Der Bergdoktor 1986 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1986 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Wenn du nicht gewesen wärst ...
An seiner Seite schöpft sie wieder Hoffnung
Von Andreas Kufsteiner

So schonend wie irgend möglich bringt Dr. Burger seiner Patientin die Diagnose bei, dennoch ist es ein Schock: Meike Kerber hat einen inoperablen Hirntumor. Chemotherapie und Bestrahlung können der jungen Frau nur etwas mehr Lebenszeit verschaffen - mehr nicht.
Ihr Mann hat sie vor eineinhalb Jahren verlassen und St. Christoph den Rücken gekehrt. Jetzt trägt Meike die alleinige Verantwortung für ihren kleinen Buben. Und in dieser schier ausweglosen Situation steht Erik plötzlich vor ihr und bittet sie um die Scheidung. Das zieht Meike nun gänzlich den Boden unter den Füßen weg, doch sie willigt ein, stellt ihm aber eine Bedingung ...

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Seitenzahl: 124

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Wenn du nicht gewesen wärst …

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Chiemseer Dirndl & Tracht

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8357-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wenn du nicht gewesen wärst …

An seiner Seite schöpft sie wieder Hoffnung

Von Andreas Kufsteiner

So schonend wie irgend möglich bringt Dr. Burger seiner Patientin die Diagnose bei, dennoch ist es ein Schock: Meike Kerber hat einen inoperablen Hirntumor. Chemotherapie und Bestrahlung können der jungen Frau nur etwas mehr Lebenszeit verschaffen – mehr nicht.

Ihr Mann hat sie vor eineinhalb Jahren verlassen und St. Christoph den Rücken gekehrt. Jetzt trägt Meike die alleinige Verantwortung für ihren kleinen Buben. Und in dieser schier ausweglosen Situation steht Erik plötzlich vor ihr und bittet sie um die Scheidung. Das zieht Meike nun gänzlich den Boden unter den Füßen weg, doch sie willigt ein, stellt ihm aber eine Bedingung …

„Das werd ich mir nie verzeihen. Nie!“ Irina Roth rang die Hände. Tränen schimmerten in den Augen der Mittvierzigerin und hafteten an ihren getuschten Wimpern. „Meine arme Kleine!“

Dr. Erik Kerber biss die Zähne zusammen. Den Tierarzt lagen etliche Vorwürfe auf der Zunge, aber er brauchte alle Konzentration, um seine vierbeinige Patientin zu versorgen.

Die Cocker-Spaniel-Hündin sträubte sich gegen jede Berührung und fiepte herzzerreißend. Ein Wunder war das nicht: Sie wies großflächige Abschürfungen am rechten und linken Vorderlauf auf. Fell und Haut waren regelrecht weggeschürft, und sie blutete stark.

Behutsam legte Dr. Kerber einen venösen Zugang und führte der Hündin Flüssigkeit und ein Schmerzmittel zu. Außerdem eine großzügig bemessene Menge Antibiotika. Während er Atmung und Herzschlag im Blick behielt, untersuchte er die Verletzungen vorsichtig. Seine Patientin schlug mit der Rute auf den metallenen Behandlungstisch, blieb jedoch liegen.

„Braves Tier. Du weißt, dass ich dir nur helfen will, nicht wahr?“, murmelte Erik Kerber.

Mimi war eine junge Hündin. Ihr Kreislauf war stabil, und das war ein Segen. Allerdings würden die Wunden lange und schmerzhafte Monate benötigen, um zu verheilen.

Wie konnte das nur geschehen?

„Ich hatte Mimi an der Anhängerkupplung meines Autos festgebunden“, jammerte Frau Roth. „Danach bin ich noch einmal ins Haus zurück, um meinen Einkaufskorb zu holen. Mein Mann rief an, deshalb habe ich vergessen, dass Mimi festgebunden war. Ich bin eingestiegen und losgefahren. Erst nach fünfhundert Metern ist mir aufgefallen, dass sie net auf der Rückbank sitzt. Ich hab sie die ganze Strecke mitgeschleift!“

Dr. Kerber arbeitete schweigend. Was hätten Vorwürfe auch genutzt? Die machte Frau Roth sich selbst schon genug. Er musste sich erst einmal um die Folgen ihres Versäumnisses kümmern.

