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Der Herbst hält Einzug im Zillertal: mit warmen Farben und gemütlichen Stunden am Kamin. Die Bauern bringen das letzte Getreide ein und machen ihre Höfe winterfest. Für den Bergdoktor bringt die kühlere Jahreszeit allerdings einen rätselhaften Notfall: Eine junge Bäuerin sucht ihn spätabends panisch auf. Alarmiert blickt er in ihr verzerrtes, halbseitig gelähmtes Gesicht.
Woran ist Vicky Hundsbichler nur erkrankt? Seine sorgsame Untersuchung lässt nur eine Diagnose zu: Fazialisparese. Für eine Heilung braucht es starke Medikamente, Therapie und viel Geduld.
Ein Schock für Vicky, die doch eigentlich in drei Wochen als strahlende Braut vor dem Altar stehen wollte ...
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
In bewegten Zeiten
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Kzenon / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0536-3
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
In bewegten Zeiten
Einer stolzen Familie droht der Untergang
Von Andreas Kufsteiner
Der Herbst hält Einzug im Zillertal: mit warmen Farben und gemütlichen Stunden am Kamin. Die Bauern bringen das letzte Getreide ein und machen ihre Höfe winterfest. Für den Bergdoktor bringt die kühlere Jahreszeit allerdings einen rätselhaften Notfall: Eine junge Bäuerin sucht ihn spätabends panisch auf. Alarmiert blickt er in ihr verzerrtes, halbseitig gelähmtes Gesicht.
Woran ist Vicky Hundsbichler nur erkrankt? Seine sorgsame Untersuchung lässt nur eine Diagnose zu: Fazialisparese. Für eine Heilung braucht es Medikamente, Therapie und viel Geduld.
Ein Schock für Vicky, die doch eigentlich in drei Wochen als strahlende Braut vor dem Altar stehen wollte ...
Der Herbst hielt Einzug im Zillertal.
Während die Täler in warmes Rot und Gold getaucht wurden und der Wind buntes Laub von den Bäumen zupfte, waren die Gipfel längst weiß gezuckert. Kiefernwälder schmiegten sich an die Hänge. Hier waren Eichkatzerln unterwegs, verscharrten die Vorräte für den Winter und huschten so flink an den Bäumen hinauf und hinab, dass das Auge ihnen kaum folgen konnte.
Wenn am späten Nachmittag Nebelschwaden aufzogen und über die Wiesen waberten, zogen die Urlauber sich in ihre Quartiere zurück.
Die Bauern mussten, bevor der Winter kam, das restliche Futter für den Winter einbringen und ihre Höfe winterfest machen. Darüber flogen die Tage nur so dahin. Die Schneeschaufeln standen längst bereit, denn der Winter hielt sich in den Bergen nicht immer an den Kalender. Oft brach er früher als erwartet herein. Noch waren die Tage mild, aber die abendliche Kühle verriet den nahenden Frost.
St. Christoph lag ein wenig abseits von der modernen Welt. Das urige Bergdorf konnte nur über eine Serpentinenstraße von Mayrhofen aus erreicht werden. Gepflegte Bauernhöfe scharten sich um eine weiße Dorfkirche, die sich mit ihrem Zwiebelturm in den wolkenverhangenen Himmel reckte.
»Mei, ist das kalt geworden!« Sabine Burger zog ihren Poncho enger um sich.
»Möchtest du lieber umkehren?« Fürsorglich legte Martin Burger einen Arm um seine Frau.
Seine Sprechstunde war für diesen Tag beendet. Anschließend waren sie zu einem Spaziergang mit ihrem Dackel aufgebrochen. Seitdem die Sonne hinter den schrundigen Zacken des Achenkegels verschwunden war, war die Temperatur spürbar gesunken.
Der Wind schnitt ihnen eisig in die Wangen. Poldi schien das nicht zu stören. Der kleine Dackel jagte den bunt gefärbten Blättern hinterher, die der Wind über den Bürgersteig wehte, schnappte danach und hielt verblüfft inne, wenn er sein Ziel verfehlte.
Sabine nickte bedächtig.
