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Dr. Burger und die Stiefgeschwister
Packender Roman um ein Geheimnis
Von Andreas Kufsteiner
Die bevorstehende Rückkehr von Tabea Murner auf den Aichthalerhof führt zu wilden Gerüchten in St. Christoph. Viele Jahre hat Tabea in einem Klosterinternat gelebt, nachdem ihre Stiefbrüder Sylvan und Dominik dem kleinen Madel das Leben zur Hölle gemacht haben. Einige ihrer Streiche waren so traumatisch, dass sie Tabea noch heute in Albträumen verfolgen. Damals soll sie Rache geschworen haben, sollte sie jemals auf den Hof zurückkehren, erinnert sich Dr. Burger. Und kaum lebt Tabea wieder mit ihrer Mutter, dem Stiefvater und den Stiefbrüdern auf dem Aichthalerhof zusammen, da wird auf Sylvan ein Mordanschlag verübt ...
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Dr. Burger und die Stiefgeschwister
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag / Anne von Sarosdy
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-8948-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Dr. Burger und die Stiefgeschwister
Packender Roman um ein Geheimnis
Von Andreas Kufsteiner
Die bevorstehende Rückkehr von Tabea Murner auf den Aichthalerhof führt zu wilden Gerüchten in St. Christoph. Viele Jahre hat Tabea in einem Klosterinternat gelebt, nachdem ihre Stiefbrüder Sylvan und Dominik dem kleinen Madel das Leben zur Hölle gemacht haben. Einige ihrer Streiche waren so traumatisch, dass sie Tabea noch heute in Albträumen verfolgen. Damals soll sie Rache geschworen haben, sollte sie jemals auf den Hof zurückkehren, erinnert sich Dr. Burger. Und kaum lebt Tabea wieder mit ihrer Mutter, dem Stiefvater und den Stiefbrüdern auf dem Aichthalerhof zusammen, da wird auf Sylvan ein Mordanschlag verübt …
„Bleibt die Küche heute kalt?“, rief Dr. Burger seiner Frau Sabine zu, die gerade die Treppe hinuntergeeilt kam.
„Ist die Zenzi noch nicht zurück? Sie wollte eigentlich nur bei der Jeggl-Alma etwas holen, was sie dringend fürs Abendessen braucht. Ich hab derweil das Laura-Mauserl ins Bett gebracht. Sie war heut den ganzen Tag ein bisserl unruhig und hat auch mittags nur ein halbes Stündchen geschlafen.“
„Soll ich noch mal nach ihr schauen?“, fragte Martin Burger sofort, denn obwohl Laura inzwischen pumperlgesund war, machten sie sich immer noch Sorgen um sie.
Ihre Jüngste, die inzwischen über zwei Jahre alt war, hatte eine schwere Krankheit zu überwinden gehabt und war ihnen beinahe entrissen worden.
„Nein, nein, sonst wacht sie nur wieder auf, und dann ist es noch schwieriger, sie zur Ruhe zu bringen.“
Vom Garten her, der sich an die Terrasse anschloss, erklang Gelächter herein. Lauras ältere Geschwister spielten bei dem milden Frühlingswetter noch draußen.
Philipp, der Filli genannt werden wollte, hatte etwas in der Erde entdeckt und begutachtete es gründlich. Er kam bald in die Schule und wollte schon jetzt alles ganz genau wissen. Seine drei Jahre ältere Schwester Tessa konnte seinen Bemühungen wenig abgewinnen und lachte ihn aus, was ihn aber nicht davon abhielt.
Tessa mit ihren schwarzbraunen Locken, denen sie den Kosenamen „Schneckerl“ verdankte, und den dunklen Brombeeraugen bot einen reizenden Anblick, und man konnte ihr nie lange böse sein.
Sabine trat zu ihrem Mann und gab ihm einen zärtlichen Kuss, und Martin spürte, wie sein Herz schneller klopfte.
Ja, er war immer noch so verliebt in seine Sabine wie an dem Tag, als er sie kennengelernt hatte. Die junge Anästhesistin aus Wien hatte ihre Tante Rika in St. Christoph besucht, die eine Patientin von Dr. Burger war. Dort war er ihr bei einem Hausbesuch begegnet, und er hatte sich sofort in die bildhübsche junge Frau mit dem blonden Haar und den braunen Augen, in denen goldene Fünkchen tanzten, verliebt.
