Der Bergdoktor 1990 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 1990 E-Book

Andreas Kufsteiner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der schlimmste Schmerz
Im Leid zeigt sich wahre Liebe
Von Andreas Kufsteiner

Seit Wochen verschlechtert sich Valentina Lenzingers Gesundheitszustand dramatisch, und obwohl der Bergdoktor alles nur Menschenmögliche unternimmt, stellt sich keine Besserung ein. Längst hat sie sich damit abgefunden, dass sie wohl nicht mehr lange zu leben hat.
Umso wichtiger ist es für Valentina, die wenige Zeit zu nutzen, dass Andreas, ihr Mann, nach ihrem Tod nicht allein dasteht. Er braucht eine Frau an seiner Seite, die Verständnis für seine Trauer hat, die ihn von einer Verzweiflungstat abhält und die eines Tages an ihre, Valentinas, Stelle tritt ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Der schlimmste Schmerz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8444-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der schlimmste Schmerz

Im Leid zeigt sich wahre Liebe

Von Andreas Kufsteiner

Seit Wochen verschlechtert sich Valentina Lenzingers Gesundheitszustand dramatisch, und obwohl der Bergdoktor alles nur Menschenmögliche unternimmt, stellt sich keine Besserung ein. Längst hat sie sich damit abgefunden, dass sie wohl nicht mehr lange zu leben hat.

Umso wichtiger ist es für Valentina, die wenige Zeit zu nutzen, dass Andreas, ihr Mann, nach ihrem Tod nicht allein dasteht. Er braucht eine Frau an seiner Seite, die Verständnis für seine Trauer hat, die ihn von einer Verzweiflungstat abhält und die eines Tages an ihre, Valentinas, Stelle tritt …

„Das werde ich nie begreifen können, wie man mit solchem Schuhwerk eine Bergwanderung machen kann“, wetterte Dominikus Salt, der Leiter der Bergwacht. „Und dann wollte dieser Held auch noch eine der Höhlen erforschen! Dabei warnen wir die Touristen doch immer wieder, wie gefährlich das ist.“

Dr. Burger und sein Freund Dominikus hatten gerade einen Einsatz auf der Beerenhalde, einem langgestreckten karstigen Tafelberg, der jedoch wegen seiner versteckten Höhlen immer wieder die Neugier von Bergwanderern erweckte, hinter sich gebracht. Ein Gast des Berghotels „Am Sonnenhang“, der angekündigt hatte, die Beerenhalde erkunden zu wollen, war als vermisst gemeldet worden, und die Vermutung lag nah, dass er sich in einer der Höhlen verirrt hatte.

Wie so oft hatte sich der Bergdoktor, wie Martin Burger allgemein in St. Christoph und Umgebung genannt wurde, dem Trupp der Bergwacht angeschlossen, um Ersthilfe leisten zu können.

Nach längerer Suche hatten sie den jungen Mann in einer der größeren Höhlen entdeckt. Er war einen Abhang hinuntergestürzt und hatte sich eine schwere Beinverletzung zugezogen, sodass er nicht mehr aus eigener Kraft hochklettern und aus der Höhle gelangen konnte. Es war höchste Zeit gewesen, dass sie ihn gefunden hatten, denn in der leichten Sommerkleidung, die er leichtsinnigerweise trug, litt er bereits unter starker Unterkühlung.

Inzwischen war er jedoch ärztlich versorgt und mit einem Rettungshubschrauber in eine Unfallklinik geflogen worden. Nach Martins Auffassung würde er sich dort in ein paar Tagen völlig von seinen Verletzungen erholen.

Dominikus Salt musste immer noch seiner Empörung Luft machen.

„Bald werden‘s in Flip Flops den Feldkopf besteigen wollen, und wir können wieder anrücken und die depperten Touristen aufsammeln“, entrüstete er sich, und seine hellen Augen, die einen auffallenden Kontrast zu seiner gebräunten Haut bildeten, funkelten aufgebracht.

Bei dieser Vorstellung musste der Bergdoktor unwillkürlich lachen.

„Wenigstens ist alles noch einmal einigermaßen glimpflich ausgegangen“, begütigte er seinen Freund, der sich allmählich wieder beruhigte.

