Der Bergdoktor 2015 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2015 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Es ist zwei Uhr in der Nacht, doch der neunzehnjährige Alex Habenbacher liegt nicht schlafend in seinem Bett, sondern er hockt lauernd hinter der Tür. Im Blick hat er das Zimmer der jungen Magd Rita und das Schlafzimmer des Vaters.
Nutzen die beiden die Abwesenheit der kranken Bäuerin wirklich aus, um verbotene Wege zu gehen?
Alex betet, dass sich sein Verdacht nicht bestätigt - doch da öffnet sich Ritas Kammer und sie huscht zielstrebig, nur bekleidet mit einem dünnen Nachthemd, ins eheliche Schlafgemach ...

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Seitenzahl: 109

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Burger und die geheimnisvolle Magd

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9169-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dr. Burger und die geheimnisvolle Magd

Was führt sie im Schilde?

Von Andreas Kufsteiner

Es ist zwei Uhr in der Nacht, doch der neunzehnjährige Alex Habenbacher liegt nicht schlafend in seinem Bett, sondern er hockt lauernd hinter der Tür. Im Blick hat er das Zimmer der jungen Magd Rita und das Schlafzimmer des Vaters.

Nutzen die beiden die Abwesenheit der kranken Bäuerin wirklich aus, um verbotene Wege zu gehen?

Alex betet, dass sich sein Verdacht nicht bestätigt – doch da öffnet sich Ritas Kammer und sie huscht zielstrebig, nur bekleidet mit einem dünnen Nachthemd, ins eheliche Schlafgemach …

Vom Wetter gegerbte Gesichter, hagere, an Entbehrung gewöhnte Menschen, die keine Arbeit scheuen, denen keine Last zu schwer ist … Diese Vorstellung spukte noch heute in den Köpfen herum, wenn die Leute an ein weltabgeschiedenes Dort inmitten der Zillertaler Alpen dachten.

Genauso ein Dorf war St. Christoph. Nur eine einzige Straße führte in den Ort, der am Ende des Zillertals in einem Seitental lag. In steilen Serpentinen ging es den Berg hinauf, vorbei an Almwiesen und Heustadeln und durch einen Wald, bis hinter der letzten Kurve plötzlich das Dorf in Sicht kam.

Umgeben von sechs mächtigen Gipfeln, die es vor allzu rauen Winden und der Hektik des Alltags schützten, schmiegte es sich in die Landschaft. Gepflegte Bauernhäuser, große und kleine Höfe sowie windschiefe Häuschen scharten sich um die weiße Dorfkirche, deren goldener Wetterhahn an schönen Tagen in der Sonne glänzte.

Auf den ersten Blick hätte man sich nicht gewundert, wenn ein Pferdefuhrwerk um die Ecke gebogen wäre oder ein Bauer seinen Kartoffelacker mit einem Handpflug bearbeitet hätte.

Doch natürlich war die Zeit auch in diesem Paradies nicht stehen geblieben, und die Errungenschaften der Technik hatten längst Einzug gehalten. Nicht immer zum Wohl der Dörfler.

Davon konnte Dr. Martin Burger ein Lied singen. Inzwischen gab es auch unter seinen Mitbürgern genug Leute – Männer wie Frauen – die mehr vom Rasten in der warmen Stube hielten als von Arbeit und Bewegung an der frischen Luft. Den Winter verbrachten sie neben dem Kachelofen, und im Sommer erhoben sie sich nur aus den Gartenstühlen, um sich ein kühles Bier aus dem Kühlschrank zu holen.

Doch es gab auch noch das andere Extrem. Zu dieser Sorte gehörte zweifellos Hanne Habenbacher. Die sauber geschnittenen Hecken, das auf Kaminlänge zusammengestutzte Holz im Schuppen, der sauber gefegte Stall – es gab keine Arbeit, die der jungen Mutter zu anstrengend war. Von frühmorgens bis tief in die Nacht werkelte sie in Stall und Gemüsegarten oder war in der Kuchl anzutreffen, wo sie Brot und Kuchen nach alten Rezepten buk.

Die ständige Bewegung war ihr anzusehen. Sie war rank und schlank wie eine Tanne.

Moritz Habenbacher konnte wahrlich stolz sein auf seine junge Frau, die ihm nicht nur eine ebenbürtige Partnerin, sondern auch eine liebevolle Mutter für ihren Stiefsohn Alex und den gemeinsamen Sohn Michel war.

