Der Bergdoktor 1975 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1975 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Die Zeit drängt ...
Annis Leben hängt am seidenen Faden
Von Andreas Kufsteiner

Anni Kofler bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Bauernhof in St. Christoph. Nun soll ein Baby, auf das sich das Paar riesig freut, ihre Liebe krönen. Anni ist im vierten Monat schwanger und froh, dass die anfängliche Übelkeit sich gelegt hat.
Doch plötzlich überfällt sie eine eigentümliche Schwäche, verbunden mit so starken Gliederschmerzen, dass sie sofort die Praxis von Dr. Burger aufsucht. Die Untersuchungsergebnisse sind selbst für den Bergdoktor, der schon viel in seinem Leben erlebt und gesehen hat, schockierend. Anni leidet an einer so starken Leberschädigung, dass nur eine schnelle Transplantation ihr Leben retten kann. Die Ärztin im Krankenhaus rät der jungen Frau zu einem Schwangerschaftsabbruch, um ihre eigenen Überlebenschancen zu erhöhen. Doch dazu ist Anni nicht bereit. Niemals ...

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Zeit drängt …

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8112-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Zeit drängt …

Annis Leben hängt am seidenen Faden

Von Andreas Kufsteiner

Anni Kofler bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Bauernhof in St. Christoph. Nun soll ein Baby, auf das sich das Paar riesig freut, ihre Liebe krönen. Anni ist im vierten Monat schwanger und froh, dass die anfängliche Übelkeit sich gelegt hat.

Doch plötzlich überfällt sie eine eigentümliche Schwäche, verbunden mit so starken Gliederschmerzen, dass sie sofort die Praxis von Dr. Burger aufsucht. Die Untersuchungsergebnisse sind selbst für den Bergdoktor, der schon viel in seinem Leben erlebt und gesehen hat, schockierend. Anni leidet an einer so starken Leberschädigung, dass nur eine schnelle Transplantation ihr Leben retten kann. Die Ärztin im Krankenhaus rät der jungen Frau zu einem Schwangerschaftsabbruch, um ihre eigenen Überlebenschancen zu erhöhen. Doch dazu ist Anni nicht bereit. Niemals …

Der Sturm fauchte um das Doktorhaus wie ein Ungeheuer, das Einlass begehrte. Er rüttelte an den Fensterläden, heulte um die Ecken und jagte der kleinen Tessa einen Schauer nach dem anderen über den Rücken.

Eigentlich sollte sie ihre Hausaufgaben im Rechnen machen, aber die Achtjährige konnte sich nicht auf die Zahlen konzentrieren. Stattdessen schweifte ihr Blick immer wieder von ihrem Schreibtisch aus dem Fenster.

Auweia! Draußen wurde es immer dunkler. Der Sturm peitschte die Kiefern am nahen Waldrand, sodass sie sich ächzend neigten. Hier und da ragten nur noch helle Stummel in den Himmel, wo ein Baum der Urgewalt nicht länger standgehalten hatte und abgeknickt war. Graue Wolkentürme ballten sich über den Bergen zusammen und trieben so tief über das Tal hinweg, dass die Gipfel in ihnen verschwanden.

Tessa grub die Zähne in die Unterlippe. Sie fürchtete sich. Dabei war es in ihrem Kinderzimmer durchaus behaglich. Die Schreibtischleuchte spendete sanftes Licht, und auf dem Regal über dem hellgrün bezogenen Bett saßen ihre Freunde: das Plüschnilpferd Rosa, Teddy Brumm und Milly, der Tausendfüßler mit den vielen Schlenkerbeinen. Sie schienen kein bisschen besorgt zu sein, aber Tessa, ja, sie hatte ein mulmiges Gefühl im Magen.

Der Sturm blies aber auch gar zu sehr!

Ihr Heimatdorf St. Christoph lag hoch oben im Zillertal. Lediglich eine einzige Bergstraße führte aus dem Tal hier herauf. Es kam öfters vor, dass der Ort von der Außenwelt abgeschnitten war. Umgestürzte Bäume, Schlammlawinen oder Schnee versperrten die Zufahrt je nach Jahreszeit. Als Kind der Berge kannte Tessa viele Gefahren und wusste, dass sie hier daheim sicher war.

