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Maikönigin wider Willen
Warum die Bewohner von St. Christoph der schönen Larissa dennoch die Krone aufsetzten
Von Andreas Kufsteiner
Große Spannung herrscht im Saal des Berghotels, denn jetzt gleich wird Bürgermeister Toni Angerer zum Mikrofon greifen und verkünden, wer die Wahl zur Maikönigin gewonnen hat: "Ich will es kurz machen. Heuer hat eine junge Frau die meisten Wählerstimmen bekommen, die sich durch ihre selbstlose Hilfsbereitschaft an einer schwer erkrankten Mitbürgerin, durch ihre Freundlichkeit und ihren Einsatz für unsere Zillertaler Traditionen auszeichnet. Vermutlich wird sie gleich ein bisserl schockiert sein, wenn ich ihren Namen aufrufe, denn eigentlich wollte sie gar nicht an der Wahl teilnehmen. Das Ganze geschah also hinter ihrem Rücken. Doch ich hoffe sehr, dass am Ende die Freude überwiegt." Eine letzte kurze Spannungspause. "Und so bitte ich jetzt Larissa Reger zu mir, die ich hiermit zu unserer neuen Maikönigin kröne!"
Applaus. Glückwünsche. Umarmungen. Dann steht das Madel, das aus gutem Grund nie Maikönigin werden wollte, schluchzend auf der Bühne ...
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Maikönigin wider Willen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag / Anne von Sarosdy
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-7926-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Maikönigin wider Willen
Warum die Bewohner von St. Christoph der schönen Larissa dennoch die Krone aufsetzten
Von Andreas Kufsteiner
Große Spannung herrscht im Saal des Berghotels, denn jetzt gleich wird Bürgermeister Toni Angerer zum Mikrofon greifen und verkünden, wer die Wahl zur Maikönigin gewonnen hat: „Ich will es kurz machen. Heuer hat eine junge Frau die meisten Wählerstimmen bekommen, die sich durch ihre selbstlose Hilfsbereitschaft an einer schwer erkrankten Mitbürgerin, durch ihre Freundlichkeit und ihren Einsatz für unsere Zillertaler Traditionen auszeichnet. Vermutlich wird sie gleich ein bisserl schockiert sein, wenn ich ihren Name aufrufe, denn eigentlich wollte sie gar nicht an der Wahl teilnehmen. Das Ganze geschah also hinter ihrem Rücken. Doch ich hoffe sehr, dass am Ende die Freude überwiegt.“ Eine letzte kurze Spannungspause. „Und so bitte ich jetzt Larissa Reger zu mir, die ich hiermit zu unserer neuen Maikönigin kröne!“
Applaus. Glückwünsche. Umarmungen. Dann steht das Madel, das aus gutem Grund nie Maikönigin werden wollte, schluchzend auf der Bühne …
Simon und Larissa Reger taten alles, was in ihren Kräften stand, um das elterliche Anwesen zu erhalten und es möglichst noch zu verschönern, obwohl das im Original Tiroler Stil erbaute Bauernhaus eh schon einen schmucken Anblick bot.
Für den Hof verzichteten sie auf so manche freie Stunde, auch wenn es ihnen manchmal schwerfiel, sogar an den Wochenenden herumzuwerkeln. Umso mehr wussten sie es zu schätzen, wenn ihnen dann doch einmal genug Zeit blieb, um die Seele baumeln zu lassen oder an einem Fest teilzunehmen.
Es gab wohl nur wenige Geschwisterpaare auf der Welt, die sich so einig waren wie der junge Bauer vom Sternwinkel-Hof und seine Schwester. Wenn sie sich gelegentlich ein bisschen in die Haare gerieten, dann lösten sich die kleinen Hakeleien stets sehr schnell in Wohlgefallen oder sogar Gelächter auf.
Das Lachen hatten die zwei allerdings erst wieder lernen müssen, nachdem vor zwei Jahren dunkle Schicksalswolken über dem Hof im idyllischen „Sternenwinkel“ aufgezogen waren.
Dieser Name hatte eine besondere Bedeutung, denn es hieß in St. Christoph, dass nirgendwo im Tal die Sterne heller funkelten als hier.
Eine milde Nacht in diesem kleinen Paradies zwischen Hochbrunn, dem Bergwald und der Winkel-Alm, die von jeher zum Hof der Familie Reger gehörte, war ein romantisches Erlebnis.
