Der Bergdoktor 2065 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2065 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Kathi ist an diesem Tag die letzte Patientin für Dr. Burger. Er hat ihren Termin extra so gelegt, damit er sich viel Zeit für sie nehmen kann.
Wie richtig diese Entscheidung war, zeigt sich, als Kathi ihm blass und zitternd ihr Beschwerdebild schildert.
"Es gibt vieles, was mir schreckliche Angst macht! Ich habe Lähmungen in Armen und Beinen, Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle. Hin und wieder hüpft mein Herz so komisch, es gerät dann aus dem Takt. Manchmal habe ich Rückenschmerzen, dann kann ich mich irgendwo stoßen oder in den Finger schneiden, ohne es überhaupt zu merken. Was fehlt mir nur? Bitte - helfen Sie mir!"


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Seitenzahl: 102

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Chancenlos ohne Dr. Burger

Vorschau

Impressum

Chancenlos ohne Dr. Burger

Kathi kam mit einem schlimmen Verdacht in die Arztpraxis

Von Andreas Kufsteiner

Kathi ist an diesem Tag die letzte Patientin für Dr. Burger. Er hat ihren Termin extra so gelegt, damit er sich viel Zeit für sie nehmen kann.

Wie richtig diese Entscheidung war, zeigt sich, als Kathi ihm blass und zitternd ihr Beschwerdebild schildert.

»Es gibt vieles, was mir schreckliche Angst macht! Ich habe Lähmungen in Armen und Beinen, Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle. Hin und wieder hüpft mein Herz so komisch, es gerät dann aus dem Takt. Manchmal habe ich Rückenschmerzen, dann kann ich mich irgendwo stoßen oder in den Finger schneiden, ohne es überhaupt zu merken. Was fehlt mir nur? Bitte – helfen Sie mir!«

»Es ist schon fast ein Uhr, Herr Doktor.« Bärbel Tannauer, Dr. Burgers rechte Hand in der Praxis, klimperte mit ihrem Schlüsselbund. »Ich möchte hinter Ihnen abschließen. Falls Sie net mehr daran gedacht haben: Heute ist Mittwoch, und nachmittags ist die Praxis zu.«

»Ich weiß, Bärbel. Zum Glück leide ich bis noch nicht unter chronischer Vergesslichkeit«, scherzte Dr. Burger. »Und mir ist auch klar, was du sagen willst, nämlich, dass ich endlich verschwinden soll. Aber ich bin während der Sprechstunde noch nicht dazu gekommen, einen Blick auf die Post zu werfen. Das hole ich jetzt nach. Auf meinem Schreibtisch liegt ja schon ein ganzer Stapel Briefe.«

Bärbel seufzte. »Ja, aber so eilig wird's schon net sein. Ihre Frau hat mich extra darum gebeten, darauf zu achten, dass Sie heute Mittag pünktlich die Praxis verlassen.«

»Man will mich also gewaltsam aus meiner eigenen Praxis drängen?«, schmunzelte der Doktor. »Das ist ja allerhand. Hör zu, Bärbel, ich weiß, dass ich meiner Frau einen schönen Frühlingsnachmittag versprochen hab, und zwar mal ganz ohne Termine. Keine Blicke auf die Uhr, kein Herumtelefonieren, soweit das möglich ist. Aber ich will wenigstens mal nachschauen, ob etwas Wichtiges in der Post ist. Es dauert net lang. Geh ruhig heim. Ich schließe ab – wie immer.«

»Gegen Ihren Eigensinn komme ich net an«, meinte die Bärbel, »aber das war mir eh klar. Na ja, ich hab's wenigstens versucht. Hoffentlich wird's noch etwas aus dem Frühlingsnachmittag! Ich würde es Ihnen und Ihrer Frau gönnen, mal ein bisserl die Zeit zu vergessen.«

»Keine Sorge, ich halte mein Versprechen. Bis morgen, Bärbel.«

»Freilich. Wie immer um dreiviertel acht in der Früh.«

Eigentlich könnte ich die Briefe mit nach nebenan ins Haus nehmen, dachte der Doktor.

Aber die Familie – sicher warteten alle schon mit dem Essen auf ihn – würde ihn eh daran hindern, mittags die Post zu lesen.