Trotzdem rieselte ihr ein Schauder über den Rücken.

Kurz entschlossen stand sie auf und schnappte sich Milly. Sie setzte die Tausendfüßlerdame auf ihren Schreibtisch und legte eine Hand auf den weichen Plüsch. Dann griff sie zu ihrem Federhalter und beugte sich wieder über ihr Schulheft.

„Tessa?“ Unbemerkt war die Tür geöffnet worden. Filli schob seinen Kopf herein.

Ihr Bruder war drei Jahre jünger als sie und hatte blonde Haare, die stets ein wenig zerzaust waren, ganz egal, wie oft ihre Mutter sie auch kämmte. Er konnte es kaum erwarten, im kommenden Jahr in die Schule zu kommen und Lesen und Schreiben zu lernen. Als er nun sprach, entblößte er eine Zahnlücke.

„Ist dir bang vor dem Wetter, Tessa?“, fragte der Bub.

„Ist doch nur ein Sturm. Und du? Hast du Angst?“

„Ich?“ Er tippte sich an die Brust und stülpte die Lippen vor wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Nein“, sagte er im Brustton der Überzeugung, nur um gleich darauf zuzugeben: „Ein bisserl vielleicht schon.“

„Es ist net schlimm, Angst zu haben. Mir ist auch net wohl bei diesem Lärm.“

„Wirklich?“ Ihr Bruder stieß hörbar den Atem aus. Dann kam er herein und ließ sich im Schneidersitz neben ihrem Schreibtisch nieder.

Ihm folgte Poldi, der Familiendackel. Er bettete den Kopf auf dem Schoß des Buben und hielt still, als dieser ihm durch sein Fell fuhr. Nur seine Rute fuhr träge hin und her und verriet, wie sehr ihm das Streicheln gefiel.

Nun, wem hätte das nicht gefallen?

Schritte auf der Treppe verrieten, dass jemand heraufkam. Kurz darauf trat Zenzi über die Schwelle. Die Wirtschafterin lebte seit über vierzig Jahren im Doktorhaus und gehörte wie eine liebe Großmutter längst zur Familie. Zenzi hatte eine Vorliebe für Kreuzworträtsel und konnte wunderbar backen. Jede Art von Ungerechtigkeit regte sie fürchterlich auf.

„Hier, Kinder, ich hab euch einen Kakao gemacht.“ Sie stellte ein Tablett auf dem Schreibtisch ab. Darauf standen nicht nur zwei Becher mit dampfend heißer Schokolade, sondern auch eine Schale mit Plätzchen.

Hungrig machten sich die Kinder darüber her und vergaßen für kurze Zeit das Unwetter, das über ihr Heimattal hinwegfauchte. Der Kakao schmeckte wunderbar!

Filli leerte seinen Becher als Erster. Als er ihn absetzte, zeichnete sich ein schokoladenfarbener Bart um seinen Mund ab. Flink wischte er ihn mit dem Handrücken ab und griff nach einem Plätzchen.

Zenzi spähte derweil hinaus und zog die Schultern hoch.

„Mei, so einen Sturm hatten wir lang nimmer.“

„Geh, Zenzi“, ließ sich eine dunkle Stimme von der Tür vernehmen. Dr. Pankraz Burger, der Senior, kam herein und stibitzte sich ein Plätzchen. „Ein richtiger Sturm ist es erst, wenn draußen die Kühe vorbeifliegen.“

„Die Kühe?“ Filli äugte aus dem Fenster und wirkte mit einem Mal nicht mehr eingeschüchtert, sondern gespannt. Draußen flogen jedoch keine Kühe vorbei. Nur Blätter, Zweige und ein paar Wäschestücke.

„War das etwa eben eine Unterhose?“ Der Großvater legte die Stirn in Falten.

