Der Bergdoktor 2020 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2020 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Seit Tagen öffnet Ina weder die Augen, noch reagiert sie auf Worte. Sie schläft und schläft und kommt nicht zu sich.
Dennoch ist Dr. Burger, in dessen "Mini-Klinik" sie nach ihrem schweren Sturz liegt, zuversichtlich, dass sie bald erwacht. Was er dagegen nicht weiß, ist, ob Ina sich dann an die dramatischen Geschehnisse erinnern kann, die zu ihrem Kollaps geführt haben. Fast wünschte er, ihr diese Erinnerung zu ersparen. Doch sicher wird sie Fragen stellen, und lügen darf er nicht ...

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EPUB
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Seitenzahl: 113

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Liebesquelle

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf / Bastei Verlag

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9763-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Liebesquelle

Als ein junges Madel den Küssen eines Verführers erlag

Von Andreas Kufsteiner

Seit Tagen öffnet Ina weder die Augen, noch reagiert sie auf liebevolle Worte. Sie schläft und schläft und kommt nicht zu sich.

Dennoch ist Dr. Burger, in dessen „Mini-Klinik“ sie nach ihrem schweren Sturz liegt, zuversichtlich, dass sie bald erwacht. Was er dagegen nicht weiß, ist, ob Ina sich dann an die dramatischen Geschehnisse erinnern kann, die zu ihrem Kollaps geführt haben. Fast wünschte er, ihr diese Erinnerung zu ersparen. Doch sicher wird sie Fragen stellen, und lügen darf er nicht …

Es war ein heller Tag Mitte März, an dem nach Sonnenaufgang ein warmer Wind über die Alpengipfel strich und den Duft des Frühlings mitbrachte.

Lange würde es nun nicht mehr dauern, bis auch der letzte Schnee im Tal rund um St. Christoph sich in viele kleine und größere Rinnsale verwandelte, die hernach die Hänge hinabflossen.

Während auf den Bergen die weiße Pracht noch liegen blieb, bereitete man sich im Tal auf den Frühling vor. Manchmal kam er über Nacht. Man wachte morgens auf und spürte, dass der Winter und der eisige Frost sich endgültig verabschiedet hatten.

So war es auch heute. Der freundliche Frühlingswind säuselte um die Häuser, schaute durch die Fenster und wedelte hier und da ein wenig mit den Gardinen oder Vorhängen umeinander. Aber wirklich nur ganz vorsichtig, denn der milde Wind wollte auf keinen Fall mit dem Föhn in Konkurrenz treten, der mitunter zum Sturm wurde und immer warme bis sommerliche Temperaturen im Gepäck hatte. So ein Föhnsturm wirbelte alles durcheinander, was nicht irgendwo festgebunden war. Dann verschwand er wieder so schnell, wie er gekommen war. Immerhin hinterließ er einen blauen, blanken Himmel und Wiesen, die wie frisch geputzt aussahen.

Der Frühlingswind hielt nichts von diesem wilden Gesellen, mit dem er nur weitläufig verwandt war. Es ging ja auch anders, nämlich schmeichelweich. Wozu fauchend um die Hausecken fegen, vor allem, wenn es der weiße Anbau der Bergdoktor-Praxis in der Kirchgasse war? Drinnen gab es nämlich auch zwei Krankenzimmer, und dort war Ruhe unbedingt erwünscht.

In den letzten Tagen war der Wind schon einige Male hier vorbeigekommen. Derzeit war nur ein Zimmer belegt, in dem alles für eine Intensivbehandlung ausgerichtet war.

Leise schlüpfte der Wind durch einen Fensterspalt und bauschte den cremefarbenen Vorhang ein wenig auf. Das sah nämlich richtig schön aus! Aber ob die junge Frau, die blass und regungslos im Krankenbett lag, überhaupt etwas bemerkte? Eher nicht.

Schade. Der Frühlingswind wehte als kleines Geschenk ein Gänseblümchen auf die Fensterbank, bevor er sich auf den Weg zur Pfarrkirche machte. Dort wollte er sich, wie immer um diese Uhrzeit, mit dem Wetterhahn auf dem Kirchturm zu einem Plausch treffen.

Gute Besserung!, säuselte er. Bis morgen!

