Der Bergdoktor 2031 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2031 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Als der beliebte Lehrer Thomas Werth schwer verunglückt, wird Benedikt May als Vertretung in St. Christoph erwartet.
Anfangs sind alle hellauf begeistert von dem motivierten jungen Pädagogen. Auch Tessa freut sich plötzlich jeden Morgen auf die Schule.
Doch nach ein paar Wochen wendet sich plötzlich das Blatt, und die "sanften" Erziehungsmethoden von Benedikt May erscheinen in einem fragwürdigen Licht ...

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Böse Zungen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag / von Sarosdy

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9774-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Böse Zungen

Wie ein Lauffeuer verbreiten sich die schlimmen Gerüchte über den jungen Lehrer

Von Andreas Kufsteiner

Als der beliebte Lehrer Thomas Werth schwer verunglückt, wird Benedikt May als Vertretung in St. Christoph erwartet.

Anfangs sind alle hellauf begeistert von dem motivierten jungen Pädagogen. Auch Tessa freut sich plötzlich jeden Morgen auf die Schule.

Doch nach ein paar Wochen wendet sich plötzlich das Blatt, und die „sanften“ Erziehungsmethoden von Benedikt May erscheinen in einem fragwürdigen Licht …

Vorsichtig lenkte Dr. Martin Burger seinen Wagen über die Landstraße, bemüht, den tückischen Eisschlieren auszuweichen, die schon manchem Autofahrer zum Verhängnis geworden waren.

Es war eine jener Vollmondnächte, die die Landschaft in ein gespenstig weißes Licht tauchte. Die Almen breiteten sich in frostiger Erstarrung vor ihm aus, kahl und in stummer Anklage reckten sich die nackten Äste der alten Bäume auf den Streuobstwiesen gen Himmel. Einige waren der unbarmherzigen Januarkälte schon zum Opfer gefallen, und ihre einst so stolzen Kronen lagen im Schnee begraben.

Die Gletscherzungen des Feldkopfs – so hieß der höchste Berg der Gebirgskette, die das Hochtal umgab – funkelten kalt auf. Wie eine dunkle Wand hob sich der Schutzwald, der sich bis zu den schroffen Hängen hochzog, dagegen ab. Eine Landschaft, die wie verwunschen wirkte, gleichzeitig aber auch in ihrer Einsamkeit etwas Unerbittliches ausstrahlte.

Unwillkürlich überlief Dr. Burger ein Frösteln, und eine tiefe Erschöpfung befiel ihn. Das Erlebte, das hinter ihm lag, trat wieder vor seine Augen – der kleine, heruntergekommene Bauernhof, auf dem die Armut zu Hause war, die verzweifelte Miene des jungen Hofbauern, der um das Leben seiner Frau bangte. Als der Arzt auf dem Hof angelangt war, hallten ihre Schreie durch das ganze Haus, denn sie lag schon seit einiger Zeit in den Wehen.

Er hatte sofort festgestellt, dass sich schwerwiegende Komplikationen eingestellt hatten und dass die junge Frau in höchster Gefahr war. Doch es war zu spät gewesen, sie in eine Klinik zu bringen, und so hatte er verzweifelt um ihr Leben gekämpft.

Es war ihm gelungen, den Fötus im Mutterleib zu drehen, sodass endlich die Geburt vonstatten gehen konnte. Totenblass, aber glücklich hatte die junge Bäuerin schließlich ihr Kind im Arm gehalten, ein kräftiges Buberl, und der Vater hatte die Tränen nicht zurückhalten können. Als sich Dr. Burger verabschiedete, hatte der Bauer immer noch Dankesworte gestammelt. Der Bergdoktor hatte das Liebste und Kostbarste, das der Bauer trotz seiner Armut besaß, gerettet.

Die Umrisse von St. Christoph tauchten vor ihm auf, und Martin Burger verspürte eine jähe Erleichterung, die sich noch steigerte, als er seinen Wagen vor dem Doktorhaus in der Kirchgasse abstellte. Gleich darauf umfing ihn die Wärme und Geborgenheit seines Zuhauses, angenehmer Essensgeruch schlug ihm entgegen, und er hörte die Kinder lachen.