»Ja, ich würde mich gern daheim in der Badewanne aufwärmen. Womöglich ...« Sie stockte mit einem Mal, und was immer sie noch sagen wollte, blieb ungesagt, weil von oben plötzlich etwas Rundes, stachelig Grünes auf sie herabfiel und sie am Kopf traf. »Autsch!« Sie rieb sich die schmerzende Stelle. »Wer schießt denn da auf mich?«
»Die Kastanie, unter der wir stehen. Lass mich mal schauen, Liebes.« Martin Burger strich durch das Blondhaar seiner Frau und vergewisserte sich, dass sie nicht blutete. Dann tupfte er ein Busserl auf ihre Wange. »Alles in Ordnung.«
»Danke, Martin.« Sabine schmiegte sich an ihn, und das Herz wurde ihm weit. Mit der warmherzigen Kollegin hatte er sein Glück gefunden. Drei quirlige Kinder füllten ihr Haus und ihre Herzen mit Lärm und Liebe, und er dankte dem Herrgott jeden Tag für seine Familie.
»Lass uns heimgehen.« Er rief seinen Dackel, und Poldi flitzte heran, dass seine Schlappohren wippten.
Sie schlenderten die Kirchgasse hinunter und konnten das Doktorhaus bereits sehen, als Poldi mit einem Mal kehrtmachte und zurück zur Kirche sauste.
»Poldi?« Verwundert drehte sich Martin Burger um. »Bei Fuß!«
Der kleine Hund dachte indes nicht daran zurückzukommen. Er rannte über die Straße, dass ein Milchwagen jäh bremsen musste, und verschwand hinter dem Gotteshaus.
»Was hat er denn nur?« Dr. Burger tauschte einen Blick mit seiner Frau.
Sie zog ratlos die Schultern hoch.
»Finden wir es heraus!«
Die beiden eilten Poldi nach und hörten ihn schon von Weitem so aufgeregt bellen, dass sie ihre Schritte unwillkürlich beschleunigten. Sie bogen um die Kirche, und hier wartete eine unliebsame Überraschung auf sie: Auf den Stufen, die zum Portal hinaufführten, lag ein Mann!
Jung war er, noch keine dreißig Jahre. Dunkle, leicht gewellte Haare rahmten ein markantes Gesicht ein, das auffallend blass war. Schweiß perlte trotz des kühlen Windes von seiner Stirn. Er trug Wanderkleidung – grüne Hosen, eine Windjacke und Wanderstiefel.
Poldi stieß ihn mit der Nase an und wedelte, als wollte er sagen: Komm, steh auf und spiel mit mir.
Dazu schien der Unbekannte jedoch nicht imstande zu sein. Seine Augen waren offen, aber sein Blick flirrte unstet umher. Und sein Atem kam schnell und abgehackt.
An seinem linken Ringfinger trug er zwei goldene Ringe.
Der Bergdoktor tauschte einen Blick mit seiner Frau. Dann kniete er sich neben den Kranken.
»Hallo? Können Sie mich hören?«
»Was haben Sie gesagt?« Blinzelnd versuchte ihn der Unbekannte anzusehen, aber seine Augen flackerten.
»Mein Name ist Burger. Ich bin Arzt. Können Sie mir Ihren Namen sagen?«
»Jennewein ... Dominik. Ich brauche ... mein Set. Bitte, in meiner Tasche.« Der Unbekannte tastete nach seinem Rucksack, aber seine Hände zitterten zu sehr, um ihn zu greifen.
»Darf ich?« Dr. Burger streckte eine Hand aus.
»Es ist ... vorn ...«
Er öffnete die aufgesetzte Tasche und fand darin ein Notfallset für Diabetiker. Es enthielt eine Flasche mit Glukagon in Pulverform und eine Spritze mit Lösungsmittel. Auch ein Testgerät mit Messstreifen befand sich in der Tasche.
»Sind Sie Diabetiker? Spritzen Sie sich Insulin?«
»Ja. Bitte, helfen Sie mir«, stieß er undeutlich hervor.