Vor allem die Kinder achteten neuerdings richtig streng darauf, dass Papa auf keinen Fall »das Medizinische« mit dem Privaten vermischte und dass er obendrein mit Mama und Opa, beide natürlich auch Ärzte, nur ganz kurz über Krankheiten und schwierige Fälle redete – oder erst dann, wenn sie allein waren.

Kinder wollen etwas anderes hören, zum Beispiel, was man am Wochenende unternehmen könnte. Es gab doch so viele tolle und spannenden Dinge!

Selbst der Bachhuber-Zenzi, die seit vierzig Jahren im Haus war, wurde es manchmal zu viel mit dem Fachsimpeln. Dabei war sie bei drei Ärzten ja eigentlich daran gewöhnt, dass verschiedene Themen quer durch die gesamte Medizin an der Tagesordnung waren.

Gut, dass die Kinder samt Dackel Poldi dazwischenfunkten! Tessa, acht Jahre alt, ihr drei Jahre jüngerer Bruder Filli und Nesthäkchen Laura, zweieinhalb, wussten ganz genau, wie sie ihre Eltern und den Opa um den Finger wickeln konnten.

Sie waren ja eh das Wichtigste im Haus, die drei Sonnenstrahlen, sozusagen ein fröhliches »Dreigestirn« mit einem kleinen, treuen Zamperl als Begleiter.

Dr. Burger beschloss, die Post dort zu lassen, wo sie war, nämlich auf seinem Schreibtisch. Wahrscheinlich hatte die Bärbel recht, und es war alles gar nicht so dringend. Ein kurzer Blick musste daher genügen.

Es waren Schreiben von Arzneimittel-Firmen und Krankenkassen dabei, zwei Abschlussberichte von Reha-Kliniken und eine Umfrage der Ärztekammer, außerdem Werbung und dazu ein paar Einladungen zu Vorträgen und Veranstaltungen, also im Prinzip das Übliche. Aber ein Brieferl fiel dem Doktor auf, das ohne Zweifel rein privater Natur war.

Absender: Kathi Menzinger, zurzeit Bad Reichenhall. Martin Burger wunderte sich.

Nanu, die Kathi schrieb ihm einen Brief?

Vor seinem inneren Auge tauchte ein hübsches, frisches Gesicht auf, umrahmt von dunkelbraunem Haar.

Bevor Kathi für drei Monate nach Reichenhall gegangen war, um an der Hotelfachschule ein Seminar zu besuchen, hatte sie sich von ihm verabschiedet – sehr eilig allerdings. Draußen hatte nämlich ihr Freund Jonas gewartet, um noch ein paar Stunden mit ihr allein zu verbringen.

Wegen Jonas, in den Kathi sehr verliebt war, hätte sie das Seminar beinahe sausen lassen. Aber wer im Beruf weiterkommen wollte – Kathi hatte vor, weiterhin im Berghotel »Am Sonnenhang« zu arbeiten – musste Einsatzfreudigkeit zeigen und auch eine Portion Ehrgeiz. Denn sonst konnte man leicht auf der Strecke bleiben.

»Ich werde bald wieder heimkommen«, schrieb Kathi, »ein bisschen gestresst bin ich nach diesen anstrengenden Wochen, aber ich habe ganz viel dazu gelernt und bin froh, dass ich durchgehalten habe.

Jonas hat mir sehr gefehlt. Ich wollte nicht, dass er mich hier besucht, sonst wäre ich wankelmütig geworden und hätte eventuell darauf bestanden, dass er mich mitnimmt, heim ins Zillertal. Aber es wäre ein Fehler gewesen, das Seminar abzubrechen.

Ich schreibe Ihnen, weil ich in der letzten Zeit dauernd an meine Mutter und an ihre Krankheit denken musste. Jetzt ist sie schon sieben Jahre nicht mehr bei uns, und ich habe damals, als sie noch lebte, vieles versäumt. Sie hat sich ja nie beklagt, und ich dachte, dass es ihr gar nicht so schlecht ging.

Es lag daran, dass ich zu wenig über Multiple Sklerose wusste. Ich war neunzehn Jahre alt und hielt mich zurück, weil mich der Gedanke an Krankheit und Tod erschreckte.

