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Wir geben bekannt ...
Warum die Verlobung von Tim und Melissa vielen ein Dorn im Auge war
Von Andreas Kufsteiner
Melissa ist von klein auf gewohnt, sich den Wünschen ihrer Eltern unterzuordnen. Selbst bei der Wahl ihres zukünftigen Mannes darf sie nicht auf ihr Herz hören, sondern muss tun, was der Vater entscheidet. Und der hat Alwin Meiersdorfer für seine einzige Tochter ausgesucht! Basta!
Für Melissa sind die Treffen mit Alwin furchtbar. Er ist ein poltriger Kerl und besitzergreifend. Dazu ist er hochmütig und, wenn er getrunken hat, ein Raufbold.
Da erscheint eines Tages in der Zillertaler Tageszeitung eine große Verlobungsanzeige: "Wir geben bekannt ..."
Doch der Name neben Melissa heißt nicht Alwin.
Eine Bekanntmachung mit verhängnisvollen Folgen, denn Alwin rastet völlig aus ...
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Wir geben bekannt …
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag / Anne von Sarosdy
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-7864-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Wir geben bekannt …
Warum die Verlobung von Tim und Melissa vielen ein Dorn im Auge war
Von Andreas Kufsteiner
Melissa ist es von klein auf gewohnt, sich den Wünschen ihrer Eltern unterzuordnen. Selbst bei der Wahl ihres zukünftigen Mannes darf sie nicht auf ihr Herz hören, sondern muss tun, was der Vater entscheidet. Und der hat Alwin Meiersdorfer für seine einzige Tochter ausgesucht! Basta!
Für Melissa sind die Treffen mit Alwin furchtbar. Er ist ein poltriger Kerl und besitzergreifend. Dazu ist er hochmütig und, wenn er getrunken hat, ein Raufbold.
Da erscheint eines Tages in der Zillertaler Tageszeitung eine große Verlobungsanzeige: „Wir geben bekannt …“
Doch der Name neben Melissas lautet nicht Alwin.
Eine Bekanntmachung mit verhängnisvollen Folgen, denn Alwin rastet völlig aus …
„Dann gehen wir also am Samstag in den ‚Ochsen‘ zum Tanz, Melissa“, sagte der junge Bauer Alwin Meiersdorfer und zwirbelte eine seidige Locke der hübschen, blonden Frau zwischen seinen Fingern, während er siegesgewiss auf sie herablächelte.
Sie saßen auf einem Heuballen auf der Tenne vom Meiersdorfer-Hof, der sich auf einem Plateau am Achenkegel erhob, einem der sechs steinernen Wächter um das Zillertaler Bergdorf St. Christoph.
Die zweiundzwanzigjährige Hoftochter seufzte innerlich. Das war keine Frage, es war ein Befehl, wie Alwin es immer tat, wenn er etwas durchsetzen wollte. Dabei war sie hergekommen, um ihn daran zu erinnern, dass sie am Samstag keine Zeit für ihn hatte, bevor er wieder Pläne machte, ohne sie vorher zu fragen. Und nun stellte er sie vor vollendeten Tatsachen.
Dabei wusste er von ihrer Verabredung mit ihrer Freundin Lori. Sie wollten einen Mädelsabend machen und sich im Kino einen Film ansehen. Doch Alwin duldete nicht, dass sie einen anderen Menschen seiner Gesellschaft vorzog. Nur deshalb hatte er einen Tisch im „Ochsen“ reserviert, der urigen Dorfwirtschaft von St. Christoph, obwohl er Tanzen hasste.
Sie dagegen tanzte leidenschaftlich gern, besonders, wenn die „Hexensteiner“ aufspielten, eine flotte Band von vier Bauernburschen, denen die Musik im Blut lag.
Aber Melissa wusste schon jetzt, dass sie keinen Spaß haben würde. Alwin würde sie wie seinen Besitz bewachen, und wehe, ein Bursche musterte sie einen Deut zu begehrlich, dann zettelte er gleich Streit an.
Außerdem widerstrebte es ihr, schon wieder nach seiner Pfeife zu tanzen. Er war so dominant. Doch sie war eine selbstständige, junge Frau und wollte auch nach der Hochzeit mit dem Jugendfreund ein eigenbestimmtes Leben führen.