Warum wachte die Patientin nicht auf? Vielleicht konnte die Sonne, die morgens sogar Langschläfer aus dem Bett kitzelte, noch etwas ausrichten. Natürlich musste sie vorsichtig sein, denn es gehörte sich nicht, einer kranken Person mitten ins Gesicht zu scheinen.

Für Dr. Burgers Patientin hatte die Sonne etwas anderes im Programm, nämlich goldene Strahlen, die viel schöner ausschauten als echtes Gold und überhaupt nicht blendeten, wenn man die Augen öffnete.

Es war still. Nur die Amsel, die seit den ersten Frühlingstagen jeden Morgen vor dem Fenster ihr melodisches Liedchen zum Besten gab, stimmte sich mit ein paar Flötentönen wieder auf ihre Darbietung ein.

Was die Amsel nicht wusste: Ihr Gesang war nicht umsonst. Denn das Lied des Vogels verwandelte sich für die junge Frau im Krankenbett auf wundersame Weise. Es wurde ein Bild daraus. Im Traum sah Ina schimmernde Perlen, die wie Regentropfen zu Boden fielen und zu bunten Blumen wurden.

Obwohl Ina seit einigen Tagen weder die Augen öffnete noch auf Worte reagierte, nahm sie erstaunliche Dinge wahr. Sie konnte es nur niemandem mitteilen. Es waren nicht nur ihre Träume, sondern auch Stimmen, die sie trösteten und ihr halfen, aus dem Dunkel wieder ans Licht zu gelangen.

Manchmal war ringsherum nichts anderes als Nacht. Aber nicht lange, denn sobald die Sterne hervorkamen, Abertausende von Sternen, wurde es hell, und man konnte schweben und fliegen. Es ging weit über den Himmel, über Berge und Täler, bis jemand die Arme ausbreitete und sagte: „Ina, jetzt hast du deine Liebe gefunden.“

Natürlich war auch das ein schöner Traum. Normalerweise erwachte man aus seinen Träumen. Aber Ina nicht. Sie schlief und war weit fort. Es lagen schlimme Tage hinter ihr, in denen sie um ihr Leben gekämpft hatte.

Sie war nicht allein gewesen bei diesem Kampf. Dr. Martin Burger hatte alles getan, um sie zu retten.

Nun war es geschafft. Kein hohes Fieber mehr, keine Krämpfe, keine Todesangst. Ina war ruhig geworden. Doch sie schlief und schlief. Sie kam nicht zu sich. Vielleicht war es sogar gut, dass sie immer noch von den sanften Wellen des Schlafes an ferne Ufer getragen wurde bis ins Land der Liebe und des Glücks.

Gab es so etwas auch in der Realität – einen Platz, an dem man durchatmen konnte und an dem die Seele Flügel bekam? Nichts konnte schöner sein als eine kristallklare Quelle, in der man sein eigenes Gesicht erkannte – und daneben das Antlitz eines über alles geliebten Menschen. Zwei Seelen, zwei Herzen und eine große Liebe.

Wie tröstend und heilsam waren doch diese Gedanken!

Die Vorhänge sorgten für ein angenehmes Dämmerlicht im Raum. Aber die Sonne schickte dennoch durch einen kleinen Spalt ihre Strahlen in das stille Krankenzimmer – und die Amsel sang ihr Lied noch einmal.

Es musste etwas geschehen. Denn es war Zeit für Ina.

Zeit zum Erwachen.

***

Sie blinzelte ins Licht. Um sie herum standen allerlei Geräte, deren Funktion sie sich erst einmal nicht erklären konnte. In ihrem Arm steckte etwas. Neben dem Bett, in dem sie lag – wieso eigentlich? – stand ein Gestell, an dem eine Flasche hing.

Langsam wurde ihr klar, dass dieses Gestell ein Ständer für eine Infusionsflasche war. Sie befand sich also in einem Krankenzimmer, und man verabreichte ihr eine Infusion.

Wieso? Was war denn passiert?

Während Ina noch versuchte, sich diese merkwürdige Situation zu erklären, wurde die Tür geöffnet und jemand schaute herein.

„Dem Himmel sei Dank, du bist ja aufgewacht, Ina! Jetzt musst du erst einmal zu dir kommen. Erkennst du mich? Ich bin Schwester Sofie. In den vergangenen Tagen war ich nachts hier, Dr. Burger wollte es so.“

Nach und nach lichtete sich der Nebel in Inas Kopf. Natürlich kannte sie Schwester Sofie, die ja auch in St. Christoph wohnte und immer dann in der Praxis zur Verfügung stand, wenn sie gebraucht wurde.

