Der Bergdoktor 2025 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2025 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Bei der Anprobe ihres Brautkleides erkennt Lisa gerade noch rechtzeitig: Sie ist drauf und dran, den Falschen zu heiraten! Nichts kann sie Stefan recht machen. Ständig mäkelt an ihr herum. Und Trost erfährt sie von ihm gleich gar nicht. Während ihre Hausärztin noch rätselt, woher ihre ständigen Schmerzen und Fieberschübe kommen, hat er sie schon als Simulantin abgestempelt. Fluchtartig verlässt Lisa München und strandet mit einer Autopanne in St. Christoph.
Am abgelegenen Gehöft von Veit Hölzl bittet sie um ein Quartier für die Nacht, bis ihr Auto morgens repariert werden kann. Der wortkarge Landwirt ist nicht erfreut über ihr Auftauchen, denn er kann eine Zeugin für das, was er vorhat, nicht gebrauchen ...

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Rache für den toten Freund

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / von Sarosdy

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9768-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Rache für den toten Freund

Ein Mann findet keinen Frieden

Von Andreas Kufsteiner

Über ein Jahr ist inzwischen vergangen, seitdem Veit Zeuge eines schrecklichen Dramas in den Bergen von St. Christoph wurde. Allerdings war er viel zu weit entfernt, um eingreifen und so das Schlimmste verhindern zu können.

Geschehen war folgendes: Bei einem Rundgang durch den Wald bemerkte er auf einer höher gelegenen Hügelkuppe plötzlich zwei Männer, die miteinander kämpften. Den einen der beiden konnte er an der auffälligen orangefarbenen Jacke mit den silbernen Streifen erkennen. Sie gehörte eindeutig seinem besten Freund Lukas! Da zerriss plötzlich ein schriller Schrei die Stille. Und dann stürzte Lukas in die tiefe Schlucht und fand dort den Tod. Sein Gegner konnte unerkannt entkommen.

Über ein Jahr ist inzwischen vergangen, doch Tag und Nacht quält Veit seitdem die Frage, wer seinen besten Freund auf dem Gewissen hat …

Mei, dieser verflixte Winter nahm in diesem Jahr gar kein Ende!

Veit Hölzl stemmte seine Skistöcke in den Schnee und schritt kräftig aus. Mit einem leisen Rauschen glitten seine Brettln dahin und trugen ihn tiefer in das einsame Seitental hinein.

Im Sommer traf man hier zahlreiche Wanderer, die zu einer der beiden Almhütten unterwegs waren. Jetzt ruhte der Weg durch das Tal unter einer Schneedecke. Die Hütten würden erst im Frühjahr wieder öffnen.

Die felsigen Hänge, die links und rechts aufragten, waren weiß von Schnee und Eis und glitzerten in der Sonne, als wären sie mit winzigen Diamanten bestäubt. Der Weg führte leicht bergan. Die Kälte biss in die Atemwege wie Nadelstiche. Unwillkürlich beschleunigte der junge Landwirt sein Tempo.

Er brachte eine Kehre hinter sich, und mit einem Mal öffnete sich vor ihm der Blick auf den Bach, der sich durch das Tal schlängelte. Verschneite Halme ragten über das kristallklare Wasser, das sich plätschernd seinen Weg bahnte.

Veit blieb stehen, schob seine Schneebrille über seine Wollmütze und nahm den Ausblick in sich auf. Hier gab es nichts als einen tiefen Einklang mit der Natur.

Wie er die Berge liebte! Er kannte jeden Pfad und jeden Pass, und er hätte sich nicht vorstellen können, irgendwo anders zu leben. Nein, das kam für ihn nicht infrage, auch wenn die abgelegene Lage seines Heimatdorfes in dieser Jahreszeit mitunter zu Beeinträchtigungen führte.

St. Christoph war nur über eine einzige steile Bergstraße erreichbar. Im Winter war sie oft genug von Schnee und umgestürzten Bäumen versperrt. Dann war das Dorf von der Außenwelt abgeschnitten.

