Der Bergdoktor 2036 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2036 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Seit einem Jahr hat Marei Brandl keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt. Die begabte Grafikerin lebt zurückgezogen am Rand von St. Christoph. Ihre Lebensmittel bekommt sie geliefert. Ihre Aufträge erledigt sie über den Computer.
Ein einsames Leben ist es, das sie führt. Ihre traurigen Augen verraten, wie unglücklich sie ist. Gern würde sie wieder unbeschwert hinausgehen und Freunde treffen, aber das scheint unmöglich zu sein.
Was hält sie nur ab? Dr. Burger will ihr helfen und kämpft um ihr Vertrauen. Aber er weiß: Es wird ein langer, qualvoller Weg ...


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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Herz in Quarantäne

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9879-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Herz in Quarantäne

Warum Marei nicht mehr das Haus verließ

Von Andreas Kufsteiner

Seit einem Jahr hat Marei Brandl keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt. Die begabte Grafikerin lebt zurückgezogen am Rand von St. Christoph. Ihre Lebensmittel bekommt sie geliefert. Ihre Aufträge erledigt sie über den Computer.

Ein einsames Leben ist es, das sie führt. Ihre traurigen Augen verraten, wie unglücklich sie ist. Gern würde sie wieder unbeschwert hinausgehen und Freunde treffen, aber das scheint unmöglich zu sein.

Was hält sie nur ab? Dr. Burger will ihr helfen und kämpft um ihr Vertrauen. Aber er weiß: Es wird ein langer, qualvoller Weg …

„Warte, Bruno!“ Mit langen Sätzen stürmte Marei Brandl über die Wiese. Geradewegs auf die Mähmaschine zu, deren rasiermesserscharfe Schneiden sich in das Gras fraßen. Sie riss die Arme nach oben und winkte.

Der Fahrer schien sie nicht zu bemerken, denn er tuckerte weiter. Ein Wunder war das freilich nicht. Das Dröhnen seiner Maschine hätte sogar das Brüllen einer Rinderherde übertönt.

„Net weiterfahren! Bitte!“ Marei zog ihre gelbe Strickjacke aus und wedelte damit durch die Luft. Dann stürmte sie weiter.

Das Gras reichte ihr bis knapp an die Hüften und hinderte sie am Vorwärtskommen. Jeder Schritt war so beschwerlich, als müsste sie durch Wasser waten. Allerdings war die weite Fläche vor ihr nicht blau, sondern grün und verströmte einen wunderbaren Duft nach Sommer und Blüten.

Die Sonne sandte die ersten warmen Lichtstrahlen auf das Zillertal herab. Noch lag ein leichter Dunst über den Wiesen, aber der würde sich auflösen, sobald die Temperaturen höher kletterten. Der Himmel wölbte sich strahlend blau über den schroff gezackten Gipfeln. Allerbestes Postkartenwetter!

St. Christoph lag in einem ruhigen Seitenarm des Zillertals – ein hübsches Dorf, um das ein Bach herumfloss. Während die Urlauber das Wetter nutzten und zu Wanderungen aufbrachen, waren die Bauern schon dabei, ihre Wiesen zu bewirtschaften.

Auch Bruno Haslinger wollte das Gras hinter seinem Hof mähen. Dazu rückte er mit seinem Traktor und dem Kreiselmäher aus.

Immer näher kam das schwere Gefährt. Marei wedelte stärker mit den Armen.

„Net weiterfahren! Bruno, halt an!“

„Jessas, Maria und Josef!“ Mit einem Ruck kam die Mähmaschine zum Stehen. Der Bauer schaltete den Motor aus und spähte von seiner Fahrerkabine herunter. „Bist du narrisch geworden, Madel? Mir vor die Maschine zu springen! Fast hätte ich dich überfahren! Ganz zu schweigen von dem Herzkasper, den ich beinahe bekommen hätte. Was machst du denn hier?“

„Ich hab eben ein Rehkitz am Rand deiner Wiese gesehen. Es ist gerade die Zeit, in der die Geißen ihre Jungen im Gras ablegen. Ihr Kitz muss irgendwo sein. Warte mit dem Mähen noch und lass es mich suchen, bitte.“

