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An einem bitterkalten Wintertag macht Freya Hölzel eine beunruhigende Entdeckung: Sie hat eine Geschwulst am Hals! Was kann das nur sein?
Freya fühlt sich schon seit einiger Zeit nicht wohl. Nachts wacht sie oft schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen auf. Sie nimmt grundlos ab, ist fahrig und unkonzentriert. Bis jetzt hat sie ihre Beschwerden auf die Trennung von ihrem Freund geschoben. Was, wenn noch etwas anderes dahintersteckt?
Da bietet sich ihr unverhofft die Möglichkeit zu einem Aufenthalt in den Zillertaler Bergen: Ihr Nachbar ist Fotograf und hat die Erlaubnis, im Schlössl von St. Christoph Aufnahmen für einen Trachten-Katalog zu machen. Freya soll sein Model sein.
Sie zögert, denn eigentlich müsste sie den seltsamen Knubbel an ihrem Hals untersuchen lassen, aber zwei Wochen mehr oder weniger werden keinen Unterschied machen, nicht wahr? Die Aussicht auf eine Auszeit im verschneiten Zillertal ist verlockend. Kurzentschlossen sagt sie zu. Nicht ahnend, dass sie eine tickende Zeitbombe in ihrem Körper hat!
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Einmal richtig glücklich sein
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Alex Volot / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0634-6
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Einmal richtig glücklich sein
Als Freya alles aufs Spiel setzte
Von Andreas Kufsteiner
An einem bitterkalten Wintertag macht Freya Hölzel eine beunruhigende Entdeckung: Sie hat eine Geschwulst am Hals! Was kann das nur sein?
Freya fühlt sich schon seit einiger Zeit nicht wohl. Nachts wacht sie oft schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen auf. Sie nimmt grundlos ab, ist fahrig und unkonzentriert. Bis jetzt hat sie ihre Beschwerden auf die Trennung von ihrem Freund geschoben. Was, wenn noch etwas anderes dahintersteckt?
Da bietet sich ihr unverhofft die Möglichkeit zu einem Aufenthalt in den Zillertaler Bergen: Ihr Nachbar ist Fotograf und hat die Erlaubnis, im Schlössl von St. Christoph Aufnahmen für einen Trachten-Katalog zu machen. Freya soll sein Model sein.
Sie zögert, denn eigentlich müsste sie den seltsamen Knubbel an ihrem Hals untersuchen lassen, aber zwei Wochen mehr oder weniger werden keinen Unterschied machen, nicht wahr? Die Aussicht auf eine Auszeit im verschneiten Zillertal ist verlockend. Kurzentschlossen sagt sie zu. Nicht ahnend, dass sie eine tickende Zeitbombe in ihrem Körper hat!
Freya Hölzel saß mit verschränkten Beinen auf dem Bett und schrieb eine Szene für ihren neuesten Krimi.
Roxy, ihre Titelheldin, lebte wie sie selbst in München. Allerdings war ihr Leben ungleich spannender, denn Roxy war als Klatschreporterin unterwegs und traf tagtäglich Stars und Sternchen. Sie trug ihr Herz auf der Zunge und besaß nicht nur eine spitze Feder, sondern auch den verhängnisvollen Hang, in Morde verwickelt zu werden.
In ihrem neuen Abenteuer hatte das klägliche Maunzen eines Kätzchens sie zur Villa einer bekannten Schlagersängerin gelotst. Unversehens fand sich die Journalistin an einem Tatort wieder. Die reichlich vorhandenen Blutspuren im tief verschneiten Garten legten nahe, dass die Künstlerin nie wieder eine Dose Futter für ihren kleinen Liebling öffnen würde.
Doch wo war ihre Leiche?
Freyas Bleistift flog nur so über die linierten Seiten des Notizbuches. Ihre Heldin hatte wilde rote Locken und ein ungestümes Temperament. Um ihre schlagfertige Art beneidete Freya sie glühend. Ihr selbst fielen geistreiche Erwiderungen oft viel zu spät ein. Roxy dagegen konterte mit Herz und Humor – auch wenn es Freya häufig Kopfzerbrechen bereitete, bis sie eine Antwort ihrer Heldin ausgetüftelt hatte.