Melissa straffte ihre zierliche Gestalt und antwortete so ruhig wie möglich: „Ich hab dir gesagt, dass ich am Samstag keine Zeit hab. Lori …“
„Wer ist dir wichtiger, Lori oder ich?“, blaffte Alwin ärgerlich über ihren Widerspruch. „Die Hexensteiner spielen nur noch dieses Wochenende auf. Danach sind erst wieder im August verfügbar, wenn das alljährliche Sommerfest im Dorf stattfindet.“ Er verengte die Augen. „Wer wirft mir denn ständig vor, ein Tanzmuffel zu sein? Jetzt mach ich dir die Freude, und nun ist’s auch wieder net recht.“ Er zog die Freundin begehrlich an sich und säuselte: „Ich bin stolz, bald das hübscheste Madel vom ganzen Hochtal zum Traualtar zu führen. Alle sollen wissen, dass du nun mein Weiberl bist.“
„Das ist der springende Punkt“, gab Melissa kühl zurück und entwand sich seiner Umklammerung. Diesmal ließ sie sich nicht einschüchtern. Herausfordernd blickte sie ihm die Augen. „Wer garantiert mir denn, dass du net wieder ausrastest, nur, weil ein anderer Bursche mich harmlos anlächelt.“
„Meinem Madel hat keiner Avancen zu machen, net mal harmlose“, grollte der stämmige Bauer und versuchte erneut, die Sträubende an sich zu ziehen. Doch sie wich abermals aus.
„Ich würde gern mit dir tanzen gehen“, gab sie zu. „Aber du vergällst mir jedes Mal den Spaß mit deiner Eifersucht.“ Sie tippte gegen seine muskulöse Brust. „Ich bin net dein Besitz, und mein Jawort hast du auch noch net. Also hör auf, von einer baldigen Hochzeit zu träumen!“
„Es ist beschlossene Sache, dass wir heiraten“, knurrte Alwin, während sich seine Miene noch mehr verfinsterte. „Unsere Eltern …“
„… haben die Verbindung arrangiert“, fiel ihm Melissa ins Wort. Sie seufzte tief und blickte den Freund wehmütig an. „Ich fürchte, wir machen einen Fehler, wenn wir uns dem Diktat der Eltern beugen, ohne uns wirklich zu lieben. Wir sind Freunde, aber mehr …“ Mutlos zuckte sie die Schultern.
Vor ein paar Monaten hatten die Eltern sie mit dem Arrangement überrascht, das sie in aller Heimlichkeit mit ihren Freunden getroffen hatten. Ihr Vater und Peter Meiersdorfer waren zusammen zu Schule gegangen und seither beste Kumpels. Auch ihre Mutter Maria und Peters Frau Lore waren dicke Freundinnen geworden. Was lag da näher, als ihre Kinder zu verbandeln?
Von klein auf gewohnt, sich den Eltern unterzuordnen, hatte Melissa sich auch nicht dagegengestellt und gehofft, dass sich ihre Zuneigung zu dem zwei Jahre älteren Jugendfreund schon noch in Liebe wandeln würde. Doch inzwischen kam sie immer mehr zu der Überzeugung, dass Alwin der absolut falsche Mann für sie war.
Gewiss, er war ein fescher Bursche mit seiner kräftigen, großen Gestalt und dem markanten, sonnengebräunten Gesicht. Auch war er arbeitsam, bewirtschaftete mit den Eltern den Hof, der dank der Geschäftstüchtigkeit von Peter Meiersdorfer zu den reichsten und schmucksten Gehöften in der Gegend gehörte.
Doch gerade das war Alwin zu Kopf gestiegen. Früher ein liebenswerter Bursche, kehrte er nun gern den stolzen Hoferben heraus und stieß mit seiner arroganten Art die Leuten vor den Kopf. Auch brauste er gleich auf, wenn mal etwas nicht nach seinem Willen ging, und war bereits als Raufbold verschrien, weil er Differenzen lieber mit den Fäusten klärte statt mit Worten.
