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Schatten über der Sonnenalm
Dr. Burgers böser Verdacht bestätigt sich
Von Andreas Kufsteiner
Wie gebannt starrt Alex Krumbiegl auf das hübsche Madel. Sein erster Gast!
Monatelang hat der junge Bergbauer schwer geschuftet, um seinen Hof zu einer gemütlichen Almhütte umzubauen. Das hat viel Schweiß und eine Menge Arbeit gekostet. Und nun steht dieses sportliche, schlanke Madel mit einem Wanderrucksack auf dem Rücken vor ihm.
Sein Herz beginnt laut zu klopfen. Vergessen sind der hartnäckige Husten, der Alex seit Wochen quält, und der dringende Rat von Dr. Burger, zuerst das Laborergebnis seines Abstrichs abzuwarten, ehe er die ersten Gäste aufnimmt.
Der Bergdoktor befürchtet nämlich, es könne sich um eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit handeln ...
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Schatten über der Sonnenalm
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag / Wolf
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-8115-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Schatten über der Sonnenalm
Dr. Burgers böser Verdacht bestätigt sich
Von Andreas Kufsteiner
Wie gebannt starrt Alex Krumbiegl auf das hübsche Madel. Sein erster Gast!
Monatelang hat der junge Bergbauer schwer geschuftet, um seinen Hof zu einer gemütlichen Almhütte umzubauen. Das hat viel Schweiß und eine Menge Arbeit gekostet. Und nun steht dieses sportliche, schlanke Madel mit einem Wanderrucksack auf dem Rücken vor ihm.
Sein Herz beginnt laut zu klopfen. Vergessen sind der hartnäckige Husten, der Alex seit Wochen quält, und der dringende Rat von Dr. Burger, zuerst das Laborergebnis seines Abstrichs abzuwarten, ehe er die ersten Gäste aufnimmt.
Der Bergdoktor befürchtet nämlich, es könne sich um eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit handeln …
Die Ferien können für Eltern manchmal stressiger sein als die Schulzeit, dachte Dr. Sabine Burger und seufzte schon zum wiederholten Male, weil ihre beiden älteren Kinder – Tessa und Filli – unter lautem Getöse durchs Haus polterten.
Es war Montagnachmittag, und Tessas Ferien hatten gerade erst begonnen, doch Sabines Nerven waren schon jetzt zum Zerreißen gespannt.
Ständig musste sie die aufgekratzte Achtjährige und ihren überdrehten fünfjährigen Bruder davon abhalten, eine Dummheit zu begehen, wie zum Beispiel die hübsche alte Bauernvase im Flur umzuwerfen, weil sie im Haus Ball spielten. Sie kamen mitunter auch auf die Idee, alle Decken und Kissen des Kinderzimmers auf der Treppe zu verteilen, um sie zu einer Rutsche umzufunktionieren, oder gar das jüngste der drei Burger-Kinder, Laura, dazu anzustiften, dass sie auf den Baum im Garten kletterte, der für die Zweijährige noch viel zu hoch war.
„Mei, ihr zwei raubt mir heut bestimmt noch den letzten Nerv“, klagte Sabine, bereute jedoch sofort ihre harten Worte, denn sie wusste ja, dass die Aufregung der Kinder nur daher rührte, dass sie so recht nichts mit sich anzufangen wussten.
Dabei hatte Sabine sich heute Morgen fest vorgenommen, den ganzen Tag für Abwechslung zu sorgen, um diesem Zustand rechtzeitig vorzubeugen. Schließlich war sie nicht erst seit gestern Mutter, und sie kannte diese Tage, an denen die Kinder außer Rand und Band gerieten. Nur manchmal reichten ihre Ideen – malen, basteln, gemeinsam das Mittagessen kochen – einfach nicht mehr aus.
Fast beneidete die Ärztin ihren Mann, der schon seit den frühen Morgenstunden in dem modern eingerichteten Anbau des Hauses beschäftigt war, der dem Ärztepaar als Praxis diente. Oft half auch Sabine dort mit, versorgte Patienten und stand ihrem Mann, der im Dorf hochachtungsvoll „der Bergdoktor“ genannt wurde, mit Rat und Tat zur Seite.
