Der Bergdoktor 1974 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1974 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Auf dem Schmerzensweg zu dir - Dr. Burger auf der Spur einer seltenen Krankheit
Von Andreas Kufsteiner

Annamaria ist gerade dabei, das Gemüsebeet einzusäen, als wie aus dem Nichts ein wahnsinniger Schmerz durch ihren Rücken schießt. Zuerst brennt es wie Feuer, dann ist plötzlich alles taub. Sie kann sich nicht mehr bewegen, und sogar das Sehen fällt ihr schwer.
So liegt sie stundenlang völlig hilflos da, ehe ihr Mann, der auf der Alm war, sie endlich findet und den Bergdoktor alarmiert.
Dr. Burger geht zunächst von einer Neuralgie aus, dann von einem Bandscheibenvorfall. Aber dann bestätigt sich keine der beiden Diagnosen. Annamaria, die am Morgen noch eine gesunde, junge Frau war, geht es immer schlechter ...

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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Auf dem Schmerzensweg zu dir

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8014-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Auf dem Schmerzensweg zu dir

Dr. Burger auf der Spur einer seltenen Krankheit

Von Andreas Kufsteiner

Annamaria ist gerade dabei, das Gemüsebeet einzusäen, als wie aus dem Nichts ein wahnsinniger Schmerz durch ihren Rücken schießt. Zuerst brennt es wie Feuer, dann ist plötzlich alles taub. Sie kann sich nicht mehr bewegen, und sogar das Sehen fällt ihr schwer.

So liegt sie stundenlang völlig hilflos da, ehe ihr Mann, der auf der Alm war, sie endlich findet und den Bergdoktor alarmiert.

Dr. Burger geht zunächst von einer Neuralgie aus, dann von einem Bandscheibenvorfall. Aber dann bestätigt sich keine der beiden Diagnosen. Annamaria, die am Morgen noch eine gesunde, junge Frau war, geht es immer schlechter …

Sehr zeitig an einem Morgen Mitte Mai verließ Sabine Burger das Doktorhaus in der Kirchgasse von St. Christoph, um in aller Ruhe eine Runde zu laufen.

Die sportliche Ärztin mit den glänzenden blonden Haaren und den warmen, rehbraunen Augen hatte sich dies zur Gewohnheit werden lassen. Zumindest wenn das Wetter so schön und angenehm war wie im sprichwörtlichen Wonnemonat. Und bevor der Tag mit all seinen Pflichten für die Bewohner des Doktorhauses von St. Christoph begann.

Noch versteckte sich die Sonne hinter dem Horizont, aber ein erster Widerschein von Licht schimmerte bereits durch das frisch grüne Laub der Bäume im nahen Krähenwald, und ein Rotschwanz sang vom Hausfirst aus sein kratziges Lied.

Sabine atmete die kühle, würzige Bergluft tief ein und begann, sich völlig wohl und entspannt zu fühlen. Während sie mit gleichmäßigen Bewegungen durch den frühen Morgen joggte, wurde ihr Kopf frei von Gedanken oder Überlegungen, und es dauerte nicht lange, bis sie sich eins fühlte mit der herrlichen Natur des Zillertals.

Obwohl Sabine Burger eine gebürtige Wienerin war, betrachtete sie St. Christoph längst als ihre Heimat. Hier hatte sie ihr Glück gefunden in der Ehe mit Dr. Martin Burger, dem Bergdoktor, wie die Menschen im Tal ihn respektvoll nannten. Nirgendwo anders wollte sie noch leben, denn sie hatte Wurzeln geschlagen, wie es so schön hieß.

Mit wachen Augen genoss sie die Majestät der Bergwelt, die sie umgab und die ihr zu so früher Stunde ganz allein gehörte.

Sechs Berge umstanden das Dorf wie steinerne Wächter. Sie schützten das Tal vor rauen Winden und Spätfrösten, was die Landwirtschaft begünstigte und ein angenehmes Klima schuf.

