blass. Ihre Haare klebten ihr feucht und dunkel am Kopf, und ihre Augen waren weit aufgerissen.
»Helfen Sie uns, bitte«, stammelte sie.
Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Ein Wunder war das freilich nicht, denn ihre Jacke und die Jeans waren völlig durchnässt, und ihre dunkelblauen Ballerinas schienen alles andere als geeignet für einen Spaziergang im Regen zu sein.
»Ich heiße Eva Kofler. Mein Freund und ich sind mit dem Auto liegengeblieben. Julius wollte es reparieren, aber dann … ein Ast … er ist bewusstlos!«
»Wo ist das passiert?«
»Net weit von hier.« Sie deutete mit der Hand die Richtung an. »Ich wollte Hilfe rufen, aber ich hatte keinen Empfang, deshalb bin ich losgelaufen. Ich hab das Dorf gefunden und an der ersten Tür geklopft. Dort sagte man mir, dass es hier einen Arzt gibt, der uns helfen kann. Bitte, können Sie mitkommen?«