„Zum Glück keine von uns“, schnaufte Zenzi. „Ich hab die Wäsche vorhin schon abgenommen. Im Radio haben sie seit dem frühen Morgen vor dem Sturm gewarnt.“

„Und das zu Recht.“

„Ich hoffe nur, das Getöse hält Sabine und das Mauserl net vom Schlafen ab. Die beiden brauchen Ruhe, damit sie bald wieder gesund sind.“

Tessa nickte unwillkürlich. Filli und sie hatten die schlimme Erkältung schon hinter sich. Ihre Mutter und ihre kleine Schwester rangen noch mit dem Fieber und dem Husten, der sie nachts vom Schlafen abhielt.

„Und Martin?“ Pankraz verschränkte die Arme vor der Brust.

„Papa ist noch unterwegs“, piepste Tessa. Ihr Vater war der Arzt in ihrem Heimatdorf und wurde oft zu Notfällen gerufen.

Auch an diesem Nachmittag hatte er ausrücken müssen. Am Hexenstein war eine Frau verunglückt. Sie hatte einen Notruf abgesetzt. Danach hatte man nichts mehr von ihr gehört. Zusammen mit einigen Helfen von der Bergrettung war Tessas Vater nun unterwegs, um der Urlauberin zu helfen.

Tessa umschlang ihren Kakaobecher fest mit beiden Händen. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Papa jetzt da draußen unterwegs sein musste.

Plötzlich erklang draußen ein ohrenbetäubendes Krachen. Etwas splitterte und knirschte lautstark. Das Geräusch ging Tessa durch Mark und Bein.

„Auweia!“, japste Filli.

„Das war ganz nah“, murmelte der Großvater.

„In der Tat.“ Zenzi trat ans Fenster und schaute hinaus. „Jesses, das hat uns noch gefehlt!“

„Was ist denn?“ Tessa sprang auf und eilte mit ihrem Bruder zum Fenster. Sie reckte den Hals und spähte hinaus. Kurz stutzte sie, dann schnappte sie erschrocken nach Luft.

Von ihrem Zimmer aus hatte sie einen Blick auf den Anbau mit der Praxis ihres Vaters. Die Birke neben dem Hauseingang hatte dem Drängen des Sturms nachgegeben und war geradewegs auf den Anbau gestürzt! Dabei hatte sie sich durch das Dach gebohrt!

„Als wär‘ das Jüngste Gericht angebrochen“, murmelte die Zenzi und bekreuzigte sich. „Wenn nur der Doktor heil nach Hause kommt!“

***

„Obacht, Männer! Behaltet die Bäume im Auge.“ Dr. Burger musste seine Stimme heben, um über das Tosen hinweg gehört zu werden. Noch regnete es nicht, aber den dunklen Wolken nach zu urteilen, die sich am Himmel zusammenschoben, würde sich das bald ändern.

Der Sturm bringt anderes Wetter, sagte man in den Bergen. Da war durchaus etwas dran. War es morgens noch sonnig und warm gewesen, war es mittlerweile spürbar abgekühlt. Und die Wolkentürme verhießen nichts Gutes.

Gerade, als der Bergdoktor in seiner Praxis Feierabend gemacht hatte, war der Notruf hereingekommen. Eine Urlauberin saß verletzt am Hausberg von St. Christoph fest.

Gemeinsam mit einem Team aus Bergrettern kämpfte er sich nun zu ihr durch. Bei ihm waren David Kofler, ein junger Landwirt, der ehrenamtlich bei der Bergwacht mithalf, und sein Schwager Albert, der sein Brot als Musiker verdiente. Alle drei waren sie mit Rucksäcken ausgestattet, die prall gefüllt mit allerlei Ausrüstung waren.

„Herrschaftszeiten!“ Albert zog unwillkürlich den Kopf ein, als der Sturm mehrere Zweige abriss und auf sie niederprasseln ließ. „Elendes Wetter, elendes.“

„Nun schimpf net. Bei Sonnenschein kann ein jeder in die Berge gehen“, neckte David ihn. „Wir sind net aus Zucker, und wir haben genügend Kampfgewicht, um net weggeweht zu werden.“

„Der verflixte Sturm lässt einen aber kaum atmen.“

„Halt den Kopf unten, dann geht es schon.“

„Was wir hier machen, ist gefährlich. Wir riskieren hier draußen Kopf und Kragen.“