In dem Regal neben ihrem Bett reihten sich die Notizbücher mit den Fällen aneinander, welche ihre Reporterin bereits gelöst hatte. Ein halbes Dutzend war es. Freya liebte es, abends in ihren Geschichten zu versinken. In die Abenteuer auf ihren Buchseiten floss ihr ganzes Herzblut.
Genau das hatte ihr Exfreund ihr vorgeworfen. Kurz nachdem sie ihn mit seiner Yogaschülerin in einer Position angetroffen hatte, die in keinem Yoga-Lehrbuch stand.
Das Leben mit dir ist langweilig wie ein zusammengefallenes Soufflé, hatte er sich beschwert. Es gibt überhaupt keine Überraschungen mehr!
Ja, das stimmte allerdings. Sie hatte schon viele Überraschungen in ihrem Leben gehabt, und keine hatte etwas Gutes bedeutet. Nein, auf solche Turbulenzen verzichtete sie gern. Ihre Abenteuer erlebte sie lieber auf dem Papier.
Sie war Bürokauffrau. Tagsüber beherrschten Zahlen und Akten ihren Alltag. In ihrer Freizeit jedoch dachte sie sich Geschichten für ihre Heldin aus. Sie träumte sich mit Roxy in einsame englische Landschlösser oder traf sich mit gut aussehenden, aber leider unter Mordverdacht stehenden Prinzen in verträumen Cafés.
Arthur hatte dafür nur ein Augenrollen übrig gehabt. Er hielt ihr Hobby für Zeitverschwendung.
Ein Stich fuhr ihr ins Herz.
In den letzten Monaten war er immerzu von ihr genervt gewesen. Nimmer daran denken, befahl sie sich selbst und beugte sich vor, weil das Licht ihrer Nachttischlampe nicht allzu weit reichte. Freya versuchte sich wieder auf ihre Geschichte zu konzentrieren, aber nachdem sich Arthur in ihre Gedanken geschlichen hatte, fiel ihr das nicht mehr so leicht.
Sie schweifte ab und ertappte sich dabei, wie sie aus dem Fenster in die graue, verregnete Dezembernacht blickte. Von Schnee gab es heuer noch keine Spur. Dafür fauchte ein kräftiger Nordwestwind zu dem gekippten Fenster herein.
Unwillkürlich wickelte sich Freya fester in ihre Decke.
Ihr Schlafzimmer war ganz in Weiß und zartem Grün gehalten, mit ein paar holzbraunen Einsprenkeln. Die Farben ließen den Raum behaglich wirken. Ein zerlesener Kriminalroman lag neben der halb heruntergebrannten Kerze auf ihrem Nachttisch.
Der Wecker stand auf halb fünf, aber schlafen konnte sie nicht mehr. Schon wieder nicht.
Ein leises Seufzen entfuhr Freya.
Seit einiger Zeit fuhr sie regelmäßig nachts hoch. Schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen, als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen. Dann klebte ihr Nachthemd feucht auf ihrer Haut, und sie war hellwach.
Einmal hatte sie es gegen vier Uhr morgens mit einer Schlaftablette versucht, aber das Mittel hatte sie bis halb elf Uhr vormittags schlafen lassen. Sie hatte sich bei der Arbeit verspätet und sich allerhand Schelte von Arthur anhören müssen. Zu allem Überfluss war er auch ihr Chef – gewesen.
Unwillkürlich drehte sie den Kopf zur Seite. Das Laken neben ihr war kalt und leer. Arthur war nicht länger ein Teil ihres Lebens. Er schlief jetzt bei der anderen.
Auf dem Nachttisch stand das gerahmte Foto von ihrem letzten gemeinsamen Ausflug zum Chiemsee. Sie hatte es noch nicht übers Herz gebracht, es wegzuwerfen.
Arthur war zu seiner neuen Liebe gezogen. Das war jedoch nur vorübergehend, denn die Wohnung, die fast zehn Monate lang ihr gemeinsames Zuhause gewesen war, gehörte ihm. Früher oder später würde Freya ausziehen müssen.