Dr. Burger zögerte nicht. Er maß den Blutzucker des jüngeren Mannes. Das Messgerät zeigte wenige Sekunden später einen alarmierend niedrigen Wert an.
Der Urlauber war akut unterzuckert!
Der Bergdoktor mischte das Pulver mit dem Lösungsmittel und zog die Spritze auf. Dann injizierte er sie in den Oberarm des Diabetikers.
Es dauerte nicht lange, dann bekam der junge Mann wieder Farbe. Seine Atmung wurde ruhiger, und sein Blick klärte sich. Er setzte sich auf und rieb seine Finger aneinander, die immer noch zitterten.
»Geht es jetzt besser?«, fragte Dr. Burger.
»Viel besser. Ich danke Ihnen, Herr Doktor.«
»Meinen Sie, Sie können aufstehen und ein paar Meter laufen? Meine Praxis ist dort vorn. Ich würde Sie gern untersuchen.«
»Mei, das ist net nötig. Sie haben bestimmt längst Feierabend, und ich hab nur vergessen, etwas zu essen. Das wird schon wieder.« Dominik lächelte matt. Schmal, wie er war, schien ihm das häufiger zu passieren.
»Ich denke auch, dass Sie das Schlimmste überstanden haben. Trotzdem möchte ich sichergehen, dass sich keine Komplikationen einstellen. Kommen Sie, bitte, Herr Jennewein.« Dr. Burger half seinem Patienten beim Aufstehen. Dominik schwankte, konnte den Weg aber aus eigener Kraft bewältigen.
Vor dem Doktorhaus bedeutete Sabine ihnen, dass sie mit Poldi in die Küche gehen und sich etwas aufwärmen würde.
Dr. Burger wandte sich mit seinem Patienten dem Anbau zu, in dem seine Praxis untergebracht war.
Gegründet hatte die Landarztpraxis sein Vater. Er hatte sie viele Jahre geführt, ehe er sie vor einigen Jahren an ihn übergeben hatte. Damals waren alle Räume modernisiert worden, auch ein Labor und einen Röntgenraum gab es nun.
Dominik ließ sich auf die Behandlungsliege fallen und fuhr sich durch die dunklen Haare.
»Es tut mir furchtbar leid wegen der Umstände, die ich Ihnen mache, Herr Doktor.«
»Muss es net. Dafür bin ich doch da. Ist es in Ordnung, wenn ich Du sage? Meine Patienten das so gewöhnt und ich auch.«
»Meinetwegen gern.«
»Dann werde ich dich jetzt untersuchen und dir Blut abnehmen, um es im Labor zu untersuchen.« Dr. Burger wartete das Einverständnis seines Patienten ab, dann vergewisserte er sich, dass der Kreislauf des Urlaubers stabil war und die massive Unterzuckerung keine unliebsamen Folgen hatte.
»Woher kommst du, Dominik?«
»Aus Innsbruck. Ich habe mir dort ein Grafikstudio aufgebaut, aber die vergangenen Monate waren hart. Ich habe meine Frau verloren, und daheim war es nimmer wie früher. Ich hab die Stille in den Zimmern nimmer ausgehalten, deshalb bin ich hergekommen. Hier erinnert mich net alles an sie. Ich dachte, das würde es leichter machen, aber das tut es net.«
»Dein Verlust tut mir sehr leid.«
»Danke.« Ein Schatten flog über das Gesicht des Urlaubers. »Ein Freund war vor einiger Zeit hier im Zillertal und meinte, hier könnte das Herz genesen. Daran glaube ich zwar net, aber ich hab mir gedacht, schlimmer kann es nimmer werden, und mir eine Hütte gebucht. Droben am Krähenwald.«
»Die kenne ich. Es ist aber recht einsam da oben. Vor allem jetzt im Herbst.«
»Mei ...« Der Blick des Urlaubers verdunkelte sich noch mehr und verriet, dass ihn die Einsamkeit längst verfolgte.
Kurz darauf lagen dem Bergdoktor seine Blutwerte vor.