Heute hoffentlich net, ging es ihm durch den Sinn. Er wollte sich mit Lukas später einen Film in Mayrhofen anschauen. Wenn es dann schneite, würde die Rückfahrt wieder ein Abenteuer werden.

Lukas und er waren zusammen aufgewachsen. Sein Freund hatte lange mit sich gerungen, welchen beruflichen Weg er einschlagen wollte. Vor drei Monaten hatte er eine Ausbildung zum Fahrlehrer begonnen. Lukas träumte davon, eines Tages seine eigene Fahrschule zu leiten. Die Ausbildung finanzierte er sich, indem er als Knecht überall da einsprang, wo fleißige Hände gebraucht wurden. Und in jeder freien Minute lernte er.

Veits Lebensplan hatte schon früh festgestanden: Er gehörte in die Landwirtschaft. Seine Eltern und Großeltern waren Bauern, und er würde ihnen folgen. Er liebte die Landwirtschaft und hatte etliche Pläne für die Zukunft. Was ihm noch fehlte, war ein Madel. Manchmal war es arg einsam bei ihnen heroben. Ihr Hof lag am Fuß des Hexensteins. Ringsum gab es nichts als Kiefernwälder und Bergwiesen.

Veit packte seine Skistöcke fester und fuhr weiter.

Es hatte frisch geschneit in der Nacht. Seine Hündin sauste vor ihm her. Elli war ein gutmütiger goldbrauner Labrador. Sie liebte Schnee und blieb immer wieder stehen, um so wild zu buddeln, dass der Schnee nach allen Seiten stob.

Elli stürmte weiter, und Veit folgte ihr auf seinen Skiern. Sein Ziel war der Wasserfall weiter hinten im Tal. In der Nähe sollte in der Nacht eine Lawine niedergegangen sein. Das wusste er vom Leiter der Bergwacht.

Manchmal wurden Gämsen von den Schneemassen mitgerissen. Veit hoffte auf einen solchen Fund. Schießen mochte er die lebhaften Tiere nicht, aber er brauchte die Haare. Sein Großvater fertigte daraus prächtige Gamsbärte, die eine Zierde für jeden Hut waren.

Die dafür nötigen Haare wuchsen jedoch nicht, wie der Name suggerierte, am Kinn der Gämsen, sondern an ihrem Rücken, im Bereich zwischen Genick und Wedel. Auf die dunklen Grannenhaare mit den hellen Spitzen hatte Veit es abgesehen. Je heller diese waren, umso schöner und wertvoller war später der Gamsbart.

Unbewusst lauschte der junge Landwirt auf ein verräterisches Knirschen am Berg, das eine nachfolgende Lawine ankündigte, aber alles blieb still. Unwillkürlich stieß er den Atem aus. Es war immer ein Risiko, in ein Lawinengebiet vorzudringen.

Vor ihm blieb Elli plötzlich stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Sie reckte den Kopf in die Höhe und schien Witterung aufzunehmen. Hatte sie einen Hasen entdeckt?

Unvermittelt gellte ein schriller Schrei durch die Schlucht.

Jäh hielt Veit inne, stemmte seine Skistöcke in den Schnee und schaute sich um. Sein Blick blieb an zwei Gestalten hängen, die hoch über ihm auf der Hügelkuppe standen. Oder … nein, sie standen da nicht nur, sie rangen miteinander!

Eiskalt rieselte es ihm den Rücken hinunter. Da oben kämpften zwei Männer miteinander! Sie waren von kräftiger Statur. Ihre Gesichter konnte er nicht erkennen, dafür waren sie zu weit entfernt.

Einer der beiden war schwarz gekleidet, der andere trug eine orangefarbene Jacke mit silbernen Streifen. Diese Jacke kannte er doch! Seinem besten Freund gehörte genauso eine Jacke!

Veit hatte Lukas schon damit aufgezogen, dass man ihn damit vermutlich sogar vom Weltraum aus erkennen konnte. Lukas hatte nur gegrinst und gemeint, genau das wäre sein Plan. Immerhin wolle er bei den Madeln auffallen.