Aber noch immer haperte es mit der Erinnerung. Mühsam richtete sich Ina auf, doch ihre freundliche Pflegerin bettete sie wieder behutsam in die Kissen.

„Mit dem Sitzen warten wir noch ein bisserl“, mahnte sie lächelnd. „Das wird der Doktor entscheiden. Ich sag ihm Bescheid, dass du aufgewacht bist. Er wird gleich herüberkommen. Es sind ja nur ein paar Schritte vom Haus bis in die Praxis.“

Ina nickte. Sie fühlte sich sehr schwach, aber dann stellte sie fest, dass ihre furchtbaren Kopfschmerzen und die glühende Hitze hinter ihrer Stirn verschwunden waren. Es war nur noch ein lästiger Druck da, der ihr das Nachdenken schwer machte.

Dennoch fiel ihr nun ein, dass sie auf einer Tragbahre gelegen hatte, auf der sie aus Frau Streibels Haus transportiert worden war. Eine schwache Erinnerung an die Zeit davor tauchte auf, an die Angst, vielleicht sterben zu müssen, weil das Fieber wie Feuer in ihr gebrannt hatte.

Dr. Burger hatte sie über sie gebeugt, und ihr waren trotz ihres Zustandes immer wieder die Koffer, Kisten und Kartons eingefallen, die sie für Frau Streibel gepackt hatte, ein ganzer Berg war das gewesen. Das Kisten-Koffer-Gebirge sollte abgeholt und nach Graz geschickt werden, wo Frau Streibel künftig in einer eleganten Neubau-Wohnung in der Nähe ihres Sohnes leben würde. Denn Graz war schließlich ihre Heimatstadt. Und eine Kur in Hofgastein wollte sie sich auch noch gönnen, natürlich in einem noblen Sanatorium. Frau Streibel konnte es sich leisten.

Wieso kann ich mich daran erinnern?, grübelte Ina.

So wichtig war das doch alles nicht. Obwohl es eigentlich ein ungutes Gefühl in ihr wachrief.

Aber Ina kam in diesem Moment nicht darauf, was es mit Frau Streibel und dem Haus in St. Christoph auf sich hatte. Seit zwei Jahren wohnte sie im ersten Stock, kümmerte sich um den Haushalt der wohlhabenden Witwe, leistete ihr Gesellschaft und erledigte alles für sie. Bis jetzt jedenfalls.

Irgendetwas würde sich ändern … aber was? Es war jedenfalls beunruhigend.

Ina schloss die Augen wieder.

Ich bin also krank, dachte sie, und ich bringe meine Gedanken nicht mehr auf die Reihe.

Sie befand sich in einem Zustand, der sie in Schrecken versetzte. Sich nicht richtig erinnern zu können, war das Schlimmste überhaupt.

Doch es nahte Hilfe. Ein zweites Mal an diesem Morgen öffnete sich die Tür, und Dr. Burger stand auf der Schwelle.

„Wenn das kein guter Tag ist, Ina!“, sagte er aufmunternd. „Wir können aufatmen, denn jetzt bist du über den Berg. Du warst eine Woche lang nicht ansprechbar. Aber ich hab trotzdem gemerkt, dass du dich langsam wieder ins Hier und Jetzt zurückgekämpft hast, jeden Tag ein bisschen mehr. Weißt du, was vorgefallen ist?“

„Kaum“, brachte sie hervor. „Ich hab mich net mehr auf den Beinen halten können, das weiß ich noch. Sie waren plötzlich da, Herr Doktor. Mir war so elend zumute. Ich dachte, dass es mit mir zu Ende geht. Irgendetwas ist auf mich gefallen … was war das? Geschirr?“

„Du bist gestürzt und hast dich anscheinend noch an der Tischdecke festgehalten. Eine große Obstschale ist hinuntergefallen und hat dich gestreift, bevor du mit dem Kopf aufgeschlagen bist. Die Schale war aus Glas, aber es gab zum Glück keine Schnittverletzungen. Das Schädel-Hirn-Trauma ließ sich nicht vermeiden. Aber es ist nur leicht. Deswegen müssen wir uns keine Sorgen machen.“

***

Ina fuhr sich mit der Hand über die Stirn.