Großflächig rasierte er das Fell um die verletzten Hautpartien weg und spülte die Wunden mit steriler Kochsalzlösung.

Das Schmerzmittel wirkte. Mimi ließ ihn ruhig gewähren.

Er entfernte Schmutz und kleine Steine, begutachtete die Verletzungen erneut und prüfte die Durchblutung. Alles gut so weit.

Abschließend legte er Mimi Verbände und eine Halskrause an und blickte hoch.

„Die Wundauflagen müssen in der ersten Woche zweimal täglich gewechselt werden. Können Sie Mimi hier in der Praxis lassen?“

„Oh, das möchte ich net.“

„Sie muss mehrmals täglich versorgt werden, Frau Roth.“

„Ich verspreche, sie herzubringen, aber ich nehme sie wieder mit nach Hause, Doktor Kerber. Es ist meine Schuld, dass es ihr schlecht geht, deshalb will ich sie versorgen.“

„Also gut. Bringen Sie Mimi bitte sofort zu mir, wenn sie Fieber bekommt oder die Wunden nässen. Und kommen Sie mit ihr zum Verbandwechsel her.“

„Natürlich.“ Die Mittvierzigerin nickte lebhaft, sodass ihre aufgetürmten blonden Haare wippten. „Ich werde alles tun. Wie lange wird es dauern, bis Mimi wieder gesund ist?“

„Monate. Auf jeden Fall Monate.“

„So lange? Aber wir wollen in zwei Wochen mit ihr nach Sankt Peter Ording fahren. Glauben Sie net, dass Mimi dann wieder fit ist?“

„Ausgeschlossen. Die Wunden sind tief und schmerzhaft. Es wird viel Zeit brauchen, bis sich Mimi wie früher bewegen kann.“

„Oh.“ Irina Roth legte eine Hand mit rot lackierten Fingernägeln an ihren Mund.

Erik Kerber hätte ihr gern etwas anderes gesagt, aber die Hündin hatte eine lange Zeit der Genesung vor sich. Das Versehen ihrer Besitzerin hatte tiefe Wunden gerissen.

Frau Roth setzte Mimi in den Korb und verabschiedete sich.

Als die Tür des Sprechzimmers hinter ihr zufiel, schüttelte Eriks Sprechstundenhilfe den Kopf. Annie hatte sich bis jetzt zurückgehalten und ihm schweigend assistiert.

„Manche Leute sollten keine Haustiere halten“, murmelte sie nun wütend.

„Frau Roth hat das net absichtlich gemacht.“

„Aber sie kreiselt völlig um sich selbst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie die arme Mimi wieder irgendwo vergisst. Das nächste Mal vielleicht im heißen Auto in der Sonne.“

„Das wollen wir net hoffen.“ Erik streifte die Einmalhandschuhe ab und überließ es Annie, den Behandlungstisch zu säubern und desinfizieren. Mimi war seine letzte Patientin für diesen Tag gewesen. Er freute sich auf den Feierabend.

Draußen rauschte der Verkehr von einer der Hauptstraßen Innsbrucks wie der Puls einer Schlagader.

In der Praxis wurden überwiegend Kleintiere behandelt. Hin und wieder gab es eine Kuh oder ein Pferd zu versorgen.

Erik war einer von drei Tierärzten, die sich um die vierbeinigen Patienten kümmerten. Er liebte seine Arbeit und hätte sich nichts anderes vorstellen können. Schon als Kind hatte er Tiere gepflegt und heimlich in den Fachbüchern seines Vaters geschmökert, der ebenfalls Veterinär gewesen war.

