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Pünktlich hat die Wandergruppe den Platz vor dem Berghotel verlassen und marschiert zu einem Steig, der an der Westseite des Feldkopfs hinaufführt. Ziel ist ein Höhenwanderweg mit imposanter Aussicht bis zur Feldkopfhütte. Dort wird dann zu Mittag gegessen, bevor es am Nachmittag gestärkt zurück Richtung St. Christoph geht. Dieser Abschnitt ist für die Teilnehmer immer besonders aufregend und spannend, denn sie müssen durch die legendäre Wolfsklamm.
Die Regeln sind allen klar: Immer hintereinander gehen und niemals den Weg verlassen! Das gilt besonders an Tagen wie diesem, wo urplötzlich Nebel aufzieht.
Etwa eine Stunde dauert der Marsch durch die Klamm, dann wollen sich alle versammeln.
Doch beim Durchzählen breitet sich Entsetzen aus: Wo ist Katharina Zierner?
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Nebel in der Wolfsklamm
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9873-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Nebel in der Wolfsklamm
Bei der Heimkehr ist die Wandergruppe nicht mehr vollständig
Von Andreas Kufsteiner
Pünktlich hat die Wandergruppe den Platz vor dem Berghotel verlassen und marschiert zu einem Steig, der an der Westseite des Feldkopfs hinaufführt. Ziel ist ein Höhenwanderweg mit imposanter Aussicht bis zur Feldkopfhütte. Dort wird dann zu Mittag gegessen, bevor es am Nachmittag gestärkt zurück Richtung St. Christoph geht. Dieser Abschnitt ist für die Teilnehmer immer besonders aufregend und spannend, denn sie müssen durch die legendäre Wolfsklamm.
Die Regeln sind allen klar: Immer hintereinander gehen und niemals den Weg verlassen! Das gilt besonders an Tagen wie diesem, wo urplötzlich Nebel aufzieht.
Etwa eine Stunde dauert der Marsch durch die Klamm, dann wollen sich alle versammeln.
Doch beim Durchzählen breitet sich Entsetzen aus: Wo ist Katharina Zierner?
Hell und strahlend stieg die Sommersonne an diesem frühen Morgen im Juli über dem Zillertal auf und hüllte die imposanten Berggipfel, grünen Matten und goldgelben Getreidefelder in einen warmen Glanz.
Das liebliche Tiroler Land bestach mit urwüchsiger Natur, himmelhohen Bergen, kristallklaren Seen und fruchtbarer Erde, weshalb das freie Bauerntum hier schon immer fest verwurzelt war.
Es war ein besonderer Menschenschlag, der dort lebte. Dem Gebirgler sagte man eine robuste, unverwüstliche Natur, einen Dickschädel und eine Bodenständigkeit zu, die ihresgleichen suchte. Vielleicht traf das nicht auf alle Tiroler zu, gewiss in der heutigen Zeit nicht mehr auf die Bewohner einer Stadt wie Mayrhofen, wo die „Zugereisten“ fast die Mehrheit stellten. Doch in einem schmalen Seitenteil des Zillertales, in dem weltabgeschiedenen und sehr malerisch gelegenen Dorf St. Christoph, da lebten die alten Traditionen noch, und dort hielten die Menschen auch daran fest.
Von Mayrhofen kommend, erreichte man St. Christoph, das ganz am Ende des Zillertales zu finden war, über eine schmale, kurvenreiche Serpentinenstraße. Sechs Berge umgaben den Ort und bildeten eine imposante Kulisse. Da war zunächst der Feldkopf, der Höchste von allen. In der warmen Jahreszeit fuhr eine Kabinenbahn hinauf zum Gipfel mit der Feldkopfhütte. Hier lockte eine Restauration mit Schmankerln der lokalen Küche, und es wurden Übernachtungsmöglichkeiten geboten. Der Feldkopf war bei Kraxlern sehr beliebt, aber es gab auch gut beschilderte Höhenwanderwege mit atemberaubenden Aussichtspunkten.