Beide waren mit Leib und Seele Ärzte, und wenn Sabine helfen konnte, war sie in ihrem Element.
Dann kümmerten sich die Haushälterin Zenzi und Dr. Pankraz Burger, der Senior der Familie und Martins Vater, um das Laura-Mauserl, während Filli die Erzieherinnen im Kindergarten auf Trapp hielt.
Aber heute hatte Sabine Filli daheim gelassen, damit er Tessa in ihren Schulferien Gesellschaft leistete. Zenzi hatte sie einen Tag freigegeben, und ihr Schwiegervater brütete schon seit Stunden über seiner „Chronik des Zillertals“, an der er schon lange arbeitete. Kürzlich war der pensionierte Arzt auf eine ganze Reihe Fotos gestoßen, die um neunzehnhundert entstanden sein mussten und die er jetzt sichtete und katalogisierte.
Also blieb Sabine gar nichts anderes übrig, als die Kissen und Decken auf der Treppe selbst wegzuräumen und ihre Kinder in den Garten zu schicken, bevor sich noch jemand beim Toben verletzte.
„Hier herinnen seid ihr drei mir einfach zu laut“, schimpfte sie. „Da hören selbst die Patienten beim Papa nebenan, was ihr für einen Radau macht!“
Tessa und Filli kicherten und trollten sich eilig in den Garten, bevor die Mutter ernstlich böse wurde, Laura-Mauserl im Schlepptau und mit dem Auftrag, sich nur ja um das kleine Madel zu kümmern.
Erleichtert wischte Sabine sich einige Schweißtropfen von der Stirn, während sie durchs Fenster beobachtete, wie die drei Racker durch den Garten tollten. Ihr kurz geschnittenes blondes Haar war schon ganz zerzaust. Sie war eine sportliche Frau, der man nachsagte, nichts könne sie so schnell aus der Ruhe bringen. Doch die Kinder brachten sie heute an ihre Grenzen.
„Sie werden noch das ganze Dorf narrisch machen mit ihrem Lärm“, murmelte sie und begann endlich mit dem Abwasch, der nach dem Mittagessen liegen geblieben war.
Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es nicht mehr allzu lang dauern konnte, bis Martins Sprechstundenhilfe Bärbel Tannauer die Praxistüren schloss und auch der Vater seiner Familie zur Verfügung stand.
Normalerweise versuchte Sabine ihm nach einem langen Arbeitstag zunächst ein wenig Ruhe zu gönnen, damit er sich von den großen und kleinen Sorgen seiner Patienten erholen konnte. Doch heute, fürchtete sie, würde er direkt eingespannt werden müssen. Und sei es auch nur als bereitwilliger Spielpartner für seine Kinder. Vielleicht hatte er ja eine Idee, wie er Tessa und Filli ein wenig dauerhafter beschäftigen konnte.
Denn wenig später standen die beiden schon wieder in der Küche und redeten aufgeregt durcheinander. Streit hatte es gegeben, und soweit Sabine es den Erzählungen entnehmen konnte, hatte Tessa mit Fillis neuem rotem Ball spielen wollen, das wollte Filli aber nicht. Dann hatten sie mehr oder weniger miteinander gerauft, und der Ball war im Gebüsch gelandet, wo sie nicht mehr an ihn herankamen. Daraufhin war Laura in Tränen ausgebrochen und nun nicht mehr zu beruhigen.
Seufzend legte Sabine das Spültuch beiseite und ließ den halb erledigten Abwasch stehen. Stattdessen setzte sie sich auf einen der hölzernen Küchenstühle und zog ihre Kleinste auf den Schoß, um sie zu trösten, während die älteren Geschwister immer noch lautstark durcheinanderredeten.
Sabines Ohren klingelten schon, als sie endlich die rettende Stimme ihres Mannes hörte.
„Was ist denn hier los?“, rief er halb amüsiert über den Lärm seiner Kinder hinweg und schaute seine Frau fragend an.