Wenn ich heimkomme, könnten Sie mir dann noch einmal genau erklären, was es mit dieser Krankheit auf sich hat und wieso meine Mutter gestorben ist, obwohl sie die ganze Zeit über nicht so krank wirkte, wie sie es anscheinend war?

Ich frage jetzt schon nach, damit Sie vielleicht irgendwann mal ein Stündchen Zeit für mich haben. Ich weiß ja, dass Sie während der Sprechzeiten sehr gefordert sind. Sobald ich wieder da bin, rufe ich in der Praxis an. Ich wäre sehr dankbar, wenn ich einen Termin bekommen könnte.

Ihre Kathi.«

Sonderbar, dachte Dr. Burger.

Er faltete den Brief zusammen und schrieb einen Hinweis für die Bärbel auf den Umschlag: »Wenn Kathi Menzinger anruft, Gesprächstermin nach 18 Uhr ausmachen.«

Dass sie sich sozusagen doppelt anmeldete, erst schriftlich und nach ihrer Rückkehr dann auch noch telefonisch, kam dem Doktor rätselhaft vor.

Anscheinend wollte sie andeuten, wie wichtig ihr dieses Gespräch war. Außerdem wirkten die wenigen Zeilen nicht gerade positiv, eher bedrückend, obwohl das Seminar ein Erfolg für sie gewesen war.

Was veranlasste Kathi, sich nach vielen Jahren nun wieder den Kopf darüber zu zerbrechen, woran ihre Mutter wirklich gestorben war?

Dr. Burger erinnerte sich daran, dass er es Kathi damals schon erklärt hatte.

Aber wer nicht zuhört, der weiß später eben auch nicht Bescheid ...

Und Kathi hatte nicht zugehört. Sie war in ihrer Trauer um die Mutter versunken und hatte sich allenfalls ihrem Vater anvertraut, dem Großbauern Alfred Menzinger vom Haldenhof im Weiler Bergfelden.

Der Vater, seine Tochter und sein Sohn, Kathis zwei Jahre älterer Bruder Bastian, hatten fest zusammengehalten, auch schon während Magda Menzingers Krankheit.

Sie war nur selten im Dorf aufgetaucht, weil ihr das Laufen schwergefallen war. Aber sie hatte tapfer gelächelt und gemeint, sie sei ja nicht allein auf der Welt und sie hätte ja das Glück, trotz der tückischen Krankheit nicht im Rollstuhl sitzen zu müssen.

Man wusste, dass sie bei einer Wanderung zusammengebrochen und danach schwach und kränklich geblieben war. Ihr war einfach der Boden unter den Füßen weggerutscht.

Dieser eigentlich harmlose Vorfall war der Beginn einer schweren Zeit gewesen, nicht nur für Magda selbst, sondern auch für ihren Mann und ihre Kinder Bastian und Kathi.

Denn obwohl Dr. Burger die Multiple Sklerose dank einer gezielten Behandlung unter Kontrolle gebracht hatte, war Magda vor den typischen »Schüben« nicht verschont geblieben und sehr anfällig für Infekte geworden. Schon einfache Erkältungen hatten bei ihr zu starken Symptomen geführt.

Magdas großer Trost war – neben ihren Kindern – die Liebe ihres Mannes gewesen, aber auch ihr unerschütterlicher Glaube.

Wann immer es ihr Zustand erlaubt hatte, war sie bei Gottesdiensten und Wallfahrten dabei gewesen. Ihr Mann hatte ihr den Wunsch erfüllt, nach Lourdes zu reisen, an jenen Ort, an dem die Jungfrau Maria einem Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen erschienen war. Das Wasser aus der Quelle neben der Mariengrotte sollte Wunder wirken und Kranke heilen.

Lourdes war die letzte Station in Magdas Leben gewesen. Sie hatte es nicht mehr bis nach Hause geschafft.

Eine schwere Lungenentzündung hatte sie in Lourdes dahingerafft, eine Infektion, die so schnell und heftig aufgetreten war, dass es keine Hilfe mehr gegeben hatte. Ihr Mann hatte sie in einem Sarg mit einem Marienbildnis zurück in die Heimat gebracht.