„Du willst die Wiese nach dem Kitz absuchen? Die ganze Wiese?“ Der Bauer starrte Marei ungläubig an. „Das kann ja Stunden dauern. Das Gras ist so hoch, da wirst du das Kleine net so leicht finden. Wenn überhaupt. So lange kann ich aber net warten.“

„Bitte, Bruno. Ich mach, so schnell ich kann.“

„Dafür hab ich keine Zeit, Madel.“ Der Mittfünfziger strich über seinen Schnurbart. „Tut mir leid. Ich würde dir den Gefallen wirklich gern tun, aber es geht net.“

„Ich beeil mich. Versprochen.“

„Und ich muss das schöne Wetter nutzen. An den langen Regentagen ist einiges liegen geblieben. Mein Tag ist bis auf die letzte Minute verplant. Ich muss die Wiese jetzt mähen. Nachher wird nämlich nix mehr daraus.“

„Aber das Rehkitz!“

„Wer weiß, ob wirklich eins da ist. Womöglich war die Rehgeiß allein unterwegs. Oder hast du ein Junges gesehen?“

„Das net.“

„Na, siehst du. Ich muss jetzt wirklich weitermachen.“ Der Bauer beugte sich vor und wollte den Motor wieder anstellen.

„Warte!“, hielt ihn Marei hastig auf. „Ich bin mir sicher, dass ein Kitz hier ist. Willst du das wirklich schreddern?“

Der Haslinger zuckte zusammen, als wäre ihm ein Blitz in den Gummistiefel gefahren.

„Könntest du vielleicht ein anderes Wort wählen?“, brummte er. „Schreddern klingt ja furchtbar.“

„Genau das ist es auch. Furchtbar. Wusstest du, dass jährlich fünfundzwanzigtausend Kitze in unserem Land bei der Mahd umkommen?“

Marei ließ nicht locker. Ein Jahr war es her, dass sie einen Artikel über die Not des Rehnachwuchses gelesen hatte. Seitdem tat sie, was sie konnte, um die Jungen zu retten. Zur Mahdzeit war sie unterwegs, um Wiesen vor dem Schnitt abzusuchen und die Jungen in Sicherheit zu bringen.

An diesem Morgen hatte sie auf der kleinen Bank am Waldrand gesessen, die sie so liebte. Mit ihrem Zeichenblock auf dem Schoß hatte sie ein paar Ideen skizziert. Bis ihr Nachbar mit der Mähmaschine gekommen war. Da hatte sie ihre Zeichensachen auf der Bank zurückgelassen und war losgestürmt, um den Bauern aufzuhalten.

„Ich muss wieder an die Arbeit“, murmelte Bruno, aber ihm war anzusehen, dass er sich nicht ganz wohl in seiner Haut fühlte.

„Bitte, Bruno“, machte sie noch einen Versuch. „Lass es mich versuchen.“

„Warum liegt dir denn so viel daran?“

„Weil das Kitz auch leben will.“

„Na ja, das stimmt schon, aber was soll ich denn machen? Ich kann die Mahd net aufschieben. Das gute Wetter muss ich nutzen. Hab heute allerhand Arbeit vor mir.“

„Kannst du die net vorziehen? Bitte, ich verspreche dir, mich zu beeilen. Gib mir drei Stunden, dann gehört die Wiese dir.“

„Gut. Ich gebe dir eine halbe Stunde.“

„Das ist viel zu wenig. Ich brauche mindestens zwei.“

„Also schön, ich bin ja net so. Eine Stunde. Dann rücke ich mit der Mähmaschine an.“ Der Haslinger schwang sich von seiner Maschine und stapfte zurück zu seinem Hof.

Marei blickte ihm sekundenlang nach. Eine Stunde! Das war angesichts einer so großen Wiese nur eine kleine Chance, die sie ausgehandelt hatte, aber immerhin besser als nichts. Sie würde sich sputen müssen. Und sie brauchte eine Strategie!

