Der Bergdoktor 2027 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2027 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Anna Baumgartner ist in St. Christoph geboren, hat ihr Heimatdorf aber mit zehn Jahren unter tragischen Vorzeichen verlassen müssen. Damals kamen ihre Eltern bei einem Autounfall auf der kurvigen Bergstraße ums Leben, und die kleine Waise wurde zu Verwandten nach Wien geschickt.
Inzwischen ist sie erwachsen und hat kürzlich den Sportreporter Thomas Baumgartner geheiratet. Ihre Flitterwochen wollen sie im Süden verbringen, doch auf der Reise legen sie - auf Annas Wunsch - einen Zwischenstopp in St. Christoph ein. Sie möchte ihrem Mann gerne den Ort zeigen, an dem sie aufgewachsen ist, bis ... der schreckliche Unfall passierte.
Oder war es gar kein Unfall? Anna ist schockiert, als sie einem der Freunde aus Kindertagen begegnet und etwas Ungeheuerliches erfährt ...

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Seitenzahl: 124

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Burger und die Hochzeitsreisenden

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Chiemseer Dirndl & Tracht

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9770-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dr. Burger und die Hochzeitsreisenden

Für ein junges Paar enden die Flitterwochen in St. Christoph

Von Andreas Kufsteiner

Anna Baumgartner ist in St. Christoph geboren, hat ihr Heimatdorf aber mit zehn Jahren unter tragischen Vorzeichen verlassen müssen. Damals kamen ihre Eltern bei einem Autounfall auf der kurvigen Bergstraße ums Leben, und die kleine Waise wurde zu Verwandten nach Wien geschickt.

Inzwischen ist sie erwachsen und hat kürzlich den Sportreporter Thomas Baumgartner geheiratet. Ihre Flitterwochen wollen sie im Süden verbringen, doch auf der Reise legen sie – auf Annas Wunsch – einen Zwischenstopp in St. Christoph ein. Sie möchte ihrem Mann gerne den Ort zeigen, an dem sie aufgewachsen ist, bis … der schreckliche Unfall passierte.

Oder war es gar kein Unfall? Verdrängte Erinnerungen werden wach, und plötzlich hat Anna Zweifel …

Bärbel Tannauer warf einen Blick ins Wartezimmer und stellte fest, dass nur noch eine Patientin dort saß. Sophie Haslinger war etwas früher zu ihrem Termin erschienen und in der Zwischenzeit leicht eingenickt.

Dr. Burgers patente Arzthelferin tippte Sophie auf die Schulter.

„Wach werden, du bist jetzt dran, Haslingerin“, sagte sie.

Das kleine, schmale Weibel mit den kurzen grauen Haaren schrak zusammen und öffnete die Augen, die von einem erstaunlich dunklen Blau waren.

Früher war Sophie ein hübsches Madel gewesen, doch schon immer etwas kränkelnd. Nun, mit Mitte sechzig, litt sie zunehmend an ihrer Herzschwäche, die Dr. Martin Burger, in St. Christoph auch als Bergdoktor bekannt, medikamentös behandelte.

Sophie musste einmal wöchentlich zur Untersuchung kommen, denn es war wichtig, dass ihr Zustand stabil blieb. Sobald er sich verschlechterte, wollte Dr. Burger die Medikation anpassen, damit Sophie nicht wieder stärkere Beschwerden bekam.

Sie war es gewöhnt, sich einzuschränken. Schon von Kindesbeinen an hatte sie auf ihr schwaches Herz Rücksicht nehmen müssen. Durch die gezielte Behandlung beim Bergdoktor hatte sich ihr Zustand aber so weit gebessert, dass sie sogar ein wenig in dem kleinen Garten hinter ihrem Häusl werkeln konnte. Und das machte ihr Spaß, denn sie war ein naturverbundener Mensch und liebte Blumen und Pflanzen sehr.

