Der Bergdoktor 1981 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1981 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Trag mich ins Paradies
Ein gelähmtes Madel findet neuen Lebensmut
Von Andreas Kufsteiner

Der Schwindel überfällt sie mitten auf dem schwankenden Steigbrückerl über der Schlucht. Verzweifelt will Linda nach der Hand des Mannes greifen, der vor ihr geht, doch Matthias ist zu weit weg. Beim nächsten Schritt vorwärts knickt sie weg und stürzt ab ... Aus!
Als Linda aus der Bewusstlosigkeit erwacht, ist sie im ersten Moment erleichtert, weil sie gar keine Schmerzen in den Beinen hat. Doch als sie sich bewegen will, zeichnet sich pures Entsetzen in ihrem Gesicht!

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Seitenzahl: 110

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Trag mich ins Paradies

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8268-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Trag mich ins Paradies

Ein gelähmtes Madel findet neuen Lebensmut

Von Andreas Kufsteiner

Der Schwindel überfällt sie mitten auf dem schwankenden Steigbrückerl über der Schlucht. Verzweifelt will Linda nach der Hand des Mannes greifen, der vor ihr geht, doch Matthias ist zu weit weg. Beim nächsten Schritt vorwärts knickt sie weg und stürzt ab … Aus!

Als Linda aus der Bewusstlosigkeit erwacht, ist sie im ersten Moment erleichtert, weil sie gar keine Schmerzen in den Beinen hat. Doch als sie sich bewegen will, zeichnet sich pures Entsetzen in ihrem Gesicht!

„Ich muss heim, Matthias. Die Zeit drängt.“ Linda war sich darüber im Klaren, dass sie jetzt einen energischen Protest ernten würde. Aber damit musste sie eh rechnen, wenn sie bei ihrem Verlobten auf dem Mühlenhof war. Er ließ sie meistens erst nach langem Hin und Her wieder gehen.

Heute würde es nicht anders sein. Es so aus, als ob der junge Mühlenhof-Bauer sein Mädchen am liebsten so lange festgehalten hätte, bis der Nachmittag in den Abend überging und der Abend in die Nacht. Und nachts ließ ein verliebter Mann seinen Schatz natürlich auf keinen Fall hinaus in die Dunkelheit.

Wo war ein Madel besser aufgehoben als in den Armen ihres Liebsten?

Matthias Gederer gehörte nicht zu den Schüchternen im Lande. Er wusste, was er wollte. In erster Linie richteten sich seine Wünsche derzeit auf die hübsche, blonde Linda Egger.

„Bleib noch ein bisserl, ich bin so allein ohne dich“, schmeichelte er. „Schau, ich hab heut Vormittag doppelt so viel gearbeitet wie sonst, damit ich nachmittags Zeit für dich hab. Damit mir die Arbeit schneller und besser von der Hand ging, war ich in Gedanken bei dir. Und ich hab dir so viele Küsse geschickt, dass du es bestimmt gemerkt hast.“

„Wirklich?“

„Klar. Jedem Schmetterling, jeder Biene und jedem Windhauch hab ich einen Kuss für dich mit auf den Weg gegeben.“

„Du bist mir vielleicht einer“, erwiderte das Madel lachend. „Immer wieder willst du mich um den Finger wickeln. Aber ich kann net bleiben. Um halb sechs kommt Dr. Burger zu uns auf den Jakobs-Hof, Onkel Leo hat ihn darum gebeten. Es gibt etwas zu besprechen. Ich soll unbedingt dabei sein.“

„Es wird wohl kein Drama sein, wenn du eine Viertelstunde später kommst, Spatzl.“

Linda seufzte. „Sei doch vernünftig, Matthias. Wir sehen uns ja schon in ein paar Tagen wieder. Was nützt uns auch eine Viertelstunde?“

„Sehr viel“, antwortete er, nahm sie in die Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass sie den wichtigen Termin auf einmal völlig nebensächlich fand. Aber dann meldete sich doch ihr Gewissen, denn Onkel Leo hatte es verdient, dass sie pünktlich war.

