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Bei dir schöpfe ich Kraft
Dr. Burger und die bewegende Geschichte einer Freundschaft
Von Andreas Kufsteiner
Elisa kommt zurück! Endlich! Mila kann es kaum erwarten, ihre allerbeste Freundin seit Kindertagen wieder in die Arme zu schließen. Bestimmt hat Elisa in den vergangenen Monaten, die sie nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau im Ausland verbracht hat, jede Menge erlebt und ganz viel zu erzählen!
Doch schon bei der Begrüßung stellt Mila bestürzt fest: Elisa hat sich verändert! Sie ist viel dünner, erschreckend blass, und ihre Bewegungen sind irgendwie unkoordiniert. Und dann macht sie noch geheimnisvolle Andeutungen von einer Überraschung, die sie bald verkünden wird ...
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Bei dir schöpfe ich Kraft
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: 4FR / iStockphoto
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-7863-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Bei dir schöpfe ich Kraft
Dr. Burger und die bewegende Geschichte einer Freundschaft
Von Andreas Kufsteiner
Elisa kommt zurück! Endlich! Mila kann es kaum erwarten, ihre allerbeste Freundin seit Kindertagen wieder in die Arme zu schließen. Bestimmt hat Elisa in den vergangenen Monaten, die sie nach ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau im Ausland verbracht hat, jede Menge erlebt und ganz viel zu erzählen!
Doch schon bei der Begrüßung stellt Mila bestürzt fest: Elisa hat sich verändert! Sie ist viel dünner, erschreckend blass, und ihre Bewegungen sind irgendwie unkoordiniert. Und dann macht sie noch geheimnisvolle Andeutungen von einer Überraschung, die sie bald verkünden wird …
Über dem schmucken Alpenhof der Familie Birnauer leuchtete der Frühlingshimmel so blau und wolkenlos wie im schönsten Sommer.
Allerdings war es erst ein Tag Ende April, der ein bisschen zu warm für die Jahreszeit daherkam.
Aber wer hätte Einwände gegen das prächtige, milde Frühjahr gehabt? Nach den eisigen, schneereichen Wintertagen nahm jeder dieses großzügige Geschenk von Mutter Natur gern entgegen.
Die ersten bunten Schmetterlinge dieses Jahres, vor allem Zitronenfalter, nutzten das schöne Wetter für einen Ausflug durch den Garten hinter dem Hof.
Krokusse, Tulpen und Narzissen blühten im Schatten der hohen Buchenhecke, die sich im Winter als besonders nützlich erwies. Bei Eis und Schnee schützte sie vor rauen Winden und bot allerlei Vögeln in ihren dichten Zweigen eine sichere Zuflucht.
Bis zu den winterlichen Futterhäuschen im Garten war es von der Hecke aus nicht weit. Zum Dank für unzählige Nüsse, Sonnenblumenkerne und in Schmalz angeröstete Haferflocken in den kalten Wochen des Jahres wurde jetzt rund um den Hof emsig gezwitschert.
Die gefiederten Wintergäste hatten allen Grund zur Freude, denn ihnen standen statt Frost und rauem Wind endlich wieder sonnige Zeiten bevor. Besonders die Amseln bemühten sich, heuer besonders melodische Liedchen zu singen.
Frühling im Zillertal, das war ein Traum aus Licht, klarer Luft, frischem Grün, blühenden Wiesen und einem grandiosen Bergpanorama.
Wer ein bisschen Zeit erübrigen konnte, den zog es aus dem Haus nach draußen in die wunderbare Landschaft. Selbst eingefleischte Stubenhocker schnürten ihre Wanderschuhe und machten sich auf den Weg, um die Wunderwelt des Frühlings zu entdecken.
Mila, fünfundzwanzig Jahre jung und frisch wie eine Rose im Morgentau, strahlte mit der Sonne um die Wette.
Der idyllisch gelegene Tiroler Hof am Dorfrand von St. Christoph war ihr Zuhause und der schönste Platz der Welt für sie. Egal, wohin es die anderen Leute trieb, Mila beneidete sie nicht. Auch dann nicht, wenn sie um die ganze Welt düsten. Man musste es respektieren, wenn jemand gern ferne Länder erkunden wollte oder sich lieber im Hotel aufhielt als in seinem eigenen Heim.
Aber waren die Menschen, die öfter im Flugzeug saßen als in ihrem Sessel zu Hause, wirklich glücklich?