„Mei, Bärbel, hast du mich erschreckt“, erwiderte sie mit einem verlegenen Lachen. „Da bin ich doch tatsächlich eingeschlafen.“

„Es hat ja auch ein bisserl gedauert, bis du an die Reihe kommst. Aber jetzt hat der Bergdoktor Zeit für dich“, meinte die hübsche Blondine freundlich. „Komm nur mit.“

Sie half Sophie beim Aufstehen und lächelte ihr lieb zu. Sonst ließ diese sich nicht so gern helfen, denn sie mochte es nicht, als hinfällig betrachtet zu werden, darin war Sophie eigen. Aber Bärbel hatte so eine Art an sich, die jeden gleich für sie einnahm. Von einem netten Madel wie ihr ließ auch Sophie sich gerne unter die Arme greifen.

Dr. Martin Burger begrüßte seine Patientin gleich darauf herzlich. Der groß gewachsene, sportliche Mediziner hatte die fünfzig bereit überschritten, doch das sah man ihm nicht an. In seinem dunklen Haar schimmerten erst ein paar Silberfäden, und die Lachfältchen um seine braunen Augen machten ihn sehr sympathisch.

Es war aber vor allem das einnehmende Wesen des Landarztes, das jeder, der mit ihm zu tun hatte, sogleich spürte. Von ihm gingen eine große Ruhe aus, Geduld und Wohlwollen seinen Mitmenschen gegenüber. Er war nicht nur Mediziner mit Leib und Seele, ihm lagen seine Patienten ehrlich am Herzen.

Dr. Burger war Arzt und Seelsorger in einer Person, denn die Menschen kamen mit all ihren Sorgen zu ihm. Sie brachten ihm vollstes Vertrauen entgegen, und er hatte noch nie jemanden enttäuscht.

Auch Sophie Haslinger vertraute Dr. Burger.

„Die Werte könnten besser sein“, stellte er fest, nachdem die Untersuchung beendet war. „Du nimmst doch deine Medikamente regelmäßig ein?“

„Freilich, Herr Doktor, ganz nach Anweisung.“

„Und wie fühlst du dich? Beschwerden, Schmerzen?“

„Ein bisserl schlapp in letzter Zeit, aber das ist ja nix Neues. Ich bin’s fei gewöhnt, dass ich mich einschränken muss.“

Dr. Burger schüttelte mit bedenklicher Miene den Kopf.

„Wir werden die Medikation anpassen müssen. Diese Werte gefallen mir gar net. Eigentlich müsste es dir besser gehen.“

Sophie machte ein ernstes Gesicht.

„Sie haben mir gesagt, dass es jederzeit schlechter werden kann, Herr Doktor, und dass ich vermutlich meinen Siebzigsten net erleben werde.“

„Nein, das hab ich so net gesagt. Wir müssen nur drauf achten, dass dein Zustand stabil bleibt. Mit einer Herzschwäche ist im fortgeschrittenen Alter net zu spaßen.“ Er schrieb ein Rezept aus. „Du nimmst morgens und abends zwei Kapseln, dann schauen wir nächste Woche, ob das was gebracht hat.“

„Ist schon recht, Herr Doktor“, meinte sie gelassen.

Der Bergdoktor bewunderte die Haltung seiner Patientin, die es im Leben nie leicht gehabt hatte. Die angeborene Herzschwäche hatte sie von klein auf dazu gezwungen, auf vieles zu verzichten, das für andere Kinder selbstverständlich gewesen war. Ihr Vater war früh verstorben, die Mutter hatte Sophie bis zu deren Tod gepflegt.

Sie lebte allein und bescheiden in dem kleinen Häusl, das die Eltern ihr hinterlassen hatten. Trotzdem hörte man von ihr nie ein Wort der Klage.

