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Um den Schalchenberg ranken sich viele unendlich traurige Sagen und Legenden. Darum wird er von den Bewohnern des Zillertals "Berg der Tränen" genannt, und die meisten meiden ihn. Niemand will das Schicksal herausfordern ...
Auch für Anja Zellberger hat der Schalchenberg seit zwei Jahren eine ganz besondere Bedeutung. Dort hat sie sich heimlich mit Luis getroffen und in seinen Armen Liebe, Leidenschaft und Zärtlichkeit kennengelernt. Bis er eines Tages den Satz gesagt hat, der mit einem Schlag alles zwischen ihnen zerstört hat.
Heute, zwei Jahre später, ist Anja immer noch nicht darüber hinweg. Am "Berg der Tränen" hat sie ihr Lachen verloren - für immer?
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Seitenzahl: 109
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Am Berg der Tränen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Michael Wolf
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9880-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am Berg der Tränen
Erschütternder Roman um eine Liebestragödie
Von Andreas Kufsteiner
Um den Schalchenberg ranken sich viele unendlich traurige Sagen und Legenden. Darum wird er von den Bewohnern des Zillertals „Berg der Tränen“ genannt, und die meisten meiden ihn. Niemand will das Schicksal herausfordern …
Auch für Anja Zellberger hat der Schalchenberg seit zwei Jahren eine ganz besondere Bedeutung. Dort hat sie sich heimlich mit Luis getroffen und in seinen Armen Liebe, Leidenschaft und Zärtlichkeit kennengelernt. Bis er eines Tages den Satz gesagt hat, der mit einem Schlag alles zwischen ihnen zerstört hat.
Heute, zwei Jahre später, ist Anja immer noch nicht darüber hinweg. Am „Berg der Tränen“ hat sie ihr Lachen verloren – für immer?
Seit Jahren war das Sommerfest rund ums Haus der Familie Zillberger ein Ereignis, auf das sich ganz St. Christoph freute.
Längst hatte sich das anfangs bescheidene Gartenfest zu einem bunten Gute-Laune-Tag voller Überraschungen gemausert, zu dem vor allen Dingen Blumen und kleine Kostbarkeiten gehörten.
Hier eine schillernde Kugel fürs Rosenbeet, dort eine Brunnenfigur oder ein handgetöpfertes Gefäß, Schnitzereien und Bilder, alles in heimischen Werkstätten oder von Hobby-Künstlern mit viel Liebe zum Detail angefertigt – wem gefiel so etwas nicht?
Jeder konnte zum „Sommermarkt“ etwas beitragen, natürlich auch Spezialitäten aus der Küche.
Hausgebackener Kuchen, Strudel und Krustenbrot, Konfitüre oder Almbutter und Käse (beides wurde traditionell in Holzfässern mit zerstoßenem Eis kühl und frisch gehalten) sowie Obst und Gemüse aus den Bauerngärten waren nur ein Teil des Angebots.
Die Zillbergers organisierten das Fest natürlich nicht mehr allein, trotzdem galten Paul und Lioba Zillberger samt ihrer Tochter Anja als „letzte Instanz“ bei der Vorbereitung und Durchführung.
Sie stellten ihre schöne, große Hauswiese und den sogenannten „Scheunensaal“ zur Verfügung, in dem man früher, zu Zeiten der Urgroßeltern, schon gefeiert und getanzt hatte.
Das Ehepaar Zillberger besaß eine Gärtnerei mit Rosenzucht und Obstanbau in St. Christoph, die einzige Gärtnerei im Dorf und in der näheren Umgebung.
Tochter Anja, von Beruf Gartenexpertin und Floristin mit Meisterbrief, hatte vor einem halben Jahr ein schmuckes Blumenlädchen im Salettl neben dem Wohnhaus eingerichtet, auf das sie sehr stolz war. Wer einen schönen Strauß oder eine besondere Dekoration brauchte, war bei Anja genau richtig.
Ihre bezaubernden Blumen-Kunstwerke galten als Hingucker bei Hochzeiten, Taufen und anderen Festlichkeiten. Gern schmückte sie zu den Festen im Jahreslauf die Kirche aus und nahm auch kurzfristig Bestellungen entgegen.
Anjas Lädchen „Blütentraum“ hatte sich bereits nach wenigen Monaten als echte Bereicherung für St. Christoph erwiesen.
Ihre Mutter widmete sich mit Hingabe ihren Rosen, sie hatte mit viel Liebe die Sorte „Anjas Sonne“ gezüchtet, eine goldgelbe Strauch-Edelrose mit rosaroten Blütenrändern.