Und Sabine hatte seine Gefühle mit der gleichen Glut erwidert.
Alles hatte sie für ihn hinter sich gelassen – ihre Karriere an einem großen Wiener Krankenhaus, die Freunde und Kollegen, aber auch das kulturelle Leben und den Abwechslungsreichtum der Großstadt. Es störte sie auch nicht, dass ihr Mann sechzehn Jahre älter als sie war, inzwischen einundfünfzig. Sie fand ihn mit seiner sportlichen Figur, dem markanten Gesicht und dem vollen Haar immer noch unwiderstehlich, wie sie häufig versicherte.
Für Martin Burger war diese Heirat ein unverhofftes, großes Glück gewesen. Denn das Schicksal hatte es nicht allzu gut mit ihm gemeint. Schon im Alter von elf Jahren war er durch den Tod der Mutter Halbwaise geworden. Als er geglaubt hatte, mit seiner ersten Frau Christl eine strahlende Zukunft vor sich zu haben, hatte das Schicksal erneut zugeschlagen. Christl war bei der Geburt ihres sehnlichst erwarteten Kindes an unerwarteten Komplikationen gestorben und hatte das Kleine mit sich in den Tod genommen.
Der junge Mediziner hatte es nicht mehr ausgehalten in der geliebten Heimat und in München den Facharzt in Chirurgie abgelegt. Erst als sein Vater die Praxis nicht mehr allein führen konnte, war er nach St. Christoph zurückgekehrt und hatte nur noch für seine Arbeit gelebt.
Die Praxis in der Kirchgasse war damals um einen Anbau erweitert worden, der einen Operationssaal, einen Röntgenraum und ein Labor enthielt. Es gab auch für Notfälle zwei Krankenzimmer, sodass die Dörfler die Praxis oft „Mini-Klinik“ nannten.
Auch Dr. Burger hatte einen Beinamen erhalten. Da er mit seinem Freund Dominikus Salt, dem Leiter der Bergwacht, schon manchen leichtsinnigen Kletterer aus höchster Not gerettet hatte, hieß er allgemein der „Bergdoktor“. Vor allem aber auch deshalb, weil er sich nicht nur um die Krankheiten der Bergler kümmerte, sondern weil er sich auch ihrer Sorgen und Nöte annahm und sich daher größter Wertschätzung erfreute.
„Wo sie heut nur bleibt, die Zenzi. Sicher hat sie über dem ganzen Klatsch die Zeit vergessen“, meinte Martin.
„Trotzdem glaube ich nicht, dass Zenzi ihren geliebten Herrn Doktor verhungern lässt“, erwiderte Sabine neckend, was er mit einem leisen Knurren beantwortete.
Wie zur Bestätigung wurde die Haustür geöffnet, und Zenzi Bachhuber, der gute Geist des Hauses, kam hereingeeilt. Sie, die immer so auf ihr Äußeres hielt, dass der Knoten an ihrem Hinterkopf wie angeleimt festsaß, befand sich sichtlich im Zustand der Auflösung. Eine Haarsträhne hing ihr ins Gesicht, und die Kleidung schien ihren hageren Körper zu umflattern.
Zenzi Bachhubers Wort hatte im Doktorhaus Gewicht. Denn sie war es, die den mutterlosen Jungen damals aufgezogen hatte, ihn nun aber als Zeichen ihres Respekts meistens mit „Doktor“ ansprach. Sie wirkte sehr streng und hatte auch sehr strenge Ansichten, vor allem über Kindererziehung, die sie allerdings nie anwandte. Denn sie liebte „ihre Familie“, besonders aber die Kinder, von Herzen.
„Es tut mir leid, ich hab mich bei der Alma versäumt“, beeilte sich Zenzi zu erklären. „Aber ich muss das Essen nur noch aufwärmen, es steht schon alles bereit. Nur das Gewürz hat noch gefehlt.“
„Ja, ja, der Dorfbrunnen“, sagte der Bergdoktor, und es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich wieder über den Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma ausgelassen, den er häufig als die Brutstätte des Klatsches bezeichnete.
