Der Bergdoktor 2029 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2029 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Auch wenn ihr das Herz blutet, folgt Lisi dem Hilferuf ihrer Mutter, ohne zu zögern. Ihr Vater liegt nach einem schweren Unfall mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus, und alleine kann die Mutter die schwere Arbeit auf dem Berghof nicht stemmen.
So lässt Lisi ihren Job auf einem Kreuzfahrtschiff und ihren Kollegen und Freund Markus, den sie über alles liebt, am anderen Ende der Welt zurück und reist heim nach St. Christoph.
In den ersten Wochen ist es ganz schön schwierig für Lisi, sich wieder an das Leben in den Bergen zu gewöhnen. Zudem fühlt sie sich immer elender. Schließlich sucht sie Dr. Burger auf. Der untersucht sie gründlich und rät ihr dringend, Markus zu benachrichtigen ...

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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Bis in neun Monaten …

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9772-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Bis in neun Monaten …

Wird ihre Liebe die Trennung überstehen?

Von Andreas Kufsteiner

Auch wenn ihr das Herz blutet, folgt Lisi dem Hilferuf ihrer Mutter, ohne zu zögern. Ihr Vater liegt nach einem schweren Unfall mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus, und alleine kann die Mutter die schwere Arbeit auf dem Berghof nicht stemmen.

So lässt Lisi ihren Job auf einem Kreuzfahrtschiff und ihren Kollegen und Freund Markus, den sie über alles liebt, am anderen Ende der Welt zurück und reist heim nach St. Christoph.

In den ersten Wochen ist es ganz schön schwierig für Lisi, sich wieder an das Leben in den Bergen zu gewöhnen. Zudem fühlt sie sich immer elender. Schließlich sucht sie Dr. Burger auf. Der untersucht sie gründlich und rät ihr dringend, Markus zu benachrichtigen …

„Nun stell dich net so an, Anselm. Das ist nur ein Gewitter und net der Weltuntergang! Davon hast du in deinem langen Leben schon Hunderte erlebt.“ Anselm brummte leise vor sich hin, während er seinen Traktor den gewundenen Weg zwischen den Wiesen hinunterlenkte. Auf dem unebenen Untergrund wurde er gehörig durchgerüttelt.

Zu seiner Linken drängten sich seine Kühe am Waldrand. Die Tiere spürten, dass sich etwas zusammenbraute und dass es nichts Gutes war.

Über dem Tal flammte ein Blitz auf. Er schien den Himmel mit flüssigem Gold zu ädern. Die Luft vibrierte mit einem Mal, als wäre sie aufgeladen.

Anselm trat unwillkürlich stärker auf das Gaspedal und schnaufte frustriert, denn sein Traktor tuckerte so gemächlich weiter, als würde ihm kein Unwetter am Heck kleben.

Ein Wunder war das freilich nicht. Der Begriff Traktor wurzelte im lateinischen Verb „trahere“ und bedeutete ziehen, nicht etwa rasen. Sein großer Traktor war ein geballtes Kraftpaket, aber leider kein Rennwagen.

„Selbst eine Schildkröte wäre schneller als wir“, tadelte der Landwirt sein Gefährt. Seine Arbeit brachte es mit sich, dass er von früh bis spät allein unterwegs war. Dann sprach er entweder mit seinen Kühen oder mit sich selbst. Anders wäre es gar nicht auszuhalten gewesen. Vor allem nicht, wenn er so angespannt war wie jetzt.

Sechsundfünfzig Sommer hatte er bereits erlebt. Einen jeden davon hier im Zillertal. Hier war er geboren und aufgewachsen, hier hatte er eine Familie gegründet und seinen Hof aufgebaut.

Hohe Berge umgaben sein Heimatdorf. Anselm kannte jeden Gipfel, jede Schrunde. Er liebte das Tal von ganzem Herzen und hätte sich nicht vorstellen können, irgendwo anders zu leben.

Da! Vor ihm! Eine Bewegung!

Wildschweine waren es. Sie rasten über die Wiese und kreuzten den Weg ungefähr einhundert Meter entfernt. Ein großes Tier lief voraus, sechs kleinere folgten in einer Reihe. Eine Bache mit ihren Frischlingen! Sie wetzten zum Waldrand und verschwanden zwischen den rötlichen Stämmen der Zirbelkiefern.