Diese wunderschöne Rose war ein Geschenk zur Anjas achtzehntem Geburtstag gewesen und hatte sogar auf einer Rosenzucht-Ausstellung den ersten Preis gewonnen.
Inzwischen – sieben Jahre später – blühte „Anjas Sonnenrose“ in vielen Gärten. Trotz ihres edlen Aussehens war sie überraschend widerstandsfähig, ein echtes „Bergröserl“ eben, das Wind und Wetter aushielt und auch Schnee nebst frostigen Zeiten problemlos überstand, natürlich gut abgedeckt.
Jeder Festbesucher erhielt im Garten der Zillbergers eine Blume, wenn die Rosen nicht ausreichten, kamen strahlend blaue Glockenblumen, roter Ziermohn oder purpurfarbene Malvenblüten an die Reihe. Es gab jedenfalls immer etwas Besonderes zu entdecken, wenn man durch das Blütenparadies rund um die Gärtnerei streifte.
Jetzt war es also wieder einmal so weit, den Sommer unter freiem Himmel zu feiern.
Dazu gehörten die Julisonne, weiße Sonnenschirme und viele, fantasievoll geschmückte Stände, natürlich auch der verlockende Duft nach frisch gebackenen Waffeln vom Haus her und nach gegrillten Würstln von der Wiese.
Zur Unterhaltung spielten auch heuer die vier feschen „Steigerer Buam“ auf, deren musikalisches Repertoire fast unerschöpflich war. Damit die Besucher sich problemlos zurechtfanden und nicht aneinandergerieten, war Bert Hubmeyer im Einsatz.
Seit anderthalb Jahren galten er und Anja als Paar. Bert stammte aus Jenbach, wohnte aber seit einiger Zeit in St. Christoph. Er arbeitete als Landschaftsgärtner in Mayrhofen und Schwaz. Mit einigen Kollegen war er für große Gärten, Park- und Grünanlagen zuständig.
Bert war sehr daran interessiert, irgendwann einmal die Gärtnerei Zillberger zu übernehmen und zwischenzeitlich schon einmal seine Fühler auszustrecken. Dahinter stand – wie man leicht erraten konnte – die Absicht, Anja zu heiraten.
Er fand seine Zukunftspläne großartig und sehr praktisch. Anja würde das Haus und die Gärtnerei erben, wenn ihre Eltern sich aus Altersgründen zurückzogen. Dann war es ideal für sie, mit einem Mann verheiratet zu sein, der etwas vom Fach verstand.
Außerdem war der zielstrebige Bert natürlich in die hübsche, blonde Blumenfee verliebt, denn nur ums „Praktische“ ging es ihm nicht. Am besten war’s, wenn alles zusammen passte, also das Geschäftliche und die Gefühle gleichermaßen – wobei man Bert nicht unbedingt als Romantiker bezeichnen konnte.
Es war nicht sein Ding, bei Kerzenschein Liebesworte zu flüstern oder schmachtende Gedichte für seine Liebste zu schreiben. Bert hielt es lieber mit dem Grundsatz: Machen, nicht reden.
Aber da er sehr wohl wusste, dass Frauen jeden Alters sich gern verzaubern ließen, gab er sich mit Anja alle Mühe. Sie hatte es ja auch verdient, verwöhnt zu werden.
Dass Bert heuer beim Sommerfest den „Sicherheitsdienst“ spielte, war von seiner Seite aus gut gemeint, aber eigentlich nicht nötig.
Alle Gäste verhielten sich vorbildlich, die Stimmung war heiter und entspannt. Niemand hatte Interesse daran, zu drängeln, anderen auf die Füße zu treten oder zu zanken. Lockerer und fröhlicher konnte es wohl nirgendwo zugehen!
Bürgermeister Angerer hielt wie üblich eine launige Fest-Ansprache, in der er unter anderem den Zusammenhalt und die gute Nachbarschaft im Dorf lobte.
„Bei uns ist die Welt noch in Ordnung, wir halten an den Werten unserer Heimat fest. Aber wir sind auch offen für Neues und schauen über den Tellerrand hinaus. Das braucht’s heutzutage, wenn man net im Abseits landen will. Uns passiert es jedenfalls net, dass wir alles an uns abprallen lassen. Wenn man wie wir in unserem wunderschönen Zillertal das Altbewährte und die Tradition mit neuen Erfahrungen verbindet, dann ist man auf dem richtigen Weg!“
Das Gemeindeoberhaupt erhielt genauso viel Beifall wie der Baron und die Baronin von Brauneck, die erstens eine großzügige „Prämie“ für die örtlichen Trachtenvereine versprachen und zweitens ein „Schlössl-Fest“ für alle ankündigten, das demnächst stattfinden sollte.