Natürlich war eine Reise hin und wieder eine willkommene Abwechslung, aber länger als zwei Wochen wollte Mila nicht unterwegs sein.
Daheim auf dem Hof fühlte sie sich geborgen, von Kindheit an waren die Berge ihre Freunde gewesen. Man konnte sich auf sie verlassen, denn sie waren immer da und bewachten das Tal und seine Bewohner. Mila erinnerte sich gern an all die Geschichten und Märchen aus den Bergen, die ihr die Ahnl einst erzählt hatte.
Heute hatte die hübsche Hoftochter schon früh damit begonnen, im Garten allerlei Kräuter anzupflanzen, die sie bereits in ihrem eigenen kleinen Treibhaus in Töpfe eingesät hatte.
Die Saat war gut aufgegangen, nun durften die Pflänzchen ins Freie. Falls es noch einmal ein bisschen frisch werden sollte, eventuell im Mai unter dem Regiment der „Eisheiligen“, genügte zum Schutz kurzfristig eine spezielle Abdeckfolie.
Mila hatte den sogenannten „grünen Daumen“. Sogar mickrige, halb verwelkte Stauden brachte sie wieder zum Blühen.
Jetzt wirbelte sie vergnügt am alten Steinbrunnen mit der Figur des heiligen St. Florian vorbei, der Haus und Hof vor Blitz und Feuer bewahren sollte und dem Anwesen seinen Namen gegeben hatte: Florians-Hof.
In St. Christoph sagte man kurz „beim Flori“, dann wusste jeder sofort, dass damit sowohl der Hof als auch die Familie Birnauer gemeint war.
„Hoppla!“, rief Mila, als sie am Gartenzaun fast mit Hans zusammenstieß, dem unentbehrlichen Helfer und Alleskönner. „Hans! Was stehst du denn da so umeinander?“
„Mit deiner gütigen Erlaubnis mach ich auch mal eine kleine Pause“, erwiderte er. „Bin seit halb sechs auf den Beinen, wenn’s recht ist. Wieso rennst du so kopflos herum, Madel? Du scheinst ja völlig aus dem Häuschen zu sein. Hast du das Glückslos in der Lotterie gezogen? Wie viel ist es denn? Eine Million?“
Mila lachte. „Ich brauch keinen Hauptgewinn, um mich zu freuen. Geld ist nicht alles. Wenn man sein gutes Auskommen hat, dann kann man zufrieden sein. Wozu muss man goldene Wasserhähne haben oder ein paar Mal im Jahr auf die Seychellen fliegen? Schau dir den blauen Himmel an, genieß die großartige Aussicht auf unsere herrlichen Zillertaler Berge und atme ganz tief durch. Einen besseren Rat kann ich dir net geben, Hansl. Die Frühlingsluft ist der reinste Jungbrunnen, so klar und gleichzeitig seidenweich!“
„Ich brauch noch keinen Jungbrunnen mit meinen neunundzwanzig Jahren und du auch net“, erwiderte Hans ein wenig mürrisch. „Die Luft muss für mich net seidenweich sein, das klingt übertrieben. Wie ein Gedicht.“
„Und du magst keine Gedichte?“
„Nein. Nur Gstanzln, wenn man sie perfekt vorträgt, also mit einer ordentlichen Musikbegleitung. Hackbrett oder Ziach, das macht sich gut. Gstanzeln haben eine lange Tradition, es wird Klartext gesprochen, vielmehr gesungen. Zum Beispiel übers Fensterln, wenn ein Bursch ein Madel liebt und net mehr warten will und so weiter. Gedichte sind immer so rührselig. Das pack ich net“, brummte Hans.
Mila lachte erneut. „Geh! Es darf doch auch ein bisserl ans Herz gehen, Hans. Man muss zu seinen Gefühlen stehen.“
„Das tu ich“, antwortete er. „Deshalb sag ich dir auch so oft, dass ich dich narrisch gern hab. Das hört sich net kitschig an, sondern einfach nur ehrlich.“
Seine Worte klingelten in Milas Ohren, aber es war eher ein unangenehmer Ton. Am liebsten hätte sie die Ohren zugeknöpft.