„Frag net“, antwortete diese nur.
Am liebsten hätte sie ihm das weinende Kind in den Arm gedrückt und sich nach oben in ihr Zimmer verkrochen, um wenigstens kurz durchschnaufen zu können.
Aber Martin hatte freilich auch einen langen Tag hinter sich. Sein schmales Gesicht sah aus, als könnte er eine Ruhepause vertragen, doch die warmherzigen braunen Augen blickten so wach wie eh und je. Er war groß, sportlich, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Obwohl der Einundfünfzigjährige sechzehn Jahre älter war als seine Frau, hatte Sabine in diesem Moment das Gefühl, als wäre er deutlich jünger und energiegeladener.
„Wenn du mir einen Gefallen tun möchtest, könntest du mit Tessa und Filli im Garten nach dem Ball suchen, während ich das Laura-Mauserl beruhige. Der Ball muss irgendwo im Gebüsch stecken.“
„Wird gemacht“, erwiderte Martin Burger munter und schnappte sich die beiden älteren Kinder, damit sie ihm zeigten, wo sie ihn ungefähr verloren hatten.
Als die Streithähne die Küche verlassen hatten, versiegten nach und nach auch Lauras Tränchen.
Sabine seufzte erleichtert auf und sah sich nach dem Abwasch um, der noch immer auf sie wartete.
„Na, das kann ja was werden mit euch dreien in den nächsten Wochen“, kommentierte sie trocken und griff über den Tisch nach dem Teller voller leckerer Kekse, die Zenzi am Vortag gebacken hatte.
Zum Ausgleich für Lauras Herzeleid drückte sie dem Madel einen Keks in die Hand. Diese kuschelte sich vertrauensvoll an die Mama, während sie vor sich hin kaute und auf die Geräusche lauschte, die aus dem Garten hereindrangen. Dort hatte Martin den Ball gefunden, und Sabine hörte, wie Tessa und Filli glücklich jubelten, weil sie gegen den Vater im Fußball antreten durften.
Darauf hüpfte auch Laura von Sabines Schoß und tapste nach draußen, um sich dem lustigen Treiben auf der Gartenwiese anzuschließen, und Sabine beschloss, das Spülwasser ablaufen zu lassen.
Nach einem Tag voller Reibereien, fand sie, sollte ihre Familie sich lieber daran erinnern, wie gern sie einander hatten. Und das gelang ihnen am besten, indem Martin mit den Großen spielte, während Sabine das Laura-Mauserl auf der Schaukel anstieß.
Solche Momente waren wichtig, und Sabine lächelte ihrem Mann dankbar zu, weil er sie daran erinnert hatte. Wieder einmal freute sie sich darüber, welch gutes Team sie als Eltern abgaben.
***
Obwohl es ziemlich lustig war, mit den Kindern Fußball zu spielen, war Martin Burger ein wenig erleichtert, als ein verspäteter Patient ihn eine halbe Stunde später noch einmal in die Praxisräume rief. Sabine hatte nicht übertrieben, als sie gesagt hatte, dass Tessa und Filli eine Menge überschüssiger Energie hatten, die sie irgendwie herauslassen mussten.
Nach Luft ringend, folgte Dr. Burger dem Bergbauern Alex Krumbiegl, der einigermaßen zerknirscht ausgesehen hatte, als er an ihrem Gartentor erschienen war, aber auch auffallend blass und erschöpft.
Der Krumbiegl-Alex, ein hochgewachsener, kräftiger Bursche von fünfunddreißig Jahren mit welligem dunkelblondem Haar und lustigen braunen Augen, hatte vor nicht allzu langer Zeit den Bergbauernhof seiner verstorbenen Tante übernommen. Sein Hof lag weit oben auf der Sonnenalm unterhalb des Hexensteins.
Als der Arzt ihn in seinen Praxisräumen eingehender musterte, erkannte er, dass der Abstieg dem erkrankten Bauern ungewöhnlich schwergefallen sein musste.