Sabine, seine Frau, kam ihm schon im Flur entgegen, ihr schulterlanges, blondes Haar leuchtete im Lampenlicht. Sie erkannte sofort, in welcher Stimmung er sich befand, und so fiel die Umarmung, mit der sie ihn begrüßte, länger und inniger aus als gewöhnlich.

Nun kamen auch die beiden älteren Kinder herbeigestürmt, die fast neunjährige Tessa und ihr Bruder Philipp, der Filli genannt werden wollte und dessen Einschulung im nächsten Jahr bevorstand. Die zweijährige Laura war bereits zu Bett gebracht worden, und eigentlich war auch für Tessa und Filli die Schlafenszeit schon herangerückt. Doch ihre Mutter hatte ihnen sicher wieder einmal den Wunsch nicht abschlagen können, auf die Heimkehr des geliebten Vaters zu warten.

„Ihr seid ja noch wach“, sagte er mit mildem Vorwurf und verwuschelte die Haare der beiden, die sich das gerne von ihm gefallen ließen.

Sie betraten gemeinsam das Esszimmer, wo der Tisch einladend gedeckt war und ganz Sabines sorgende Hand verriet.

„Die Kinder haben auf dich warten wollen, Martin. Du weißt ja, wie sie sind“, sagte Zenzi Bachhuber, die mit einer großen Terrine aus der Küche trat.

Zenzi war eine hagere Frau Anfang sechzig, deren grauer Haarknoten unverrückbar an ihrem Hinterkopf saß. Sie vermittelte den Eindruck unnachgiebiger Strenge, und sie vertrat auch feste Prinzipien, vor allem, was die Kindererziehung betraf. Aber das täuschte. Sie liebte die Doktorkinder von ganzem Herzen und wandte diese Grundsätze nie an. Denn die Burgers waren „ihre Familie“.

Ihr Wort galt etwas im Doktorhaus. Denn Martin Burgers Mutter war gestorben, als er erst elf Jahre alt war, und es war Zenzi gewesen, die ihn aufgezogen hatte.

„Bei der Kälte hab ich etwas Deftiges gekocht, einen Eintopf mit allerhand Würstln drin. Davon können wir auch morgen noch essen“, verkündete sie und stellte die Terrine in der Mitte des Tisches ab.

„Wenn noch etwas davon übrig ist“, erklang die sonore Stimme von Dr. Pankraz Burger, der aus dem angrenzenden Kabinettl, das er bewohnte, trat.

„Und wenn dem Poldi net so viel verfüttert wird“, hielt die Zenzi entgegen, was allgemeine Heiterkeit hervorrief.

Rauhaardackel Poldi, der bereits seinen Platz unter dem Tisch eingenommen hatte, bellte kurz auf. Er wusste genau, dass er bei den köstlichen Düften, die der Terrine entströmten, nicht zu kurz kommen würde.

Denn Pankraz Burger hatte die Angewohnheit, seinem Poldi immer wieder heimlich ein Leckerchen unter den Tisch zu reichen, was seiner Schwiegertochter sehr missfiel. Nicht weniger missfiel ihr die Vorliebe ihres Schwiegervaters für leibliche Genüsse. Denn sie machte sich Sorgen um seine Gesundheit, auch wenn Pankraz, der die siebzig längst überschritten hatte, einen jugendlichen Eindruck machte. Aber seine Leibesmitte verriet, dass er Zenzis Kochkünsten sehr zugeneigt war.

Trotzdem war er Sabine sehr zugetan, und sie verstanden sich gut. Denn er war ihr sehr dankbar, sie hatte nicht nur wieder einen lebensfrohen Mann aus seinem Sohn gemacht, sondern ihm auch wohlgeratene Enkel geschenkt, für die er sich mit Freuden einsetzte.

Schweigend genoss man die schmackhafte Mahlzeit, und Martin Burger spürte, wie sich seine innere Anspannung immer mehr löste. Dann aber fiel sein Blick auf Tessa, die sehr unruhig wirkte und sich bislang noch nicht einmal nach dem Nachtisch erkundigt hatte, denn sie war ein rechtes Naschkatzerl.