Mit einem Mal hörte er Stimmen im Vorzimmer, dann schwang die Tür auf, und seine Freundin wirbelte herein. Sie trug ein gelbes Sommerkleid, das ihre schmale Taille betonte. Der lange Rock war geschlitzt und ließ bei jeder Bewegung ihre schlanken gebräunten Beine sehen. Der passende Hut vervollständigte das Ensemble. Kristina arbeitete in einer Boutique in der Innenstadt und liebte es, sich modisch und unverwechselbar zu kleiden.

„Schwester Jasmin sagt, du wärst für heute fertig.“ Sie strahlte ihn an. „Wollen wir los?“

„Ich hab nichts dagegen.“ Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss, den sie feurig erwiderte. Sie wollten zusammen ins Freilufttheater. An diesem Abend wurde „Der Name der Rose“ aufgeführt. „Heute ging es wieder turbulent in der Praxis zu. Ich bin zu keiner Pause gekommen. Vor der Vorstellung muss ich unbedingt noch rasch einen Happen essen.“

„Und duschen.“ Kristina rümpfte die Nase. „Der Tag hat seine Spuren hinterlassen. Wie du das nur aushältst, mit dem Unrat und den Exkrementen kranker Tiere zu hantieren! Und das Tag für Tag!“

„Das gehört genauso zu meiner Arbeit wie der dankbare Ausdruck in den Augen eines Tieres, wenn es ihm besser geht. Dafür lohnt sich das alles.“

Kristina verzog das Gesicht.

„Als angestellter Tierarzt wirst du den Gestank niemals los. Du solltest über eine Stelle in der Forschung nachdenken. Weniger Schmutz, mehr Freizeit. Wäre das nichts?“

„Ich könnte niemals auf den direkten Kontakt zu den Tieren verzichten.“ Erik schüttelte bedächtig den Kopf. „Dafür habe ich studiert. Ich möchte helfen, wo ich kann.“

„Wie du meinst. Denk wenigstens einmal darüber nach. Vielleicht auf unserem Ausflug am Wochenende.“

„Was für ein Ausflug?“

„Sag net, du hast es vergessen!“

„Was denn vergessen? Oh, der Chiemsee. Ist das wirklich schon an diesem Wochenende? Ich wollte eigentlich am Freitagnachmittag nach Hause fahren und Finn besuchen.“

„Tu mir das net an. Ich hab mich schon so auf unser Wochenende gefreut. Frische Luft, schwimmen und die Seele baumeln lassen. Wir haben das schon ewig geplant.“

Und er hatte es vergessen. Verflixt. Erik war hin- und hergerissen. Er mochte seine Freundin nicht enttäuschen, aber er hatte seinen Sohn schon lange nicht mehr gesehen. Mindestens sieben oder acht Wochen nicht. Finn würde noch ganz vergessen, wie sein Vater aussah, wenn er sich nicht bald einmal wieder daheim blicken ließ.

Ja, er sollte wirklich heimfahren. Genauer gesagt, in sein früheres Zuhause, denn er lebte schon seit anderthalb Jahren nicht mehr in St. Christoph. Inzwischen war sein Lebensmittelpunkt in Innsbruck – fern von seinem Haus in den Bergen und von seiner Familie. Es nagte an ihm, dass er seinen Sohn so selten sah, aber der Alltag hielt ihn in Atem. Es gab so vieles zu tun. Immer und immerzu.

Stumm fuhr er sich durch die braunen Haare.

Er war Kristina vor einem Jahr hier in Innsbruck begegnet. Sie hatte das Ende seiner Ehe nicht herbeigeführt, ihm jedoch gezeigt, dass er der Liebe noch nicht abgeschworen hatte. Seit einiger Zeit drängte sie ihn, klare Verhältnisse zu schaffen.

„Du solltest die Scheidung anstoßen, Erik“, mahnte sie auch jetzt leise. „Ich spüre, dass du unglücklich bist und ein schlechtes Gewissen hast, weil du Finn zu selten siehst. Regel das endlich mit Meike. Auch das Sorgerecht. Trefft eine Vereinbarung und haltet euch daran. Das ist nur fair, Erik. Meinst du net?“

Erik nickte kaum merklich. Ja, dieser Ansicht war er ebenfalls. Er hatte das endgültige Ende seiner Ehe bislang hinausgezögert, aber Kristina hatte recht. Es war unfair, seine Frau noch länger hinzuhalten.