Sie verabschiedeten sich herzlich voneinander, und der Bergdoktor trat die Heimfahrt an.

Obwohl er im Zillertal geboren und aufgewachsen war, entzückte ihn immer noch die Schönheit dieses abgelegenen Hochtals. Gerade jetzt im Frühjahr war es die schönste Zeit, wenn die Almwiesen mit ihrer Blumenpracht gesprenkelt waren und die Obstbäume blühten.

Der Gletscher des Feldkopfs, der höchste der sechs Wächterberge, die das Tal begrenzten, schien im Licht der Abendsonne zu glühen. Daneben ragte rechts der Hexenstein mit seinen zwei Gipfeln empor und linkerhand das Frauenhorn, dem der schwer besteigbare Achenkegel folgte. Dem Rautenstein schloss sich die Beerenhalde an, wo die Bergwacht nicht den ersten Einsatz dieser Art geleistet hatte.

Dr. Burger ließ den Krähenwald hinter sich und gelangte auf die Kirchgasse, wo sich das Doktorhaus befand. Als er den Wagen davor anhielt, winkte ihm Ulrich Steghofer, der Besitzer der Roswitha-Apotheke gegenüber, zu, und der Bergdoktor erwiderte dessen Gruß ebenso freundlich.

Schon als er die Haustür öffnete, schallte Martin fröhlicher Lärm entgegen. Er blieb einen Augenblick stehen und lächelte versonnen. Endlich war wieder Leben in das Doktorhaus eingekehrt! Wie lange hatte er hier vereinsamt gelebt und nicht mehr an ein persönliches Glück geglaubt, sondern nur in der Arbeit seine Erfüllung gefunden.

Denn das Schicksal hatte es nicht immer gut mit Dr. Burger gemeint. Früh hatte er seine Mutter verloren, und durch unerwartete Komplikationen verstarb seine erste Frau Christl bei der Geburt ihres Kindes, das sie mit in den Tod nahm. Martin hatte es nicht mehr ausgehalten in seiner geliebten Bergheimat und war nach München gegangen, um seinen Facharzt in Chirurgie abzulegen. Erst als sein Vater die Arztpraxis in St. Christoph nicht mehr allein weiterführen konnte, war er zurückgekehrt.

Auch nach seiner Rückkehr stand sein Beruf weiter im Mittelpunkt seines Lebens. Er ließ die Praxis um einen Anbau erweitern, in der sich nun Labor, Röntgen, Ultraschall, Diagnostik und sogar ein kleiner Operationsaal befanden. Auch zwei Krankenzimmer für Notfälle gab es, und so dauerte es nicht lange, bis die Praxis allgemein als „Mini-Klinik“ bezeichnet wurde.

Und dann trat doch etwas ein, auf das er nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Im Haus seiner Patientin Rika Althäuser traf er dort auf deren Nichte Sabine, eine Anästhesistin aus Wien, die zu Besuch war. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und Sabine erwiderte seine Gefühle mit der gleichen Intensität.

Eben hörte er, wie sie hell auflachte, ein Lachen, das er über alles liebte, denn in ihren schönen braunen Augen funkelte es dann golden auf. Und es war vor allem das Lachen eines Menschen, der glücklich war und das Leben liebte.

Als er ins Wohnzimmer trat, stürmten sofort Tessa und Filli, die beiden älteren Kinder, auf ihn zu und überhäuften ihn mit Fragen.

„Habt ihr ihn gefunden? Geht es ihm gut?“, fragte Tessa, und ihre dunklen Brombeeraugen funkelten.

Die fast neunjährige Tessa war ursprünglich ein Findelkind, wurde von den Burgers zunächst als Pflegekind aufgenommen, später adoptiert. Doch daran dachte inzwischen niemand mehr. Das reizende, lebhafte Mädchen mit der dunklen Lockenpracht, der sie den Kosenamen „Schneckerl“ verdankte, gehörte untrennbar zur Familie.

Ihr jüngerer fünfjähriger Bruder, der eigentlich Philipp hieß, aber Filli genannt werden wollte, war nicht minder neugierig. Überhaupt gehörte er zu den Kindern, die immer alles ganz genau erforschen wollten. Von seiner Mutter hatte er nicht nur den blonden Haarschopf geerbt, sondern auch den Wissensdrang.