„Was hampelst du denn so herum, Tessa?“, fragte Zenzi, an das Mädchen gewandt, auch schon tadelnd.

„Ach, ich bin halt so aufgeregt.“

Nun richtete auch ihre Mutter den Blick besorgt auf das Mädchen.

„Was hat es denn gegeben? Oder schreibt ihr noch eine Klassenarbeit?“

Tessa schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre schwarzbraunen Locken, denen sie den Kosenamen „Schneckerl“ verdankte, um ihr reizendes Gesicht mit den dunklen Brombeeraugen tanzten. Das Mädchen war eigentlich ein Findelkind, das die Burgers einst in Pflege genommen, dann aber adoptiert hatten. Doch das war längst vergessen, Tessa gehörte so untrennbar zur Familie wie ein leibliches Kind.

„Nein, das Diktat war die letzte Arbeit vor dem Halbjahr, und ich hab ja keinen einzigen Fehler gemacht“, erklärte sie stolz. „Nein, die ganze Klasse ist aufgeregt, weil wir mit Herrn Werth einen Ausflug machen.“

„Ach! Wohin denn?“, wollte Pankraz wissen, dem es gerade wieder gelungen war, Poldi unbemerkt ein knackiges Würstl zukommen zu lassen. „In die Erlebniswelt von Mayrhofen etwa?“

„Aber nein, du kennst doch den Herrn Werth, Opa! Der Herr Werth will immer, dass wir die freie Natur kennenlernen“, gab Tessa vorwurfsvoll zurück.

„Die freie Natur – was soll das heißen?“, warf Zenzi ein, und auf ihren herben Zügen zeichnete sich Missbilligung ab.

Martin unterdrückte ein Lächeln.

„Nicht, was du denkst, Zenzerl. Herr Werth will, dass die Kinder die Gebirgswelt erkunden, die ja schließlich ihre Heimat ist.“

„Und du weißt natürlich, was ich denke, gell, Martin“, erwiderte Zenzi streitlustig. „Ich seh schon vor mir, wie die armen Hascherln im Tiefschnee versinken.“

„Wir fahren zu der Rodelbahn am Feldkopf, das ist ganz ungefährlich, hat der Herr Werth gesagt“, fiel ihr Tessa empört ins Wort. „Und wir dürfen auch Essen mitnehmen wie bei einem Picknick.“

„Aber ihr seid doch hoffentlich vor Anbruch der Dunkelheit zurück, oder?“, fragte Sabine ganz beiläufig.

Tessa verdrehte die Augen.

„Deswegen brechen wir ja auch schon am frühen Morgen auf. Dann haben wir Zeit genug, in der freien Natur zu sein, und zu Mittag bleiben wir auch draußen. Erst dann geht es wieder nach Hause. Herumtoben dürfen wir auch, eine große Schneeballschlacht soll es noch geben – Buben gegen Madeln“, setzte sie hinzu.

„Da verlieren ihr Madeln bestimmt“, rief Filli unbedacht aus.

In Tessas dunklen Augen funkelte es bedrohlich auf.

„Bestimmt net! Du kennst doch die rote Rita, oder?“

„Es sind nicht alle so wie sie“, meinte Filli kleinlaut.

Tessas liebste Freundin, die rote Rita, war schlimmer als eine ganze Bubenschar, fand Zenzi jedenfalls. Rita hatte auch die Angewohnheit, Filli immer die blonden Haare, die er von seiner Mutter geerbt hatte, heillos zu verwuscheln, was er nicht leiden konnte. Und ihrem frechen Mundwerk war auch niemand – außer Tessa – gewachsen.

„Und dann kommt ihr nass und erkältet zurück“, lamentierte Zenzi, „aber die jungen Lehrer heutzutage sind halt nimmer streng genug und schaden den Kindern nur mit ihren neumodischen Ideen.“

Tessa reckte angriffslustig ihr Kinn. Sie liebte ihren Lehrer, der sogar die rote Rita zu nehmen wusste und immer ein freundliches Wort für jeden übrig hatte. So war er eben.