Und doch war das Glück der Habenbachers nicht perfekt. Seit einigen Monaten machten hartnäckige Rückenschmerzen Hannes Leben mehr und mehr zur Qual, sodass sie sich in die kundigen Hände des Bergdoktors begab.

„Organisch bist du völlig gesund“, stellte Dr. Burger fest, als er die Untersuchungsergebnisse vor sich liegen hatte. Das Papier raschelte leise in seinen Händen, als er durch den Laborbefund blätterte, den Schwester Sophie ihm auf den Tisch gelegt hatte. Blutanalyse, Röntgenaufnahmen, Ultraschall, alles war vorhanden.

Hanne seufzte tief. „Und nun? Was soll ich jetzt machen, wenn Sie keinen Grund für die Schmerzen finden? Ich kann doch net für den Rest meines Lebens Schmerztabletten nehmen. Dazu bin ich noch zu jung.“

Martin Burger teilte diese Ansicht.

„Bei chronischen Rückenschmerzen kommt es öfter vor, dass sich keine eindeutige Ursache rausfinden lässt. Trotzdem gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Als besonders effektiv gelten sogenannte multimodale Behandlungskonzepte. Das heißt, dass unterschiedliche Maßnahmen aus verschiedenen Fachrichtungen kombiniert werden“, erklärte er.

„Und welche Maßnahmen?“

„Yoga gehört genauso dazu wie verschiedene Entspannungstechniken und tägliche Eigenübungsprogramme, die konsequent durchgeführt werden sollten.“

Hanne presste kurz die Lippen zusammen. „Da bräuchte ich ja ein ganzes Therapiezentrum hier droben“, erwiderte sie dann.

„Vielleicht auch net. Wenn der Prophet nämlich net zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten gehen.“ Dr. Burger schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln. „Ich würde dir eine stationäre Schmerztherapie empfehlen. Es gibt einige Kliniken, die sich auf solche Behandlungen spezialisiert haben. Und du wärst mal eine Weile von daheim weg und könntest dich ausnahmsweise nur um dich kümmern.“

Hanne lehnte sich zurück. Ihr Gesicht hatte einen sehnsüchtigen Ausdruck angenommen.

„Yoga wollte ich schon immer mal ausprobieren. Aber bis jetzt hat mir immer entweder die Zeit oder die Möglichkeit dazu gefehlt. Und deswegen gleich ins Tal zu fahren …“

Dr. Burger zog die Schreibtischschublade auf und kramte in den Unterlagen, die er dort aufbewahrte. Irgendwo musste dieser Prospekt sein, der ihm neulich ins Haus geflattert war. Das neue Schmerzzentrum in Wien war genau das Richtige für Hanne Habenbacher. Nicht, dass es in der Nähe nicht auch solche Einrichtungen gegeben hätte. Aber: Je fremder die Umgebung war, umso größer der Erholungseffekt.

„Ah, das ist er ja.“ Er reichte Hanne den bunt bebilderten Prospekt.

„Das schaut ja wirklich verlockend aus“, murmelte sie beim Anblick der heimeligen Räume und der schönen Natur rund um das Rehabilitationszentrum. Auf der letzten Seite angelangt, klappte sie das Hefterl wieder zu und seufzte. „Aber leider kann ich net weg. Der Alex ist mit seinen neunzehn Jahren ja schon groß und vernünftig. Aber wer soll sich um Michel kümmern? Mein Mann ist ja den ganzen Tag mit dem Hof beschäftigt. Der kann net auch noch auf das Burli aufpassen.“

Mit diesem Argument hatte Dr. Burger gerechnet. Nicht jeder hatte das Glück, Großeltern in greifbarer Nähe zu haben. Oder eine Hauswirtschafterin wie die Zenzi, die seit über vierzig Jahren im Arzthaushalt werkelte und der Familie wie eine echte Großmutter ans Herz gewachsen war. Trotzdem musste er auf seinem Vorschlag beharren.

„Das versteh‘ ich schon. Aber wenn du so weitermachst, kannst du dich irgendwann gar nimmer rühren. Dann hast du noch ein viel größeres Problem.“

Erschrocken riss Hanne die Augen auf.