Melissa war hingegen harmoniesüchtig und hasste Streit. Sie war eine empfindsame, junge Frau, die sich einen warmherzigen, bodenständigen Mann wünschte, bei dem sie sich geborgen fühlen konnte.
Aber sie wusste nicht, wie sie sich dem Wunsch der Eltern entziehen konnte, ohne diese zu enttäuschen. Sie hielten ihr vor, dass sie froh sein musste, eine so gute Partie mit dem jungen Meiersdorfer zu machen, da ihr drei Jahre älterer Bruder einmal den Hof übernehmen würde.
Dieser Hof befand sich nahe Bergfelden, einem Weiler, der zum Gemeindeverband St. Christoph gehörte, und stand ebenfalls auf seriösen Füßen. Die Eltern hatten sich auf die Zucht von Galloway-Rindern spezialisiert, deren Fleisch sehr begehrt war. Zwar würde Melissa eine gute Mitgift erhalten, aber trotzdem waren ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt nicht gerade rosig. Inzwischen wanderten immer mehr junge Burschen in die Stadt ab.
Melissa konnte sich nicht vorstellen, jemals in einer Stadt zu leben. Sie sehnte sich danach, eines Tages an der Seite ihres Mannes einen eigenen Hof zu bestellen. Dabei legte sie auch keinen Wert auf Geld und Ansehen. Ein netter Bursche, der sie liebte und mit dem sie glücklich sein konnte, war ihr wichtiger. Doch genau da fehlte es bei Alwin weit. Er wusste nicht einmal, wie sich Liebe anfühlte.
„Wir machen uns etwas vor, weil wir die Eltern net enttäuschen wollen, Alwin“, fuhr sie spröde fort, als der Bauer noch immer schwieg und nur brummig vor sich hinstarrte. „Aber es ist unser Leben, und wir müssen auf unser Herz hören, statt uns in eine Ehe drängen zu lassen, die uns vielleicht nur unglücklich macht.“ Sie strich mit den Fingerspitzen über die stoppelige Wange des Freundes. „Ich mag dich wirklich, Alwin, aber den sanften Burschen, den ich einmal kannte und net den bulligen Stier, der immer gleich rotsieht, wenn ihm mal was gegen den Strich geht. Lerne, deine Wut zu zügeln, dann sehen wir weiter. Im Moment brauche ich einfach Abstand.“ Sie stand auf.
Doch Alwin packte sie roh am Arm und drückte sie auf den Heuballen zurück.
„Ich bin‘s leid, wie ein liebeskranker Gockel um deine Gunst zu buhlen“, knurrte er. „Wir sind einander versprochen, dann fordere ich jetzt auch, was mir zusteht.“
Er umschlang die zierliche Frau und nötigte ihr einen Kuss ab. Als er noch zudringlicher wurde und Melissa ins Heu ziehen wollte, entwand sie sich geschickt seiner Umarmung und sprang abermals hoch.
„Lass das!“, fauchte sie und funkelte den Freund zornig an. „Ich hab dir schon mal gesagt, dass ich noch net so weit bin und …“
Alwin winkte mürrisch ab. „Hör auf mit der alten Leier, mir ist die Lust ohnehin vergangen.“ Er stand auf und fuhr mit der Hand über seine Haare, während er ätzte: „Du hast recht, wir sollten nochmals über unsere Verbindung nachdenken. Ich wünsche mir eine Ehefrau, mit der ich Spaß haben kann, und keine verklemmte Primadonna, die ich anbetteln muss, wenn ich zärtlich sein will.“
„Warum heiratest du dann net die Lisa?“, konterte Melissa spöttisch und ordnete ihre verrutschte Bluse. „Sie ist doch mehr als willig.“
Natürlich wusste sie, dass Alwin mit der jungen Magd ein Gspusi hatte, bevor die Eltern beschlossen hatten, ihre Kinder zu verkuppeln. Sie war sich auch nicht sicher, ob das Verhältnis noch immer bestand.
Doch das ließ sie völlig kalt und zeigte, wie wenig sie den Bauern tatsächlich liebte. Sie war ihm zugeneigt, und er war ihr Freund von Kindesbeinen an. Doch mehr war da nicht und würde wohl auch nie sein. Es wurde Zeit, dass sie sich vom Gängelband der Eltern löste, egal, wie sehr ihr diese das verübeln würden.