„Ich könnte mir keinen besseren Lehrer als ihn vorstellen. Wenn jemand etwas angestellt hat, dann gibt er ihm keine Strafe, sondern er redet mit ihm. Er macht auch keine Unterschiede, und sogar der Oberhofer-Franzl frisst ihm inzwischen aus der Hand. Also, der Herr Werth wird schon auf uns aufpassen“, schloss Tessa.

„Wenn ich nur auch mitkommen könnte“, meinte Filli sehnsüchtig.

„Du würdest ja im Schnee verschwinden“, entgegnete Tessa mitleidlos und kicherte bei der Vorstellung. Als sie aber sah, dass ihrem Bruder die Tränen in die Augen stiegen, sagte sie schnell: „Du hast ja ganz sicher den Herrn Werth auch als Lehrer, wenn du in die Schule kommst. Und dann hast du alles noch vor dir.“

Filli schmollte ein wenig, gab sich dann aber zufrieden.

Ihr Vater setzte der Diskussion schließlich ein Ende.

„Und jetzt geht es endlich zu Bett, wohin ihr sowieso längst gehört.“

„Ich lese euch auch noch ein Märchen vor, auf das ich durch Zufall gestoßen bin“, versprach ihnen ihr Großvater, was jeglichen Widerstand im Keim erstickte.

„Aber nichts Grausliges, dass sie am End‘ net schlafen können“, murrte Zenzi, während sie den Inhalt der Terrine überprüfte, um sich zu vergewissern, ob er auch für den nächsten Tag ausreichte.

Dr. Pankraz Burger schrieb schon seit geraumer Zeit an einer Chronik des Zillertals. Daher durchforschte er Kirchenbücher, Archive und alte Tagebücher, um die Vergangenheit wieder lebendig vor den Lesern erstehen zu lassen. Dieses Märchen jedoch, das er seinen Enkeln vorlesen wollte, hatte er von einem alten Mütterchen aus einem abgelegenen Weiler, wo man seit alters her Geschichten und Legenden mündlich weitergab.

„Sei unbesorgt“, versicherte Pankraz, und die Kinder liefen die Treppe hoch, die zu den Schlafzimmern führte.

***

Das Ehepaar ließ sich auf dem gemütlichen Sofa nieder und trank ein Glaserl Wein zusammen, während Zenzi noch in der Küche herumwirtschaftete. Mit gedämpfter Stimme berichtete Martin seiner Frau über die schwierige Entbindung, die ihn an die Grenzen seiner Fähigkeiten gebracht hatte.b

„Aber du hast beiden das Leben gerettet, Martin“, meinte Sabine liebevoll und ergriff die Hand ihres Mannes.

„Ja, das Schicksal hat es gut gemeint“, sagte er knapp.

Als Pankraz wieder herunterkam und nicht ohne Genugtuung verkündete, dass Tessa und Filli eingeschlafen seien, entschlossen sich auch Sabine und Martin zu Bett zu gehen. Vorher aber sahen sie noch nach ihren Kindern, zuerst nach der kleinen Laura, die mit hochroten Bäckchen schlummerte und manchmal ein kleines Seufzen ausstieß. Dann zog Sabine Tessas Decke, die halb herabgeglitten war, zurecht und hob Fillis Lieblingsauto, das ihm aus der Hand gefallen war, vom Boden auf.

Ja, sie konnten dankbar sein für diese Kinder, auch wenn sie schon eine schwere Zeit durchlitten hatten, als die kleine Laura todkrank gewesen war und nur durch eine Stammzellenspende gerettet wurde.

Schließlich betraten sie das blaue Schlafzimmer, welches das Refugium des Paares war. Wie der Namen schon besagte, herrschte hier die Farbe Blau vor, Teppiche und Gardinen waren in verschiedenen Abstufungen gehalten. Auch der Untergrund des Tiroler Schranks war in Blautönen gehalten, von denen sich die kunstvoll gemalten weißen Rosen und roten Herzen abhoben. Der romantische Eindruck der Einrichtung wurde von einem Himmelbett mit Säulen abgerundet.

Hier, in der Vertrautheit des Ehebetts, besprachen die Burgers alles, was ihnen auf der Seele lag, und hier erneuerten sie leidenschaftlich ihren Liebesbund, der im Laufe ihrer Ehe noch inniger geworden war. Und da Sabine selbst auch Ärztin war und sie dem Schweigegebot unterlag, konnte Martin auch offen mit ihr über seine Patienten sprechen. Bei ihr waren alle Geheimnisse gut aufgehoben.