Wenn im Frühling die goldgelben Trollblumen und die weißen Anemonen ringsum auf den Wiesen blühten oder im Juni unzählige Heckenrosen und weiter oben am Hang der flammend rote „Almrausch“, dann konnte man auf Reisen in ferne Länder gut und gerne verzichten, weil es nirgendwo schöner sein konnte. Und ein Luxus-Hotel konnte man sich erst recht sparen.
Die Schönheit der hochalpinen Landschaft, das großartige Bergpanorama und die unzähligen Bäche übertrafen jedes teure Wellness-Hotel. Kein Ozon-Sprudelbad und kein Whirlpool reichten an das kristallklare Vergnügen heran, das ein echter Bergbach zu bieten hatte.
Wer gerne den flinken Forellen zuschauen wollte, hatte hier ausreichend Gelegenheit dazu. Es war übrigens verboten, die Bachforellen zu angeln, wer es dennoch versuchte und erwischt wurde, musste eine satte Strafgebühr zahlen.
Vom Frühling war derzeit nur ein ferner Hauch zu spüren, nicht mehr als eine Ahnung, dass der Winter in einigen Wochen vorbei sein würde.
Simon und Larissa hatten noch mit Schneeräumen zu tun. Tatkräftige Hilfe erhielten sie vom Wiggl, dem treuen Knecht, und montags bis freitags zusätzlich von der Rosl, die seit zwanzig Jahren auf dem Hof werkelte.
Früher hatten die Kinder sie die „Märchentante“ genannt. Sie hatte den Geschwistern viele Geschichten aus dem Tal erzählt, zum Beispiel vom alten Köhler Rupp, der den Heiligen Nikolaus jedes Jahr als „Krampus“ begleitet hatte.
Damals war Larissa noch ein kleines Madel gewesen und hatte ans Christkind und die Engerln geglaubt. Und natürlich auch daran, dass der Nikolaus seinen „düsteren“ Begleiter aus gutem Grund mitbrachte. Ein bisserl schwarze Holzkohle im Gesicht und auf dem zerfledderten Wams, und schon hatte der Rupp zum Fürchten ausgeschaut.
Dabei war er in Wahrheit ein herzensguter Mensch gewesen. In seiner Rolle als „Krampus“, der in anderen Gegenden Knecht Ruprecht genannt wurde, hatte er den großen Sack geschleppt, aus dem St. Nikolaus sehr bedächtig die Geschenke hervorgesucht und an die braven Kinder verteilt hatte.
Gelegentliches Augenrollen, um Lausbuben wieder auf den rechten Weg zu bringen, war das einzige „Gefährliche“ am Krampus gewesen. Rupp hatte alle Kinder viel zu gern gehabt, um sie zu erschrecken – und das war natürlich auch im Sinne von St. Nikolaus gewesen. Ein bisserl Respekt hatte freilich nicht schaden können!
Simon und Larissa konnten jeden Tag sicher sein, dass der Wiggl und die Rosl treu zu ihnen standen. Wiggl wohnte auf dem Hof, die Rosl hatte sich vor ein paar Jahre bei ihrem Sohn Sebald drunten im Dorf einquartiert.
Und dann war da natürlich auch noch „Lux“, der immer zu allerlei Spaß und Spiel aufgelegte Border Collie, dem nichts wichtiger war als aufpassen und Ordnung halten.
Ihm entging nichts. Wenn sich auch nur ein einziges Huhn zu weit vom Hof entfernte, war Lux sofort zur Stelle und scheuchte das gackernde Federviecherl zurück.
Füchse, die sich bei Dunkelheit in unguter Absicht dem Hof näherten, suchten ihr Heil in der Flucht, sobald Lux gefährlich wie ein Wolf knurrte und sich von hinten anschlich. Er beherrschte den Wolf-Trick perfekt!
Es sah ganz danach aus, als ob auf dem Sternwinkel-Hof Trauer und Leid keinen Platz hatten. Aber das stimmte nicht.
Am heutigen Lichtmesstag zündete Larissa weiße Kerzen an, wie es in vielen Häusern üblich war. Spätestens jetzt merkte man: Die Tage wurden wieder deutlich länger.
Nach altem Brauch wurde offiziell an diesem Tag die Weihnachtszeit beendet. Im bäuerlichen Leben hatte man in früheren Zeiten zur Lichtmess die Knechte und Mägde für ein Jahr ausbezahlt, einige wurden kurzerhand entlassen, wenn der Bauer plante, neue Leute einzustellen.