Ein Schmunzeln huschte über das wettergegerbte Gesicht des Landwirts.

„Euch ist das Wetter auch net geheuer, oder?“

Anselm tuckerte weiter. Sein Hof stand am Rande von St. Christoph. Das Dorf war in einem hoch gelegenen Seitenarm des Zillertals verborgen. Lediglich eine einzige Straße schlängelte sich hierherauf.

Im Winter war der Ort häufig von der Außenwelt abgeschnitten, wenn Schnee und Baumbruch die Straße unpassierbar machten. Jetzt im Sommer zeigte sich das Tal so wunderbar grün, dass einem das Herz aufgehen konnte.

Mit seiner Heidi hatte Anselm zwei Kinder großgezogen. Die beiden waren ihr ganzer Stolz. Lukas studierte in Innsbruck. Nach seinem Abschluss wollte er zurückkommen und den Hof übernehmen, wenn sich die Eltern aufs Altenteil zurückzogen.

Lisi hatte es in die Ferne verschlagen. Sie arbeitete als Hostess auf einem Kreuzfahrtschiff. Das war ganz plötzlich gekommen, nachdem ihr Freund sie betrogen hatte.

Der Bazi hatte seinem Madel das Herz gebrochen. Lisi wäre noch bei ihnen, wenn er nicht gewesen wäre. Seit Monaten hatten sie sich nicht mehr gesehen. Sie rief an und schickte E-Mails, aber das war ein kümmerlicher Ersatz dafür, ihren Wirbelwind daheim zu haben. Wenigstens war sie glücklich auf dem Schiff. Das hatten sie aus ihren Nachrichten herausgelesen. Sogar einen neuen Freund hatte sie. Aber ob sie jemals wieder ganz nach Hause zurückkehrte?

Verflixt! Nun hatte er doch ein Staubkorn im Auge. Wie das brannte. Sogar ein paar Tränen lösten sich. Hastig wischte er sich über die Wange.

Zwanzig Minuten später tauchten die ersten Häuser von St. Christoph in der Ferne auf. Unwillkürlich atmete Anselm auf. Fast geschafft. Er war beinahe daheim.

Er folgte dem Band aus Spurrillen am Waldrand entlang. Der Wind wurde immer stärker, fauchte um den Traktor und zerrte an den Wipfeln der Kiefern. Und es wurde noch dunkler!

Bleigraue Unwetterwolken ballten sich über dem Tal zusammen, erleuchtet nur von den Blitzen, denen dumpfer Donner folgte. Anselm verwünschte sich selbst, dass er den Tank mit frischem Wasser nicht schon früher auf die Weide gebracht hatte, als das Wetter noch sonnig gewesen war. Jetzt sehnte er sich nur noch danach, wieder daheim und in Sicherheit zu sein.

Wieder flammte ein Blitz am Himmel auf und fuhr auf den nahen Wald nieder. Krachend spaltete er eine mächtige Kiefer! Rauch stieg auf. Flammen züngelten. Der Baum stürzte um – und fiel geradewegs auf den Traktor!

Glas splitterte, das Holz fuhr durch die Führerkabine wie ein Speer und durchbohrte den Landwirt, bevor dieser auch nur daran denken konnte, aus seinem Traktor zu springen. Die Schmerzen explodierten in Anselms Leib, fuhren ihm bis in die Fingerspitzen und unter die Haarwurzeln. Er hörte einen wilden Schrei, ohne zu registrieren, dass er aus seiner eigenen Kehle gekommen war.

Und dann stand sein Traktor. Anselm blieb benommen sitzen. Seine Gedanken flatterten wie Schmetterlinge.

Das geht doch net. Ich muss nach Hause. Was soll denn meine Heidi auf dem Hof machen, wenn ich net heimkomme?

Die Schmerzen machten ihm das Atmen schwer. Eine warme, klebrige Flüssigkeit rann an seinem Körper hinunter. Und die Schmerzen … Allmächtiger! Es fühlte sich an, als wäre sein Leib in tausend Scherben zersplittert!

