Der Bergdoktor 1984 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1984 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Gefährliche Seelentröster
Warum Franzi ein leichtes Opfer war
Von Andreas Kufsteiner

Menschen, die etwas sehr Schlimmes erlebt haben, werden oft krank darüber. Vor allem dann, wenn das Erlebte so schrecklich ist, dass sie mit niemandem darüber sprechen können.
Auch Franzi hat noch keinem Menschen anvertraut, was ihr Leben aus der Bahn geworfen hat. Sie leidet still!
Auf genau solche unglücklichen Madeln wie Franzi haben es die beiden Stegmeier-Brüder Adrian und Hannes abgesehen. Früher oder später wird Franzi "ihre Hilfe" annehmen ...

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Seitenzahl: 107

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Gefährliche Seelentröster

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / von Sarosdy

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8355-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gefährliche Seelentröster

Warum Franzi ein leichtes Opfer war

Von Andreas Kufsteiner

Menschen, die etwas sehr Schlimmes erlebt haben, werden oft krank darüber. Vor allem dann, wenn das Erlebte so schrecklich ist, dass sie mit niemandem darüber sprechen können.

Auch Franzi hat noch keinem Menschen anvertraut, was ihr Leben aus der Bahn geworfen hat. Sie leidet still!

Auf genau solche unglücklichen Madeln wie Franzi haben es die beiden Stegmeier-Brüder Adrian und Hannes abgesehen. Früher oder später wird Franzi wird „ihre Hilfe“ annehmen …

Franzi war nur noch ein paar Kilometer von St. Christoph entfernt, als die ersten Blitze über den Himmel zuckten. Eine dunkle Wolkenwand schob sich über das Gebirge heran. Der Widerhall des Donners in den Felsentälern und Klüften klang düster und bedrohlich.

Wer wünschte sich schon so einen finsteren Empfang nach einer ziemlich anstrengenden Autofahrt?

Das ungute Wetter-Intermezzo war zwar heftig, aber von kurzer Dauer. Nach Blitz und Donner folgte ein prasselnder Wolkenbruch, der Franzi die Sicht nahm. Sie hielt an einer Ausweichstelle und wartete, bis der Tumult zwischen Berg und Tal vorbei war.

Erstaunlich schnell riss der Himmel wieder auf, und die Sonne lugte hervor. Noch ein paar Regentropfen, dann zeigte sich der Sommer wieder von seiner angenehmen Seite.

Na also … es ging doch!

Alles strahlte wie blank geputzt, als Franzi am Kirchplatz ankam. Sie kannte sich nicht aus, aber normalerweise stand die Kirche immer in der Dorfmitte. Jedenfalls in diesen kleinen, verschlafenen, abgelegenen und daher unglaublich ruhigen Gebirgsorten, in denen sich – wie könnte es anders sein – Fuchs und Hase Gute Nacht sagten.

Genau das hatte sich Franziska Heininger aus der schönen Bodensee-Stadt Konstanz auch gewünscht: Ein Dorf, in dem absolut nichts los war. Wenn ein paar Leute vorbeihuschten, die allenfalls „Grüß Gott“ und „Servus“ murmelten, dann musste man das in Kauf nehmen. Aber sonst bitte nichts, gar nichts, abgesehen von ein bisschen Glockengeläut, Bergromantik, Bächen und Blumenwiesen.

Almhütten sollten möglichst einsam sein und in verborgenen Winkeln liegen, die Wälder mussten geheimnisvoll schweigen, ab und zu ein scheues Reh, Vögel und ein paar Eichkatzerl, wie man hier die Eichhörnchen nannte.

Die gesunde, sauerstoffreiche Luft im Wald war bestimmt ein richtiges Allheilmittel, weil man dann den Kopf frei bekam und alle lästigen Gedanken abschütteln konnte. Jedenfalls stellte sich Franzi das so vor.

Die Leute behaupteten ja immer, dass man die Einsamkeit suchen sollte, um wieder zu sich selbst zu finden. Franzi hoffte, dass ihr genau das auch gelingen würde.

Noch keine sechsundzwanzig alt Jahre und schon an einem Punkt im Leben angelangt, an dem es irgendwie nicht mehr weiterging – was war aus der fröhlichen Franzi geworden? Eine traurige, enttäuschte junge Frau, die kaum ihre Tränen zurückhalten konnte und am liebsten allein war … Gab es in ihrem Herzen denn kein Fünkchen Hoffnung mehr?