Alwin verzog geringschätzig die Lippen.
„Ich heirate doch nicht die unscheinbare Tochter eines Tagelöhners. Meine Bäuerin muss was hermachen. Man muss mich um sie beneiden und mich net bemitleiden, weil ich mich bei meiner Wahl von falschen Gefühlen leiten ließ.“
Er biss sich auf die Unterlippe. Jetzt hatte er verraten, dass er durchaus etwas für Lisa empfand. Sie war bei Weitem nicht so hübsch wie Melissa, aber auch nicht so spröde und entsprach mit ihrer etwas drallen Figur genau dem Frauenbild, das er bevorzugte.
Melissa war ihm mit ihrer zarten, fast zerbrechlichen Gestalt zu dünn. Sie weckte seinen Beschützerinstinkt, ließ ihn aber sonst ziemlich kalt, während Lisa sein Blut allein mit ihrem lockenden Lächeln in Wallung brachte.
Er wusste, dass sie ihn liebte und davon träumte, eines Tages seine Bäuerin zu werden. Doch das war nicht möglich. Seine Eltern wären mit dieser Wahl niemals einverstanden, und er selbst fand es ebenfalls unter seiner Würde, die einfache Magd zu freien, die nichts als ihre Arbeitskraft mit in die Ehe brachte.
Melissa hatte dagegen eine ansehnliche Mitgift zu erwarten.
Geld, das sie auch dringend brauchten. Der Vater hatte sich bei einem Geschäft verspekuliert, und nun stand der Hof längst nicht mehr so gut da.
Aber das wusste niemand, nicht einmal Melissas Vater. Nur Alwin kannte den wahren Grund, warum er die Jugendfreundin ehelichen sollte. Trotzdem hatte er sich nicht gegen das Ansinnen des Vaters gestellt, obwohl er zweifelte, Melissa jemals die Liebe entgegenbringen zu können, die sie sich wünschte.
Aber der Hof war ihm ebenfalls wichtig. Außerdem war er stolz, die hübscheste Frau im ganzen Hochtal zu freien, und sonnte sich im Neid der anderen Burschen, die sie ebenfalls begehrten. Deshalb würde er den Goldfisch gewiss nicht von der Angel lassen, zumal er sich seiner Gefühle für Lisa nicht wirklich sicher war.
Er begehrte die Magd, die ein Jahr jünger war als er mit seinen vierundzwanzig Jahren. Aber mehr war da nicht, egal, wie sehr sein dummes Herz ihn auch eines Besseren belehren wollte. Wenn er Lisa in den Armen hielt und ihren weichen Körper liebkoste, brannte eine Sehnsucht in ihm, die ihn verwirrte.
Trotzdem war sie die falsche Frau für ihn, und sobald er mit Melissa verheiratet war, musste Lisa den Hof verlassen, sonst würde er nur weiterhin ihren Verlockungen erliegen.
***
„Du solltest auf dein Herz hören“, sagte Melissa ernst und kletterte rasch die Leiter an der Tenne herunter, bevor er sie nochmals aufhalten konnte.
„Aber so warte doch, es ist doch längst net alles geklärt“, rief Alwin verwirrt. „Gehen wir nun am Samstag in den ‚Ochsen‘?“
„Ich gehe mit Lori ins Kino“, gab Melissa über die Schulter zurück. Ihre Stimme klang dabei so energisch, dass es Alwin nun aufgab, sie umstimmen zu wollen.
„Dann lade doch mich ein“, vernahm er da Lisas Stimme von unten her.
„Hast du uns belauscht?“, grollte er und stieg nun ebenfalls von der Tenne.
Lisa lachte rau. „Ich musste net lauschen, ihr wart laut genug, um euch nebenan im Stall zu hören.“ Sie legte den Kopf schief und musterte den jungen Bauern nachdrücklich. „Was ist, nimmst du mich an Melissas Stelle mit? Oder schämst du dich meiner Person? Die Tochter eines Tagelöhners ist dem gnädigen Herrn net gut genug. Aber als Gspusi bin ich dir schon genehm.“ Sie schnalzte verächtlich mit der Zunge.