Es … ist … aus … mit … mir …

Allmählich verschwamm die Umgebung vor seinen Augen, der Wald und auch das nahe Dorf. Dunkelheit breitete sich in seinem Inneren aus wie zähe schwarze Tinte. Seine Gedanken drifteten davon, und er sackte in sich zusammen, bis …

„Anselm? Anselm!“ Die drängende Stimme riss ihn zurück ins Hier und Jetzt. Er blinzelte. Düstere Nebelschwaden waberten vor seinen Augen.

„Bin ich tot?“, stammelte er.

„Noch net. Und ich werde dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Hast du gehört, Anselm?“

„Wer ist da?“ Unter ungeheuren Anstrengungen gelang es ihm, eine Hand zu heben und über seine Augen zu wischen. Nun sah er klarer, erkannte das freundliche, aber auch besorgte Gesicht des Mannes, der sich durch die offene Tür seines Traktors hereinlehnte. Es war Dr. Burger, sein Hausarzt! „Herr Doktor? Mei, Sie schickt der Himmel.“

„Genau genommen war es meine Frau.“ Ein warmes Lächeln huschte über das Gesicht des Arztes. Martin Burger hatte die Landarztpraxis von seinem Vater übernommen und leitete sie seit vielen Jahren. Er hatte stets ein offenes Ohr für seine Patienten und tat, was er konnte, um zu helfen. Wenn es neben seiner Familie einen Menschen gab, dem Anselm bedingungslos vertraute, dann war es der Bergdoktor.

„Meine Frau hat mich losgeschickt, noch eine Runde mit unserem Dackel zu laufen, ehe das Unwetter kommt.“ Der Arzt musste seine Stimme heben, um das Tosen des Sturms zu übertönen. „Anselm, hör zu, ich werde sehen, dass ich dich freibekomme. Wir wissen net, welche inneren Verletzungen du hast. Am besten bewegst du dich erst einmal net. Hast du das verstanden?“

„Verstanden … ja“, keuchte Anselm. „Können Sie den Ast rausziehen? Er tut so … so weh.“

„Wenn ich das mache, wirst du verbluten.“ Der Bergdoktor tastete nach dem Puls an der Halsbeuge des Verletzten. „Noch verschließt das Holz den größten Teil der Wunde. Ich kann es noch net entfernen. Es ist momentan dein bester Verbündeter.“

„So fühlt es sich aber net an.“

„Du schaffst das, Anselm. Ich werde dir helfen. Halte nur noch ein bisserl durch, hörst du mich? Du musst wach bleiben.“

Die Stimme des Arztes wurde immer leiser. Anselm wollte ihn fragen, warum er plötzlich flüsterte, aber er brachte kein Wort mehr hervor. Etwas Dunkles schien mit kalten Klauen nach ihm zu greifen. Wieder verschwamm alles vor seinen Augen.

Ist dies das Ende?, wirbelte es durch seinen Kopf. Oh, wenn ich nur meine Kinder noch einmal hätte sehen können …

***

Die „MS Aurora“ stampfte durch das Karibische Meer.

Das Kreuzfahrtschiff war ein Schmuckstück. Moderne Kabinen verteilten sich auf zwölf Decks. Es gab einen großzügigen Wellnessbereich, eine Bibliothek, zahlreiche Geschäfte und sogar einen Golfübungsplatz. Dazu verschiedene Restaurants, die kaum einen Wunsch offenließen. Wer mochte, konnte einen der Kurse buchen und sich sportlich betätigen oder die Seele einfach baumeln lassen.

An diesem Nachmittag wehte ein frischer Wind über das Sonnendeck. Die bequemen Liegen waren allesamt belegt. Viele Urlauber entspannten sich, dösten und ließen sich von der Sonne streicheln. Einige blätterten in Reiseführern und planten den Ausflug für den nächsten Tag.

Lisi balancierte ein Tablett mit einem bauchigen Glas mit einem roten Schirmchen über das Deck. Darin schwappte ein bernsteinfarbenes Getränk hin und her.

Seit über drei Jahren arbeitete Lisi an Bord der „Aurora“ und konnte sich noch immer nicht sattsehen an den unfassbar klaren Farben des Meeres. An diesem Nachmittag leuchtete es in einem satten Türkis und glitzerte in der Sonne, als wäre es mit winzigen Diamanten bestäubt.