Die Erdgeschosswohnung führte in einen Garten, den sie schmerzlich vermissen würde. In den wärmeren Jahreszeiten saß sie gern draußen und spürte den warmen Sonnenschein auf ihrer Haut, während sie ihre Heldin in ein neues Abenteuer schickte.
Aus und vorbei.
Freya schluckte, aber der kalte Klumpen in ihrer Kehle ließ sich nicht vertreiben.
Ihre Mutter war vor einigen Jahren gestorben, und ihren Vater hatte sie nie kennengelernt.
Arthur war in den vergangenen Monaten ihr Freund und Partner gewesen. Sie hatten gemeinsam in einem Yogastudio im Süden von München gearbeitet. Er hielt die Kurse ab, und sie hatte sich um Buchführung, Verwaltung und Werbung gekümmert.
Sie waren ein gutes Team gewesen, aber vielleicht hatte die ständige Nähe ihrer Beziehung auch den Todesstoß versetzt. Arthur hatte sich nach neuen Abenteuern gesehnt.
Freya war sich bewusst, dass sie einen neuen Job und eine neue Wohnung brauchte. Sie legte ihr Schreibzeug zur Seite und nahm die Tageszeitung zur Hand. Beim Studium der Angebote freier Wohnungen sank ihr der Mut.
Zwar gab es zahlreiche freie Wohnungen, aber zu horrenden Preisen! Bezahlbarer Wohnraum war in München so schwer zu finden wie die Nadel im Heuhaufen. Offenbar blieben Freya nur zwei Optionen: eine Bank zu überfallen oder sich eine Brücke zu suchen, unter der sie schlafen konnte.
Das kann net sein, dachte sie energisch. Es musste sich doch etwas finden lassen. Sie blätterte weiter, musste jedoch bald einsehen, dass Entschlossenheit allein noch keine neue Wohnung herbeizauberte.
Beklommen fasste sich Freya an den Hals – und stutzte plötzlich. Nanu? Was war denn das?
Unter ihren Fingern spürte sie etwas. Was war denn das? Ein Knubbel?
Sie tastete noch einmal über die Stelle.
Tatsächlich. Vorn rechts, wo sie ihre Schilddrüse vermutete, konnte sie eine deutliche Wölbung unter der Haut ertasten. Sie war fast so groß wie eine Walnuss! Und sie war neu!
Wie ein glühend heißer Feuerstrahl fuhr ihr der Schreck in die Glieder. Was konnte das nur sein?
Freya sprang auf und eilte ins Badezimmer. Sie knipste das Licht an, trat vor das Waschbecken und spähte in den Spiegel. Ja, die Wölbung war da. So leicht, dass man sie nur sah, wenn man genau hinschaute, aber eindeutig vorhanden.
Sie legte den Kopf zur Seite und nach hinten und beäugte ihren Hals, während sich Panik in ihr ausbreitete. Nein, es war keine Einbildung. Unter ihrer Haut verbarg sich etwas.
Eine Geschwulst? Forschend spähte Freya wieder in den Spiegel.
Schmal war ihr Gesicht geworden. Das Kinn stach spitz hervor. Und sie war so blass, als hätte sie seit Jahren keine Sonne gesehen. Die Trennung setzte ihr zu. Seit Arthur ausgezogen war, aß sie nur noch wenig oder vergaß eine Mahlzeit auch gleich ganz. Oder steckte mehr als die Trennung dahinter?
Während sie grübelte, wurde unvermittelt ein Schlüssel im Türschloss umgedreht. Kurz darauf schwang die Wohnungstür auf, und Arthur kam herein.
Ihr früherer Freund war ein Frühaufsteher, der am liebsten frühmorgens joggen ging. Das füllt meine Batterien auf, pflegte er zu sagen.
Er trug Laufkleidung, Sportschuhe und eine Sportuhr am Arm. Seine dunkelblonden, leicht gewellten Haare wurden von einem gefalteten Tuch aus der Stirn gehalten. Seine Haut war selbst im Winter sonnengebräunt, und an seinem sehnigen Körper fand sich kein Gramm Fett.