Auch Pfarrer Roseder ließ es sich nicht nehmen, ein paar tiefgründige Worte beizusteuern.
„Am heutigen Tag dürfen wir wieder einmal erfahren, dass unser Leben Heiterkeit und Geschenke für uns bereithält. Wenn wir uns umsehen, sehen wir schon eines dieser Geschenke. Wir wohnen behütet und geborgen in dieser herrlichen Landschaft, wir kümmern uns umeinander und gehen niemals achtlos aneinander vorbei. Und wir wissen, dass auch nach der dunkelsten Nacht das Licht wieder alle Schatten vertreibt. Daran sollten wir immer denken und fest daran glauben, dass Hoffnung und Liebe uns auf unserem Weg begleiten!“
Dr. Burger war ebenfalls gekommen, und zwar in Begleitung seiner Familie. Dazu zählten nicht nur seine Frau und die drei Kinder, sondern auch der Senior Dr. Pankraz Burger und die langjährige Wirtschafterin Zenzi.
Auf keinen Fall durfte Rauhaardackel Poldi vergessen werden, der vor allem die knusprigen Grillwürstl sehr schätzte.
An einem herrlichen Tag wie diesem durfte er ausnahmsweise eins dieser köstlichen „Magentratzerl“ verspeisen, ohne dass Frauchen zu Herrchen sagte: „Martin, wir wollen doch net, dass Poldi zu dick wird. Er darf außer seinem Futter nichts bekommen, was nicht hundegerecht ist.“
Darauf antwortete Herrchen immer ungefähr Folgendes: „Im Großen und Ganzen hast du ja recht, Liebes. Aber vielleicht redest du mal mit Vater darüber. Eine Scheibe Lyoner Wurst hier, ein Stückerl Tellersülze da – er ist da net so streng. Andererseits kann ich ja verstehen, dass auch ein Hund hin und wieder etwas anderes als das fade Gesundfutter zu sich nehmen will. Das ist ja so, als ob ich mittags diese entsetzlichen Sojabratlinge essen müsste, die wir neulich mal auf dem Teller hatten, und das jeden Tag. Und vielleicht noch Spinat dazu? Grauslich.“
Meistens endete das Ganze mit Frauchens Feststellung: „Na klar, du bist ganz auf Vaters Seite, Martin. Sülze und Wurst für einen kleinen Dackel, das kann doch nicht gut sein! Es ist und bleibt ungesund! Seid ihr wirklich Ärzte?“
„Allerdings. Wie du, mein Schatz. Tierärzte sind wir aber alle drei nicht. Woher sollen wir also wissen – wenn man es mal genau betrachtet – was so ein Hunderl wirklich braucht?“
Frauchen ging dann meistens aus dem Zimmer und rief aus dem Flur: „Es ist immer dasselbe, ich fasse es nicht! Genauso gut könnte ich gegen Wände reden!“
Derweil kicherten die Kinder, die Zenzi verschwand immer rasch in der Küche, und der Senior dröhnte: „Von mir bekommt das Zamperl nix Ungesundes, sondern nur regionale Produkte. Nicht dieses Dosenzeug oder die staubtrockenen Flocken mit dem Dörrgemüse und den angeblichen Vitaminen, die sich in der Packung schon längst verflüchtigt haben!“
War es nicht wunderbar, dass es heute keine Diskussion um Würstl und Ähnliches gab?
Poldi war in allerbester Hundelaune. Außerdem liebte er es, wenn seine Familie komplett beisammen war und alle genug Zeit für ihn hatten.