„Ich werde Meike um die Scheidung bitten“, nahm er sich vor und legte die Arme um seine Freundin.

„Wirklich?“, fragte sie leise. „Du hast schon so oft davon gesprochen und es noch net wahrgemacht. Manchmal hab ich Angst, dass deine Frau für immer zwischen uns stehen wird.“

„Das wird sie net.“ Er tupfte einen Kuss auf ihren Scheitel. „Ich werde für klare Verhältnisse sorgen. Das verspreche ich dir.“

***

Meike hatte furchtbare Angst! Sie verkrampfte ihre Hände zu Fäusten. Ihre Fingernägel bohrten sich tief in ihre Haut, aber das linderte das wilde Schlagen ihres Herzens nicht.

Trotz der Ohrhörer konnte sie das Dröhnen und Stampfen der Maschine hören, in der sie gefangen war. Ihr Hausarzt brauchte die Aufnahmen der Magnetresonanztomografie.

Eine Krankenschwester hatte ihr gesagt, die Untersuchung würde voraussichtlich fünfzehn Minuten dauern.

Meike hatte ausgerechnet, wie viele Sekunden das waren, und versuchte nun, in Gedanken von neunhundert an rückwärts zu zählen. Sobald sie bei null war, wäre es überstanden, aber vor lauter Aufregung verhaspelte sie sich bei achthundertachtzig und gab es auf.

In der Röhre war es eng. Es klopfte und rumpelte. In Meikes Brust pumpte es panisch. Ich will hier raus! Ich will hier raus!

Wie ein Echo ihres pulsierenden Herzens hämmerten die Gedanken auf sie ein. Meike grub die Zähne in die Unterlippe. Über die Ohrhörer vernahm sie nicht nur beruhigende Musik, sondern auch die Stimme der Schwester, die ihr zuredete und sie bat, still zu liegen. Hin und wieder hieß sie Meike, den Atem für kurze Zeit anzuhalten.

Die junge Frau schwitzte Blut und Wasser.

Die MRT wurde im Bezirkskrankenhaus von Schwaz gemacht, rund fünfzig Kilometer von ihrem Heimatdorf entfernt. Dr. Burger hatte sie hergeschickt, weil sie seit längerer Zeit unter Kopfschmerzen und Sehstörungen litt. Die Aufnahmen von ihrem Schädel sollten ihm verraten, ob ihre Beschwerden eine organische Ursache hatten oder dem Stress geschuldet waren.

Meike tippte auf ihren hektischen Alltag. Ja, daran musste es liegen. Das wäre auch kein Wunder, nicht wahr? Ihre Ehe war am Ende. Sie stand allein mit ihrem Sohn und arbeitete oft bis tief in die Nacht. Natürlich brummte ihr der Schädel! Sie hatte den Bergdoktor nur um ein stärkeres Medikament gegen ihr Kopfweh bitten wollen. Die frei verkäuflichen Mittel halfen nicht mehr. Doch er hatte sie zu weiteren Untersuchungen geschickt.

Und so lag sie nun in dieser Röhre und kämpfte mit der Panik, die in Wellen kam und sie zu überzeugen versuchte, auf dem schnellsten Weg da herauszukriechen.

Doch Meike harrte aus.

Sie war extra in die Stadt gefahren, um sich untersuchen zu lassen. Noch einmal würde sie den Weg nicht auf sich nehmen. Diese Zeit verbrachte sie lieber mit ihrem Sohn, deshalb hielt sie durch.

„Gut gemacht, Frau Kerber“, kam es über die Kopfhörer. „Wir holen Sie jetzt wieder hervor. Hoffentlich sind Sie net inzwischen eingeschlafen?“

Eingeschlafen? Bei diesem Lärm? Meikes Anspannung entlud sich in einem leisen Lachen.