Am besten war es wohl, wenn sie von innen nach außen suchte. Sie würde in der Mitte der Wiese beginnen, dann spiralförmig nach außen laufen und das Kitz dabei hoffentlich nicht übersehen.

Mit langen Schritten kämpfte sich Marei zum Mittelpunkt der Wiese vor und lief in immer größer werdenden Kreisen los. Das hohe Gras peitschte ihre nackten Waden und schnitt in ihre Haut, aber sie achtete nicht darauf. Die Zeit saß ihr im Nacken. Sie hatte die Rehgeiß gesehen und war sicher, dass das Jungtier hier irgendwo verborgen sein musste. Aber wo?

Ein junges Rehkitz hatte noch keinen Fluchtreflex. Es blieb liegen, wo seine Mutter es ablegte, duckte sich ab und blieb mucksmäuschenstill liegen. Nicht einmal der Lärm eines Kreiselmähers konnte es aufschrecken. Es wartete ab, bis seine Mutter von ihrer Futtersuche zurückkam und es mit dem Kontaktlaut rief.

Erst dann kam es hervor, wurde gesäugt und geputzt und an eine andere Stelle geführt, wo es wieder verharrte, bis zum nächsten Ruf seiner Mutter. Weil sie sich so still verhielten, waren Kitze beinahe unsichtbar. Auch für den Bauern, der ahnungslos geradewegs auf sie zufuhr.

Füchse, frei laufende Hunde und Mähmaschinen waren die größten Feinde von Rehkitzen. Gegen die ersten beiden konnte Marei nichts ausrichten, aber sie wollte wenigstens dafür sorgen, dass kein Jungtier mehr unter das Schneidwerk geriet.

Sie sparte jeden Cent für eine Drohne samt Wärmebildkamera. Die Drohne konnte man frühmorgens über den Wiesen fliegen lassen und auf der Kamera sehen, wo sich ein Jungtier versteckt hielt. Kinderleicht war das. Allerdings war die Ausrüstung sehr teuer. Und Marei fehlte noch allerhand Geld dazu.

Da! Vor ihr bewegten sich zwei Ohren im Gras.

Ihr Herz machte einen Sprung. Sie hatte ein Kitz gefunden!

Es hatte ein süßes Kitzgesicht, wunderschöne schwarze Rehaugen und riesengroße Ohren. Weiße Punkte sprenkelten sein hellbraunes Fell.

„Alles gut, mein Kleines“, murmelte Marei. „Ich werde dich in Sicherheit bringen.“

Sie rupfte großzügig Gras aus und verwendete es wie Handschuhe, als sie das Kitz hochhob. Damit wollte sie vermeiden, dass es den menschlichen Geruch annahm und seine Mutter es nicht mehr säugte. Das Kitz war unglaublich leicht und schien kaum mehr als eine Feder zu wiegen.

Marei trug es zum Waldrand und legte es behutsam zwischen den Farnen ab. Hier würde seine Mutter es hoffentlich finden und abholen. Sie warf noch einen letzten Blick auf das Jungtier, dann kehrte sie zur Wiese zurück.

Eine Rehgeiß hatte häufig zwei Kitze. Es war gut möglich, dass sich ein weiteres Jungtier im dichten Grün verborgen hielt. Sie musste weitersuchen!

Während die Sechsundzwanzigjährige durch das Gras watete, eilten ihre Gedanken voraus zu der Verabredung mit ihrem Schatz. Chris und sie wollten den Abend gemeinsam verbringen. Er hatte versprochen, etwas für sie zu kochen, und dabei geheimnisvoll gezwinkert. Ob er ihr endlich die eine Frage stellen würde, die sie so gern hören wollte?

Wärme durchströmte sie bei dieser Vorstellung. Oh, sie würde so gern Ja sagen. Sie hatte keine Familie mehr. Chris war ihre ganze Welt. Mit ihm wollte sie sich ein gemeinsames Leben aufbauen.

Unwillkürlich legte Marei eine Hand auf ihren Bauch. Sicher war sie sich noch nicht, aber es war möglich, dass sie ein Baby bekamen. Ein glückseliges Flattern tanzte durch ihr Inneres.