Die höchste Erhebung war der Feldkopf. Eine Kabinenbahn führte vom Wanderparkplatz aus zu seinem Gipfel. Droben gab es in der Feldkopfhütte Übernachtungsmöglichkeiten für Tourengänger und eine gute regionale Restauration. Im Winter fand hier ein weit über die Region hinaus bekanntes Abfahrtsrennen mit den Größen des Skisports statt. Der Gletscher war ebenso gefürchtet wie die Klamm wegen der tiefen Felsspalten, allerdings beliebt bei Bergsteigern, die die Herausforderung suchten.

Dr. Martin Burger war ein exzellenter Kletterer. Bereits seit seiner Jugend war er ein Ass am Berg und hatte mittlerweile nicht nur unzählige anspruchsvolle bis schwierige Bergtouren privat gemeistert. Bei Rettungseinsätzen mit der Bergwacht bewies er auch heute noch, mit Anfang fünfzig, dass ihm am Berg keiner etwas vormachen konnte.

Neben dem Feldkopf erhob sich der Hexenstein mit seinen beiden Gipfeln, um dessen Fuß sich der Krähenwald schmiegte.

Frauenhorn, Achenkegel, Rautenstein und Beerenhalde vervollständigten den Reigen aus blankem Fels und bewaldeten Höhenlagen.

Doch es waren nicht nur die Berge, die St. Christoph vom Rest der Welt mit all ihrem Getriebe und ihrer Hektik abschirmten. Es waren auch die Lage des Dorfes und nicht zuletzt die Mentalität der Menschen, die hier lebten.

St. Christoph lag ganz am Ende des Zillertals in einem ruhigen Seitental und war nur über eine schmale, kurvenreiche Bergstraße zu erreichen. Die Häuser und Gehöfte, die sich um das weiße Gotteshaus im Ortskern reihten, waren gepflegt.

Das freie Bauerntum hatte eine lange Tradition und die sprichwörtliche Tiroler Gastfreundschaft drückte sich in ihrer schönsten Form im Berghotel „Am Sonnenhang“ aus.

Große Hotelbauten, aufwendige Skilifte oder sonstige Zugeständnisse an den Massentourismus suchte man in St. Christoph vergeblich. Die Menschen wollten nichts wissen vom schnell verdienten Geld mit all seinen üblen Folgen. Sie legten Wert auf Tradition, waren bodenständig und bewahrten die Natur, die anderswo so gnadenlos verheizt wurde.

Als Sabine zum ersten Mal hierhergekommen war, damals, als sie Martin Burger begegnet war, hatte sie ihre Tante Rika besucht. Die pensionierte Studienrätin hatte sich hier ein Haus gekauft, um ihren Ruhestand zu genießen.

Sabine war neugierig gewesen. Sie hatte nur das Stadtleben gekannt, war als junge und tüchtige Anästhesistin in einer großen Klinik angestellt gewesen und hatte all das für selbstverständlich genommen.

Auf den ersten Blick hatte sie sich in die einmalig schöne, majetätische Bergwelt verliebt. Die Ruhe und Beschaulichkeit hatten sie überwältigt. Und dann war ihr hier auch noch, weit ab von allem, was ihr zuvor wichtig gewesen war, der Mann ihres Lebens begegnet.

Der Besuch bei Tante Rika hatte ihr Leben vollständig verändert. Und sie hatte es niemals bereut, geblieben zu sein.

Sabine war einem schmalen Weg durch den Krähenwald gefolgt, der am Fuße des Hexensteins endete. An einer kleinen Quelle blieb sie stehen, schöpfte mit der hohlen Hand ein wenig von dem kalten, kristallklaren Wasser und trank es genüsslich.

Einen Moment lang blieb sie stehen, dehnte sich und lauschte dabei auf das sich intensivierende Vogelkonzert.