Alma war die langjährige Busenfreundin von Zenzi und betrieb in einem Eckhaus in der Kirchgasse, unweit des Doktorhauses, ihren Laden. Im unteren Stockwerk gab es noch ein Friseurgeschäft, und im Obergeschoss vermietete sie Gästezimmer. Schon mancher, der in St. Christoph keine Bleibe hatte finden können, war von ihr aufgenommen und versorgt worden. Daher schätzte der Bergdoktor trotz allem die Jeggl-Alma, denn sie hatte das Herz auf dem rechten Fleck.
„Ist nicht schon längst Zeit zum Abendessen?“, fragte Dr. Pankraz Burger, Martins Vater. Er kam gerade aus seinem Kabinettl, das an das Wohnzimmer angrenzte, und erstickte somit glücklicherweise eine längere Tirade seines Sohns über die Verwerflichkeit der Klatschsucht im Keim.
„Jessas! Es sind schon ein paar in diesem Haus verhungert. Da bin ich einmal ein bisserl zu spät dran, und schon …“, schallte es gereizt aus der Küche, wo Zenzi angefangen hatte herumzuwirtschaften.
„Da siehst du, wie unentbehrlich du bist, Zenzi“, warf Martin schnell ein, und Sabine verdrehte amüsiert die Augen.
„Ein Schmeichler bist du, Doktor, ein ganz arger Schmeichler. Glaub ja net, dass ich das net durchschau“, gab die Hauserin zurück.
„Das weiß ich, dass du viel zu schlau bist, um das nicht zu durchschauen. Aber liebt man nicht doch die Hand, die die Rose reicht, selbst wenn die Absicht offensichtlich ist?“
„Das hast du mal wieder schön gesagt. Wenigstens gibst du dir mehr Müh als die anderen Mannsbilder, wenn du einem Honig um den Mund streichst“, sagte Zenzi und klang jetzt schon viel besser gelaunt.
Die beiden Kinder stürmten vom Garten herein, und Filli präsentierte den Erwachsenen einen fetten weißen Engerling, der sich auf seiner Handfläche krümmte.
„Den habe ich ausgegraben. Ist er gefährlich?“, wollte er wissen und legte misstrauisch den Kopf schief.
„Ich glaube net, dass er an dir was findet“, stichelte Tessa.
„Dieser Engerling, das ist der Bösewicht, der dran schuld ist, dass der Rosenstock eingegangen ist! Sicher hat er die Wurzeln abgefressen“, rief Sabine erbost aus.
„Er hat eben Hunger gehabt“, meinte Filli kleinlaut und hob schützend die andere Hand über den Übeltäter.
„Gut, dass du ihn gefunden hast“, sagte seine Mutter nun befriedigt. „Gib ihn her …“
„Was hast du vor mit ihm? Das ist mein Engerling“, erwiderte Filli und wich ängstlich einen Schritt zurück.
„Engerling?“, ertönte es aus der Küche. „Her damit! Einfach in der Mitte …“
„Nein!“, schrie Filli entsetzt auf. „Ihr dürft ihn net umbringen! Das ist ein Lebewesen, ich geb ihn net her.“
„Du kannst ihn ja zum Nachtisch essen“, sagte Tessa herzlos.
Daraufhin brach Filli in Tränen aus, ein Anblick, der allen zu Herzen ging.
Der Bergdoktor räusperte sich.
„Der Engerling ist sozusagen ein frei lebendes Wildtier, ein kleines allerdings. Das heißt, dass er sich in Gefangenschaft überhaupt nicht wohlfühlt und wieder zurück in die Erde will. Damit er aber keinen Schaden anrichten kann, wildern wir ihn einfach aus. Es gibt ja unbebaute Landstücke, und dort kann er ein neues Leben anfangen, weit weg von unseren Rosenstöcken. Was hältst du davon, Filli?“
Der Bub dachte einen Augenblick nach und nickte dann.
„Ich will aber mit dabei sein, wenn wir ihn auswildern“, verlangte er, und ein trotziger Zug flog über sein Gesicht.