„Lukas!“ Wie gelähmt vor Entsetzen beobachtete Veit, dass sich die Kämpfenden dem Abhang näherten. Er wollte seinem Freund helfen, aber er stand viel zu weit weg!

Mit einem Mal lösten sich die Kämpfenden voneinander. Der Mann in der orangefarbenen Jacke taumelte rückwärts. Er breitete die Arme aus, um sich noch zu fangen. Zu spät!

Mit einem Schrei stürzte er über die Felskante in die Tiefe!

„Neeein!“ Veit packte seine Skistöcke und stieß sich ab. Er fuhr, so schnell er es vermochte, in das Tal hinein. Hinter seiner Stirn wirbelten die Gedanken wie aufgescheuchte Spatzen. Ich muss ihm helfen. Wenn es bloß net zu spät ist!

Er reckte den Kopf nach oben. Auf dem verschneiten Felsen war der schwarz gekleidete Mann inzwischen verschwunden.

Fast so, als wäre er nie da gewesen.

***

Vierzehn Monate später

Neununddreißig Komma eins Grad. Als wäre diese Zahl nicht alarmierend genug, leuchtete obendrein ein rotes Warnlämpchen neben der Anzeige auf.

Lisa Stangl hielt das Fieberthermometer so vorsichtig zwischen ihren Fingern, als könnte es nach ihr schnappen.

Da war er also, der nächste Fieberschub, dachte sie niedergeschlagen. Was sollte sie jetzt nur machen? Stefan würde das nicht gefallen. Bis zu ihrer Hochzeit mussten noch ungeheuer viele Dinge erledigt werden. Lisas Liste mit Erledigungen war endlos lang. Fieber konnte sie wirklich nicht gebrauchen.

„Lisa?“ Vor dem Vorhang der Umkleidekabine waren Schritte zu vernehmen. „Bist du noch da drin? Oder schon heimlich mit deinem Liebsten durchgebrannt?“ Ein Lächeln schwang in der Stimme ihrer Freundin mit.

Hastig schob Lisa das Thermometer zurück in die Verpackung. Sie hatte es vor ihrem Besuch im Brautmodenladen neu gekauft und gehofft, dass ihr altes Thermometer kaputt war und falsche Werte angezeigt hatte. Das war offenbar nicht der Fall.

Sie hatte tatsächlich Fieber. Schon wieder.

Ihre Knie waren weich wie Butter, in ihren Ohren rauschte es, und ihre Wangen glühten. Lisa hatte die Symptome auf ihre Nervosität geschoben, aber daran lag es anscheinend nicht.

Ihre Temperatur sagte deutlich, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Sie musste sich später darum kümmern.

Jetzt schob sie den Vorhang zur Seite und trat aus der Umkleidekabine.

„Wow!“ Anika stellte hastig ihr Glas Prosecco fort und wiederholte: „Wow! Wer sind Sie, und was haben Sie mit meiner besten Freundin gemacht?“

„Wie findest du es?“ Unsicher blickte Lisa an sich hinunter. Das Brautkleid floss in einer Fülle aus Seide und Perlenstickereien an ihr hinunter und raschelte bei jeder Bewegung. Es war so steif, dass sie sich kaum bewegen konnte.

„Du siehst unglaublich aus. Wie eine Prinzessin.“

„Gefällt es dir?“

„Es raubt einem den Atem. Wie fühlst du dich damit?“

„Verkleidet.“ Lisa hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Um ehrlich zu sein, traue ich mich net, tief Luft zu holen, aus Angst, das Kleid zu beschädigen. Es kostet ein Vermögen.“

„Darum musst du dich net sorgen. Oder hat Stefan etwa einen Rückzieher gemacht? Er wollte es dir schenken, oder net?“

„Ja, das hat er versprochen. Es ist nur … Das Kleid passt mir net.“

„An der Taille ist es wirklich ein bisserl weit, aber das macht nix. Wir können es enger machen lassen.“

„Ich meine net nur die Größe. Es ist, als würde ich in dem Kleid ertrinken.“

„Du fühlst dich unwohl?“

„Ja. Ich hätte gern das Brautkleid meiner Mutter zur Hochzeit angezogen, aber das ist Stefan zu schlicht. Er hat sich für dieses hier entschieden. Mir wäre ein Kleid lieber, das net ganz so …“ Sie stockte.