Meise, Bergfink, Amsel und Zaunkönig erfüllten die Luft mit ihrem zauberhaften Gesang. Im Moos glitzerten Tautropfen wie ungezählte Diamanten. Winzig kleine Anemonen hoben ihre lila Köpfchen mit den gelben Staubgefäßen zur steigenden Sonne hin.

Überall regte sich das Leben, da war ein Rascheln, ein Summen und Brummen, ein Jubilieren, dass es eine reine Freude war. Sabine atmete tief durch, ein zufriedenes Lächeln legte sich um ihren Mund, als sie sich mit neuem Elan auf den Heimweg machte.

Bald lag der Forst hinter ihr, sie folgte der Kirchgasse mit dem Totenacker und dem Gotteshaus, der Roswitha-Apotheke, dem Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma und all den vertrauten Gebäuden, bis sie das Doktorhaus wieder erreichte. Ein heimeliger Anblick war das im schlichten Gebirgsstil erbaute Haus, umgeben von einem gepflegten Bauergarten, für den die Hauserin Zenzi Bachhuber schon seit mehr als vier Jahrzehnten verantwortlich zeichnete.

Damals, als Pankraz Burger seine Frau vor der Zeit verloren und allein mit seinem elfjährigen Sohn Martin da gestanden hatte, war Zenzi ins Doktorhaus gekommen.

Die Hauserin mit dem strengen Haarknoten und dem goldenen Herzen hatte nicht nur Haus und Garten auf Vordermann gebracht, sie war auch für Martin zur Ersatzmutter geworden und hatte nicht zuletzt mit ihrer ruhigen und einfühlsamen Art dafür gesorgt, dass Pankraz nicht von seiner Trauer übermannt wurde.

So hatte sie den Menschen im Tal den Doktor erhalten und war heute weniger eine Angestellte im Doktorhaus als ein echtes Familienmitglied.

Sabine trat durch die Gartenpforte, nahm den Duft von Osterglocken und Flieder wahr und fühlte sich ganz daheim.

Im Haus war mittlerweile auch das Leben erwacht. Zenzi werkelte in der Küche, Pankraz absolvierte am offenen Fenster seines Kabinettls neben der guten Stube ein paar Freiübungen, von Familiendackel Poldi ratlos beobachtet.

Der Senior war ein Genussmensch, der Zenzis deftige Küche sehr zu schätzen wusste. Vor allem ihren Süßspeisen konnte er nicht widerstehen.

So hatte sich nicht nur ein kleiner Rettungsring um seine Körpermitte gebildet, auch sein Blutdruck war zu hoch. Martin hatte seinem Vater mehr Bewegung verordnet. Und Pankraz hielt sich daran, denn er wollte unter gar keinen Umständen auf Zenzis heiß geliebte Küche verzichten.

Tessa, das Älteste der drei Burger-Kinder, saß bereits am Tisch und las in einem Buch. Die pechschwarzen Locken waren zu zwei akuraten Zöpfen frisiert.

„Wo ist Filli?“, wollte ihre Mutter nach der Begrüßung wissen.

„Keine Ahnung, wo der Zwerg sich versteckt“, meinte Tessa abfällig. Sie betrachtete ihren kleinen Bruder Philipp als ausgesprochenes Baby, schließlich war er ja noch ein Kindergartenkind, während sie bereits zur Schule ging.

Sabine schaute kurz bei Zenzi herein, die sie wissen ließ: „Martin musste zu einem Notfall.“

„Hat er was gesagt?“

„Nur, dass es pressiert.“

Sabine nickte und eilte die Stiege hinauf, um nach Klein-Laura zu sehen, dem Nesthäkchen im Doktorhaus. Tatsächlich schlummerte die Kleine noch, wie auch ihr Bruder Filli, der ein ausgesprochener Langschläfer war.

Die Arztfrau weckte ihren Sohn, danach ging sie rasch unter die Dusche und war gerade rechtzeitig fertig, um Laura aus dem Bett zu heben.