Weil sie zu Fuß auf den Mühlenhof gekommen war, fuhr Matthias sie rasch heim, küsste sie noch einmal und flüsterte ihr ins Ohr: „Vergiss net, dass wir am Wochenende droben in der Berghütte sind, nur du und ich. Ich weiß gar net, wie ich es bis dahin ohne dich aushalten soll. Es gibt nichts Süßeres auf der Welt als dich.“

„Charmeur“, lächelte sie. „Ruf mich an, Matti. Ich möchte wenigstens deine Stimme hören.“

Er öffnete ihr die Autotür. „Bis dann, mein Röserl. Denk an mich, wenn du allein in deinem Bett liegst.“

Sie warf ihm eine Kusshand zu, bevor er davonfuhr. Er winkte aus dem Wagenfenster.

Er hat es faustdick hinter den Ohren, dachte Linda, aber ich bin wahnsinnig verliebt in ihn!

Matthias wusste, wie man ein Mädchen erobern konnte, und zwar immer wieder aufs Neue.

„Er hat es einfach drauf, der Matti“, feixten seine drei besten Freunde Tom, Jo und Sam. (So nannten sie sich jedenfalls, obwohl ihre Taufnamen Thomas, Johannes und Samuel waren – irgendwie langweilig, wie sie fanden).

Um ehrlich zu sein, die drei waren manchmal richtig neidisch. Als „Herzensbrecher“ machten sie sich nicht besonders gut, auch wenn sie allesamt gestandene Burschen waren, freilich vom Wesen her ein wenig hölzern.

Wenn es darum ging, einem hübschen Mädchen den Hof zu machen, fehlten ihnen die Ideen.

Matthias hingegen hatte ständig großartige Einfälle wie romantische Kerzerlabende oder kuschelige Stunden auf seiner Berghütte plus „Überraschungen“, denen keine Frau widerstehen konnte.

Mit Tipps für seine fantasielosen Freunde, die schon viel zu lange solo unterwegs waren, sparte er nicht.

„Frauen muss man verwöhnen“, erklärte er ihnen immer wieder, „merkt euch das. Jedes Mädchen will träumen. Klar, wir Männer sind da ganz anders. Aber man kann sich ja entsprechend anpassen und notfalls ein paar rote Rosen aus dem Hut zaubern. Blumen sind überhaupt sehr wichtig, vergesst das net! Dazu zärtliche Worte, Verständnis und Streicheleinheiten, wenn die Auserwählte mal Kopfweh hat, aber auch immer wieder Leidenschaft. Es darf auch mal ein bisschen heftiger sein. Die Mädels mögen das.“

Und wenn sie ihn dann ziemlich ungläubig anstarrten, fügte er als Erklärung hinzu: „Keine Frau will einen Jammerlappen oder ein Weichei bei sich haben. Ihr müsst zeigen, was ihr drauf habt. Mal wild, mal zärtlich. Das führt immer zum Ziel. Aber wie gesagt: Romantik muss sein. Und hin und wieder eine nette Überraschung. Ohne gute Ideen geht gar nichts. Strengt euch an, sonst seid ihr aus dem Spiel, Burschen.“

Tom, Jo und Sam nahmen sich die Ratschläge zu Herzen. Aber noch immer zeigten sich keine Erfolge. Waren sie vielleicht zu still?

Matthias ließ es auch mal „krachen“ wie, zum Beispiel, neulich bei seinem dreißigsten Geburtstag. Von der dreitätigen Party auf dem Hof sprach man immer noch.

Fast das ganze Dorf hatte gratuliert, der (eher sauertöpfische) Rest war der Meinung gewesen, dass der Gederer-Matthias zur Übertreibung neigte, und das nicht nur bei seiner Geburtstagsfeier. „Man muss sich ja net so in den Vordergrund rücken, das passt net in unser Dorf. Und zu teuer ist es auch.“

Aber Matthias konnte es sich leisten.

Er geizte nicht umeinander. Wenn gefeiert wurde, dann richtig. Getränke, Tiroler Schmankerln und Gegrilltes: Immer erste Wahl. Musik: Natürlich eine Live-Band aus Schwaz. Stimmung: Super, ohne dass es freilich zu unguten, lauten Zwischenfällen kam.

Manche Stammtischler, die sich regelmäßig im „Ochsen“ trafen, hätten sich daran ein Beispiel nehmen können. Aber ausgerechnet diese „Herren“, denen nie das Bier und die hochprozentigen Vogelbeerschnäpse ausgingen, regten sich am meisten über das „Party-Gedröhne beim Gederer“ auf.

Wie auch immer, bei Matthias lief alles nach Plan.

Er hatte Linda schon lange im Visier gehabt, ehe sie ein Paar geworden waren. Gab es in St. Christoph ein hübscheres Madel als sie?