Die Liege bewegte sich mit ihr aus der Röhre. Sie hatte es geschafft! Schwester Mila half ihr beim Aufstehen. Sie war eine zierliche Frau Anfang zwanzig mit wachen blauen Augen und einem Leguan-Tattoo am Fußknöchel.

„Was zeigen die Aufnahmen?“, fragte Meike.

„Dazu darf ich Ihnen leider nichts sagen. Die Ergebnisse wird Ihr Hausarzt mit Ihnen besprechen.“

„Aber Sie haben nichts gefunden, nicht wahr?“

„Für die Auswertung ist der behandelnde Arzt zuständig. Tut mir leid.“ Schwester Mila wich ihrem Blick aus.

Was hatte das zu bedeuten? Vermutlich war sie nur verlegen, weil sie ihr nichts sagen durfte, beruhigte sich Meike selbst. Sie hatte ihre Beschwerden gegoogelt. Die Symptome passten zu einer Migräne. Sogar haargenau: unerträgliche Kopfschmerzen und Übelkeit. Dazu das Flimmern vor ihren Augen und das Doppelsehen. Ja, es war sicherlich eine Migräne.

Meike bedankte sich und tappte barfuß zum Umkleideraum, wo sie den Untersuchungskittel ablegte und in ihr korallenfarbenes Sommerkleid schlüpfte.

Beim Verlassen der Abteilung traf sie Schwester Mila erneut. Diese wünschte ihr Glück, und wieder war es Meike, als würde sie mitfühlend angesehen.

Was hatte die Untersuchung wohl ergeben? Übermorgen würde sie es erfahren und sich bis dahin mit den Tabletten über Wasser halten.

Hinter ihrer linken Schläfe pochte es schmerzhaft, deshalb nahm sie zwei Tabletten und spülte mit etwas Mineralwasser aus der kleinen Flasche nach, die sie stets bei sich trug. Anschließend verließ sie das Krankenhaus.

Als sie ins Freie trat und der warme Sommerwind ihr Gesicht streichelte, fühlte sie sich von einer schweren Last befreit. Als wäre sie einer unbekannten Gefahr entronnen.

Meike lenkte ihre Schritte zu einem kleinen Straßencafé. Uralte Linden spendeten angenehmen Schatten. Der Wind rauschte leise durch die Blätter. Zwischen dem dichten Grün summten Insekten.

Unter den ausladenden Ästen standen runde Tische und Stühle. Die meisten waren von Urlaubern besetzt. An einem saß eine junge Frau mit modisch kurz geschnittenen weißblonden Haaren. Die rote Brille verlieh ihr ein frisches Aussehen. Sie winkte Meike zu.

„Da bist du ja!“

„Conny! Es ist so schön, dich zu sehen.“ Meike beugte sich zu ihrer Freundin und umarmte sie zur Begrüßung, ehe sie sich auf den freien Stuhl sinken ließ.

Cornelia Heller und sie waren zusammen zur Schule gegangen, bis sich Meike verliebt hatte und ihrem zukünftigen Mann ins Zillertal gefolgt war. Die Entfernung hatte ihrer Freundschaft keinen Abbruch getan. Sie trafen sich nicht mehr so oft wie früher, aber sie telefonierten regelmäßig und tauschten sich über alles Wichtige in ihrem Leben aus.

Conny war als Journalistin für die Tiroler Tagezeitung unterwegs und häufig auf Achse. Das kleine Lindencafé war früher ihr liebster Treffpunkt gewesen.

„Ich hab schon mal angetestet, ob die Torte heute gut ist“, erklärte Conny munter und deutete auf ihren Teller, der nur noch Krümel aufwies. „Einer musste sich ja opfern.“

„Und zu welchem Resultat bist du gekommen?“

„Ganz sicher bin ich noch net. Vermutlich sollte ich ein zweites Stück probieren.“

„Dabei werde ich dich tatkräftig unterstützen.“ Meike winkte der Kellnerin, und sie bestellten Linzer Torte und Kaffee.