„Ist da etwas? Ich kann mich doch kaum erinnern …“

„Eine vorübergehende Amnesie, das ist in diesem Fall ganz normal“, erklärte Dr. Burger. „Die Erinnerung kommt wieder. Lass dir Zeit.“

„Aber ich möchte wissen, was mit mir los ist“, stammelte die junge Patientin. „Wieso bin ich gestürzt?“

„Hohes Fieber, Schwäche, Kreislaufversagen“, antwortete der Doktor. „Nach einer verschleppten Grippe ist es bei dir zu einer Virus-Meningitis gekommen, einer Hirnhautentzündung. Die Nachbarn und der Niederstetter-Germo, der die Post abgeben wollte, haben dich gefunden und mich sofort angerufen. Du warst allein im Haus, Frau Streibel war ja schon abgereist. Ich hatte dir übrigens wegen der Grippe ans Herz gelegt, Bettruhe einzuhalten und die Medikamente zu nehmen, die ich dir verschrieben hatte.“

„Ach ja“, flüsterte Ina. „Das fällt mir wieder ein. Ich konnte mich aber net hinlegen, Herr Doktor, weil ich noch im Berghotel ausgeholfen hab und weil ich der Frau Streibel unbedingt ihre Sachen nach Graz schicken wollte. Es gab viel einzupacken. Ich fühlte mich wie gerädert, weil mir das Ganze über den Kopf wuchs und weil sie mir vorher irgendetwas gesagt hatte, worüber ich entsetzt war. Ich weiß net mehr, was es war.“

„Darüber musst du jetzt net nachdenken, Ina“, meinte Dr. Burger beruhigend. „Nicht alles auf einmal. Es sei denn, du bestehst darauf.“

„Ja, ich möchte es wissen. Was hat sie mir gesagt?“

„Vermutlich, dass sie das Haus verkaufen will und dass du demnächst ausziehen sollst.“

Ina schwieg. Immerhin hatte es Dr. Burger mit seinen deutlichen Worten erreicht, dass sich die Nebelschwaden in ihrem Kopf bis auf ein kleines Wölkchen verzogen hatten.

Es stimmte. Sie musste in Kürze ausziehen!

Frau Streibel hatte für übertriebene Rücksichtnahme nach ihren eigenen Worten nie „den Nerv“ gehabt – und auch keine Zeit, denn sie liebte Reisen, Kuraufenthalte und andere Zerstreuungen, die sie vom Erbe ihres verstorbenen Mannes locker bezahlten konnte. Zwischen ihr und Ina war alles geschäftsmäßig und korrekt abgelaufen. Wenn die „gnädige Frau“ zuweilen über Monate hinweg nicht in St. Christoph weilte, war Ina für das Zillertaler Haus verantwortlich gewesen.

Aber dass Frau Streibel nun mehr oder weniger herzlos die Kündigung ausgesprochen hatte – „zum 1. August soll das Haus verkauft werden, und die Räume müssen vier Wochen vorher frei und frisch renoviert sein, Ina, das ist nun mal so“ – war doch ein starkes Stück!

Ich werde wieder regelmäßig im Berghotel arbeiten und vielleicht ein kleines Apartment neben dem Hotel mieten, dachte Ina.

„Helfen Sie bitte meinem Gedächtnis noch ein bisserl mehr auf die Sprünge, Herr Doktor“, murmelte sie. „Ich merke doch, dass da noch etwas in mir brodelt.“

„Es ist zu anstrengend für dich, wenn wir jetzt über diese Dinge reden“, hielt ihr Dr. Burger entgegen. „Du brauchst noch viel Ruhe. Ich kann dich auch vorläufig nicht entlassen, weil die stationäre Behandlung noch sehr wichtig ist. Mit einer Meningitis ist nicht zu spaßen. Weil ich gleich zu Beginn eingreifen konnte, ließen sich weitere Komplikationen abwenden, es kam daher auch nicht zu einer Hirndrucksteigerung. Ich habe dir ein sogenanntes antivirales Hyper-Immunglobulin gegeben, kombiniert mit Glukokortikoiden. Wir müssen nun noch weiterhin eine Therapie mit Cephalosporin durchführen, um Rückfälle durch bakterielle Erreger zu vermeiden. Cephalosporine sind Antibiotika mit einem breiten Wirkungsspektrum.“

„Wie lange werde ich noch krank sein?“