Neben dem Feldkopf erhob sich der Hexenstein. Mit seinen zwei Gipfeln war er in einer leichten Wanderung zu besteigen. Um seinen Fuß schmiegte sich der Krähenwald. Der Nachbar es Hexensteins war das Frauenhorn, dicht bewachsen mit dem Hörnlewald.
Darauf folgten noch Achenkegel, Rautenstein und Beerenhalde. Letztere war ein flacher Tafelberg, auf dessen Hochebene im Sommer Schafe weideten.
An der Hauptstraße von St. Christoph reihten sich gepflegte Bauernhäuser wie Perlen auf einer Schnur. Neben dem imposanten Anwesen von Toni Angerer, dem Bürgermeister und Großbauern, stach vor allem der Zwiebelturm der Dorfkirche mit seinem goldenen Wetterhahn ins Auge.
Viele Bauern lebten auf großen Höfen am Dorfrand, es gab aber auch noch Berghöfe, die seit Generationen bewirtschaftet wurden und teilweise recht versteckt in Hochtälern am Feldkopf zwischen St. Christoph und seiner Nachbargemeinde Hochbrunn zu finden waren.
Die Umgebung des Dorfes war landwirtschaftlich geprägt durch Felder, Wiesen, Weiden und Koppeln. Doch es gab auch gesunden Mischwald und dichte Bergwälder, die teilweise den Charakter eines Urwalds hatten und forstwirtschaftlich nicht mehr genutzt wurden.
Der größte Waldbesitzer war der Baron von Brauneck. Das Geschlecht derer von Brauneck bewohnte seit mehr als dreihundert Jahren das gelbe Barockschloss auf einer Anhöhe am Ortsrand. Gegenüber stand das Berghotel, bei Tirolreisenden ein echter Geheimtipp.
In der Kirchgasse, unweit des kleinen Gotteshauses, fand sich das Doktorhaus von St. Christoph. Hier lebte und arbeitete Martin Burger, der Bergdoktor, mit seiner Familie.
Vor mehr als fünfzig Jahren hatte Pankraz Burger, Martins Vater, das Haus mit Praxis im schlichten Gebirgsstil errichten lassen. Es sollte ihm und seiner Familie zum Heim werden, doch das private Glück hatte leider keinen Bestand gehabt. Schon in jungen Jahren war Pankraz Witwer geworden. Damals war Martin erst elf gewesen.
Der Verlust hatte beide hart getroffen, und wäre damals nicht die patente Hauserin Zenzi Bachhuber ins Doktorhaus gekommen, vielleicht wäre es Pankraz nicht gelungen, sich wieder davon zu erholen.
Seine Ehe war glücklich gewesen, und die Einsamkeit setzte ihm sehr zu. Einzig für seinen Sohn wollte er noch weiterleben, und auch seine Patienten durfte er nicht im Stich lassen, die auf ihn zählten und ihm vertrauten.
Zenzi war rasch zur Seele des Doktorhauses geworden. Eine geschickte und fleißige Hauserin, gute Köchin und nicht zuletzt Ersatzmutter für den kleinen Martin, der sich ihr vertrauensvoll angeschlossen hatte.
Unter der rauen Schale schlug bei Zenzi ein Herz aus Gold. Unaufdringlich, aber stets präsent hatte sie dafür gesorgt, dass Pankraz seine Pflichten nie vernachlässigte, dass er nicht versuchte, Schmerz und Trauer im Alkohol zu ertränken oder aus Kummer andere Dummheiten zu begehen.
Schließlich waren die drei Menschen im Doktorhaus von St. Christoph zu einem gutem Team zusammengewachsen, das sich stets und immer aufeinander verlassen konnte. Und wenn man am Abend, nach getanem Tagewerk, noch gemütlich in der guten Stube beisammen gesessen hatte, dann hatte ein familiärer Friede über allem gelegen, der einfach guttat.
Martin war zu einem klugen Buben herangewachsen, hatte seine Matura mit einem glatten Einser geschafft und dann, zur Freude seines Vaters, beschlossen, in dessen Fußstapfen zu treten.