Als sie dann mit Laura und Filli nach unten kam, betrat gerade Martin die Diele. Der große, sportliche Mann mit dem dunklen Haar und den klugen Augen lächelte beim Anblick seiner drei Lieben und begrüßte Sabine sogleich mit einem zarten Busserl.

Die Burgers hatten sich das Gefühl des ersten Verliebtseins bewahrt, weshalb sie auf einen Außenstehenden noch den Eindruck eines jungen Paares machten. Doch dies war eben nur ein Eindruck, denn das Band der wahren Liebe, das ihre Herzen umschlungen hielt, war unverbrüchlich.

Der Bergdoktor drückte auch Laura ein Busserl die weiche Wange, was diese mit einem glücklichen Strahlen kommentierte. Und er wuschelte Filli durch die Haare, der noch ausgiebig gähnte und sich beschwerte: „Früh aufstehen ist eine rechte Zumutung. Warum fängt der Kindergarten net ein bisserl später an, Papa?“

„Weil kleine Buben net noch um zehn Uhr am Abend heimlich eine CD hören sollen. Und wenn sie’s doch tun, sind sie am nächsten Morgen müd“, mahnte Martin.

Filli guckte wie ein Unschuldslamm, als er beteuerte: „Um zehn hab ich doch längst geschlafen. Das muss ein anderer gewesen sein, der die CD gehört hat.“

Sie betraten das Esszimmer, Pankraz wollte wissen: „Alles in Ordnung beim Ensminger-Bauern?“

Martin nickte. „Es war falscher Alarm. Kein Befund am Herzen. Der Bauer hat bloß gestern wieder einmal ein bisserl viel gegessen, deshalb ging um fünfe das Leibdrücken los.“

Tessa runzelte die Stirn. „Mei, Papa, das gehört sich doch net, dass die Leut dich wegen jedem Gaserl rufen. Zu solchen Fällen solltest du net fahren, finde ich. Das ist gegen die Würde deines Berufsstandes.“

Filli begann laut zu lachen und riet seiner Schwester: „Gib nur Acht, wenn du weiterhin so kariert daher redest, wirst du dich noch verschlucken und selbst zum Notfall.“

„Ach, du Baby, was weißt denn du schon“, spöttelte sie.

„Ich weiß zum Beispiel, dass das net Gaserl heißt, sondern Flatulenz“, trumpfte Filli da auf. „Und ich weiß, dass ein Arzt zu jedem Notfall fährt, weil er nämlich helfen will!“

„Mei, unser Dr. h.c. Philipp Burger, wie herzig“, kam es von Tessa. „Du weißt aber net, was du redest.“

„Besser als du, du… Flatulenz!“

„Nun ist aber Schluss“, bestimmte Sabine da streng. „Das ist kein Thema beim Essen. Außerdem wird’s Zeit, ihr müsst los.“

Mit den beiden Streithähnen machte sich auch Pankraz auf den Weg zur ersten Gassirunde mit Dackel Poldi.

„Jetzt können wir noch ein bisserl in aller Ruhe zusammen frühstücken“, meinte Martin erleichtert, als er aber auf die Uhr schaute, begriff er, dass daraus wohl doch nicht wurde. „Schon so spät? Schad, in fünf Minuten beginnt die Sprechstunde. War’s denn schön beim Laufen, Schatzerl?“

„Sehr, ich hab nur was vermisst, Martin. Dich.“

Er lachte, schenkte ihr ein Busserl und erhob sich. „Gewiss wär’s im Krähenwald schöner gewesen als beim Ensminger.“

Sie lachte. „Und die Luft war dort ebenfalls besser …“

***

„Das kannst du dir doch net gefallen lassen! Sag halt was. Es ist schließlich net das erste Mal, dass dein Vater dem Wastel genau das Gegenteil von dem anschafft, was du bestimmt hast.“ Reni Sandmeier funkelte ihren Mann Andreas ärgerlich an.