„Ich krieg übrigens Besuch“, erzählte sie dem Bergdoktor noch, bevor sie sich verabschiedete. „Meine Nichte, die Anna, kommt auf ihrer Hochzeitsreise vorbei, ist das net schön? Sie und ihr Mann wollen Station bei mir machen, bevor sie weiter in den Süden reisen. Ich hoff, sie bleiben ein paar Tage.“

„Die Anna? Wie ist es ihr denn ergangen?“

Dr. Burger erinnerte sich noch an den Unfall vor etwas mehr als fünfzehn Jahren, bei dem Annas Eltern ums Leben gekommen waren. Damals war Anna zehn gewesen, ihre Tante Sophie hätte sie gern zu sich genommen, hatte diese Aufgabe aber wegen ihres schwachen Herzens nicht übernehmen können. Darum war Anna zu Verwandten nach Wien gekommen.

„Der Paul, Annas Onkel väterlicherseits, und seine Frau Ellen haben sie seinerzeit zu sich genommen. Sie hatten keine eigenen Kinder und haben das Madel nach Strich und Faden verwöhnt. Anna hat eine glänzende Matura hingelegt und hernach studiert. Sie arbeitet bei einer der großen Wiener Tageszeitungen.“

„Ein interessanter Beruf“, warf Dr. Burger ein.

„Ja, und da hat sie auch ihren Mann kennengelernt. Sportreporter ist er. Wissen Sie, Herr Doktor, die Anna und ich, wir sind über die Jahre allerweil in Kontakt geblieben. Sie war mein Herzenskind, ich hätte sie zu gerne zu mir genommen, als meine Schwester und ihr Mann diesen schrecklichen Unfall hatten. Dass ich’s net konnte, ist mir schwer geworden, aber Anna hat’s verstanden und mir nie einen Vorwurf gemacht.“

„Demnach versteht ihr euch auch heut noch gut.“

„Blendend. Ich möchte aber net, dass sie erfährt, wie es um mich steht. Sie würde sich nur unnütze Sorgen machen.“

„Du willst sie beschwindeln? Sie weiß doch aber, dass dein Herz net gesund ist“, hielt Dr. Burger ihr entgegen. „Wäre es net besser, mit offenen Karten zu spielen?“

„Nein, ich will ihr keinen Kummer machen. Und ich möchte net, dass Sie ihr was sagen, wenn sich’s ergibt.“

„Darüber musst du dir keine Sorgen machen, ich hab ja schließlich eine Schweigepflicht. Trotzdem würde ich dir raten, offen mit Anna zu reden. Sie verdient die Wahrheit.“

„Mag sein, aber sie ist auf Hochzeitsreise, glücklich und verliebt. Den Zustand mag ich net gefährden.“

Dr. Burger hob die breiten Schultern.

„Wie du meinst, Sophie. Ich finde es zwar falsch, aber es ist deine Entscheidung. Wir sehen uns dann nächste Woche wieder.“

Nachdem Sophie Haslinger sich verabschiedet hatte, betrat Bärbel das Sprechzimmer.

„Das Wartezimmer ist leer“, ließ sie ihren Chef wissen. „Ich mach jetzt Mittag, wenn net noch was anliegen sollte.“

„Nein, du kannst gehen. Dann bis zur Nachmittagssprechstunde.“

„Stimmt was net, Chef? Sie schauen so verkratzt. Hat’s was mit der Haslingerin zu tun?“ Bärbel kannte Dr. Burger schon lange und spürte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging oder er sich Sorgen machte. Und das schien nun der Fall zu sein.

„Ich kann’s net leugnen“, gab er zu. „Die Sophie will ihre Nichte über ihren Gesundheitszustand beschwindeln. Anna kommt sie besuchen, auf ihrer Hochzeitsreise. Und da mag sie ihr keine Sorgen machen, sagt sie.“

„Anna hat geheiratet?“ Bärbel seufzte.

„Hat sie. Spricht was dagegen?“, wollte ihr Chef irritiert wissen.