„Das ist nun mal unser Job. Das Wetter hat etwas Ursprüngliches. Es erinnert mich daran, dass wir Menschen nur ein Rädchen im großen Getriebe sind. Hin und wieder ist es ganz gut, wenn man sich darauf besinnt, wie viel Kraft in der Natur steckt. Man sollte versuchen, mit ihr zusammenzuarbeiten, und net gegen sie wirken.“

„Momentan wirkt sie aber gegen uns.“ Albert zuckte erneut zusammen, als in der Nähe mit lautem Krachen eine Fichte umstürzte. Erde rieselte von dem Wurzelwerk des Baumes. „Wenn wir da drunter gestanden hätten …“

„Haben wir aber net.“

„Mei, das waren kaum zweihundert Meter von hier. Wisst ihr was? Das ist mir zu gefährlich. Diese Urlauberin hat sich in Gefahr begeben, soll sie zuschauen, wie sie damit klarkommt. Ich will ihren Leichtsinn net ausbaden.“

„Sie stammt net von hier. Vermutlich weiß sie net, wie rasch das Wetter hier heroben umschlagen kann. Sie wird ahnungslos in den Sturm geraten sein.“

„Trotzdem sehe ich es net ein, mein Leben für eine Fremde zu riskieren.“

„Albert …“

„Nein.“ Der dunkelhaarige Mann blieb stehen.

„Albert, wir sind Bergretter. Wir riskieren Tag für Tag unser Leben für andere.“

„Darüber sollten wir einmal nachdenken. Wir haben auch eine Verantwortung uns selbst gegenüber. Das hier, das ist viel zu gefährlich. Also? Kommt jemand mit mir zurück ins Dorf?“

„Warte mal! Du willst umkehren?“

„Du hast es erfasst.“

„Albert, das kannst du net machen.“

„Du wirst es ja sehen.“ Der Musiker reckte das Kinn vor. Fragend sah er Dr. Burger an. „Sie werden sicherlich auch net mit mir zurückkommen, oder?“

„Das kann ich net. Ich muss der Frau helfen.“

„Na schön. Dann gehe ich eben allein.“

„Albert …“ David starrte seinen Schwager bestürzt an. „So feige bist du net. Komm schon. Lass uns weitergehen. Wir sind fast da.“

„Ach …“ Albert machte eine wegwerfende Handbewegung. Dann stemmte er die Daumen unter die Riemen seines Rucksacks und machte kehrt. Mit langen Schritten eilte er zurück ins Tal.

Derweil pfiff der Sturm den beiden verbliebenen Männern um die Ohren. David schüttelte fassungslos den Kopf. Sein Blick war so ungläubig, als könnte er nicht fassen, dass Albert sie im Stich gelassen hatte.

„Gehen wir weiter“, sagte Dr. Burger freundlich.

David nickte, ohne ein Wort zu sagen. In seinem Gesicht arbeitete es. Seine Kiefer mahlten, als müsste er einen unverdaulichen Brocken zerkleinern. Schweigend stapfte er neben dem Landarzt weiter bergauf.

Sie marschierten einen gewundenen Wanderweg bergauf. Dabei sagten sie kein Wort. Der Anstieg wurde steiler, und so brauchten sie ihren Atem für den Marsch.

Im Notruf hatte es geheißen, dass die Urlauberin am Marterl festsaß. Das kannte Dr. Burger. Sie waren nur noch wenige Gehminuten davon entfernt. Allmählich lichtete sich der Wald rings um sie. Nun waren sie hoch genug, um die Baumgrenze vor sich zu sehen. Das Marterl stand neben einer Bank am Rand des Forstes, aber als sie dort ankamen, war weit und breit kein Mensch zu sehen.

„Verflixt“, murmelte David. „Wo ist sie denn? Sie sollte doch hier sein.“

„Der Sturm bläst hier am Waldrand besonders heftig. Womöglich hat sie irgendwo Schutz gesucht.“

„Aber wo? Wo sollen wir hin?“

„In der Nähe gibt es einen alten Heustadel. Dort ist man halbwegs geschützt vor Wind und Wetter.“

„Den Stadel kenne ich, aber steht der überhaupt noch?“

„Das werden wir gleich sehen. Da geht’s lang.“ Dr. Burger strebte mit langen Schritten eine Anhöhe hinauf. Hier oben wuchsen kaum mehr als Almrosen und Gras. Felsbrocken sprenkelten die Wiesen.