„Mama, Papa“, freute sich Tessa, acht Jahre alt, „wir dürfen nachher Feuerbohnen-Setzlinge einpflanzen. Die Anja sagt, dass sie ganz schnell wachsen, und dann klettern sie an einem Stangerl hoch. Und hernach machen wir noch rosa Beeren-Zuckerwatte. Die schmeckt toll!“
„Ich mag lieber weiße Zuckerwatte“, widersprach Filli, der drei Jahre jünger war als seine „große“ Schwester. „Die echte Watte ist ja auch weiß. Rosa ist was für Babys.“
„Lauri mag auch Suckerwattl essen“, meldete sich Nesthäkchen Laura zu Wort, „gelb und blau und gühn. Oder so. Und rot mit Tomten.“
„Tomaten“, kicherte Tessa. „Net Tomten! Zuckerwatte mit Tomaten, das ist echt lustig. Oder ganz bunte, wie ein Regenbogen!“
„Als Kosmetikwatte hab ich früher manchmal bunte Wattebällchen hergenommen“, erinnerte sich Sabine Burger. „Hellblau gefiel mir am besten. In der Praxis benutzt man die reine, unbehandelte Baumwollwatte, da kommt etwas Gefärbtes natürlich nicht infrage. Ein bisserl fusselt die Watte immer, deshalb nehmen wir ja eh lieber Zellstoff und Mull.“
„Abgesehen von Augenwatte“, warf Dr. Burger ein. „Die fusselt nun wirklich gar nicht! Bei einer Augenverletzung kann man auf keinen Fall mit Zellstoff oder Mull …“
„Stopp, aufhören!“, rief der Senior dazwischen. „Es geht um Zuckerwatte! Die medizinische Watte lassen wir heute mal dort, wo sie ist, nämlich im Hygieneschrank. Und den Verbandmull auch. Ich für mein Teil esse eh lieber gebrannte Mandeln, obwohl man höllisch aufpassen muss, dass man net mit einem Wackelzahn auf ein beinhartes Mändelchen beißt. Dann kann es gehörig krachen!“
„Ich müsste dringend mal wieder zum Zahnarzt“, mischte sich die Zenzi ein. „Aber davor graust es mir. Dr. Krüger in Mayrhofen praktiziert ja aus Altersgründen net mehr. Ein Jammer! Er war der Einzige, bei dem ich net gezittert hab. Ich weiß net, wer sein Nachfolger ist. Am Ende so ein Besserwisser, der den Patienten keine Schmerzspritze gibt, sondern mit Hypnose arbeitet. Das hört man ja immer öfter. Aber so was kann doch nur ein Schmarrn sein. Mich könnte eh niemand hypnotisieren, weil ich mich nämlich dagegen sträube, das mich jemand mit irgendeinem Gefasel einlullt!“
„Das glaub ich dir aufs Wort, Zenzerl“, amüsierte sich Dr. Pankraz Burger. „Zufällig hab ich gehört, dass Dr. Krügers Nachfolger sehr nett sein soll und vor allen Dingen vorsichtig. Hypnose nein, Musik ja. Er lässt wirklich im Hintergrund leise, angenehme Musik laufen. Das wirkt beruhigend und entspannend, Schmerzspritzen werden natürlich trotzdem verabreicht. Es gibt also keinen Grund für dich, den Zahnarztbesuch zu verschieben!“
„Ach, derzeit geht’s eh net“, wiegelte die Zenzi ab. „Bei den vielen Chorproben, die noch anstehen! Hat übrigens jemand den Herrn Staudacher gesehen? Er wollte auf alle Fälle heute dabei sein!“
Tatsächlich erschien Kirchenmusiker und Chorleiter Erik Staudacher wenig später und überraschte die Anwesenden mit einer kleinen Darbietung auf seiner Gitarre (er besaß übrigens daheim noch eine Mandoline, eine Querflöte und einen Flügel, außerdem waren seine Orgelkonzerte in der Pfarrkirche inzwischen legendär).
Wer ihn näher kannte, wusste natürlich, dass er nicht nur getragene oder klassische Musik liebte, sondern auch die amerikanischen Country-Songs und die sogenannten Fahrtenlieder wie „Wenn die bunten Fahnen wehen“ oder „Wir lagen vor Madagaskar“.
Diese Lieder waren wie eh und je bei Jugendgruppen und bei den Pfadfindern beliebt. Zwar passten sie nicht so ganz zum Sommerfest, bei dem man gern Tiroler Volkslieder sang und durchweg Trachtenkleidung trug, aber die Leute klatschten begeistert Beifall.
Danach übernahmen wieder die „Steigerer Buam“ das Kommando und sorgten für ausgelassene Stimmung.
***
Auch in diesem Jahr luden Paul und Lioba Zillberger die Burgers zu einer kleinen, privaten Weinprobe im Gartenhaus ein, das sich zwischen Geißblattranken und Efeu versteckte.
Hier war man ganz unter sich und konnte ein Weilchen plaudern, ohne gestört zu werden.
Derweil gingen die Kinder mit Opa und der Zenzi auf eine Kutschfahrt der besonderen Art. Der prächtige, alte Landauer, glänzend aufpoliert und mit Buchskränzchen geschmückt, wurde von zwei braven Schimmeln gezogen und gehörte dem Baron von Brauneck, der eine ganze Reihe schöner Kutschen sein eigen nannte.