»Dein Blutzucker hat sich auf einem guten Niveau stabilisiert. Du solltest dich wieder besser fühlen.«
»Das tue ich auch.«
»Gut. Ich würde dich trotzdem gern zur Beobachtung eine Nacht hierbehalten. Ich habe zwei Patientenzimmer in der ersten Etage. In einem davon kannst du übernachten.«
»Mei, ist das wirklich nötig?«
»Nach so einer Entgleisung, wie du sie gerade erlebt hast, sind Komplikationen möglich. Wenn die Nacht ruhig verläuft, und davon gehe ich aus, darfst du morgen früh heimgehen.«
»Na schön.« Dominik nickte bedächtig. »Es wartet ja niemand auf mich.«
Dr. Burger brachte ihn nach oben in eines der beiden Patientenzimmer. Hier gab es nicht nur allerhand medizinische Ausrüstung, sondern auch die nötigsten Hygieneartikel für eine Nacht.
Matt streckte sich sein Patient auf dem Bett aus. Der Zwischenfall hatte sichtlich an ihm gezehrt. Das war wirklich knapp gewesen!
Dr. Burger versprach ihm, bald nach ihm zu sehen. Dann kehrte er in seine Praxis zurück und räumte noch auf.
Gerade, als er sich überlegte, ob die Zeit bis zum Abendessen für ein entspannendes Bad reichen würde, klingelte jemand von draußen Sturm! Noch ein Notfall? Was war denn heute los?
Alarmiert lief er in den Flur und öffnete die Tür. Ein Windstoß riss sie ihm beinahe aus der Hand.
Draußen stand eine junge Bäuerin, die ihn aus weit aufgerissenen Augen panisch ansah. Oder vielmehr: aus einem weit aufgerissenen Auge, denn das rechte Lid hing schlaff nach unten. Genauso wie der Rest ihrer rechten Gesichtshälfte!
Dr. Burger kannte Victoria Hundsbichler schon seit vielen Jahren. Sie lebte mit ihrer Familie auf einem großen Bauernhof, der auf einer Anhöhe über dem Dorf stand. Vicky war eine warmherzige junge Frau mit vielen Träumen für die Zukunft. In wenigen Wochen wollte sie heiraten.
Beunruhigt schaute er nun in ihr verzerrtes Gesicht.
»Herr Doktor?« Vicky nuschelte, als wäre ihre Zunge zu groß für ihren Mund. Sie streckte ihm die Hände entgegen, während ihr die Tränen über das Gesicht strömten. »Bitte, helfen Sie mir.«
Ihre Symptome ließen ihn sogleich an einen Schlaganfall denken, aber dazu passte es nicht, dass sie offenbar beide Arme gleich gut heben konnte.
Wenn es aber kein Schlaganfall war, was fehlte Vicky dann?
***
Vierundzwanzig Stunden vorher
»Glaubt er wirklich, wir würden ihn net sehen?« Hias Hundsbichler schnalzte missbilligend mit der Zunge. Dabei stemmte er die Hände in die Hüften und starrte unter buschigen grau melierten Augenbrauen zu dem Auto hinüber, das soeben an der Zufahrt zu seinem Hof vorüberfuhr. »Das ist nun schon die vierte Runde, die er heute um unseren Hof dreht«, knurrte er. »Wie ein Aasgeier kreist er über uns.«
»Was, ist das etwa schon wieder der Lederer?« Vicky kam soeben mit einem Korb frischer Eier aus dem Hühnerstall und reckte den Hals. Um ihre blonden Haare hatte sie sich ein Tuch gebunden, um es vor Staub und Schmutz zu schützen. Ihre Gummistiefel quietschten leise, als sie neben ihren Vater trat und zu dem schmutzig-weißen Wagen hinüberblickte, dessen Rücklichter sich soeben wieder entfernten.
»Und ob er das war«, brummte ihr Vater. »Ich frag mich, wann der Sauhund endlich Ruhe gibt.«
»Sobald du ihm die Wiese unten am Mühlbach verkaufst, die er so dringend haben will.«
»Da kann er warten, bis er schwarz anläuft. Unser Land geb ich net her. Niemals, hörst du!«
»Womöglich wäre das aber gar kein Fehler«, gab Vicky zu bedenken.