Sie stieg aus. Ihr silbergraues Auto glänzte wie neu, der Regenguss hatte dem Lack sichtlich gut getan.

Und jetzt? Franzi wollte etwas trinken und ein Häppchen essen, obwohl sie kaum Appetit hatte. Aber sie wusste nicht, ob es in der Nähe ein Wirtshaus gab.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen, unvorbereitet loszufahren. Nur einfach so, weil sie noch nie im Zillertal gewesen war und weil sie zufällig in einem Alpen-Urlaubsprospekt gelesen hatte, dass St. Christoph „ein Bergidyll und ein Geheimtipp“ war.

Beides ließ darauf schließen, dass man sich hier vor der großen, bösen Welt verstecken konnte. Je weniger Leute auftauchten, desto besser. Ein einziger Dorfbewohner, der ihr den Weg zu einem eventuell vorhandenen Gasthaus gezeigt hätte, wäre ihr jetzt freilich sehr angenehm gewesen.

Just in diesem Moment öffnete sich das Kirchenportal, und mindestens zwei Dutzend heitere, sichtlich vergnügte Leute quollen heraus.

Entweder hatten sie drinnen vor dem Gewitter Schutz gesucht oder ganz einfach nur die schöne, alte Barock-Kirche besichtigt. Gleichzeitig tauchten nun auch Passanten, Radfahrer und eine Schar Kinder auf, die alles andere als leise waren.

Am malerischen Brunnen unter der großen Linde spielten zwei Hunde miteinander Nachlaufen, jedenfalls sah es so aus. Fenster wurden geöffnet, Musik erklang. Man lachte und plauderte, jemand rief: „Gehen wir Eis essen oder doch lieber ins Brotzeitstüberl?“

Franzis Blick fiel auf einen Schaukasten mit einem auffallend fett gedruckten Plakat: „Blumenfest in St. Christoph, wie immer mit vielen Überraschungen!“ Und darunter: „Almrausch-Party – nirgendwo so zünftig wie auf der Samerhütte am Mooswald! Bei uns ist keiner lang allein – kommt’s alle herauf!“

Nicht genug damit. „Berghotel ‚Am Sonnenhang‘: Unser Veranstaltungskalender ist in diesem Sommer so vielfältig wie nie! Wir freuen uns auf unsere zahlreichen Gäste. Bei romantischen Abenden im Kerzenschein, kulinarischen Köstlichkeiten und Mondscheinfesten mit dem bekannten Alpina-Quintett im Hotelpark vergisst man die Zeit!“

Franzi traute ihren Augen nicht. Stand das wirklich dort, oder war es nur ein Albtraum? Partys, ausgelassene Feste, Musik, Romantik … bitte nicht!

Von wegen verschlafen, abgelegen, langweilig, Fuchs und Hase, winzige Almhütten in verborgenen Winkeln. Kein Wort von versteckten Plätzen, an denen man allein und völlig ungestört seinen Gedanken nachhängen konnte – leider sehr schmerzlichen Gedanken.

Aber irgendwie musste man es doch verarbeiten, dass man gekränkt und verlassen worden war, belogen, betrogen und hinters Licht geführt. Und nun bekam Franzi schon wieder feuchte Augen.

„Ich bin hier wohl doch am falschen Platz“, murmelte sie vor sich hin. „Das brauch ich alles net. Musik, Tanz und möglichst noch alberne Burschen, die sich an mich heranmachen wollen. Vielleicht fahre ich nachher weiter in irgendeine Einsiedelei.“

Unsinn! Hier war es wunderschön, das sah man auf den ersten Blick. Nach den Wetterkapriolen von vorhin strahlte die Sonne über dem Tal, als habe es noch nie eine dunkle Wolke, geschweige denn ein Gewitter in dieser herrlichen Berglandschaft gegeben.

Auf dem Zwiebelturm der Pfarrkirche thronte ein goldener Wetterhahn, der zwar ein wenig in die Jahre gekommen, aber immer noch in tadellosem Zustand war. Klar, er bestand natürlich nicht aus echtem Gold, aber das tat dem Stolz des Turmhahnes keinen Abbruch. Er hielt sich für unersetzlich. Wer hätte auch ohne ihn gewusst, woher der Wind wehte?