Nach erfolgreich abgeschlossenem Studium hatte er eine Stelle als Assistenzarzt im Spital von Schwaz gefunden.
In dieser Zeit hatte Martin Burger sich dort einen besonderen Ruf, den Respekt seiner Kollegen und die Bewunderung seiner Patienten erworben. Bis zum heutigen Tag hatte er ein außergewöhnlich gutes Verhältnis zu seinen Kollegen in Schwaz.
Damals hatte Martin seine Jugendliebe Christl geheiratet. Doch als habe das Schicksal beschlossen, sich auch im Leben des jungen Burger auf sehr schmerzhafte Weise bemerkbar zu machen, war diesem Glück keine Dauerhaftigkeit vergönnt gewesen.
Nach nur einem Ehejahr hatte Martin seine Christl für immer verloren. Sie war im Kindbett an unvorhersehbaren Komplikationen gestorben und hatte das Kleine mit sich zu den Engeln genommen.
Dieser schwere Verlust hatte Martin völlig unvorbereitet getroffen und sein junges Leben in eine tiefe Krise gestürzt. Er hatte sein Heimattal verlassen, um jahrelang in der Fremde zu leben und zu arbeiten.
Irgendwann aber war das Heimweh übermächtig geworden. Da hatte es ihn einfach zurück nach St. Christoph gezogen, wo er schließlich doch noch, wie geplant, die väterliche Praxis übernommen hatte.
Für eine ganze Weile hatte sich das Leben des jungen Landarztes dann nur um seine Patienten gedreht. Eine neue Liebe hatte Martin erst nach Jahren gefunden, als ihm die zauberhafter Wiener Kollegin Sabine Rodenwald im Haus ihrer Tante Rika in St. Christoph begegnete. Für beide war es Liebe auf den ersten Blick gewesen.
Die schöne, blonde Sabine hatte in Martins Herz endlich wieder ein Lichterl angezündet und so die Dunkelheit verscheucht, die Trauer und Verlust dort geschaffen hatten.
Nach seiner Heirat mit Sabine war Martin Burger nicht nur der Bergdoktor, wie ihn die Menschen im Zillertal anerkennend nannten, sondern auch glücklicher Ehemann und bald stolzer Vater. Die Burgers führten seither eine ungewöhnlich harmonische Ehe, getragen von tiefer Liebe, Vertrauen und Verständnis.
Dass Sabine mit Mitte Dreißig sechzehn Jahre jünger war ihr ihr Mann, fiel dabei nicht ins Gewicht. Sie verstanden sich in jeder Beziehung und waren glücklich miteinander.
Drei muntere Kinder krönten dieses große Glück. Da war Tessa, die Älteste, ein Schulmadel von acht Jahren. Mit den schwarzen Locken und den glutvollen Augen ein Ausbund an Temperament und Lebhaftigkeit, manchmal auch an Eigenwillen. Vor allem dann, wenn es darum ging, ihren vier Jahre jüngeren Bruder Philipp in seine Schranken zu weißen.
Der Bub, der Filli gerufen wurde, ging in den Kindergarten, war sehr tierlieb, ein kleiner Entdecker und Philosoph, der den Dingen gerne auf den Grund ging. Er hatte auch einen Dickschädel und konnte fuchsteufelswild werden, wenn Tessa ihren Wissensvorsprung als Schulmadel gegen ihn ausspielte. Dann zankten die Geschwister sich mit Ausdauer und Leidenschaft.
Die Dritte im Bunde der Burger-Kinder war Klein-Laura, eben erst zwei Jahre alt. Sie war der herzige Sonnenschein der Familie.
Zusammen mit Pankraz, der nun auf die achtzig zuging, lebte die Familie einträchtig im Doktorhaus von St. Christoph. Auch wenn der Senior sich im wohl verdienten Ruhestand befand, war er doch nicht untätig.
Noch immer studierte Pankraz regelmäßig die medizinischen Fachzeitschriften, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. So war er für seinen Sohn in besonders verzwickten Fällen schon oft zum wertvollen Ratgeber geworden.