Nachdem sie noch einmal über die schwere Niederkunft gesprochen hatten, löschten sie das Licht und schliefen eng aneinandergeschmiegt ein.

Auch Zenzi war schon längst in ihrer gemütlichen Kammer zu Bett gegangen, nachdem sie die Nadeln aufseufzend aus ihrem Haarknoten gezogen und sich ein altmodisches weißes Rüschennachthemd übergestreift hatte. Zur Frömmigkeit erzogen, sprach sie ihr Abendgebet, wobei sie besonders Tessa mit einschloss, damit ihr bei dem Schulausflug kein Schaden widerfuhr.

Nächtlicher Frieden senkte sich über die Kirchgasse. In diesen eisigen Gebirgsnächten durchbrach kein Laut die Stille, noch nicht einmal ein Bellen, denn bei dieser Witterung ließen die Bauern ihre Hunde im Haus schlafen.

Der Himmel war wolkenlos, und die Landschaft leuchtete im kalten Glanz des Mondes.

***

Doch aus dem Ausflug, auf den sich Tessa so sehr gefreut hatte, wurde nichts.

Thomas Werth, der ein begeisterter Wintersportler war, brach am Wochenende mit einer Gruppe Freunde zu einer Loipe auf. Alle waren bester Stimmung, es wurde gelacht und gescherzt, die muntere Schar zerstreute sich schließlich, bis sie merkten, dass Thomas zurückgeblieben war. Sie riefen nach ihm, doch es kam keine Antwort, schließlich kehrten sie um und suchten die Strecke ab.

An einer Stelle fanden sie zu ihrem Entsetzen Spuren, die darauf hinwiesen, dass Thomas ausgeschert und an einen Felsblock geprallt war. Tief unter ihnen gähnte der Abgrund, in den ihr Freund, aller Wahrscheinlichkeit nach, gestürzt war.

Erneut riefen sie nach Thomas, doch es gelangte kein Lebenszeichen empor zu ihnen.

Nach kurzer Diskussion wurde Dominikus Salt informiert, der wiederum den Bergdoktor anrief. Dr. Burger machte sich sofort auf den Weg, denn Eile tat not, so früh wie die Dunkelheit in den Bergen einbrach. Bald war die Suche in vollem Gang. Ein Trupp erfahrener Bergsteiger erkundete das Gebiet, ein Rettungshubschrauber kreiste über dem Hochtal.

Schließlich fanden sie Thomas Werth und zogen ihn nach oben. Zwar hatte ein entwurzelter Baum verhindert, dass er noch tiefer gestürzt war, doch er war so bleich und leblos, dass der Bergdoktor ihn zunächst für tot hielt. Dennoch begann er sofort, ihn zu reanimieren, gab nicht auf, bis ein Zittern durch den Körper Thomas Werths ging und sich ein Atemzug von seinen Lippen löste.

Der junge Lehrer wurde nach Mayrhofen in die Unfallklinik gebracht, wo sich die ganze Schwere seiner Verletzungen herausstellte. Außer einem Schädel-Hirn-Trauma hatte er auch Knochenbrüche davongetragen, wie weit seine Wirbelsäule verletzt war, würde sich erst später zeigen. Man versetzte ihn in ein künstliches Koma, und nach den notwendigsten Eingriffen rang er auf der Intensivstation um sein Leben.

Wie ein Lauffeuer ging es in St. Christoph herum, dass „ihr Herr Werth“ in höchster Lebensgefahr schwebte. Im Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma in der Kirchgasse wurde über nichts anderes geredet, sogar Tränen flossen.

Die Leitnerin, eine Frau, die sich nicht gerade durch Herzenswärme auszeichnete, vergaß sogar, ganz wie sonst nach den großen Körben mit den Sonderangeboten zu schielen, die in einer Ecke aufgereiht standen und in den sie so gierig zu wühlen pflegte.

„Der Bergdoktor hat ihn repariert“, sagte sie düster.