„Protzig ist?“, half Anika ihr aus.

„Genau.“ Lisa strich über den kostbaren Stoff. Er war so schwer, dass sie sich darin gefangen fühlte. Dabei war das Kleid ein Traum – nur leider nicht ihrer.

Es ist ja nur für einen Tag, sagte sie sich. Das Kleid war unbequem, aber sie würde es tragen, wenn es Stefan Freude machte. Was wirklich zählte, war schließlich nicht das Brautkleid, sondern dass sie bald für immer miteinander verbunden sein würden.

Die Verkäuferin kam zu ihr.

„Am Bauch ist es Ihnen zu weit.“ Dem geübten Blick der Mittvierzigerin entging nichts. „Wir haben noch genügend Zeit. Ich werde es für Sie enger machen lassen …“ Sie griff nach einem Maßband.

Jäh machte Lisa einen Schritt von ihr weg.

„Warten Sie, bitte …“ Ihr Herz wummerte mit einem Mal so wild gegen ihre Rippen, dass es beinahe wehtat. Der elegante Brautladen verschwamm um sie herum, und sie konnte nicht atmen. Um Himmels willen, sie bekam keine Luft! Japsend fasste sie sich an die Kehle und zitterte auf einmal.

„Ruhig“, mahnte Anika und legte eine Hand auf ihren Arm. „Du musst atmen, Lisa! Ganz langsam einatmen. Gut so. Jetzt halte die Luft an. Und wieder ausatmen. Genau so. Langsam wieder einatmen …“

Nach einer Weile ließ der Druck auf Lisas Brust nach, und die Konturen der Einrichtung schärften sich wieder vor ihren Augen.

„O Gott“, murmelte sie. „Das war fürchterlich.“

„Geht es besser?“, vergewisserte sich Anika.

„Ja, aber ganz kurz dachte ich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Was war das nur?“

„Wenn ich raten müsste, würde ich sagen eine Panikattacke.“

„Ja, das war auch mein Eindruck“, pflichtete die Verkäuferin ihr bei. „Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“

Dankbar bejahte Lisa. Die Verkäuferin brachte ihr ein Glas, das sie mit wenigen Zügen leerte. Danach ging es ihr besser.

Anika krauste die Nase.

„Süße, bist du sicher, dass du das wirklich willst?“

„Dieses Kleid kaufen? Ja, Stefan zuliebe, werde ich es tun.“

„Ich meine net das Kleid. Ich meine diese ganze Hochzeit. Seit Wochen wirst du immer stiller, wenn wir davon sprechen. Dabei solltest du gerade jetzt übersprudeln vor Glück.“

Übersprudeln? Davon war sie noch nie weiter entfernt gewesen. Lisa knetete ihre Hände.

„Es passiert gerade ziemlich viel auf einmal, weißt du?“

„Liegt es wirklich nur daran? Du sagst kaum ein Wort, wenn Stefan dabei ist. Dann erkenne ich dich net wieder. Manchmal hab ich das Gefühl, er erdrückt dich mit seiner Art.“

„Stefan hat ein gutes Herz.“

„Aber er hat sich verändert. Seine Karriere ist an die erste Stelle gerückt, und das macht mir Sorgen. Wenn du mich fragst, hat er vom Erfolg gekostet, und jetzt will er mehr.“

„Er will beruflich vorankommen. Daran ist nichts Falsches.“

„Wenn er dich darüber vernachlässigt, dann schon.“

„Das tut er net. Er gibt sich wirklich Mühe und hilft mir, die Hochzeit zu planen. Allein würde ich das kaum bewältigen. Mittlerweile stehen über zweihundert Gäste auf der Liste.“

„Jessas, das werden ja immer mehr.“

Lisa nickte, denn aus ihrem Traum von einer kleinen Hochzeit im Kreis ihrer Lieben war ein Event geworden, das nicht nur ihre Mittel, sondern auch ihre Vorstellungskraft überstieg.