Sie war eine kleine, temperamentvolle Person mit dunklen Locken und nussbraunen Augen. Die Tochter des begüterten Viehhändlers Sepp Well hatte einige Vorfahren jenseits der Alpen.

Seinerzeit hatte sie sich nur widerwillig in die arrangierte Heirat mit dem älteren Sandmeier gefügt. Sie hatte Andreas, der zwar fesch aussah, aber ein stiller Charakter war, für einen Deppen gehalten, der unter der Fuchtel seines herrschsüchtigen Vaters stand.

Mittlerweile wusste sie es besser. Sie hatte ihren Mann lieben gelernt und schätzte seine kluge, einfühlsame Art sehr. Umso mehr schmerzte es sie, ihn ständig als Spielball der väterlichen Launen erleben zu müssen. Denn dass Andreas sich gegen den alten Tyrannen nicht durchsetzen konnte, war leider eine unumstößliche Tatsache, mit der Reni nur schwer leben konnte.

Nun winkte der groß gewachsene, blonde Jungbauer mit den klaren, tiefblauen Augen ab und brummte: „Hat doch keinen Sinn, sich wegen jeder Kleinigkeit zu zanken. Der Vater ist’s eben gewöhnt, zu bestimmen. Und meistens trifft er ja auch die richtige Entscheidung.“

„Was ist denn das für eine Einstellung? Ich bitt dich! Das hätte der Florian net einfach so auf sich beruhen lassen, glaub das nur net. Aber du lässt dir ja alles gefallen.“

Bei der Erwähnung seines jüngeren Bruders verschloss sich die Miene des Bauern.

Mürrisch hielt er seiner Frau entgegen: „Der Flori ist den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Weglaufen kann jeder, das ist keine Kunst. Bleiben und seine Arbeit tun, darum geht’s doch. Meinst du, ich wär’ allerweil mit allem zufrieden hier? Aber das Leben ist eben kein langer Sonntag.“

„Eher ein kurzer Montag“, versetzte Leni ärgerlich.

„Sei halt friedlich, Weibel“, bat ihr Mann sie da begütigend und legte seine Arme um ihre schmale Taille. Wenn er ihr so warm und liebevoll in die Augen schaute, konnte Leni ihm nicht mehr gram sein. Sie schmiegte sich an seine breite Brust und genoss das innige Busserl, das er ihr schenkte.

Gleich darauf dröhnte bereits wieder Georg Sandmeiers gewaltiger Bass durch das große Bauernhaus. Er brüllte nach seinem Sohn, wie es seine Art war. Mit einem Seufzer betrat Andreas das Arbeitszimmer.

„Schließ die Tür, wir haben was zu bereden“, ließ der Vater ihn im knappen Befehlston wissen.

Der Jungbauer folgte und schaute den Alten fragend an.

Georg Sandmeier war eine imposante Erscheinung. Der Großbauer, einer der reichsten Landwirte im Tal von St. Christoph, war groß und massig. Seinen breiten Schädel zierte dichtes, graues Haar. Sein Schnauz war keck gezwirbelt. Er trug stets nur teuren Zwirn und beste Maßarbeit. Feinen Loden, hochwertiges Hirschhorn, den größten und schönsten Gamsbart am Hut. Und die Grandeln an seiner schweren Uhrkette aus Antiksilber waren kaum zu zählen.

Was einem jedem, der etwas mit dem Großbauern zu tun hatte, aber sogleich auffiel, das war der Blick seiner stahlblauen Augen. Kalt, unerbittlich, dazu überheblich und stur.

In jungen Jahren war der Georg ein fescher Bursche gewesen, der es bei den Madeln leicht gehabt hatte. Dass er die eher unscheinbare Brigitte Röttler genommen hatte, lag einzig und allein an deren ansehnlicher Mitgift.

Die Bäuerin hatte ihren Mann trotz seines kalten und beherrschenden Wesens lieb gehabt und sich bemüht, mit ihm auszukommen, was sich allerdings als unmöglich erwiesen hatte.