Arthur unterrichtete Yoga nicht nur, nein, er lebte es. Ernährung, Schlafrhythmus, Meditationen – alles war darauf abgestimmt.
Anstelle einer Begrüßung wog er den Schlüssel in seiner Hand und bedachte Freya mit einem düsteren Blick.
»Freya? Wir müssen reden!«
***
»Guten Morgen.« Freya nahm die Hand hastig von ihrer Kehle. Wenn es etwas gab, das Arthur verabscheute, dann waren das Zeichen körperlicher Schwäche. »Möchtest du einen Kaffee?«
»Kaffee?« Er sah sie so entgeistert an, als hätte sie ihm ein Haferl Strychnin angeboten. »Das Zeug bringt einen um, das solltest du eigentlich wissen. Ich bin auch nur hier, um meine Skistiefel zu holen. Übers Wochenende fahre ich nach St. Moritz. Ein Hotel hat mich für einen Kurs gebucht.«
»St. Moritz? Das ist ja großartig.«
»Das findet Anni auch. Sie vertritt mich derweil hier in München. Glücklicherweise ist sie keine Frau, die klammert.«
So wie ich, meinst du? Freya biss sich auf die Lippen.
Arthur wandte sich ab und kramte in seinem Schuhschrank.
Derweil ging Freya in die Küche, füllte den Wasserkocher und gab Kaffeepulver in einen Becher. Für ihren Ex mochte Koffein der Staatsfeind Nummer eins sein. Sie selbst brauchte morgens ausreichend Kaffee, sonst kam sie einfach nicht in die Gänge.
»Hör zu, Freya ...« Arthur kam zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist mir unangenehm, aber da du keine Anstalten machst auszuziehen, muss ich dir leider eine Frist für deinen Auszug setzen.«
»Eine Frist?«
»Das hier ist meine Wohnung. Dachtest du etwa, du könntest ewig hier wohnen bleiben?« Nun klang er deutlich gereizt.
»Nein. Natürlich net.«
»Siehst du.« Er nickte kaum merklich. »Annis Zimmer ist zu klein für zwei Personen. Wir brauchen diese Wohnung, deshalb musst du leider raus. Net heute und morgen, aber bald.«
»Ich suche eine Wohnung, aber das ist net so einfach.«
»Das kann ich mir vorstellen, aber das ist net mein Problem. Tut mir leid, wenn ich das so offen sage, aber in einer Woche musst du hier weg sein.«
»In einer Woche?« Freya riss entsetzt die Augen auf. »Wie soll ich denn in so kurzer Zeit ein neues Zuhause finden?«
»Du hattest schon mehrere Wochen Zeit, um dich umzuschauen.«
»Das hab ich auch gemacht, aber die Mieten sind zu hoch für mein Budget. Zumal ich auch ohne Job dastehe.« Freya konnte einen leisen Vorwurf nicht aus ihrer Stimme heraushalten. Arthur bezahlte sie noch bis zum Ende des Monats, aber sie sollte schon jetzt nicht mehr zur Arbeit kommen. Seine neue Freundin hatte ihren Posten übernommen.
»Es geht net anders«, murmelte er. »Anscheinend brauchst du einen Tritt, um in die Gänge zu kommen.«
Seine Worte trafen Freya wie ein Schlag ins Gesicht. Sein Betrug hatte sie unvorbereitet getroffen und aus allem gerissen, das bis dahin ihr Leben ausgemacht hatte. Plötzlich gab es Anni in seinem Leben, und sie selbst war passé.
»Bitte, gib mir noch ein bisserl Zeit, Arthur.«
»Tut mir leid, das kann ich net. Nächste Woche bist du hier raus, oder ich lasse dich räumen.«
Freyas Sicht verschwamm. Das konnte er nicht ernst meinen. Nach allem, was sie gemeinsam geschafft hatten?
Für das Studio hatten sie zusammen die Ärmel aufgekrempelt und viele schlaflose Nächte und Arbeitsstunden investiert. Allerdings stand nur sein Name auf den Verträgen. Offiziell war sie nichts als seine Angestellte gewesen.