Ganz bestimmt nicht. Und gescheit war sie auch noch, nicht so ein Schäfchen, das nur darauf wartete, unter die Haube zu kommen.

„Mit dem Heiraten warten wir noch, wir müssen uns erst ganz genau kennenlernen“, das war Lindas Meinung.

Matthias fand das völlig in Ordnung. Noch ein bisschen Freiheit genießen und sich den Wind um die Nase wehen lassen – warum nicht? Wenn’s genug war, wurden dann die Segel gesetzt, um in den Ehehafen einzulaufen. Er wollte über den Termin noch nachdenken. Mit Linda würde er sich schon einige werden, daran hatte er keine Zweifel.

Der Gederer-Matthias stellte durchaus etwas dar. Er sah gut aus und wusste, wie man aus einem Batzen Geld noch mehr machen konnte. Dazu gehörten Fleiß, Geschäftstüchtigkeit und der feste Vorsatz, „Nein“ zu sagen, wenn jemand die Hand aufhielt, ohne in Not zu sein.

Man konnte nicht überall Almosen verteilen und möglichst noch die Rechnungen anderer Leute bezahlen. Auch Preise, die Matthias als übersteigert empfand, zahlte er nicht.

Er kam mit seiner Hartnäckigkeit immer zum Ziel. Hier und da waren kleine „Umwege“ bei Bankgeschäften nötig, um Vorteile zu erzielen. Matthias ging diese Umwege, ohne dabei anzuecken.

Einige meinten, ein „Fuchs“ sei er schon, der Matti, man müsse sich ein bisserl vor ihm in Acht nehmen. Aber irgendwie sei er auch ein netter Fuchs, sagten wieder andere.

Matthias beherrschte die Kunst, Leute für sich einzunehmen und die Dinge in seinem Sinn zu planen und auch durchzusetzen. Seine zukünftige Frau durfte natürlich kein Hascherl sein, aber auch net aufmüpfig. Linda war die Richtige für ihn, davon war er überzeugt.

Sie betreute vormittags die Vorschulgruppe im Kindergarten. Dazu gehörte auch ein dem Alter der Kinder angepasster „Vorschul-Unterricht“. Obendrein kümmerte sie sich um ihren Onkel Leo Egger, dem Großbauern vom Jakobs-Hof.

Vom Egger-Leo wusste man, dass er gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe war, sodass er Linda viele Entscheidungen überließ.

Aber nicht alle, denn trotz nachlassender Kräfte verlor der Siebzigjährige, ein echtes Zillertaler Urgestein, keinen Tag lang das Interesse an seinem Hof.

Im Gegenteil. Nicht einmal eine einzige Stunde verstrich, ohne dass er von seinem Giebelfenster aus nach draußen spähte und mehrmals den Pfanner-Hias einbestellte, seinen langjährigen Mitarbeiter und Vertrauten. Auch die Wirtschafterin Josefine, „Fine“ genannt, musste ihm Rede und Antwort stehen.

Von seiner Gewissenhaftigkeit und seinem Hang zu perfekter Ordnung wollte Leo noch immer nicht lassen. Und eben deshalb hatte er auf dem heutigen Gespräch bestanden, bei dem Dr. Martin Burger eine wichtige Rolle spielen würde.

***

Pünktlich tauchte Linda in der guten Stube auf. Ihr Onkel saß bereits in seinem Sessel, der mit Hirschleder bezogen war und vermutlich noch Generationen überleben würde.

Auf dem Tisch standen Karaffen mit Apfelmost und Mineralwasser, obendrein eine große Kanne Kaffee, Gläser, Tassen, frisch gebackene Nusskipferln und ein Schälchen Pralinen, daneben lagen weiße Papierservietten. Sie waren so korrekt zusammengefaltet, als habe man ein Lineal dazu benutzt. Für Dr. Burgers Besuch war alles perfekt vorbereitet.