In der Ferne sprangen Delfine mit langen Sätzen aus dem Wasser. Für einen Atemzug schienen sie zu schweben, ehe sie wieder eintauchten. Wenig später wiederholte sich das fröhliche Spiel. Lisis Herz wurde weit. Sie war ein Kind der Berge und vermisste ihre Heimat schmerzlich, aber das Meer linderte das wunde Ziehen in ihrem Herzen.

Sie brachte das Glas zu Frau Gerber.

Die Seniorin hatte sich auf einer der Liegen ausgestreckt. Nun ließ sie ihr Buch sinken und blickte hoch.

„Ist das meine Spezialmischung?“

„Ist es“, versicherte Lisi lächelnd. „Rumpunsch mit der halben Menge Rum, dafür mehr Ananassaft.“

„Vielen Dank, Lisi, Sie sind wirklich ein Schatz.“

Lisi stellte das Glas auf dem Tischchen am Rand der Liege ab.

„Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“

„Danke, ich bin rundherum glücklich.“

„Das freut mich zu hören.“

„Es ist unglaublich schön hier. Ich könnte stundenlang dasitzen und den Delfinen zusehen. Sind sie net wunderbar? Seit Tagen hänge ich an meinem Buch fest und komme net voran, weil ich immerzu woanders hinschaue.“

Lisi warf einen Blick auf den Einband. „Der Tod auf dem Nil“ von Agatha Christie.

„Ich bin sicher, das Buch macht Ihnen auch daheim noch Freude. Genießen Sie ruhig die Aussicht.“

„Das werde ich machen. Sagen Sie, wann erreichen wir morgen unsere Insel?“

„Wir legen gegen sieben Uhr morgens auf Dominica an. Haben Sie einen Ausflug gebucht?“

„Ja, zum Wasserfall.“

„Die Fahrt dorthin wird Ihnen gefallen. Auf einer karibischen Insel erwartet man eigentlich nur weiße Sandstrände, aber auf Dominica gibt es einen überwältigenden Regenwald. So viel Grün und bunte Blüten! Es ist großartig. Passen Sie nur auf, wenn Sie zu dem Wasserfall laufen. Die Stufen sind teilweise ziemlich glatt.“

„Daran werde ich denken. Auf den Wasserfall freue ich mich. Zu schade, dass mein Mann nicht mitkommen wollte.“

„Mag er keine Schiffe?“

„Leider. Das Wasser ist ihm ein Graus. Er fährt lieber mit seinem Studienfreund zum Wandern. Für mich wäre diese Kraxelei wiederum nichts. Für mich ist das Arbeit und keine Erholung. Nein, da lasse ich es mir lieber an Bord gut gehen.“

„Und wenn Sie wieder daheim sind, haben Sie einander viel zu erzählen.“

„Das ist der Plan.“

„Sehr schön.“ Lisi überließ die Urlauberin wieder sich selbst. Sie liebte ihren Beruf und kümmerte sich gern darum, dass ihre Gäste einen unvergesslichen Urlaub erlebten. Viele sparten jahrelang für diese Reise, deshalb sollten die Tage wunderbar für sie sein.

Hier an Bord hatte Lisi auch Markus kennengelernt. Er arbeitete als Steward und saß in seiner Freizeit gern an Deck und zeichnete. Mit Bleistift hielt er tropische Inseln, exotische Vögel und Blumen fest. Seine herzliche Art und das fröhliche Funkeln in seinen Augen hatten ihr gleich gefallen. Sie hatten sich ineinander verliebt und verbrachten jede freie Minute zusammen.

„Lisi?“ Ramona Leistner, die Chefhostess, kam ihr entgegen. „Ich habe wunderbare Neuigkeiten für dich. Vorhin kam eine Nachricht von der Verwaltung. Deine Vertragsverlängerung wurde genehmigt. Du musst nur noch unterschreiben …“ Weiter kam sie nicht, weil Lisi einen Jubelruf ausstieß. „Kann ich also davon ausgehen, dass dich die Neuigkeit freut?“

„Und ob! Ich hatte so gehofft, dass es klappt. Sicher war ich mir aber net.“

„Ich schon. Es wäre höchst unklug von der Reederei, dich gehen zu lassen. Du bist fleißig und immer freundlich. Die Gäste lieben dich.“

„Ich bin so froh.“ Lisis Herz klopfte bis zum Hals. Sie würde ein weiteres Jahr auf der „Aurora“ arbeiten dürfen!