Plötzlich tat ihr alles weh. Und in ihren Ohren rauschte es. Wie durch dichten Nebel hörte sie Arthur noch etwas sagen. Dann war er fort. Gegangen. Ohne noch das kleinste Zeichen von Zuneigung.
Freya sank wie betäubt auf die Eckbank. Sie hörte kaum, wie das Wasser im Kocher sprudelte und sich das Gerät abschaltete. Verzweiflung breitete sich in ihr aus. Was mache ich denn nun bloß?, hämmerte es hinter ihrer Stirn. Wo soll ich hin?
»Hallo? Freya? Bist du daheim?« Unvermittelt waren Schritte zu vernehmen. Sie wurden lauter.
Jemand war im Korridor!
»Was?« Sie schreckte hoch. »Wer ist da?«
»Ich bin es nur. Jasper. Tut mir leid, dass ich so bei dir hereinplatze. Die Tür stand offen. Ich dachte schon, jemand wäre bei dir eingebrochen.« Ihr Nachbar sah sich alarmiert um.
Jasper Stieglitz war nur wenige Jahre älter als sie und von kräftiger Statur. Er schien gerade erst nach Hause gekommen zu sein, denn auf seiner Wetterjacke und in seinen dunklen Haaren glitzerten Regentropfen.
»Geht es dir gut?«
»Das kann ich net gerade behaupten«, wisperte sie und wischte sich über die brennenden Augen.
»Was hast du denn?« Besorgt beugte er sich vor.
Freya wollte etwas erwidern, aber sie konnte es nicht. Stattdessen brach sie haltlos in Tränen aus. Wilde Schluchzer schüttelten sie und machten jeden Versuch einer Erklärung unmöglich. Ihr Nachbar hakte nicht nach. Stattdessen legte er die Arme um sie, strich tröstend über ihren Rücken und murmelte leise, beruhigende Worte.
Jasper war Fotograf und häufig unterwegs. Freya hatte seinen Wohnungsschlüssel. Sie goss seine Blumen und fütterte Samson und Delilah, seine beiden Landschildkröten, wenn er nicht da war.
Ihr Nachbar war gut einen Kopf größer als sie. In seiner Umarmung verschwand sie beinahe. In seinen braunen Augen stand ein warmer Ausdruck, der ein großes Herz verriet.
»Möchtest du mir erzählen, was geschehen ist?«, fragte er und reichte ihr ein Taschentuch.
Sie wischte sich über die Augen und putzte sich die Nase. Dann gab sie ihm das Tuch zurück. Jasper schaute es kurz an, dann steckte er es wieder in seine Hosentasche.
»Hat dir jemand etwas getan, Freya? Bist du verletzt?«
»Nein, mir fehlt nichts. Es ist nur ...« Sie stockte und brachte die Worte nicht über die Lippen. So sah sie ihn nur an und bemerkte, wie müde er aussah. »Mei, Jasper, du siehst fast so elend aus, wie ich mich fühle.«
»Ich war die ganze Nacht auf den Beinen. Ein Auftrag für ein Autohaus. Sie wollten ihr neuestes Modell unbedingt bei Regen fotografiert haben. Schon die Beleuchtung war ein Albtraum.«
»Möchtest du dann vielleicht einen Kaffee mit mir trinken?«
»Liebend gern. Für Kaffee würde ich jetzt fast alles tun.«
»Setz dich doch. Das Wasser müsste noch heiß sein.« Freya fasste an den Wasserkocher, stellte fest, dass das Wasser inzwischen abgekühlt war, und schaltete ihn noch einmal ein. Dann gab sie Kaffeepulver in einen zweiten Becher und stellte Kaffeesahne bereit.
Wenig später saßen sie einander gegenüber. Jasper zog seine Jacke aus, hängte sie über den Stuhl und schlang die Hände um seinen Becher. Dann trank er einen großen Schluck.
»Danke dir, Lebensretterin.«
Ein mattes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Von wegen Lebensretterin. Sie fühlte sich momentan eher wie eine Schiffbrüchige. Mit Jasper war jedoch alles wunderbar unkompliziert. Mit ihm konnte sie reden und auch schweigen.