„Wir sind gleich alt und waren zusammen auf der Grundschule“, erzählte Bärbel ihm mit einem schmalen Lächeln. „Jetzt ist die Anna verheiratet und ich …“

„Du bist verlobt.“

„Ja, freilich, verlobt …“

„Stimmt was net zwischen dir und dem Felix?“, fragte Dr. Burger verwundert. „Hattet ihr vielleicht Streit?“

„Das net. Wir verstehen uns wunderbar, nur … Na ja, es geht halt nix weiter. Wie heißt es so schön: Verliebt, verlobt … Tja, und da ist beim Felix auch schon Schluss. Ich fürchte, ich werde noch als ewige Verlobte enden.“

„Dann solltest du das deinem Schatz sagen. Ich verrate dir kein Geheimnis, Bärbel, wenn ich dir sag, dass Mannsbilder manchmal einfach net an so was denken. Deshalb muss man sie halt dran erinnern, verstehst?“

„Beim Felix tät das auch nix ändern. Schwamm drüber. Meinen Sie, die Anna sollte wissen, wie es um ihre Tante steht?“

„Ich würde es nur fair finden. Die beiden haben über all die Jahre Kontakt gehalten und verstehen sich gut. Wenn da plötzlich eine Verschlechterung in Sophies Zustand auftreten würde – was ja jederzeit möglich ist bei so einem Leiden –, würde das Anna ganz unvorbereitet treffen. Verstehst du, was ich meine?“

„Ja, das verstehe ich. Aber ich glaub, die Haslingerin denkt da anders. Sie war doch ihr Lebtag die Bescheidenheit in Person. Und die Vorstellung, der Anna in ihren Flitterwochen Kummer zu machen, die muss furchtbar für sie sein. Deshalb will sie gewiss nix sagen.“

„Da könntest du recht haben“, gestand Martin Burger ihr zu.

„Hab ich bestimmt. Wollen Sie Anna denn was stecken?“

„Das kann ich nicht, du weißt es. Und ich will mich auch net weiter einmischen. Es ist letztendlich Sophies Entscheidung.“

***

Wenig später verließ Dr. Burger den Anbau am Doktorhaus in der Kirchgasse von St. Christoph, in dem sich seine Praxis befand, und ging hinüber ins Wohnhaus zum Mittagessen.

Dieses Haus, im schlichten Gebirgsstil erbaut, stand nun schon mehr als fünf Jahrzehnte hier. Seinerzeit hatte Martins Vater Pankraz es für sich, seine Frau und seinen kleinen Sohn errichten lassen. Doch der jungen Familie war kein dauerhaftes Glück beschert gewesen.

Als Martin elf Jahre alt war, hatte seine Mutter für immer die Augen geschlossen. Pankraz hatte sehr unter diesem Verlust gelitten und lange getrauert.

Zu dieser Zeit war Zenzi Bachhuber, die patente Wirtschafterin, ins Doktorhaus gekommen. Sie war bald zur Ersatzmutter für den Buben geworden und hatte sich liebevoll um Vater und Sohn gekümmert. Auch heute, vier Jahrzehnte später, führte sie den Burgers noch den Haushalt und war die Seele vom Doktorhaus.

„Ganz pünktlich, erstaunlich!“, rief die Hauserin mit dem strengen Haarknoten, als Martin Burger das Esszimmer betrat, wo seine Familie sich bereits um den Tisch versammelt hatte.

„Für dich mach ich’s möglich, Zenzi“, scherzte Dr. Burger und lachte.

„Man macht sich net über die Köchin lustig, das könnte ins Auge gehen“, rügte Zenzi ihn da mit gespielter Strenge.

„Das gehört sich auch net, Martin“, pflichtete Pankraz ihr sofort bei.

Der Senior war Zenzis Koch- und Backkünsten vollkommen verfallen und schlug sich darum oft auf ihre Seite.

„Schon verziehen“, sagte Zenzi grinsend.

Martin ließ sich neben seiner Frau Sabine nieder und begrüßte sie mit einem zarten Busserl. Obwohl die beiden schon einige Jahre verheiratet waren und drei Kinder hatten, waren sie doch noch immer ineinander verliebt wie am ersten Tag.

Sabine war Martins zweite Frau. In jungen Jahren hatte er seine Jugendliebe Christl geheiratet, doch diese war nach nur einem Ehejahr im Kindbett gestorben und hatte das Kleine mit sich in den Tod genommen. Dieser schwere Verlust hatte den jungen Mediziner aus der Bahn geworfen. Martin hatte sogar das Zillertal verlassen und einige Jahre in der Fremde gelebt und gearbeitet, um sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden.