Und dann dieses Panorama! Blühende Wiesen und Almen, der tiefgrüne Bergwald, darüber die schroffen Gipfel, allen voran der Feldkopf mit seinem eisig-weißen Gletscher, flimmernd wie ein riesiger Diamant. Auch wenn man sich von dieser Naturschönheit geblendet fühlte, musste man immer wieder hinschauen.

Wo hab ich nur meine Sonnenbrille?, überlegte Franzi. Sie war müde, von Minute zu Minute wurde sie hungriger. Unterwegs hatte sie sich mit Obst begnügt.

„Junge Dame, gehen Sie bitte ein Stückerl beiseite“, sagte eine gütige, tiefe Stimme. „Die Leut müssen vorbei, und Sie stehen ja eh halb auf der Straße. Das ist gefährlich. Wir wollen doch net, dass Ihnen am Ende die Autos über Ihre zarten Füßchen fahren.“

Franzi sprang zur Seite. Du meine Güte! War sie denn wirklich so kopflos geworden, dass sie nicht mehr wusste, ob sie auf dem Gehsteig oder der Straße stand?

„Ich war ziemlich lange unterwegs, vom Bodensee bis hierher. Und ich bin gerade erst angekommen, daher kenne ich mich net aus“, stieß sie hervor. „Es tut mir leid, dass ich hier einfach so herumstehe.“

Verwirrt starrte sie ins Gesicht eines freundlichen, älteren Herrn von gewichtiger Statur.

Dass er nicht unbedingt „schlank“ zu nennen war, störte überhaupt nicht, im Gegenteil. Seine stattliche Erscheinung erweckte in Franzi ein gewisses Vertrauen.

Er trug einen Anzug aus leichtem Sommerloden und einen breitkrempigen Hut, an dem drei Federchen im Farbmix hellblau-nussbraun-weiß steckten. Hübsche Federn waren das. Franzi starrte wie gebannt auf den Hut mit der ungewöhnlichen Verzierung.

„Eichelhäher-Federn“, vernahm Franzi. „Man sagt, dass sie Glück bringen. Für jedes meiner Herzerln trag ich ein Federchen am Hut. Ich hab drei Enkelkinder. Die Federn haben wir im Wald gefunden. Aber Sie sind ja ganz blass, Kindchen. Kann ich Ihnen helfen?“

„Nein. Es ist nur die Müdigkeit“, stammelte Franzi. „Außerdem müsste ich ein bisserl was essen. Wo gibt’s denn hier ein Wirtshaus? Nichts Besonderes, es kann ganz einfach sein. Mir reichen ein paar Würstl oder eine Brotzeit.“

„Bei uns ist eigentlich alles recht ordentlich und gemütlich“, erklärte der ältere Herr. „Man kann hier vorzüglich essen. Im ‚Berghotel Am Sonnenhang‘ wird man richtig verwöhnt. Ich empfehle Ihnen aber für Ihre Zwecke den Gasthof ‚Zum Ochsen‘, ein bodenständiges Haus mit guter Tiroler Küche. Warmes Essen bekommen Sie dort sogar bis dreiundzwanzig Uhr. Die hausgemachten Semmelknödel mit Schwammerlsoße sind eine Sünde wert, würde ich sagen.“

Ein tiefes, herzliches Lachen, dann ein prüfender Blick: „Nun, junge Dame, kann ich Ihnen net doch irgendwie behilflich sein? Machen Sie hier Urlaub?“

„Ja, ja. Eine Weile. Danke für Ihre Mühe, aber ich brauch keine Hilfe. Wo ist denn das Wirtshaus?“

„Schauen Sie, gleich dort drüben, wenn Sie hinter dem Brunnen nach rechts gehen. Knapp zwei Minuten und schon sind Sie da.“

„Aha. Nochmals vielen Dank, Herr … darf ich nach Ihrem Namen fragen?“

„Freilich. Burger heiße ich. Dr. Pankraz Burger, der Senior. Mein Sohn praktiziert in der Kirchgasse. Ich selbst habe mich schon vor einer Reihe von Jahren zur Ruhe gesetzt. Die Praxis liegt übrigens genau neben dem Doktorhaus. Dr. Martin Burger, Facharzt für Innere Medizin und Chirurgie, die Leute nennen ihn den Bergdoktor. Also, falls Sie während Ihres Urlaubs mal ärztliche Hilfe brauchen, dann wissen Sie jetzt schon, wohin Sie sich wenden können.“