Das jüngste Kind der Burgers, die zweieinhalbjährige Laura, saß auf dem Arm ihrer Mutter, die gerade im Begriff stand, die Kleine ins Bett zu bringen. Laura krähte freudig auf, als sie ihren Vater erspähte und streckte die molligen Ärmchen nach ihm aus. Martin nahm sie seiner Frau ab, während er Tessa und Filli knapp schilderte, dass man den Vermissten aus einer Höhle auf der Beerenhalde gerettet habe.

„Wir sollten auch einmal wieder mit dem Opa einen Ausflug auf die Beerenhalde machen“, schlug Tessa vor.

Pankraz Burger, ihr Großvater, schnaubte.

„Damit du dich dort in einer der Höhle verstecken kannst, und wir alle nach dir suchen müssen?“

„Ich wollt mich halt nur ein bisserl umschauen“, erwiderte Tessa leicht gekränkt, „der Poldi würde mich eh gleich finden.“

Poldi, der Rauhaardackel, stieß wie zur Bestätigung ein kurzes Bellen aus. Er begleitete Pankraz immer, wenn er mit den Kindern – Lauras Buggy voran – einen Spaziergang oder sogar einen längeren Ausflug unternahm und erschnüffelte jede noch so winzige Spur.

Allerdings verschwand er gerne auch in Fuchsbauten, aus denen er dann erst nach längerer Zeit völlig verschmutzt zu den besorgten Kindern zurückkehrte. Die Reinigungsmaßnahmen, die anschließend erfolgten, liebte er nicht, sondern er zog sich danach schmollend in sein Körbchen unter der Treppe zurück.

Martin trug seine kleine Tochter hoch ins Kinderzimmer, wo sie sich widerstandslos von ihm zu Bett bringen ließ. Er legte ihr noch Fröschli, das Lieblingskuscheltier, in den Arm, und ehe er ihr noch etwas vorlesen konnte, fielen ihr schon die Augen zu.

„Sie hat den ganzen Nachmittag draußen im Garten gespielt. Das hat sie müde gemacht“, meinte Sabine.

„Gut so.“

„Ist der Tourist schwer verletzt?“, wollte Sabine nun Genaueres wissen, als sie die Tür leise hinter sich geschlossen hatten.

„Es ist eigentlich ziemlich glimpflich verlaufen, es hätte wahrhaftig schlimmer kommen können“, erwiderte Martin, ehe er seine Frau die Rettung des Verunglückten in allen Einzelheiten schilderte.

„Da hat der Dominikus sicher wieder auf die leichtinnigen Touristen geschimpft“, bemerkte Sabine.

„Das kannst du laut sagen! Gift und Galle hat er gespukt, du kennst ihn ja.“

„Stimmt. Wo der Dominikus recht hat, hat er eben recht. Komm, die Zenzi wartet sicher schon mit dem Essen. Sie hat dir einen Linseneintopf gekocht, damit du dich nach dem Einsatz ordentlich stärken kannst.“

Die Kinder hatten im Esszimmer schon den Tisch gedeckt, und Zenzi Bachhuber trat mit einer großen Terrine, der ein appetitlicher Duft entströmte, aus der Küche.

Zenzi war seit vierzig Jahren der gute Geist des Hauses, auch sie gehörte längst zur Familie.

„Ist das wieder dein unwiderstehlicher Linseneintopf mit Würsteln?“, fragte Martin erwartungsvoll.

„Extra für dich“, erwiderte sie und nickte.

Poldi, der an der Seite von Pankraz unter dem Esstisch lauerte, gab Laut, denn er roch die leckeren Würstchen. Sein Herrchen hatte die hochwillkommene Angewohnheit, ihm heimlich eines davon hinunterzureichen, was allerdings von Sabine überhaupt nicht gutgeheißen wurde.

„Du überfütterst unseren Poldi, das schadet ihm. Schließlich wollen wir ihn noch lang bei uns haben“, rügte sie ihn immer.