„Sie meinen …“

„Ich meine gar nichts“, beschwichtigte Dr. Burger sie sofort. „Ich will nur, dass du wenigstens mal darüber nachdenkst und mit deinem Mann redest, ob sich eine Kur nicht doch irgendwie bewerkstelligen lässt. Was ist denn mit deinen Eltern?“

„Die haben selbst genug zu tun mit dem Pferdehof und passen obendrein auf die Kinder von meinem Bruder auf.“ Hanne hob resigniert die Schultern. „Und die Eltern vom Moritz liegen ja schon lang auf dem Gottesacker.“

Dr. Burger kannte die Geschichte. Die Eheleute Habenbacher waren kurz hintereinander gestorben. Zuerst die Margot und bald danach der Hubert, der den Tod seiner Frau nicht verwunden hatte. Der Verlust war für Moritz ein herber Schlag gewesen. Auch deshalb, weil seine erste Frau nur ein Jahr später davongelaufen war und ihn mit Kleinkind und Hof alleingelassen hatte. Diese Geschichte sollte sich auf keinen Fall wiederholen.

„Red mit dem Moritz und sucht zusammen nach einer Lösung“, gab er seiner Patientin eindringlich mit auf den Weg, als er sie zur Tür brachte. Trotz Schmerzen war Hanne schon wieder auf dem Sprung. „Ich frage inzwischen schon mal nach, ob überhaupt zeitnah ein Therapieplatz zu bekommen ist.“

Trotz aller Hektik taten Hanne die Worte des Bergdoktors gut.

„Warum hab ich das Gefühl, dass meine Koffer schon gepackt sind?“, fragte sie und zwinkerte ihm zu.

***

Der neunzehnjährige Alex stand in der Küche am Fenster, trank ein Glas Wasser und sah hinaus.

Die Linde auf der Wiese schmückte sich mit zartem Grün. Die Narzissen unter ihrer weit ausladenden Krone waren inzwischen aufgeblüht. Durch den Zaun des Gemüsegartens schimmerten erste Vorboten kommender Gaumenfreuden. Hanne verstand es wie keine zweite, die herrlichsten Genüsse aus einfachen Zutaten zu zaubern.

Oder lag es an ihren Kochkünsten, dass die Habenbacher-Männer weder Lauch noch Steckrüben oder Grünkohl verschmähten?

Beim Gedanken daran knurrte Alex‘ Magen. Ein Glück, dass Hanne soeben zurückkam. Sie zog einen Leiterwagen hinter sich her, in dem sie nicht nur seinen kleinen Bruder, sondern auch die Einkäufe transportierte, die sie rasch auf dem Heimweg besorgt hatte. Er stellte das Glas weg und eilte nach draußen.

„Mensch, Hanne, das ist doch viel zu schwer für dich“, schimpfte er schon von Weitem. „Kein Wunder, dass dir der Rücken wehtut.“ Er fackelte nicht lange und hob den Buben aus dem Leiterwagen.

Michel krähte vor Vergnügen.

„Stimmt schon. Aber es wäre doch ein Schmarrn, net bei der Jeggl-Alma einzukaufen, wenn ich schon am Laden vorbeikomme“, erwiderte Hanne auf dem Weg ins Haus. Sie hievte die Taschen auf die Eckbank und drückte beide Hände in die schmerzenden Lendenwirbel.

Wie eine Schlange wand sich Michel aus den Armen seines Bruders und lief Richtung Eckbank. Er drängelte sich an Hanne vorbei.

„Dade dauft? Michel Dade esst“, verkündete er im Brustton der Überzeugung. Schon streckte er seine Händchen nach den Taschen aus, als Alex ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

„Vor dem Essen gibt es keine Schokolade.“ Er packte die Taschen und brachte sie hinüber zur Arbeitsplatte. Mit einem Blick auf seine Stiefmutter sagte er: „Wolltest du net zum Bergdoktor gehen?“

„Bevor ich Michel von der Kindergruppe geholt hab, war ich in der Praxis.“

„Und?“ Während Michel um ihn herumtanzte und nach Leibeskräften nach Schokolade verlangte, packte Alex die Einkäufe aus. Reis, Zucker und Salz wanderten in die Vorratsschubladen neben dem Herd. „Hör endlich auf mit dem Geschrei!“, forderte er seinen Bruder auf. „Hilf mir lieber!“

Er drückte Michel eine Packung Mehl in die Hände und deutete auf die Schublade unter dem Kühlschrank.