„Auf jeden Fall.“
„Ich will auch mit“, erklärte Tessa und tanzte um ihren Vater herum, sodass ihre Löckchen um das reizende Gesicht hüpften.
Unter den wachsamen Augen von Filli wurde der Engerling in einer Schachtel mit viel Gartenerde untergebracht, die bis zu seiner „Auswilderung“ in einer geschützten Ecke auf der Terrasse abgestellt wurde.
***
Nachdem sich alle Beteiligten gründlich die Hände gewaschen hatten, setzte sich die Familie an den Esstisch, wo Zenzi inzwischen eine große Terrine mit einem Linseneintopf aufgetragen hatte. Er war mit Spätzle und Würstln angereichert, und Poldi, der Rauhaardackel, hatte sich schon erwartungsvoll neben Pankraz, der ihm bestimmt ein Leckerchen hinunterreichen würde, unter dem Tisch niedergelassen.
Zenzis Eintopfgerichte waren immer etwas Besonderes, denn sie verstand es, sie mit Kräutern und Gewürzen so zu verfeinern, dass sie jede Delikatesse übertrafen. Und so wurde eine Zeit lang in andächtigem Schweigen gegessen, ehe man sich wieder unterhielt.
Dann wurden die Kinder zu Bett gebracht, dieses Mal war Martin mit dem Vorlesen an der Reihe, was er nur zu gerne tat, denn oft genug verbrachte er die Abende bei einem Einsatz, anstatt bei seiner Familie zu sein.
Sabine half Zenzi beim Abräumen, und Pankraz stellte auf der Terrasse die Korbstühle zusammen, die ziemlich in Unordnung geraten waren.
Es dauerte nicht lange, bis Martin Burger die Treppe herunterkam und verkündete, dass die Kinder bereits eingeschlafen seien.
„Ich muss etwas Einschläferndes an mir haben“, meinte er grinsend und ließ sich mit einem Seufzer neben seiner Frau auf dem gemütlichen Sofa nieder. Pankraz saß ihnen gegenüber.
Sabine hatte bereits einen leichten Landwein und Gläser bereitgestellt.
„Zenzerl! Komm und trink ein Glaserl Wein mit uns. Der Abwasch kann bis morgen warten“, rief Martin in Richtung Küche.
Zenzi murrte zwar, trocknete sich aber sofort die Hände an der Schürze ab und folgte seiner Aufforderung.
„Du willst doch bloß wissen, was es im Dorfbrunnen gegeben hat, hab ich recht?“, sagte sie angriffslustig.
„Ich möchte es auch wissen, wir alle wollen das“, erklärte Pankraz freimütig.
Doch Zenzi zierte sich. Sie setzte sich erst einmal in dem bequemen Sessel zurecht und betastete dann ausgiebig ihren Haarknoten. Sabine, die nur mühsam ein Lächeln unterdrücken konnte, goss ihr Wein ein.
„Ich hätt gar net gedacht, dass ihr auch so neugierig seid. Hast du net immer etwas gegen den Klatsch und Tratsch im Dorfbrunnen gehabt, Martin?“
Überlegend kniff er die Brauen zusammen.
„Vielleicht handelt es sich manchmal auch nicht um Klatsch und Tratsch, sondern um eine wichtige Information …“
Zenzi lachte auf, was eher wie ein empörtes Krächzen klang.
„Du bist ja schon wie die Großkopferten, die alles umlügen, damit es besser klingt.“
„Zenzi!“
Sie spürte, dass sie den Bogen überspannt hatte, trank zunächst aber genüsslich das halbe Weinglas leer.
„Es ging um die Aichthaler-Tabea. Es heißt, sie käm auf den Hof zurück“, verkündete Zenzi, nachdem sie ihr Glas sorgfältig auf dem Untersatz abgestellt hatte.
„Tatsächlich?“, entfuhr es Pankraz Burger überrascht. „Ich hätte nicht geglaubt, dass sie sich noch einmal hier blicken lässt, nach alledem.“
„Nun, die Tabea ist ja inzwischen erwachsen, da kann sich manches verändern“, meinte Martin Burger. „Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass es ihrer Mutter gesundheitlich nicht gut geht.“
„Sie ist die ganze Zeit über doch noch net mal zu Weihnachten nach Hause gekommen, was eine rechte Schand ist“, gab Zenzi zu bedenken.