Hans war ein guter Mensch und ein verlässlicher Freund. Aber seine Hartnäckigkeit wurde mit der Zeit lästig. Die versteckten Annäherungsversuche, von denen er einfach nicht lassen konnte, gingen ihr nun schon eine ganze Weile auf die Nerven. Das wusste er auch, aber immer wieder stach ihn der Hafer.
Mila hatte ansonsten nicht das Geringste gegen Hans einzuwenden. Er war seit sechs Jahren auf dem Hof, offiziell als „landwirtschaftlicher Fachtechniker“, ein Beruf, der alle möglichen Tätigkeiten mit einschloss.
Er verstand sich vorzüglich auf sämtliche Arbeiten in der Landwirtschaft, auch auf Reparaturen jeder Art. Zum Ausgleich beschäftigte er sich in seiner Freizeit mit Schnitzarbeiten, so wie übrigens viele Burschen in St. Christoph.
Es gab inzwischen sogar schon einen „Künstlerkreis Holz und Hobby“, dem Hans natürlich angehörte. Demnächst war eine Ausstellung geplant. Hin und wieder bezeichnete sich Hans mit einem gewissen Stolz als „freischaffender Künstler“.
„Für mich bist du ein besonderes Madel, Mila“, beharrte er jetzt und haschte nach ihrer Hand. „Wenn du nix dagegen hast, möchte ich eine Marienfigur schnitzen, der ich dein Gesicht geben will. Sobald du Zeit hast, musst du mir Modell sitzen.“
„Ach, ich hab dauernd etwas zu tun“, hielt Mila dagegen. „Du kannst ein Foto von mir haben. Danach kannst du das Gesicht schnitzen. Aber bitte net gar so ähnlich, ich eigne mich nicht als Marienfigürchen. Mir ist eher nach Tanzen zumute.“
Sie drehte sich übermütig im Kreis, immer um den Hofhund Joschi herum, der vor lauter Begeisterung über dieses Spielchen ganz außer sich war.
Joschi vergaß sogar, dass es auf elf Uhr ging, Zeit für seine leckere Zwischenmahlzeit, die er sich täglich in der Küche bei der freundlichen Agnes abholen durfte.
Agnes versah auf dem Flori-Hof das wichtige Amt eines „Mädchens für alles“, wobei sie freilich schon längst kein Madel mehr war, sondern eine rundliche Mittvierzigerin mit diesen und jenen Erfahrungen, die sie gern zum Besten gab.
Freilich kannte inzwischen jeder ihr Dauerpech mit den Mannsbildern, sodass sie kaum noch Zuhörer fand, die sie vor den Tücken des Lebens warnen konnte.
Seitdem sie ihren langjährigen Dauerverlobten, den Giebl-Egid, vor einigen Monaten wegen Untreue und gewohnheitsmäßiger Geldverschwendung vor die Tür gesetzt hatte, widmete sie sich voll und ganz den vielfältigen Aufgaben bei der Familie Birnbacher.
Joschi sah auf den ersten Blick ein bisschen „höllisch“ aus, wie Hans scherzhaft behauptete. Wenn man freilich ein pechschwarzer Riesenschnauzer war und das Gebell daher auch tief und recht eindrucksvoll klang, konnte man natürlich nicht ausschauen wie ein Hunde-Engerl.
Aber wie so oft im Leben, war auch hier das Äußere nur Schein und hatte nichts mit den inneren Werten zu tun. Denn Joschi passte zwar gewissenhaft auf den Hof und seine Bewohner auf, aber neben dieser Wachsamkeit besaß er ein sanftes Gemüt und einen ausgeprägten Hang zum Spielen und Kuscheln, der gelegentlich sogar das normale Maß überstieg.
So konnte der treue Familienhund zum Beispiel tieftraurig werden und fast verzweifeln, wenn man ihn tagsüber nicht bei jeder Gelegenheit streichelte, ihn „gutes, braves Hunderl“ nannte und seine herzerweichenden Bettelblicke freundlich zur Kenntnis nahm. Für ein kleines Leckerli war er jederzeit dankbar.
Joschi wollte einfach nur, dass man ihn liebte. Milas Vater meinte immer: „So ein Hund ist halt auch nur ein Mensch!“
Hans beobachtete schweigend, dass Mila nun auch noch ein Stöckchen für Joschi warf, das schon eher ein Ast war. So etwas machte Spaß!