Schließlich war er aber nach St. Christoph zurückgekehrt, hatte die Praxis seines Vaters modernisieren lassen und praktizierte seither in seinem Heimattal.

„Immer dieser Küsserei!“, sagte Tessa nun, mit ihren acht Jahren das älteste der Burger-Kinder. „Das ist doch peinlich.“

Philipp, ihr jüngerer Bruder, grinste frech.

„Bist du neidisch, Schwesterlein? Ich wette, du wirst in hundert Jahren keinen finden, der dir ein Busserl schenken mag. Es sei denn, er hört und sieht nix und ist ein bisserl deppert.“

Tessa schaubte, während Philipp, der Filli gerufen wurde, ihr ins Gesicht lachte.

„Halt dich zurück, du Gnom“, forderte sie wütend. „Du hast doch noch von nix eine Ahnung, von gar nix!“ Damit spielte sie auf die Tatsache an, dass Filli mit seinen fünf Jahren noch in den Kindergarten ging, während Tessa bereits ein Schulmadel war. Sie wusste, dass er sich darüber immer ärgerte, und das war auch nun wieder der Fall, wie sie zufrieden feststellen konnte.

„Ich hab genug Ahnung von allem, was wichtig ist“, hielt er ihr aufgebracht entgegen. „Und von ganz vielen Sachen, die du noch nie gehört hast!“

„So? Von was denn?“, fragte Tessa ruhig.

„Von … von … von allem eben!“

„Nun beruhigt euch mal, ihr zwei“, bat Martin Burger gutmütig. „Nehmt euch ein Beispiel an eurer kleinen Schwester. Sie ist immer munter und vergnügt.“

„Kein Wunder“, parierte Tessa. „Das Laura-Mauserl versteht ja auch noch net das dumme Gerede von ihrem Bruder.“

„Schluss jetzt“, bestimmte Sabine. „Beim Essen wird net gezankt, hebt euch das für später auf.“

„Erinnerst du dich noch an den Unfall der Röders, damals vor gut fünfzehn Jahren?“, fragte Martin nun seinen Vater.

Pankraz musste kurz nachdenken, dann nickte er.

„Ja, das war eine ganz tragische Geschichte. Der Franz war wohl zu schnell unterwegs. Bei den schlechten Sichtverhältnissen und der glatten Straße war das verhängnisvoll. Er hat eine Kurve falsch genommen und die Leitplanke durchbrochen. Das Auto lag völlig zertrümmert in der Klamm. Der Franz und seine Frau waren sofort tot.“

„Ich fand es damals schon seltsam, dass überhöhte Geschwindigkeit der Unfallgrund gewesen sein sollte. Der Röder war doch ein besonnener Fahrer.“

„Stimmt schon“, pflichtete Pankraz seinem Sohn bei. „Aber der Sirch hat’s seinerzeit so rekonstruiert. Wie kommst du denn jetzt wieder auf diese alte Sache?“

„Die Sophie Haslinger war heut in der Sprechstunde und hat mir erzählt, dass ihre Nichte sie besuchen kommt.“

„Anna?“, fragte Sabine nach. „Wie geht es ihr?“

„Recht gut, nehme ich an. Sie hat geheiratet. Sie und ihr Mann wollen auf ihrer Hochzeitsreise einen Abstecher nach St. Christoph machen und Sophie besuchen.“

„Mei, das ist lieb. Die beiden haben sich fei allerweil gut verstanden. Es muss Sophie schwergefallen sein, dass sie Anna seinerzeit net hat aufnehmen können.“

„Ja, sehr. Die Anna ist wie ein eigenes Kind für sie“, erwiderte Martin. „Und sie mag auch jeden Kummer von ihr fernhalten. Deshalb will sie ihren wahren Zustand verschweigen und so tun, als ginge es ihr gut, solange die beiden bei ihr sind.“