„Aber die Aichthalerbäuerin ist halt doch ihre Mutter. Und die braucht Tabea jetzt. Wir wissen ja nicht, ob sie die ganze Zeit über nicht doch miteinander in Verbindung gestanden haben“, äußerte sich Pankraz. „Zwischen Mutter und Tochter – das ist ein starkes Band, gleichgültig, was früher einmal vorgefallen ist.“
„Das müsst ihr mir einmal genauer erklären, um was es da eigentlich genau geht. Ich nehme an, es handelt sich um einen Familienkonflikt“, mischte sich Sabine in das Gespräch ein. „Aber das war vor meiner Zeit.“
„Tut mir leid, Liebes. Du hast ganz recht mit deiner Vermutung …“
„Familienkonflikt ist gar kein Ausdruck für das, was sich auf dem Aichthalerhof damals zugetragen hat“, fiel Pankraz seinem Sohn ins Wort.
„Selbst Hochwürden hat ihnen ins Gewissen geredet“, ließ sich Zenzi vernehmen und nahm wieder einen Schluck aus ihrem Glas.
Martin entging nicht, dass Sabine langsam ungeduldig wurde, und er ergriff nun entschlossen das Wort.
„Ich fasse mal schnell zusammen, was sich damals ereignet hat. Der Hofbauer hatte aus erster Ehe zwei Söhne, seine Frau ist jedoch bei der Geburt des zweiten Sohnes gestorben. Das war ein harter Schicksalsschlag für ihn.“
„Eine gute Frau war das, Gott hab sie selig“, unterbrach Zenzi ihn und bekreuzigte sich.
„Der Kajetan Aichthaler konnte ihren Tod nicht verwinden“, fuhr Martin fort, „und blieb lange Wittiber.“
„Dabei war er ein stattliches Mannsbild, und die Madeln waren hinter ihm her wie der Teufel hinter der armen Seele. Und einer der reichsten Großbauern ist er auch“, fiel ihm Zenzi nun erneut ins Wort.
Martin bedachte sie mit einem strafenden Blick.
„Und irgendwann, als die beiden Buben schon halb erwachsen waren, verliebte er sich in eine junge Frau aus Mayrhofen. Alle waren entsetzt, und die Verwandtschaft tat alles, um die Heirat zu verhindern. Denn sie war eine ledige Mutter, wie man das leider immer noch nennt, und der Vater ihrer kleinen Tochter war zudem unbekannt. Aber Kajetan ließ net von ihr ab und führte sie trotz aller Widerstände stolz zum Altar.“
„Und? Sind sie glücklich geworden?“, fragte Sabine, die diese Familiengeschichte zunehmend fesselte.
„Das Paar war sich aufrichtig zugetan, das konnte jeder sehen. Aber glücklich? Für die junge Frau war das Leben als Hofbäuerin nicht leicht. Sie verstand nichts von der Hauswirtschaft, das ländliche Leben war ihr fremd, denn sie war in der Stadt aufgewachsen. Schließlich behalf man sich wie zuvor mit einer Wirtschafterin, und die Bäuerin übernahm den Garten. Eigentlich hätte so alles gut gehen können, aber die eigentlichen Schwierigkeiten lagen innerhalb der Familie, wie man sich denken kann.“
„Das ist leider oft so“, bemerkte Sabine.
„Die beiden Söhne wollten keine Stiefmutter haben und wehrten sich lange dagegen. Sie machten ihr das Leben zur Hölle, in der Hoffnung, dass sie freiwillig den Hof verlassen würde. Genauso wenig wollten sie eine Stiefschwester haben, die ihr Erbe schmälerte, denn der Aichthaler wollte Tabea ursprünglich adoptieren. Dafür hätte sie ihm eigentlich dankbar sein können, doch Tabea weigerte sich, seinen Namen zu tragen. Man kann sagen, dass Tabea alle auf dem Aichthalerhof hasste, sogar ihre eigene Mutter, der sie die Schuld gab, dass sie in dieser Familie aufwachsen musste.“
„Das ist ja entsetzlich“, entfuhr es Sabine.