„Ja. Könnte ja sein.“ Franzi zögerte. „Ich bin ein bisserl erschöpft. Wenn es net von allein besser wird, schau ich vielleicht mal in der Praxis Ihres Sohnes vorbei, Herr Doktor.“

Ein freundliches und gleichzeitig teilnahmsvolles Nicken, dann erwiderte Dr. Pankraz Burger: „Ich sag jetzt einfach du zu dir, Madel, wie wir es hier in den Bergen gewohnt sind. Sieh zu, dass du dich gut erholst. Hier bist du net allein und auf dich gestellt, da kannst du ganz sicher sein. Aber jetzt muss ich mich beeilen. Ich hab noch einen Termin beim Pfarrer. Messweinprobe – sehr wichtig!“

Der alte Herr lupfte seinen Hut und stapfte dann mit festen Schritten davon.

Schade.

Franzi hätte sich gewünscht, dass er noch ein bisschen bei ihr geblieben wäre. Seine gütige Art erinnerte sie ein wenig an ihren verstorbenen Großvater, dem sie immer alles erzählt und der stets einen Rat gewusst hatte.

Es wird Zeit, dass ich mir eine Privatpension suche, möglichst abgelegen und mitten im Grünen, ging es ihr durch den Kopf.

Ihr war schwindlig. Klar, die Müdigkeit machte ihr zu schaffen. Sie schlief seit einiger Zeit sehr schlecht. Die Fahrt hatte sie außerdem ziemlich angestrengt.

Im „Ochsen“ bestellte sie sich die wunderbar lockeren Knödel mit Schwammerlsoße als Mini-Portion und trank Apfelschorle. Nach dem Essen fühlte sie sich besser, nicht mehr so matt und kraftlos wie vorhin.

Leider waren auch hier mehr Leute anwesend, als sie gedacht hatte. Egal, ob Einheimische oder Touristen, alle schienen sich sehr wohlzufühlen und obendrein die gute Laune für sich gepachtet zu haben.

Es sah nicht danach aus, als ob sich auch nur einer der Gäste Sorgen um irgendetwas machte. Herrlich, einfach diesen Spätnachmittag genießen zu können – ganz ohne Kummer und Herzweh.

Sie sind alle viel zu fröhlich, ich halte das nicht aus, dachte Franzi.

„Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“, fragte Nelli, das nette Serviermadel. „Wir hätten heute noch einen Blaubeerkuchen zum Nachtisch, den hat die Chefin vorhin frisch aus dem Ofen geholt. Ein Tasserl Kaffee gibt’s gratis dazu.“

„Nein, vielen Dank.“ Franzi räusperte sich. „Ist es hier immer so voll?“

Nelli blickte sie erstaunt an. „Voll? Wieso? Es ist wie immer. Und draußen wäre ja auch noch Platz. Unter den Kastanien kann man gemütlich sitzen. Unser Biergarten ist sehr beliebt. Nachher kommt noch der ganze Chor zum Nachtessen. Vorhin war ja Liederprobe in der Kirche. Das Gewitter hat sich verzogen, man kann also draußen sitzen. Möchten Sie vielleicht noch ein bisserl hinausgehen?“

„Nein. Ich meine ja nur. Es ist ein bisschen zu laut. Ich finde, dass zu viele Leute hier sind.“

„Wir freuen uns, dass wir so nette Gäste haben. Sie sind doch gar net so laut“, antwortete die Nelli und sah dabei ratlos drein, denn war es nicht ganz normal, dass sich die Gäste unterhielten und ein bisserl lachten?

„Es sind viele Stammgäste hier, aber auch Urlauber“, setzte sie hinzu. „Die meisten Leute reden miteinander und fühlen sich sehr wohl bei uns. Das möchten wir ja auch, wir sind nämlich ein Wirtshaus und kein Schweigekloster. Es hat sich noch nie jemand beschwert, niemand findet es zu laut oder so. Natürlich geht immer was bei uns. Im November vielleicht net so sehr. Das ist der einzige Monat, wo wir auch mal durchschnaufen können. Manchmal wird es dann recht still. Es ist doch schöner, wenn hernach die Gäste wiederkommen.“