Sie überwanden die Kuppe und sahen den Heustadel vor sich. Schief trotzte er seit vielen Jahren den Naturgewalten. Das Holz war längst schon grau geworden, auf dem Dach lagen Steine und hielten es ohne Nägel an Ort und Stelle.

„Er steht tatsächlich noch.“ David strebte neben dem Bergdoktor auf den Stadel zu. „Hallo? Ist hier jemand?“

„Ich bin hier“, kam es zaghaft von drinnen. Die helle Stimme klang verzagt. Ein leises, schmerzvolles Stöhnen mischte sich hinein.

Dr. Burger zog die morsche Tür des Heustadels auf und duckte sich, um einzutreten. Der Geruch von Heu, Holz und Feuchtigkeit schlug ihm entgegen.

Im dämmrigen Licht krümmte sich eine Frau im Heu. Sie mochte um die vierzig sein und trug Wanderkleidung. Ihre dunklen Haare waren zerzaust vom Sturm und hatten sich aus dem Zopf gelöst. Eine Wunde zog sich über ihre rechte Schläfe. Sie blutete heftig.

„Grüß Gott, ich bin Doktor Burger“, stellte der Bergdoktor sich vor. „Das hier ist mein Kamerad David von der Bergrettung. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.“

„Sie schickt der Himmel“, seufzte die Urlauberin.

„Eigentlich war es die Rettungsleitstelle“, schmunzelte David. „Wie heißen Sie?“

„Iris Kammerle. Ich wollte zur Schwarzach-Alm wandern, aber unterwegs wurde der Sturm immer schlimmer. Also wollte ich zurücklaufen, aber ich war net schnell genug. Bevor ich es mich versah, krachte mir ein Ast auf den Kopf.“

„Verstehe.“ Martin Burger kniete sich neben die Verletzte. Im Halbdunkel konnte er die Wunde nur undeutlich erkennen. „Kannst du mir leuchten, David?“

„Freilich.“ Der junge Bergretter kramte eine Taschenlampe aus seinem Rucksack und richtete den Lichtstrahl auf die Verletzung. Die Frau blinzelte.

Der Bergdoktor untersuchte sie behutsam. Sie war wach und orientiert, gab jedoch an, dass sie sich übergeben hatte. Außerdem war ihr schwindlig.

„Sie haben eine Gehirnerschütterung, Frau Kammerle. Einen Schädelbruch kann ich ohne Röntgenaufnahme net sicher ausschließen, dafür gibt es aber momentan keine Hinweise. Sie hatten wohl Glück.“

„Glück? Eine Gehirnerschütterung hat mir noch gefehlt. Mein erster Urlaub nach der Scheidung, und dann passiert gleich so etwas.“

„Keine Sorge. Wir werden uns gut um Sie kümmern. In ein paar Tagen sind Sie wieder auf den Beinen. Ich werde Ihnen jetzt etwas gegen die Schmerzen spritzen und Ihre Wunde nähen und verbinden. Danach müssen wir zuschauen, dass wir Sie von diesem Berg schaffen.“

„Okay.“ Matt ließ sie die Prozedur über sich ergehen.

Dr. Burger reinigte ihre Wunde sorgsam, ehe er sie lokal betäubte und mit sauberen Stichen vernähte. Anschließend verband er sie.

„Wie steht es um Ihren Tetanusschutz, Frau Kammerle?“

„Das weiß ich ehrlich gesagt gar net so genau.“

„Können Sie mir sagen, wann Sie zuletzt geimpft wurden?“

„Zwanzig Jahre ist das bestimmt schon her.“

„Mei, ich tu mal so, als hätte ich das net gehört. Wir werden die Impfung nachholen, sobald wir wieder im Tal sind.“ Dr. Burger zog sein Telefon hervor und bat in der Leitstelle um einen Rettungswagen. „Das Fahrzeug wird im Tal auf uns warten. Hier herauf führt keine Straße. Und der Helikopter kann bei dem Sturm net starten.“