„Und unser Opa? Wird er auch von der Zenzi überfüttert?“, hatte Tessa einmal mit einem bezeichnenden Blick auf Pankraz Burgers Leibesfülle gefragt. „Werden wir ihn deshalb bald nicht mehr bei uns haben?“

Der Bergdoktor hatte einen Laut ausgestoßen, der schwer einzuordnen war, ihm aber einen strafenden Blick von seiner Frau eintrug. Sabine hatte sich jedoch schnell wieder gefasst und versuchte, sachlich auf diese Frage einzugehen.

„Bei Menschen ist das ein wenig anders als bei Tieren. Natürlich ist es nicht gesund, wenn sie zu viele Kilos auf die Waage bringen, aber sie können ja Sport treiben, um abzunehmen, oder sich sogar beim Essen mäßigen“, fügte sie bedeutungsvoll dazu.

Das war auf ihren Schwiegervater gemünzt, dessen Essgewohnheiten sie mit steter Sorge erfüllten. Pankraz indessen fand die Richtung, die das Gespräch genommen hatte, keineswegs erheiternd.

„Ich bleib euch schon noch eine Weile erhalten“, murrte er aufgebracht, warf die Serviette auf den Tisch und erhob sich.

Tessa brach in Tränen aus, und Sabine hatte Mühe, erst ihre Tochter und dann ihren Schwiegervater zu beruhigen. Letzteres gelang ohne große Anstrengung, denn Pankraz wusste Sabines Fürsorge sehr zu schätzen. Außerdem hatte sie aus seinem Sohn wieder einen glücklichen Menschen gemacht und ihm Enkel beschert, was noch mehr zählte.

„Ich gebe dem Poldi nur ein halbes Würstl“, versprach Pankraz daher vorsichtshalber mit einem Blick auf seine Schwiegertochter, doch Sabine winkte nur ab.

„Er ist doch heut genug herumgerannt, oder?“

Nachdem das geklärt war, widmete sich die Familie hingebungsvoll dem leckeren Eintopf. Nur Zenzi wusste ihn so zubereiten und verriet auch niemandem das Rezept von ihrer Ahndl selig. Auch das selbstgebackene Brot schmeckte wieder köstlich dazu, und Tessa war sogar überzeugt, dass es noch einen Nachtisch dazu geben würde.

„Vorhin hab ich etwas im Kühlschrank gesehen“, fühlte sie vor.

„Du neugieriges, kleines Naschkatzerl“, tadelte Zenzi, „vor dir kann man doch nichts verstecken. Ja, ist gibt noch eine Süßspeis, aber nur eine leichte, eine Zitronencreme mit einem Tupferl Sahne obendrauf.“

Pankraz seufzte glücklich.

Später erbot er sich in bester Stimmung nach all den Genüssen, die Kinder zu Bett zu bringen und ihnen vorzulesen.

„Ich habe eine neue Geschichte gefunden“, verriet er mit gesenkter Stimme, was Jubel bei Tessa und Filli auslöste.

„Ich hoffe, Vater, das ist keine Drohung“, meinte Martin.

Pankraz Burger schrieb nämlich seit Langem an einer Chronik des Zillertals und sammelte in Kirchenbüchern und Archiven nach Legenden und sonderbaren Begebenheiten, die sich in der Vergangenheit zugetragen hatte.

„Ein wahrer Schatz, diese alten Aufzeichnungen! Und was für Familiengeschichten man da erfährt“, pflegte er immer wieder zu betonen.

„Nein, es ist eine schöne Geschichte, sie hat sogar ein gutes Ende. Allerdings glaube ich, dass es in Wirklichkeit ganz anders …“

„Du liest den Kindern die schöne Geschichte vor, und dabei bleibt es“, fiel ihm Sabine freundlich, aber bestimmt ins Wort.

Denn sie dachte noch mit größtem Unbehagen daran, dass einige der grausigen Legenden bei den Kindern solche Ängste ausgelöst hatten, dass sie nachts nicht mehr richtig schlafen konnten. Wenn der Wind um das Haus fuhr und ein Ast an die Mauer schlug, schraken sie auf und verkrochen sich im Bett ihrer Eltern.

Während Zenzi noch ein wenig in der Küche herumwerkelte, setzten sich Martin und Sabine auf der Terrasse in die gemütlichen Korbsessel und genossen den Abendfrieden.