„Ich hoffe, dass es ordentlich ausschaut“, sagte der Hausherr. Schon immer waren dem Egger-Bauern Ordnung und Sauberkeit auf dem Hof überaus wichtig gewesen. „Fine hat sich Mühe gegeben. Was meinst du, liebes Kind?“

„Ich bin leider ein bisschen zu spät dran, sonst hätte ich den Tisch auch decken können, Onkel Leo.“

„Ach was. Fine hatte genug Zeit dazu. Es ist dein gutes Recht, dass du auch mal am Nachmittag spazieren gehst, Madel. Wo warst du denn?“

„Bei Matthias.“

„Ach so.“ Leo Egger nickte verständnisvoll. „Freilich. Ihr zwei wollt beisammen sein. Habt ihr übers Heiraten geredet?“

„Nein. Du weißt doch, dass wir uns noch Zeit lassen wollen“, erwiderte Linda. „Ich hab’s dir schon oft gesagt.“

„Wirklich?“ Der Bauer schüttelte seufzend den Kopf. „Ich bin vergesslich geworden. Ärgerlich! Früher hab ich mir alles gemerkt.“

„Das ist doch gar net schlimm, Onkel Leo. Die meisten Dinge weißt du noch ganz genau.“

Der Bauer nickte. Obwohl ihm der Alltag wegen seiner angeschlagenen Gesundheit oft sehr zu schaffen machte, stand Leo Egger jeden Morgen in der Früh auf, sah nach dem Rechten, soweit es ihm möglich war, und verrichtete kleinere Arbeiten. Zwischendurch legte er immer wieder Pausen in seinem „Erkerstüberl“ ein, das im ersten Stock lag.

Weil ihm das Treppensteigen zu mühsam geworden war, hatte er sich einen Treppenlift zugelegt, den er als „segensreich“ bezeichnete. Dank seines „Fahrstuhls“ war er schnell unten und auch wieder oben, ganz nach Wunsch.

Von seiner Erkerstube aus sah er, was sich drunten auf dem Hof abspielte. Vintus, der dunkelbraune Labrador, war stets an seiner Seite.

Auch jetzt lag der treue Vierbeiner neben dem Sessel seines Herrn. Wanderungen und Spaziergänge hatte der Bauer schon seit einiger Zeit aufgeben müssen. Jetzt war Linda oft mit Vintus draußen unterwegs. Hias sprang ebenfalls ein, wenn sie keine Zeit hatte.

Täglich um halb acht kam außerdem Niklas Drexler auf den Hof, um mit anzupacken. Der junge Bursch aus der Nachbarschaft wartete derzeit auf einen Ausbildungsplatz zum Forstwirt und half unterdessen gern bei der Hofarbeit.

So war vorläufig eigentlich alles geregelt – sehr ordentlich und damit ganz nach Leo Eggers Wünschen.

Aber Linda sorgte sich darum, wie es weitergehen würde, wenn ihr Onkel irgendwann nicht mehr das „Oberkommando“ hatte.

Er war immer mit Leib und Seele Landwirt gewesen, ein Bergbauer durch und durch, der genau wusste, woher der Wind wehte – auch jetzt noch, obwohl er längst nicht mehr so energisch zupacken konnte, wie er gern wollte.

Die Vergesslichkeit hielt sich noch in Grenzen. Es gab viele Leute seines Alters, die hier und da ein bisserl den Faden verloren, wenn es um das Kurzzeitgedächtnis ging. Erstaunlicherweise funktionierte das Langzeitgedächtnis in den meisten Fällen fast perfekt weiter.

So war es auch beim Egger-Leo. Wenn er in seinem „Erinnerungs-Hirnkastl“ kramte, reihten sich die Ereignisse der Vergangenheit nahtlos aneinander. Aber was Linda vor wenigen Wochen, vor ein paar Tagen oder heute morgen zu ihm gesagt hatte, wusste er manchmal ein paar Stunden später nur noch lückenhaft.

„Ist der Doktor schon angekommen?“, fragte er jetzt. „Ich hab doch soeben ein Motorengeräusch draußen gehört.“

„Das war der Hias mit dem Traktor, Onkel Leo. Es ist noch ein Viertelstündchen Zeit. Dr. Burger wird ganz bestimmt pünktlich sein. Heute ist ja Mittwoch, dann ist die Praxis nachmittags geschlossen.“

„Aha. Das weiß ich, Madel. Aber auf einmal werd ich ein bisserl müd.“

„Leg dich doch einen Moment aufs Kanapee“, riet Linda.

„Schmarrn. Das braucht’s net. Ich bleib in meinem Sessel sitzen.“

Er ließ sich nichts sagen, der Egger-Bauer. Manchmal konnte er richtig stur sein, ein rechter Dickschädel, wie die Fine es nannte: „Er tut, was er will, da kann man noch so sehr auf ihn einreden. Ich kenn ihn gar net anders.“