Daneben arbeitete er an einer Chronik des Zillertals, spielte gern Schach und ging mit Familiendackel Poldi seine Runden. Das war auch nötig, denn Pankraz schätzte Zenzis deftige Tiroler Küche nach wie vor, ganz besonders ihre Kuchen und Süßspeisen. Ein kleiner Rettungring in seiner Leibesmitte kündete von dieser Leidenschaft, doch Pankraz ließ sich davon weder Laune noch Vergnügen verderben und sprach einfach launig von seiner „Wohlfühlfigur“ oder der angenehmsten möglichen Geldanlage: dem „Hüftgold“.
Darüber konnte Zenzi nur den Kopf schütteln. Auch nach mehr als vierzig Jahren hatte sie den Haushalt der Burgers noch im Griff und war ganz einfach die Seele des Doktorhauses.
Sie hatte Pankraz schon immer gerngehabt, blieb aber spröde, wie es ihre Art war. Nur wenn er ihre Koch- und Backkünste gar zu sehr über den grünen Klee lobte, dann konnte sie noch erröten wie ein Schulmadel und sich von Herzen freuen.
Harmonie und Verständnis kennzeichneten das Leben im Doktorhaus von St. Christoph, aber manchmal ging es auch recht lebhaft, wenn nicht chaotisch zu. Drei kleine Kinder brachten eben Leben in die Bude. Und die Patientenschicksale, die Martin Burger stets nahe gingen, hatten ebenfalls ihren Anteil daran, dass es im Leben der Familie Burger nie langweilig wurde …
***
An diesem sonnigen Sommermorgen war Zenzi schon früh aus den Federn gehupft. Oder besser gekrochen, denn das Kreuz hatte ihr wieder zu schaffen gemacht und eine erholsame Nachtruhe verhindert.
Martin Burger untersuchte sie regelmäßig, hatte ihr Tabletten und eine Salbe für akute Schmerzzustände verschrieben, doch meist „vergaß“ die Hauserin, ihre Medzin einzunehmen. Es mochte daran liegen, dass Zenzi kein „altes Weibel mit einem Sackerl voller Pillen“ sein wollte, wie sie das ausdrückte. Lieber biss sie die Zähne zusammen und wartete darauf, dass ihr störrischer Körper selbst etwas gegen die Schmerzen unternahm.
Der Duft nach frischem Kaffee und selbst gebackenen Semmeln lockte Pankraz bald aus seinem Kabinettl neben der guten Stube.
„Mei, wie duftet das so fein“, freute er sich. „Sag, Zenzi, wie kommt’s, dass du uns an einem Werktag mit frischen Semmeln verwöhnst? Die gibt es doch sonst nur am Sonntag.“ Er langte mit begehrlichem Blick nach einem Stück goldgelbem Backwerk, verbrannte sich allerdings die Finger und ließ rasch los.
Zenzi verzog nachsichtig den Mund. „Die kommen gerade aus dem Backrohr. Ein klein bisserl Geduld müssen Sie schon noch haben. Keine Sorge, ich hab genug gebacken.“
„Ich bin doch kein Vielfraß“, schmollte Burger Senior und kühlte sich die lädierte Hand unter fließendem Wasser. „Nur ein Genießer und stiller Bewunderer deiner Küchenkünste.“
Sie lächelte schmal und fuhr fort: „Die Sabine kriegt doch heut Besuch. Eine ehemalige Kollegin aus Wien kommt mit ihrer Tochter. Am späten Vormittag sollen die beiden ankommen, da dachte ich mir, ein zweites Frühstück kann net schaden.“
„Klug gedacht, Zenzi. Aber die Michaela und ihre Tochter werden im Berghotel wohnen, net bei uns.“
„Na und? Eine Semmel schmeckt immer.“
Pankraz musste schmunzeln. „Auch wieder wahr.“
„Wie sind die denn so, diese Wiener Damen?“, forschte die Hauserin mit verhaltener Neugierde. „Großkopferte?“
„Freilich net. Die Michaela ist Internistin. Sie ist im Alter vom Martin und war für Sabine, als die ihre erste Assistenz angetreten hat, so was wie eine mütterliche Freundin. Sie arbeitet noch an der Klinik in Wien. Ihre Tochter ist auch Ärztin, ist aber in einem kleinen privaten Krankenhaus angestellt. Da hat sie auch ihren Mann kennengelernt.“
„Und der kommt net mit?“
„Nein, nur Mutter und Tochter beehren uns mit ihrem Besuch. Sabine sagt, Michaela muss ausspannen. Ihr Mann ist vor ein paar Monaten gestorben, seither hat sie sehr viel gearbeitet. Und bei Katharina scheint es ebenfalls Probleme zu geben.“
„Na, da sind die beiden dann ja hier an der rechten Adresse“, konstatierte Zenzi und stemmte das Tablett mit dem Geschirr fürs Frühstück. Pankraz öffnete ihr galant die Türen.