„Bitte verzeihen Sie, dass ich so spät komm“, bat dieser. „Normalerweise geht der Abstieg von der Alm nach St. Christoph ins Tal viel schneller. Aber so viele Verschnaufpausen wie heut hab ich noch nie gebraucht.“
„Du schaust wirklich abgeschlagen aus, Alex. Was plagt dich denn?“
„Seit zwei Wochen hab ich eine hartnäckige Erkältung.“ Ein bellender Husten unterbrach ihn, und er musste erst wieder zu Luft kommen, bevor er fortfahren konnte. „Eigentlich werd ich so gut wie nie krank. Bei der vielen Arbeit an der frischen Luft und so. Aber im Moment hab ich viel zu tun. Vielleicht hab ich mich ein bisserl übernommen.“
Dr. Burger nickte verständnisvoll.
„Ich hab schon davon gehört, dass du deinen Hof zur Almhütte ausbaust. Das ist sicher viel Arbeit.“
„Freilich. Die Tante war ja schon alt. Und als ich den Hof übernommen hab, war alles ein bisserl heruntergekommen. Net arg. Nur halt so, wie’s eben ist, wenn einer nimmer so gut kann.“
„Ich weiß, sie war am End nimmer gut zurecht.“
„Genau. Darum muss ich eine Menge renovieren und für Schlafplätze, Duschen und entsprechende Sanitäranlagen sorgen. Die Küche musste vergrößert werden, damit ich für meine Gäste kochen kann, und ich hab einen Schankraum eingerichtet. Alles in Eigenregie, und ich bin ziemlich stolz drauf. Aber mei, das zehrt an den Kräften.“
Wieder hustete er heftig und lang anhaltend.
„Seit ein paar Tagen hab ich diesen Husten, der mir jede Anstrengung doppelt schwer macht.“
„Ich verstehe“, erwiderte der Doktor nachdenklich. „Zieh einmal dein Hemd aus und lass mich deine Lunge abhören.“
Alex streifte sein kariertes Trachtenhemd ab, das von der Anstrengung des Abstiegs dunkle Flecken hatte. Die unter den Knien gebundene Lederhose behielt der Almbauer an.
Während Dr. Burger routiniert sein Stethoskop an den Stellen platzierte, wo die Lungentätigkeit und das Herz am besten zu hören waren, bat er den Burschen immer wieder, tief ein- und langsam auszuatmen. Als dieser einen kräftigen Hustenanfall bekam, der sogar einige Minuten anhielt, bemerkte der erfahrene Arzt ein verräterisches Geräusch in den Atemwegen, das ihn augenblicklich aufhorchen ließ. Es war wie ein Zischen, ein pfeifendes Einziehen von Luft.
„Sag einmal, Alex, hast du in letzter Zeit Besuch gehabt, der auffällig viel gehustet hat? Vor allem Kinder?“
Einen Moment musste Alex Krumbiegl überlegen.
„Vor ein paar Wochen hat eine junge Familie bei mir im Stroh übernachtet“, antwortete er dann. „Rucksacktouristen, die durchs Zillertal gewandert sind und deren Kinder sich unterwegs erkältet hatten. Vielleicht haben die mich angesteckt. So ein Erkältungsvirus kann hartnäckig sein, gell?“
Nachdenklich strich Martin Burger sich übers Kinn.
„Ich weiß net. Ganz sicher kann ich’s net sagen, aber das, was du für eine harmlose Erkältung hältst, könnt vielleicht auch ein Keuchhusten sein.“
„Mei, Doktor, ich bin doch gegen Keuchhusten geimpft.“
Wieder spürte der Bergdoktor seinen beginnenden Bartstoppeln nach.
„Dann ist’s net gerade wahrscheinlich, aber bei diesem Husten … Wie lang ist die Impfung her?“
„Hm … Ich weiß net“, erwiderte Alex, nachdem er kurz überlegt hatte. „Ich glaub, als ich ein Schulbub war. Vielleicht mit zehn oder so …“
Dr. Burger schüttelte den Kopf.