Wahrscheinlich versteht Kathi das bis heute nicht. Sie will es einfach nicht begreifen, dass ihrer Mutter nicht mehr zu helfen war, dachte Dr. Burger.

Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er sich beeilen musste, um echten Ärger zu vermeiden. Denn wahrscheinlich war inzwischen schon das Essen kalt.

Besonders die Zenzi konnte dann sehr unwirsch werden. Mit ein bisserl Pünktlichkeit durfte man bei einem erwachsenen, obendrein »studierten« Menschen schon rechnen, meinte sie vorwurfsvoll, wenn er mal wieder zu spät aus der Praxis herüberkam.

Sie gab sich mit dem Kochen immer große Mühe und hasste es, erkaltete Speisen wieder aufzuwärmen. Denn dann schmeckte alles »wie von vorgestern«, wie sie es nannte.

Feinschmecker, zu denen übrigens auch der Senior zählte, machten dann schon mal die eine oder andere hämische Bemerkung. Und das kam bei der Zenzi gar nicht gut an.

***

Dr. Burger hatte unverhofftes Glück, denn der Nudelauflauf war sogar noch im Rohr. Die Zenzi hatte versehentlich eine zu niedrige Temperatur gewählt.

Weil es daher noch ein Weilchen dauerte (»Ach, es tut mir aber wirklich leid, dass ihr jetzt noch warten müsst«) hatte sie rasch als »Magentratzerl« einen Teller mit den beliebten »bunten Spießchen« auf den Tisch gestellt: Immer ein Stückerl Wurst, ein Stückchen Käse, Tomate und ein Cocktail-Gürkchen.

Poldi hatte längst erschnüffelt, dass es sich um Lyoner-Wurst handelte, seine Lieblingssorte. Auch der Käse war nach seinem Geschmack. Was allerdings störte, war die alberne, kleine Gurke nebst Tomatenscheibchen, die kein Mensch und erst recht kein Hund brauchten.

Nun, man konnte das lästige, säuerliche Zeug leicht mit der Pfote abstreifen und hernach den Rest genießen, wobei es wichtig war, das Pickerl nicht zwischen die Zähne zu bekommen.

Aber was sollten diese ganzen Überlegungen, wenn man nicht wusste, wie man als kleiner Dackel mit kurzen Beinen überhaupt an die Spießchen herankommen konnte, die weit oben auf dem Tisch standen?

»Glück gehabt, Martin«, flüsterte Sabine ihrem Mann zu, »du bist spät dran. Hätte die Zenzi nicht die falsche Einstellung fürs Backrohr gewählt, dann wäre der Auflauf schon seit einer halben Stunde fertig. Und was das bedeutet, kannst du dir ja denken.«

»Tja, Schatz, da bin ich wohl noch mal mit einem blauen Auge davongekommen«, witzelte der Doktor. »Unser kleiner Ausflug zur neuen Rosenhütte verschiebt sich also mindestens um eine Stunde.«

»Das ist zu lang.«

»Nein. Ich möchte mich wenigstens noch ein bisserl mit dir und einem Tässchen Kaffee auf unserer Couch häuslich niederlassen, bevor wir losgehen.«

»Hast du einen besonders anstrengenden Patienten gehabt?«, fragte Sabine und blickte ihren Mann prüfend an. »Du schaust nachdenklich aus. Ich seh's an diesen zwei kleinen Fältchen zwischen den Augenbrauen. Die hast du immer, wenn du über irgendetwas nachgrübelst.«

»Ach, es geht nur um einen Brief, eigentlich ganz harmlos. Aber ich hab mich an eine Patientin erinnert, von der ich dir noch nie etwas erzählt hab. Als sie starb, freuten wir beide uns auf unsere geplante Hochzeit. Es war genau dieselbe Zeit wie jetzt, Frühling und Blütenduft.«

»Was war denn mit dieser Patientin?« Sabine war sichtlich bestürzt. »Ich finde es traurig. Wir waren so glücklich und hätten die ganze Welt umarmen können. Und wir haben uns gewünscht, dass es allen Menschen möglich gewesen wäre, an unserem Glück teilzunehmen.«