„Was meinst du jetzt damit?“, wollte er wissen, während er Zenzi dabei zuschaute, wie diese mit geschickten Händen den Frühstückstisch deckte. Unzählige Male hatte er das schon gesehen, doch es gefiel ihm immer wieder aufs Neue, war für ihn der Inbegriff der Gemütlichkeit, des Familienlebens.
„Ist doch net schwer zu erraten. Oder gab’s vielleicht schon mal einen Menschen, dem im Doktorhaus net geholfen worden ist?“, antwortete sie verschmitzt mit einer Gegenfrage.
Pankraz schmunzelte. „Auch wieder wahr …“
Wenig später saß die Familie beim Frühstück. Sabine war bester Laune, sie freute sich sehr, ihre Freundin nach Jahren endlich einmal wiederzusehen. Und Martin war schon gespannt darauf, diese kennenzulernen.
„Du wirst Michaela mögen, sie hat einen unverwüstlichen Humor“, meinte Sabine nun. „Damals, als ich noch blutige Anfängerin in der Klinik war, hat sie mich vor manchem Fehler bewahrt. Dabei war sie nie besserwisserisch oder überheblich. Sie hat es einfach nur gut mit mir gemeint. Ich verdanke ihr wirklich viel.“
„Das klingt nach wahrer Freundschaft“, stellte Martin fest.
„Sag, Mama, du bist doch Narkoseärztin, gelt?“, meldete sich Filli nun zu Wort. Und als seine Mutter zustimmend nickte, forschte er nach: „Dann hast du aber mit Blut nix zu tun gehabt.“
Noch ehe Sabine ihm eine Antwort geben konnte, belehrte Tessa ihren Bruder: „Du Dummlack, du weißt wirklich gar nix! Blutiger Anfänger, das sagt man so, es hat nix mit Blut zu tun.“ Sie lachte Filli aus, der rote Ohren bekam. „Wie kann man nur so deppert sein, das ist ja net zum Aushalten!“
„Selber deppert!“, parierte der Bub. „Und wenn du mich net verschonst mit deinen eingebildeten Kommentaren, dann spritzt da gleich das Blut, und zwar deines!“, fügte er noch drohend hinzu.
Klein-Laura schien das sehr lustig zu finden, denn sie krähte: „Spitz But, spitz But!“ Und Poldi, der Familiendackel, der seinen Senf auch zu allem geben musste, jaulte einmal herzhaft.
„Schluss mit dem Unfug, ihr zwei“, mahnte Sabine mit einem Blick auf die Uhr. „Ihr müsst los. Und vergesst net, bei der Zenzi in der Kuchel eure Pausenbrote abzuholen.“
„Wer zuerst kommt, kriegt das Bessere“, forderte Filli seine Schwester da schon wieder heraus, und die Geschwister flitzten blitzschnell aus der Stube.
Martin seufzte. „Endlich Ruhe. Das tut gut.“
„Dann trinken wir jetzt noch ganz gemütlich ein Haferl Kaffee zusammen“, schlug Pankraz vor, doch sein Sohn musste ablehnen.