Der Bergdoktor 2082 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2082 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Als Annika ihre Zelte in Wien abbricht, tut sie dies in der Hoffnung, in dem abgeschiedenen Zillertaler Bergdorf St. Christoph neu anzufangen und endlich wieder glücklich zu werden. Vielleicht gibt es in den Bergen ja Menschen, die nicht eilig an ihr vorbeilaufen wie in Wien. Menschen, die ihr zuhören!
So wie jetzt kann es jedenfalls nicht bleiben. Lange genug hat Annika hinter geschlossenen Vorhängen gelebt. Nun ist es an der Zeit, die Fenster weit zu öffnen, das Sonnenlicht hereinzulassen und sich von den Schatten für immer zu verabschieden.
Annika ist voller Zuversicht, als sie ihr kleines Häuschen in den Bergen bezieht. Die täglich stärker werdenden Schmerzen im Rücken ignoriert sie ...


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Seitenzahl: 105

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Wo die weißen Gipfel grüßen

Vorschau

Impressum

Wo die weißen Gipfel grüßen

Wie zwei einsame Herzen ihr Paradies fanden

Von Andreas Kufsteiner

Als Annika ihre Zelte in Wien abbricht, tut sie dies in der Hoffnung, in dem abgeschiedenen Zillertaler Bergdorf St. Christoph neu anzufangen und endlich wieder glücklich zu werden. Vielleicht gibt es in den Bergen ja Menschen, die nicht eilig an ihr vorbeilaufen wie in Wien. Menschen, die ihr zuhören!

So wie jetzt kann es jedenfalls nicht bleiben. Lange genug hat Annika hinter geschlossenen Vorhängen gelebt. Nun ist es an der Zeit, die Fenster weit zu öffnen, das Sonnenlicht hereinzulassen und sich von den Schatten für immer zu verabschieden.

Annika ist voller Zuversicht, als sie ihr kleines Häuschen in den Bergen bezieht. Die täglich stärker werdenden Schmerzen im Rücken ignoriert sie  ...

Seit einiger Zeit träumte Annika oft, dass sie eine Straße entlang fuhr, die aufwärts führte, weit weg in eine ganz andere Welt. Die Straße war gut gesichert, rechts und links gab es Begrenzungen, und Schilder wiesen darauf hin, dass die Strecke kurvenreich war.

Je höher sie im Traum fuhr, desto stiller wurde es ringsum. Diese Stille kam ihr so wohltuend vor wie eine kühle Hand, die sich sanft und tröstend auf die heiße Stirn eines Fiebernden legte. Wie aus dem Nichts tauchten in der Ferne weiße Berge auf, die fast den Himmel berührten.

Der Anblick war so schön und erhaben, dass sich Annika wie verzaubert fühlte.

Gefühle stiegen in ihr auf, die sie nach dem Erwachen noch so sehr bewegten, dass sie immer wieder an den Traum denken musste und eine tiefe Sehnsucht nach den schneebedeckten Bergen verspürte. Vielleicht war es das Land der Hoffnung, von dem sie so sehnsuchtsvoll träumte. Das Land, in dem man seinen Glauben an das Glück und an das Gute im Leben wiederfinden konnte.

Bevor die träumende Annika das Paradies mit seinen fernen Schneebergen erreichen konnte, wachte sie auf – und alles war vorbei.

Der Tag begann für sie – wie auch für die meisten anderen Menschen – mit einem schnellen Frühstück und der üblichen Arbeit, die nur wenig Zeit für Pausen ließ.

Dass Annika sich derzeit nur mit Mühe aufraffen konnte, morgens aufzustehen, lag an ihrer gedrückten Stimmung. Das war natürlich nicht immer so gewesen.

Im Gegenteil. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte sie sich in der Früh auf den neuen Tag gefreut und alles getan, um ihren Verlobten Reinhard bei der Verwirklichung seiner Pläne zu unterstützen. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, ein kleines, aber feines Hotel in Baden bei Wien zu eröffnen, das ganz anders sein sollte als die üblichen Kurhotels.

Ihm war aber schon sehr schnell alles zu viel geworden. Der »einfallsreiche« Jung-Unternehmer Reinhard Barnstein hatte plötzlich erkannt, dass ihm die ganze Angelegenheit doch eine Nummer zu groß war und vor allen Dingen zu teuer.

Aus dem Hotel »Emerald« war also nichts geworden. Reinhard hatte das Unternehmen gestoppt und war vom Kauf des Grundstücks zurückgetreten, was viel Ärger verursacht hatte. Die Baupläne und Entwürfe der Architekten waren sozusagen »eingestampft« worden. Für die Tätigkeit der beiden Experten war allerdings eine satte Rechnung angefallen und die zahlreichen Vorarbeiten, allesamt für die Katz, waren auch mit einem runden Sümmchen zu Buche geschlagen – insgesamt also ein Verlustgeschäft auf der ganzen Linie.

Annika hatte einen Teil ihrer Ersparnisse beigesteuert, zum Glück nicht allzu viel, weil sie erst einmal abgewartet hatte, wie sich die Dinge entwickeln würden. Ihr Geld war inzwischen längst verbraucht, denn Reinhard hatte davon Schulden begleichen müssen.

»Du kriegst alles wieder«, war sein Kommentar gewesen. Bis heute tat sich nichts.

Annika wusste, dass sie ohne juristische Hilfe keinen Cent mehr wiedersehen würde. Ihre Chancen standen eh schlecht, weil sie ihrem Ex-Verlobten das Geld geschenkt hatte, und zwar in dem Glauben, dass sie beide ja eh zusammen bleiben und bald heiraten würden.