»Jetzt fängst du auch noch an! Deine Mutter liegt mir auch schon in den Ohren, dem Lederer nachzugeben. Nix da! Den Hof hat mein Urahn gegründet und aufgebaut. Fast zweihundert Jahre ist das jetzt her. All seine Nachfahren haben immer Land dazu erworben und kein Fitzelchen hergegeben. Ich werde bestimmt net damit anfangen.«
Grimmig hieb der Hundsbichler mit der Faust gegen den Weidezaun, dass ein Kälbchen erschrocken aus dem Gras hochsprang und einen Satz zur Seite machte.
»Ich mein ja nur«, begütigte Vicky. »Wir haben genug Weiden und nutzen die Wiese net. Und das Geld vom Lederer könnten wir wirklich gut gebrauchen.«
»Wir kommen zurecht.« Hias reckte das bärtige Kinn vor. Er war zweiundfünfzig Jahre alt und eine stattliche Erscheinung. Breitbeinig stand er da und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wie verwurzelt er mit dem Land war, auf dem er geboren wurde. Der Bauernhof war sein Zuhause – und sein Leben.
Für den Landwirt war der Hof viel mehr als nur ein Besitz: Er war eine Verpflichtung, die er von seinen Vorfahren übernommen hatte und für seine Nachfahren bewahrte.
Von früh bis spät war der Bauer auf den Beinen, um den Hof zu bewirtschaften. Nur abends gönnte er sich gern eine Stunde Auszeit, saß in der Bauernküche im Schein der alten Mosaiklampe und malte. Am liebsten Alpentiere wie Gämsen und Alpensalamander. Seine Bilder waren so lebendig, als würden sich die Tiere jeden Moment bewegen.
Das Talent hatte Hias von seiner Großmutter geerbt. Als junger Mann hatte er davon geträumt, eine Karriere als Maler zu beginnen, aber dann war sein älterer Bruder gestorben, und er hatte den Hof übernehmen müssen. Das war ihm zur Berufung geworden. Die Liebe zum Malen aber war ihm geblieben.
Nun kramte er in seiner Tasche und zündete sich eine Zigarette an. Als Vicky ihn mahnend ansah, verdrehte er die Augen.
»Gerade schaust du aus wie deine Mutter. Die gönnt mir das bisserl Tabak auch net.«
»Mit gönnen hat das nix zu tun. Die Zigaretten sind net gut für dich, sagt Doktor Burger.«
»Ich rauch ja auch nur die eine. Zur Beruhigung«, brummte er. »Verrat mich nur net an deine Mutter.«
»Sie wird es ohnehin an dir riechen.«
»Nachher geh ich noch in den Stall. Der Geruch da überlagert dann schon alles andere.« Genüsslich blies ihr Vater einen Rauchkringel in die Luft.
Vicky seufzte leise. Ihr Vater versuchte seit Jahren, sich das Rauchen abzugewöhnen. Ohne Erfolg. Hin und wieder zog es ihn zu den Zigaretten. Dagegen kam er nicht an. Vor allem, wenn er sich aufregte oder über etwas ärgerte.
Die Hoftochter blickte sich um.
Der Hundsbichler-Hof lag malerisch an einem Berghang. Vor dem Anwesen breitete sich das Tal aus. Im Lauf der Jahrzehnte waren Teile des Gehöfts abgerissen und neu gebaut worden. So hatte der Hof sein Aussehen immer wieder verändert. Was geblieben war, waren die grünen Wiesen ringsum, die Rufe des Milans und der Duft des Heus.
Milchkühe und Jungvieh grasten hinter dem Hof. Den Sommer hatten sie in den höheren Regionen verbracht, aber dort lag inzwischen Schnee, deshalb waren sie zurück ins Tal getrieben worden.
»Mit dem Geld vom Lederer könnten wir den Traktor reparieren lassen«, rechnete Vicky ihrem Vater nun vor. »Das ist schon lange nötig. Er pfeift aus dem letzten Loch, wenn du mich fragst.«
»Der tut es schon noch.«