Stefan wollte zahlreiche Kollegen und Geschäftspartner dabeihaben. Die meisten kannte sie nicht einmal dem Namen nach, aber er hoffte, dass ihm die Feier helfen würde, berufliche Kontakte enger zu knüpfen. Ihren Einwand, dass ihre Trauung privat war, hatte er lachend abgetan.

„Warum sollen wir die Gelegenheit net nutzen? Es wäre dumm, es nicht zu tun“, hatte er gesagt.

Lisa wagte kaum, ihn nach den Kosten der opulenten Feier zu fragen. Dazu kamen die Flitterwochen, die Stefan auf Hawaii verbringen wollte, und die Anzahlung für das Haus, das sie sich angeschaut hatten. Sie wusste, er verdiente gut, aber übernahm er sich damit nicht doch?

Ihr eigener Beitrag zu alledem war verschwindend gering. Sie konnte sich weder den Festsaal in dem teuren Hotel noch die dreiwöchige Reise oder ein Haus leisten. Allerdings brauchte sie das auch nicht. Ihr Verlobter bezahlte alles, als müsste es so sein.

Lisa blickte durch die verglaste Ladentür.

Draußen zauberte die Frühlingssonne goldene Sonnenstrahlen auf den Bürgersteig. Zahlreiche Menschen bummelten über die beliebte Münchner Einkaufsstraße, trugen prall gefüllte Einkaufstüten oder Eiswaffeln in der Hand.

In ihrem Bauch ballte sich ein schmerzhafter Knoten zusammen. Lisa legte eine Hand darauf und krümmte sich unmerklich.

„Du musst net heiraten, wenn du dir unsicher bist“, gab Anika zu bedenken. „Noch kannst du alles abblasen.“

„Was? Und dann zweihundert Gäste wieder ausladen?“, fragte sie ungläubig.

„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Leben voll davon.“

„Ich möchte Stefan heiraten. Er ist mein Partner.“ Die Worte waren kaum heraus, als sie sich fragte: Ist er das wirklich?

Noch vor einem Jahr waren sie glücklich gewesen und hatten von ihrer Hochzeit und einer gemeinsamen Wohnung geträumt. Dann war Stefan zum Filialleiter der Bank aufgestiegen, hatte mehr Verantwortung und mehr Gehalt bekommen und sich weiter hochgearbeitet. Und er wollte mehr von alldem.

„Ich ziehe mich rasch um.“ Lisa verschwand wieder in der Kabine und streifte mit zittrigen Fingern das Kleid ab.

Mit einem Mal konnte sie nicht schnell genug aus diesem Geschäft herauskommen, in dem es nach Rosen und Verheißung duftete und in dem sie nichts als Panik empfand.

„Ich komme nächste Woche zur Anprobe wieder“, versprach sie der Verkäuferin, schnappte sich ihre Freundin samt Handtasche und verließ den Brautladen, als wäre sie auf der Flucht.

Erst als sie im warmen Sonnenschein stand, konnte sie wieder leichter atmen.

„Wollen wir uns einen Tisch in dem Straßencafé an der Ecke suchen und uns einen Eisbecher gönnen?“, fragte ihre Freundin.

„Ein anderes Mal, ja? Heute muss ich noch für die Statistik-Klausur lernen.“

„Wolltest du das net schon gestern Abend machen?“

„Das wollte ich, aber Stefan hatte Kinokarten besorgt, und er ist immer unleidlich, wenn ich ihm absage, deshalb hab ich das Lernen auf heute verschoben.“

Anika nickte kaum merklich. Sie sagte nichts, aber ihr Blick verriet Zweifel. Dieselben Zweifel, die auch Lisa empfand. Dabei hatte sie keine Zeit für Unsicherheiten.

Sie jonglierte mit zwei Jobs, um sich ihr Fernstudium zu finanzieren. An zwei Abenden in der Woche kellnerte sie in einer Pizzeria, und dreimal die Woche half sie in einem Blumenladen aus. Damit war es allerdings ab nächster Woche vorbei, weil das Geschäft schloss. Sie würde sich etwas anderes suchen müssen.