Auf alle Fälle wusste man am Lichtmess-Tag aber auch, dass es nach und nach auf die schöne Frühlingszeit zuging, auch wenn es draußen noch stürmte und schneite.
In der Kirche wurde der 2. Februar als Symbol des „ewigen Lichts“ gefeiert. Kerzen, wohin man sah – in der schönen, alten Pfarrkirche von St. Christoph sah es fast noch ein bisschen aus wie Weihnachten, obwohl das Kripperl und die zwei geschmückten Tannen abgeräumt waren.
Das „Kerzerln“ lag der hübschen, blonden Larissa sehr am Herzen. Sie tat es nicht nur, um eine alte, lieb gewordene Tradition aufrechtzuerhalten, sondern seit zwei Jahren dachten sie und ihr Bruder zu Lichtmess ganz besonders an ihre verstorbenen Eltern.
Ausgerechnet an diesem Tag, an dem Licht und Helligkeit gefeiert wurden, waren Franz und Burga Reger tödlich verunglückt.
Nach einem Nachmittags-Besuch bei Freunden in Kufstein hatten sie noch daheim angerufen und ihre beiden Kinder zu einem Abendessen im Berghotel „Am Sonnenhang“ eingeladen: „Wir sind um sieben Uhr am Abend zurück, richtet euch schon mal ein bisserl fesch her, ihr zwei!“
Aber sie kamen nicht mehr daheim an.
Bei Blitzeis auf dem Heimweg nahe Mayrhofen hatte Franz Reger die Kontrolle über den Wagen verloren, der sich mehrfach überschlagen hatte. Das Ehepaar starb noch an der Unfallstelle.
Nach all den Tränen und der Trauer um die Eltern hatten Larissa und ihr Bruder sich zusammengerafft und das getan, was Vater und Mutter sich gewünscht hätten, nämlich den Hof weiterzuführen und das Erbe zu würdigen.
Nun saßen die beiden also wieder in der Stube. Die weißen Kerzen verbreiteten ein warmes Licht. Vor dem Foto der Eltern, das mit Immergrün-Ranken geschmückt war, lagen getrocknete Rosenblüten aus dem Hausgarten, die Larissa im Sommer gepflückt hatte.
Ihre Mutter hatte Rosen geliebt und immer davon geträumt, selbst einmal eine ganz besondere Sorte zu züchten. Dazu war es aber nicht mehr gekommen. Vielleicht gab es ja droben im Himmel einen Rosengarten für sie – es war tröstend, an so etwas Schönes zu glauben.
„Du weißt ja, dass ich net so rührselig bin. In dieser Beziehung komm ich nach unserem Vater“, wandte sich Simon an seine Schwester.
„Nicht rührselig, aber gefühlvoll bist du schon“, erwiderte Larissa. „Auch wenn du das nicht so deutlich zeigen willst. Ihr Mannsleut glaubt ja immer, dass euch ein Stein aus der Krone fällt, wenn ihr eure Gefühle zugebt.“
„Mag sein. Aber es ist gut und richtig, dass wir hier sitzen und uns an unsere Eltern erinnern, Lara.“
„Wir denken eh jeden Tag an sie.“
„Man vergisst seine Eltern nie“, nickte Simon. „Und ich glaub, dass Vater und Mutter stolz auf uns wären. Vater würde sagen: Immer nach vorn schauen und der eigenen Stärke vertrauen, darauf kommt es an! Wir halten uns daran. Den Sternwinkel-Hof wird es auch in Zukunft noch geben. Unsere Ahnen und unsere Eltern haben dafür gesorgt, dass der Hof zu einem ansehnlichen Besitz geworden ist. So und net anders soll es auch bleiben.“
„Das will ich auch, Simon.“ Larissa lächelte still in sich hinein. Vielleicht dachte ihr Bruder daran, dass irgendwann in absehbarer Zeit Nachwuchs in der schönen, alten Zirbenholzwiege liegen würde, die derzeit gut verpackt auf dem Dachboden stand.
Er hatte sich nämlich verliebt, ihr „großer“ Bruder. Natürlich redete er derzeit kaum darüber. Das war so seine Art – erst mal kein Aufhebens machen, schon gar nicht, wenn alles noch ziemlich neu war.