Der Vierbeiner raste davon, ein „schwarzer Blitz“, der gern noch stundenlang weitergespielt hätte. Den Stock legte er hernach artig vor Milas Füße und blickte sie erwartungsvoll an.
„Später, du vierbeiniger Lausbub“, sagte sie. „Ich hab noch einiges zu tun. Was ist mit dir, Hans? Du willst sicher auch wieder an die Arbeit gehen.“
„Du hast mir meine Frage noch net beantwortet“, fuhr er auf.
„Welche Frage?“
„Warum hast du mir vorhin net zugehört?“, fragte er gekränkt. „Ich wollte gern wissen, was dich so ausgelassen und fröhlich macht. Es kann ja net nur am Wetter liegen.“
„Nein, natürlich nicht“, gab Mila zu und nickte. „Dieser Bilderbuch-Frühling ist toll, ich fühle mich wie neu geboren nach dem langen Winter! Aber es gibt noch einen anderen Grund für meine gute Laune. Und dieser Grund ist wichtiger als alles andere.“
„Da bin ich ja mal gespannt.“
„Also: Morgen kommt Elisa heim nach St. Christoph“, gab Mila bereitwillig Auskunft. „Ich freu mich unglaublich, weil sie jetzt bestimmt lange hierbleibt und nicht wieder woanders eine Stelle annimmt. Ich hoffe, dass sie im Berghotel ‚Am Sonnenhang‘ arbeiten kann. Oder eventuell in Mayrhofen. Aber zuerst muss sie sich erholen und Kraft tanken, weil sie anstrengende Zeiten hinter sich hat.“
Hans seufzte.
Elisa …! Milas beste Freundin tauchte also wieder auf. Musste das sein?
Klar, sie war ein nettes Mädchen, blond, sehr hübsch, gescheit und zweifellos ehrgeizig. Das waren Pluspunkte, die man anerkennen musste. Aber im Gegensatz zu Mila verspürte Elisa offenbar den Drang, St. Christoph immer wieder zu verlassen, um etwas Neues zu entdecken.
Mila bedauerte es sehr, dass ihre Freundin von dieser Angewohnheit nicht lassen konnte. Doch der engen Mädels-Freundschaft, die schon im Vorschulalter begonnen hatte, tat das keinen Abbruch.
Wenn Elisa kommt, überlegte Hans grimmig, dann wird Mila mit ihr eine Menge unternehmen.
Die beiden würden dauernd zusammenhängen, schwatzen, herumalbern und so weiter – alles, was junge Frauen eben so machten. Dass sie über Männer reden und kichern würden, war eh klar.
Das klingt nach einem Albtraum, dachte Hans.
Zwei allerbeste Freundinnen, nach einem ganzen Jahr Trennung wieder zusammen unterwegs!
Wenn ein Sack Gold vom Himmel fiel, genau vor ihre Füße, dann würden sie es gar nicht merken oder sich nicht darum kümmern. Andere Leute hatten vorerst auch keine Chance, mit dem Freundinnen-Duo in Kontakt zu treten. Die Welt gehörte ab morgen Elisa und Mila, den Vorzeige-Freundinnen.
Mit anderen Worten, Hans würde vorerst nicht mehr zum Zuge kommen …
***
Eigentlich hatte er vorgehabt, Mila hin und wieder einzuladen, vielleicht zu einem der vielen Frühlingsfeste oder zum Tanzen, obwohl er die Tanzerei eigentlich nicht ausstehen konnte und sich die allergrößte Mühe geben musste, um möglichst leichtfüßig aufzutreten und nicht wie ein plumper Braunbär herumzutapsen.
Aber was tat man nicht alles für die holde Weiblichkeit! Frauen fanden es ja wunderbar, wenn ein Mann behauptete, ein guter Tänzer zu sein. Das war in früheren Zeiten so gewesen, und auch heutzutage hatte sich kaum etwas daran geändert.
Hans wollte seine Bemühungen um Mila noch nicht aufgeben. Es konnte ja sein, dass sie es sich doch noch anders überlegte und dann bereit war, mehr in ihm zu sehen als nur einen Freund und zuverlässigen Mitarbeiter auf dem Hof.
„Woran denkst du, Hans?“, fragte Mila. „Gibt’s Probleme?“
„Nein, eigentlich nicht“, stieß er hervor. „Elisa kommt also. Na ja. Hätte ich nicht gedacht. War sie nicht zuletzt in Südtirol, Meran oder so?“