Verträumt suchte sie weiter. Dabei wurde es immer heißer. Die Sonne brannte unbarmherzig auf sie herab, und Marei empfand plötzlich ein unliebsames Schwindelgefühl.

Es war wohl das Beste, wenn sie sich einen Moment ausruhte.

Sie eilte zum Mühlbach, kniete sich hin und tauchte die Hand ins Wasser. Es war wunderbar kühl. Marei spritzte es sich ins Gesicht. Dann hielt sie eine Weile ihre Hände ins Wasser, genoss die Abkühlung und schaute zu, wie eine Hummel am anderen Ufer von einer Löwenzahnblüte zur nächsten schwirrte.

Plötzlich hörte sie ein Rascheln hinter sich. Sie wollte sich gerade umschauen, da traf sie ein harter Schlag am Hinterkopf!

Das Madel sah rote Sterne, schwankte und konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Es gelang ihr noch, sich zur Seite zu drehen, um nicht mit dem Gesicht im Wasser zu landen, dann stürzte sie hin. Marei blinzelte, aber alles verschwamm vor ihren Augen.

Sie sah noch eine Klinge, die im Sonnenlicht über ihr aufblitzte. Im nächsten Moment bohrte sich ein heftiger Schmerz in ihre linke Seite.

Ein lauter Schrei entfuhr ihr, und dann wurde alles ringsherum in Dunkelheit getaucht.

***

Der Wendlinger-Hof schmiegte sich an den Fuß des Hexensteins. Drei hohe Zirbelkiefern schienen das Bauernhaus zu bewachen. Zahllose Blüten neigten sich im Garten sacht im Sommerwind.

Das Gehöft stand am Rande von St. Christoph. Ringsum gab es nur Wiesen, auf denen Milchkühe und Ziegen weideten.

Dr. Burger war schon in aller Frühe zu einem Notfall auf den Hof gerufen worden und hatte sich sofort auf den Weg gemacht. Als er nun aus seinem Wagen stieg, eilte ihm Franzi Wendlinger mit hochroten Wangen entgegen.

„Herr Doktor! Mei, ich bin so froh, dass Sie da sind!“, rief sie ihm schon von Weitem zu. „Mein Schwiegervater ist im Stall zusammengebrochen. Plötzlich war er nimmer bei sich. Und nun bekomme ich ihn net wach!“

„Griaß dich, Franzi. Ich werde mir gleich einmal anschauen, was ihm fehlt. Hatte der Quirin schon vorher Probleme? Atemnot oder Schmerzen vielleicht?“

„Nein, gar nix. Nach dem Aufstehen war er wie immer. Er hat beim Kaffee seine Morgenzeitung gelesen und ist dann in den Stall gegangen. Ich hab derweil die Wäsche aufgehängt. Plötzlich hör ich es drinnen rumpeln, und da lag er!“

„Kannst du mich zu ihm bringen, Franzi?“

„Freilich. Kommen Sie bitte.“

Dr. Burger schulterte seinen Notfallrucksack und folgte der jungen Frau in den Stall. Hier wurde er vom warmen Duft nach Stroh und Pferdeleibern empfangen. Als Landarzt war er häufig auf den Höfen im Einsatz. Ein Hausbesuch im Stall war allerdings auch bei ihm eher selten.

Quirin Wendlinger gehörte seit vielen Jahren zu seinen Patienten. Der Landwirt neigte zu Bluthochdruck und dachte nicht daran abzunehmen.

Wer arbeitet, muss auch essen, war sein Motto. Und er aß nun einmal für sein Leben gern.

„Quirin? Kannst du mich hören?“ Dr. Burger kniete sich neben seinen Patienten und legte die Blutdruckmanschette an.

Der Bauer reagierte nicht auf seine Ansprache. Reglos lag er im Stroh. Sein Blutdruck lag bei hundertfünfundzwanzig zu achtzig. Das war im Rahmen. Allerdings setzte nun auf einmal seine Atmung aus!

Rasch klemmte der Bergdoktor das Pulsoximeter an den Zeigefinger seines Patienten. Es zeigte eine Sauerstoffsättigung von neunundsiebzig Prozent an. Das war viel zu wenig!