Aber dass ihm Veronika Pfaller aus dem Nachbardorf Mautz ausnehmend gut gefiel, konnte er nicht abstreiten. Warum hätte er sonst alles daran gesetzt, ein bisschen Extra-Freizeit herauszuschinden, um sich mit ihr zu treffen?
Die Vroni war lieb und nett, ein hübsches und herzliches Madel. Larissa drückte ihrem Bruder die Daumen. Er hatte es verdient, mit seinen achtundzwanzig Jahren endlich mal die „Richtige“ zu finden.
Und sie selbst? Wie stand es mit ihr?
Keine Ahnung, weshalb mir keiner gefällt, dachte Larissa.
Wenn es nicht funkte, dann ließ es sich nicht ändern. Es gab natürlich den einen oder anderen, mit dem sie sich ein bisschen näher befasst hatte.
Aber es war rasch vorbei gewesen, und zwar immer von ihrer Seite aus. Nicht, weil sie überheblich war oder zu große Ansprüche stellte. Sondern einfach nur deshalb, weil sie nie dieses gewisse Kribbeln und die Schmetterlinge im Bauch gespürt hatte, von denen die anderen schwärmten, wenn sie verliebt waren.
Woher hätten die Schmetterlinge auch kommen sollen, wenn sie sich noch nie wirklich verliebt hatte?
***
Larissa war nicht nur eine bezaubernde junge Frau mit ihrem blonden Haar und den irisblauen Augen, sondern auch warmherzig, hilfsbereit, offen und ehrlich. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie ihre Arbeit als Erzieherin im Kindergarten „Spatzennest“ aufgeben müssen, um sich auf dem Hof einzubringen. Aber wann immer es möglich war, schaute sie bei „ihren“ Kleinen vorbei.
„Es ist net alles so, wie es sein sollte.“ Simon tippte seine nachdenkliche Schwester an. „Ich meine damit, dass wir auf vieles verzichtet haben. Du bist fünfundzwanzig, ich achtundzwanzig. Es wäre an der Zeit, dass du …“
„Man kann nicht die Uhr stellen und sagen: So, heute verliebe ich mich und dann heirate ich so schnell wie möglich“, unterbrach Larissa ihren Bruder.
„Ich hab doch gar nichts vom Heiraten gesagt.“
„Ach, tu doch net so. Ich weiß doch, was du denkst. Nämlich, dass ich unter die Haube kommen soll.“
„Schmarrn. Ich will’s gar net, dass du zu irgendeinem Kerl ziehst und dann net mehr hier bist.“ Simon räusperte sich. „Es sei denn, du liebst ihn so sehr, dass es gar nicht anders geht. Das ist dann der absolute Ernstfall. Vielleicht könntest du dir aber mal unter die Leut gehen und ein bisschen Spaß haben. Abwechslung ist das Zauberwort. Ich hab ein bildschönes Schwesterchen, das dauernd nur daheim herumwerkelt und abends todmüde ins Bett fällt.“
„Und ich hab ein Brüderchen, das es genauso macht. Das heißt, es hat sich ja ein bisserl was geändert.“ Larissa blinzelte ihrem „Brüderchen“ zu. „Um es auf den Punkt zu bringen: Wie schaut‘s denn aus mit dir und der Vroni?“
Simon räusperte sich. „Welche Vroni?“
„Mit wie vielen Vronis triffst du dich denn?“
Er musste lachen. „Also gut, mit einer einzigen. Ja, sie gefällt mir. Du hast es ja schon längst gespannt, Lara. Aber bis jetzt – und da bin ich ganz ehrlich – weiß ich noch net richtig, was ich will.“
„Es könnte aber etwas Ernsteres sein mit euch beiden?“, bohrte Larissa weiter.
„Könnte oder auch net. Glaub mir, es ist alles noch am Anfang, und ich will mich net festlegen.“ Erneutes Räuspern. „Also gut, wir passen ganz gut zueinander, die Vroni und ich. Ich muss sie noch näher kennenlernen. Es heißt abwarten, was die Zeit bringt. Du kennst mich ja. In Gefühlsdingen bin ich vorsichtig.“
„Feigling! Du traust dich net!“
„Ja, ja. Das sagt die Richtige. Du hast ja bei jedem Burschen, der sich für dich interessiert hat, rasch wieder kehrt gemacht.“
„Es war langweilig, nichts Prickelndes.“
„Aha. Nun ja, wir sind schon zwei seltene Pflänzchen“, setzte Simon schließlich hinzu. „Was andere mögen, gefällt uns noch lange net.“