Alwin seufzte. „Du weißt genau, dass aus uns kein Paar werden kann. Ich mag dich wirklich, Lisa, aber …“
Die Magd nickte resigniert. „Lass gut sein, Alwin, ich kenne meinen Platz. Leider erfüllen sich im wahren Leben keine Wünsche, und Aschenbrödel wird net vom Prinzen heimgeführt.“ Sie blickte den Jungbauern traurig an. „Wenn ich dich net so lieben würde, hätte ich dir längst den Laufpass erteilt, so, wie du mich behandelst. Aber weil ich hinter deine arrogante Fassade sehe und den guten Kern in dir entdecke, gebe ich die Hoffnung net auf, dass du doch noch erkennst, wer deine wahre Bäuerin ist.“
Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon.
„Lisa, bleib doch stehen“, rief Alwin und machte Anstalten, der Magd nachzulaufen. Doch dann hielt er verdrossen inne. „Weiber!“, schnaufte er und winkte verächtlich ab.
Die eine gab ihm einen Korb, und die andere hatte plötzlich moralische Anwandlungen.
So verletzlich hatte er Lisa gar nicht eingeschätzt. Auch wenn er um ihre Gefühle für ihn wusste, hatte sie es erstmals ausgesprochen und damit eine Seite in ihm gerührt, die er bisher nicht kannte. Nun fühlte er sich wie ein Schuft, weil er ihre Zuneigung ausnutzte ohne ihr jemals etwas zurückzugeben. Er musste das Verhältnis beenden, bevor er sich doch noch in seine Gefühle verstrickte und die falsche Entscheidung traf. Das würden ihm die Eltern verübeln.
Plötzlich fand sich Alwin, am Boden sitzend, vor. Er wusste nicht, was geschehen war. Ein gestandenes Mannsbild wie ihn warf doch so schnell nichts um.
Ein schneidender Schmerz in seiner rechten Wade ließ ihn aufstöhnen. Auch das noch! Er hatte bei seinem Sturz die Heugabel umgeworfen, die er zuvor an die Scheunenwand gelehnt hatte, und nun hatte sich ein Zinken in seine rechte Wade gebohrt.
Vorsichtig zog er die Gabel weg und begutachtete die Verletzung. Es war nur ein kleines Loch, das auch kaum blutete. Aber es war Schmutz hineingelangt. Er musste zum Arzt, bevor sich die Wunde noch entzündete.
Stöhnend rappelte er sich auf.
***
Die Praxis von Dr. Martin Burger, dem Landarzt von St. Christoph, befand sich in einem Anbau neben dem Wohnhaus.
Wie immer war auch an diesem Montagnachmittag das Wartezimmer voll. Alwin stöhnte verdrossen, als er den Vorraum betrat, wo die Tannauer-Bärbel, die tüchtige Sprechstundenhilfe, einem Bergbauern die Leviten las. Der störrische Alte wollte partout vorgezogen werden, obwohl er keinen Termin hatte.
Den hatte Alwin auch nicht, und ihm graute davor, im Warteraum zwischen all den Menschen eingekeilt auf seine Behandlung warten zu müssen. Die Wade schmerzte höllisch.
Inzwischen ahnte er, was der Grund für seinen Schwächeanfall war. Am gestrigen Abend war er auf ein Feierabendbier in den „Ochsen“ gegangen und hatte dabei ein bisserl zu tief ins Glas geschaut. Doch das würde er dem Arzt gewiss nicht auf die Nase binden. So verständnisvoll dieser auch war, Trunksucht verurteilte er.
Seltsam nur, dass ihm diese Blackouts immer häufiger passierten. Früher hatte es ihm nie etwas ausgemacht, wenn er mal über die Stränge schlug. Dann war er immer noch klar im Kopf gewesen. Doch nun schwankte er schon nach ein paar Bier wie eine Fahne im Wind.
„Was ist denn mit dir passiert?“, holte die Bärbel den jungen Bauern aus seinem Grübeln. „Du bist ja ganz blass um die Nase.“