„Das ist zu lang. Die Impfung hätte längst aufgefrischt werden müssen. Also dann … Ich tät gern einen Abstrich aus deiner Nase nehmen. Das ist unangenehm, aber so wissen wir in ein paar Tagen ganz sicher, ob’s wirklich Keuchhusten ist.“
„Das glaub ich wirklich net.“
„Mir wär’s lieber, wir gehen auf Nummer sicher. Bevor du noch andere ansteckst und wir es hier in St. Christoph mit einer Keuchhusten-Epidemie zu tun bekommen. Mit der Krankheit ist net zu spaßen. Du solltest dich schonen, bis wir Bescheid wissen. Und ich möcht dich bitten, bis dahin so wenig Kontakt mit anderen Menschen zu haben wie möglich. Vor allem net mit kleinen Kindern.“
Alex Krumbiegl zog ein unwilliges Gesicht, als der Bergdoktor ein langstieliges Wattestäbchen aus der sterilen Verpackung nahm, um es vorsichtig in Alex’ linkes Nasenloch zu schieben.
„In ein paar Tagen nehm ich den Betrieb in der Almhütte auf“, erzählte er, sobald die Prozedur erledigt war. „Dann stehen mir die ersten Gäste ins Haus, wieder eine junge Familie. Denen kann ich doch net einfach so absagen, bloß weil ich ein bisserl huste.“
„Wenn du net weißt, ob du Keuchhusten hast, wirst du’s müssen. Aber sobald wir Entwarnung geben können, steht deiner Almhütte ja nix mehr im Wege.“
Alex runzelte die Stirn.
„Wann wird das sein?“
„Das kann ich net sicher sagen. In ein paar Tagen vielleicht“, erwiderte der Arzt, während er das Stäbchen mit dem Abstrich in einen sterilen Beutel packte. „Ich schick die Probe in ein Speziallabor. Die geben mir Bescheid, sobald das Ergebnis vorliegt.“
Er bedachte seinen Patienten mit einem eindringlichen Blick.
„Ich bitt dich, Alex, übernimm dich bis dahin net. Dein Körper braucht Ruhe. Du solltest vor allem sehr viel trinken, und dann geb ich dir noch einen Hustenstiller mit, damit du nachts ein wenig zur Ruhe kommst. Ich schätze mal, nachts ist es am schlimmsten, gell?“
„Ja, ich tu kaum ein Auge zu. Den Hustenstiller nehm ich gern.“
„Hör auf mich, Alex. Je besser du auf dich aufpasst, desto schneller hast du’s hinter dir“, mahnte der Doktor, während er eine kleine braune Flasche aus seinem Arzneischrank nahm und sie dem Bergbauern reichte.
„Ich geb mein Bestes, Herr Doktor, ich versprech’s. Doch der Aufstieg zur Alm steht mir so oder so bevor, und ich mach mich lieber auf den Weg. Vielen Dank für Ihren Rat.“
Er schloss die letzten Knöpfe seines Trachtenhemds und erhob sich von der Untersuchungsliege.
„Gute Besserung. Ich meld mich bei dir, sobald ich das Ergebnis habe“, versprach Dr. Burger.
***
Sich schonen zu wollen, das war schön und gut, dachte Alex, während er sich auf den Weg zu seiner Alm machte. Aber wie sollte er das hinbekommen, wo er doch den Hof ganz allein betrieb und niemanden hatte, der das Haus instand setzen und die Tiere versorgen konnte. Ein Bergbauer wie er durfte sich nicht einfach krankmelden – erst recht nicht, wenn er keine Familie hatte, die ihn bei der Arbeit entlastete.
Zugegeben, er merkte selbst, dass er derzeit körperlich nicht so konnte, wie er wollte. Allein das ungewöhnlich langsame Tempo, in dem er sich bergan schleppte. Auf dem lockeren Schotter des Fußwegs, der ihn zwischen Wiesen, verstreuten Hochwaldstücken und kleinen Bachläufen bis zu seiner Alm führte, schlich er mehr vorwärts, als dass er kräftig ausschritt, wie es sonst seine Gewohnheit war.