Hanne lächelte bei diesem Anblick.

„Dr. Burger hat gemeint, dass ich eine Schmerztherapie in Wien machen soll. Zwei oder drei Wochen lang Yoga, Entspannungsübungen und Rückenschule.“

„Dann hab ich also recht gehabt, und du bist total überarbeitet“, stellte Alex fest und versetzte der Kühlschranktür einen Schubs. „Wann fährst du?“

Hanne zuckte die Schultern. „Das ist net so leicht, wie du denkst.“

„Wieso net? Koffer packen, hinfahren, Therapie machen.“ Er schnitt eine Grimasse und nahm Michel ein Päckchen mit Schokostreuseln aus der Hand, die er in der Schublade zwischen Backpulver, Rosinen und Zucker gefunden hatte. „Klingt jetzt net so kompliziert.“

Michel schrie wie am Spieß und klammerte sich an Alex‘ Hosenbeine. Am liebsten hätte sich Hanne die Ohren zugehalten. Gequält verzog sie das Gesicht.

„Ich kann euch doch net allein lassen.“

„Papa und ich kommen schon klar.“

„Und der Schreihals? Willst du den etwa mit in die Uni nehmen?“

Alex lachte und drückte Michel einen kleinen Apfel aus der Obstschale in die Hand.

„Lustig wär’s schon.“ Endlich verstummte das Geschrei. Alex zupfte ein Taschentuch aus der Kartonbox und putzte Michel die Nase. „Papa wollte eh eine Magd einstellen, damit du nimmer so viel schuften musst. Die kann auch gleich auf das Burli aufpassen.“

Ja, richtig, die Magd! Den Plan ihres Mannes hatte Hanne mit Widerwillen zur Kenntnis genommen. Nicht, dass sie nicht genug Platz im Haus gehabt hätten. Neben den Kinderzimmern gab es noch eine Kammer mit eigenem Bad, in dem früher immer eine Magd gewohnt hatte. Aber diese Zeiten waren lang vorbei.

Auf der anderen Seite hatte Alex natürlich recht.

„Aber wo sollen wir denn so schnell jemanden finden, dem wir das Burli anvertrauen können? Ich will ja net irgendjemanden ins Haus holen.“

„Du tust grad so, als wären alle Kindermädchen Schwerverbrecher.“

„Das verstehst du erst, wenn du selber Kinder hast“, widersprach Hanne und bückte sich nach Michel. In der nächsten Sekunde verzog sie das Gesicht. „Au, mein Rücken! Wenn das so weitergeht, kann ich bald nicht mal mein eigenes Kind hochheben.“

Kurzerhand packte sich Alex seinen Bruder. „Ich nehme ihn mit in den Stall. Hast du Lust, Cowboy?“

Michel strahlte seinen Bruder an.

Von einem Moment zum anderen war Hanne den Tränen nahe. Wie groß waren ihre Zweifel gewesen, als sie erfahren hatte, dass der Mann, den sie liebte, Vater eines elfjährigen Sohnes war. Und nun, acht Jahre später, platzte sie fast vor Stolz über diesen gut geratenen jungen Mann, ohne dessen tatkräftige Hilfe sie längst aufgegeben hätte.

***

„Ich melde mich nächste Woche“, versprach Elli Sander und reichte dem Hausherrn die Hand.

Auf dem Weg zur Tür knarrte der Parkettboden unter ihren Schritten. Staubkörner tanzten in der stickigen Luft, die nach Bohnerwachs und alten Möbeln roch. Nicht gerade der Traum eines jungen Mädchens.

„Vielen Dank und auf Wiedersehen“, verabschiedete sie sich und sprang leichtfüßig die Treppe hinunter und zum Haus hinaus.

Die milde Frühlingsluft tat ihr gut. Elli atmete tief durch, ehe sie den Zeitungsausschnitt aus der Tasche zog und in den nächstbesten Mülleimer warf. Das war das letzte Stellenangebot in dieser Ausgabe gewesen. Keines davon hatte sie zu überzeugen vermocht. Nicht die Stelle als Hauswirtschafterin im Ferienhaus wohlhabender Städter, und auch nicht die Assistentenstelle der hauswirtschaftlichen Betriebsleitung einer Grundschule.