Sabine goss ihrem Mann ein Glaserl von seinem Lieblingswein ein, auch sie gönnte sich ein paar Schlucke, dann versanken sie in einvernehmlichem Schweigen. Das war eine der schönsten Stunden des Tages, wenn Martin mit seiner geliebten Sabine hier still zusammensitzen konnte.

Unwillkürlich wanderten seine Gedanken in die Vergangenheit zurück. Wie sehr er doch gebangt hatte, dass Sabine, als sie sich ineinander verliebt hatten, ihn vielleicht doch nicht heiraten würde. Denn immerhin lag ein Alterunterschied von sechzehn Jahren zwischen ihnen, und nun war er einundfünfzig. Aber immer wieder beteuerte sie, wie attraktiv sie ihn fand mit seiner sportlich schlanken Gestalt, dem markanten Gesicht und dem vollen braunen Haar, das nur an den Schläfen silbrig schimmerte.

Außerdem war Sabine eine Städterin, die eine Karriere an einer Wiener Klinik vor sich gehabt hatte. Sie war das abwechslungsreiche Leben dieser pulsierenden Stadt gewohnt mit seinen vielseitigen kulturellen Angeboten und Zerstreuungen, um nur einmal das Burgtheater, die Flaniermeilen, den Prater und das Café Sacher zu nennen …

Würde sie bereit sein, ihre Karriere und ihren Freundeskreis aufzugeben, um in einem abgelegenen Gebirgsort zu leben, hatte er damals gedacht.

Doch Sabine hatte sich für ihn entschieden und es keinen einzigen Augenblick bereut. Martin war die Liebe ihres Lebens, und ihre Kinder waren ihr größtes Glück. Ihre Ehe war geprägt von Liebe und tiefem gegenseitigem Vertrauen. Auch beruflich ergänzten sie sich. Im Notfall konnte sie ihre ärztlichen Kenntnisse in der „Mini-Klinik“ einsetzen und ihrem Mann assistieren.

Nur manchmal übte sie leise Kritik an ihm, wenn sie ihm vorwarf, wieder einmal „Schicksal zu spielen“. Denn Dr. Burger behandelte nicht nur die körperlichen Leiden seiner Patienten, sondern nahm sich auch ihrer Sorgen und seelischen Befindlichkeiten an, was dazu führte, dass er sich mehr oder weniger absichtlich in ihr Leben einmischte. Doch vieles war dadurch schon in die rechte Bahn gelenkt worden, und er hatte sich wegen seines Einfühlungsvermögens hohe Achtung erworben.

So hatte man ihm den Ehrentitel „Bergdoktor“ verliehen, nicht zuletzt auch durch seine selbstlosen Einsätze bei der Bergwacht, zusammen mit seinem Freund Dominikus Salt. Dr. Burger war stolz darauf, denn er sah es als seine Lebensaufgabe an, für andere Menschen da zu sein.

„Gehen wir nach oben, Schatzerl? Es weht schon ein kühles Lüfterl“, unterbrach Sabine seine Gedanken.

„Ja. Es war ein anstrengender Tag heute“, erwiderte der Bergdoktor. Er half Sabine rasch, den Tisch abzuräumen.

Wie jeden Abend sahen sie zuerst nach den Kindern, ehe sie selbst zu Bett gingen. Alle schliefen selig, ein Kranz von dunklem Lockenhaar umgab Tessas süßes Gesichtchen, und Filli hatte sein Lieblingsauto auf seiner Brust abgelegt, das seine Mutter sanft wegnahm. Die kleine Laura hatte rote Bäckchen und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.

Der Anblick ihrer schlafenden Kinder erweckte in den Eltern einerseits zwar ein überwältigendes Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit, aber auch Ängste. Denn immer wieder kehrte die Erinnerung an die schwere Zeit zurück, als die kleine Laura so schwer erkrankt war, dass sie um ihr Leben bangen mussten.

Doch nun war sie wieder gesund und entwickelte sich wie jedes andere Kind ihres Alters. Ihr selbst war es nicht mehr bewusst, wie schlecht es ihr gegangen war, doch ihre Eltern würden diese schwere Zeit nie vergessen können.

Martin, dessen Gedanken in eine ähnliche Richtung gingen, legte den Arm um die Schultern seiner Frau. Auch ihrer beharrlichen Fürsorge war es zu verdanken gewesen, dass Laura überlebt hatte.