Das musste sie gleich Markus erzählen.

Lisi machte sich auf den Weg hinunter zum Deck sechs. Dort war ihr Schatz noch bei der Arbeit.

Während sie die Treppe hinuntereilte, flatterte es in ihrem Magen. Schon wieder. Ob sie etwas Falsches gegessen hatte? In den vergangenen Tagen war ihr öfters flau gewesen. Es war wohl am besten, wenn sie sich beim Abendessen auf Pfefferminztee und Zwieback beschränkte.

Im Gang kam ihr Markus entgegen. Der große, kräftige Bursche mit Schultern, hinter denen sich eine halbe Schulklasse verstecken konnte, hielt ein Baby auf seinem Arm. Es versank beinahe an seiner breiten Brust. Behutsam wiegte er es. Dabei lag auf seinem gebräunten Gesicht ein zufriedenes Lächeln. Als er Lisi bemerkte, legte er einen Finger an die Lippen.

„Leise, Spatzerl, der Kleine ist gerade eingeschlafen.“

„Wen hast du denn da?“

„Das ist Linus. Ich habe ihn über eine Stunde herumgetragen. Immer, wenn ich ihn absetzen wollte, hat er angefangen zu weinen. Jetzt schläft er endlich.“

„Was ist denn mit seinen Eltern?“

„Sie sind fix und fertig. Der Kleine schläft nachts net. Seine Eltern gehen schon auf dem Zahnfleisch. Ich hab ihnen vorgeschlagen, sich bei einer Massage zu erholen, während ich auf ihren Kleinen aufpasse. Vorhin schien mir das eine gute Idee zu sein, jetzt fällt mir allerdings fast der Arm ab.“ Ein Lächeln grub sympathische Lachfältchen um seine Augen ein. Markus beugte sich vor und gab Lisi einen Kuss. „In ein paar Jahren könnte das unser Baby sein, was meinst du?“

Bei seinen Worten machte ihr Herz einen glückseligen Hüpfer.

Noch vor vier Jahren hatte Lisi geglaubt, nie wieder so empfinden zu können. Damals hatte sie eine bittere Enttäuschung erlebt und sich geschworen, sich nie wieder zu verlieben. Ihr Vertrauen in andere Menschen war erschüttert gewesen. Dann war sie Markus begegnet. Er stand zu seinem Wort und war unbedingt verlässlich. Er hatte ihr den Mut gegeben, ihr Herz wieder zu öffnen. Und nun gehörte es ihm.

„Stell dir vor“, sprudelte sie heraus. „Mein Vertrag wurde verlängert!“

„Das ist großartig, aber keine Überraschung. Die Gäste sind voll des Lobes über dich. Klar, dass man dich halten will.“

„Mei …“ Lisis Wangen erwärmten sich. Zuerst das Lob ihrer Chefin und nun die Worte ihres Freundes … Womit hatte sie das nur verdient? Sie machte doch nur ihre Arbeit.

Markus gab ihr noch ein zärtliches Busserl.

„Also können wir weiter zusammen auf der ‚Aurora’ arbeiten, uns die Welt ansehen und Erfahrungen sammeln. Und in ein paar Jahren kehren wir in die Heimat zurück, pachten einen Berggasthof und schlagen Wurzeln.“

„Das ist ein guter Plan. Mei, ich bin so glücklich, Markus. Manchmal macht mir unser Glück beinahe Angst.“

„Angst? Warum denn das?“

„Weil alles so perfekt zu sein scheint. Was, wenn es zu gut ist, um zu halten?“

„Aber, Spatzerl, was du nur für Gedanken hast. Es ist unser Leben, und wir werden alles tun, damit es schön und liebevoll wird. Es liegt in unserer Hand. Und auf eines kannst du dich verlassen: Uns beide kann nix trennen.“