Dr. Burger intubierte seinen Patienten und bat die Bäuerin, ihm zur Hand zu gehen. Er zeigte ihr, wie sie den Beatmungsbeutel zusammendrücken musste.

„Schön gleichmäßig … jawohl, genau so.“ Er nickte ihr zu, dann leuchtete er in die Augen seines Patienten.

Hatte Quirin womöglich eine Hirnblutung erlitten? Nein, die Pupillen des Landwirts waren normal groß und zogen sich unter dem Licht zusammen. Keine Hirnblutung.

Was aber dann? Warum atmete er nicht mehr selbstständig?

Dr. Burger maß den Blutzucker seines Patienten, aber das half ihm nicht weiter. Der Wert lag im gesunden Bereich.

„War heute Morgen etwas ungewöhnlich, Franzi? Hat dein Schwiegervater irgendetwas gesagt?“

„Eigentlich net. Ein bisserl schweigsamer als sonst war er nur. Ich hab das auf seine Nervosität geschoben. Er hat doch heute seinen Zahnarzttermin.“

„Einen Zahnarzttermin?“

„Ihm sollen zwei Backenzähne gezogen werden. Davor hat er ziemliche Angst. Sein Zahnarzt hat ihm vor drei Tagen extra ein Rezept für Tabletten mitgegeben, die er vor dem Termin heute einnehmen sollte. Zur Beruhigung.“

„Tabletten?“ Dr. Burger horchte auf. „Was für welche?“

„Warten Sie, ich hole sie rasch. Sie liegen noch in der Küche.“

Er übernahm den Beatmungsbeutel, und Franzi rannte über den Hof in die Küche.

Blitzschnell war sie wieder zurück und reichte dem Arzt die Packung. Es war ein starkes Beruhigungsmittel. Ihm schwante nichts Gutes.

„Wie viele hat dein Schwiegervater davon genommen?“

„Fünf, glaube ich. Könnten allerdings auch mehr gewesen sein. Zwei hat er in der Nacht genommen und dann noch welche heute Morgen zum Kaffee. Wie gesagt, er war ziemlich nervös.“

„Hat sein Zahnarzt net gesagt, dass er nur eine nehmen soll?“

„Davon weiß ich nichts.“

Eine Tablette dieses starken Beruhigungsmittels half, vor einer Operation entspannt zu bleiben. Fünf oder mehr vergifteten den Organismus und sorgen dafür, dass die Atmung aussetzte.

Der Bauer brauchte unverzüglich ein Gegenmittel!

Dr. Burger nahm eine Ampulle Flumazenil aus seinem Rucksack und spritzte es seinem Patienten. Und dann warteten sie.

Es dauerte nicht einmal eine ganze Minute, dann hob sich die Brust des Landwirts von allein! Er atmete wieder!

Dr. Burger atmete auf und entfernte den Schlauch aus der Luftröhre. Wenig später schlug sein Patient die Augen auf und blinzelte.

„Was machen Sie denn hier, Herr Doktor?“, nuschelte er.

„Deine Schwiegertochter hat mich gerufen, weil du ein ungeplantes Nickerchen gemacht hast.“

„Ein Nickerchen? Ich doch net! Ich muss arbeiten!“

„Daraus wird heute nix mehr.“ Dr. Burger erklärte seinem Patienten, was geschehen war. Der Bauer schnaufte.

„Ich hab mir gedacht, viel hilft viel, wissen Sie?“

„In diesem Fall ist das leider net so.“ Der Arzt rief in der Leitstelle an und bat um einen Rettungswagen. Sein Patient wurde zusehends munterer, aber vorsichtshalber wollte er ihn einen Tag lang intensivmedizinisch überwachen lassen.

Gerade, als der Rettungswagen mit Blaulicht auf den Hof fuhr, schlief der Bauer erneut ein. Er wachte auch nicht auf, als ihn der Bergdoktor am Arm rüttelte. Also bekam er noch eine Dosis des Gegenmittels, das ihn wieder wacher machte.

Kurz darauf brauste der Rettungswagen mit ihm vom Hof.