Reinhard hatte schon immer gern Geld angenommen, auch von seinen Eltern. Sie hatten es ihrem einzigen Sohn nach dem geplatzten Hotelprojekt finanziell ermöglicht, das Weite und somit sein Glück im sonnigen Süden zu suchen.

Allerdings ohne Annika, die er mit folgenden Argumenten abgespeist hatte: »Ich muss ganz neu anfangen, Annerl. Das verstehst du doch sicherlich. Mit uns beiden läuft es nicht gut. Deshalb ist auch alles schiefgegangen, was dieses vermaledeite Hotel angeht. Dauernd gab es Streit. Wir würden immer wieder aneinander geraten, das ist klar. Wir sind zu verschieden. Du bist immer so genau mit allen Dingen, irgendwann nervt das. Ich mag es nicht, wenn jemand sich so sehr in eine Sache verbeißt wie du. Mir ist es wichtiger, entspannt zu leben. Zum Beispiel mit einer Surfschule auf Ibiza. Oder mit einem Sportstudio. Nie mehr ein Hotel. Nicht mit mir!«

Dass er es gewesen war, der die Idee mit dem eleganten Kurhotel gehabt hatte, war nicht mehr zur Sprache gekommen. Jedenfalls nicht von seiner Seite aus.

Annikas Vorwürfe und ihre Tränen hatte er mit den lapidaren Worten »Das Leben kann hart sein, nimm's trotzdem nicht so schwer« einfach abgeschmettert.

Reinhard war also fort, und Annika musste es ertragen, dass er ihre Gefühle mit Füßen getreten hatte.

Seit ein paar Monaten kämpfte sie sich allein durchs Leben, tief enttäuscht und ohne Hoffnung auf ein Fünkchen Freude.

***

Es war heuer ein sehr kühler, windiger Einstieg in den Monat Mai, sodass selbst die schöne Stadt Wien Mühe hatte, ihrem Ruf gerecht zu werden. Blaue Donau, Walzerstadt, Kunst, Theater, Schloss Schönbrunn, die unzähligen Museen, der Prater mit dem berühmten Riesenrad, die Hofburg ... alles schien in einem grauen Nieselregen zu versinken.

Kaum jemand hatte Lust, eine Fiaker-Fahrt durch die Stadt zu unternehmen. Einige Kutschen blieben von Vornherein in der Remise.

Nur der Stephansdom, von den Wienern liebevoll »Steffl« genannt, ließ das ungute Wetter gelassen über sich ergehen. Es würde eh bald besser werden, das stand fest. Wenn der Himmel wieder blau über der Stadt strahlte und man seinen »Einspänner« im Freien trinken konnte, kam wieder diese ganz spezielle Wiener »Mischung« aus Charme und ein bisserl »Schmäh« auf. Beides gehörte zu Wien wie die echte Sachertorte, deren Rezept nach wie vor im Hotel Sacher strengstens gehütet wurde.

Annika wohnte seit sechs Jahren im Haus ihres Onkels in Glanzing. Ihre Eltern, denen kostspielige Reisen rund um die Welt wichtiger gewesen waren als alles andere, hatten sich in Australien so weit in die Nähe eines Buschfeuers vorgewagt, dass sie eine tödliche Rauchvergiftung erlitten hatten.

Nach ihrem Tod war Onkel Franz, der als Sonderling galt und trotzdem das Herz auf dem rechten Fleck hatte, auf den Plan getreten und hatte seiner Nichte, der Tochter seines verstorbenen Bruders, bei der Erledigung aller Formalitäten geholfen.

Annika war aus der großen, viel zu teuren Mietwohnung in der Stadtmitte ausgezogen und hatte das Angebot ihres Onkels angenommen, in die geräumige Einliegerwohnung seiner Gartenvilla einzuziehen. Platz war dort jedenfalls mehr als genug.

Onkel Franz war nicht verheiratet. Er hatte in jungen Jahren Kunstgeschichte und Archäologie studiert.

Inzwischen gönnte er sich den Luxus, oft unterwegs zu sein. Allerdings wollte er keine Abenteuer erleben wie Annikas verstorbene Eltern, sondern es lag ihm daran, historische Stätten und Museen zu besichtigen.

Sein großes Interesse galt den Ausgrabungen in Ägypten. Er hatte schon selbst einige Fundstücke aus der Tiefe ans Licht befördert. In Fachkreisen wurde er wegen seiner Sachkenntnis sehr geschätzt. Seine Vorliebe galt altgriechischen Statuen, von denen er einige täuschend echte Nachbildungen besaß, denn die Originale befanden sich natürlich in den großen Museen.

Annika sah ihren Onkel selten. Das fand sie sehr bedauerlich, denn sie mochte ihn Onkel gern, obwohl er wirklich ein recht sonderbarer Zeitgenosse war. Wenn er von einer Reise heimkam, redete er nicht viel, sondern zog sich lieber zurück.

Der Grund dafür war, dass er in Gedanken immer irgendwo in der Antike weilte, vorzugsweise in Griechenland oder, wie schon erwähnt, im alten Ägypten. Der Anblick einer Pyramide entzückte ihn mehr als ein goldenes Märchenschloss, das er eh für ein Hirngespinst hielt.

»Das einzige Märchen, an das ich glaube, sind die Schätze in der Erde oder unter dem Wüstensand«, hatte er Annika einmal erklärt.

Sie konnte in seinem Haus tun und lassen, was sie wollte. Eines Tages würde sie die alte Villa erben.

Sie hoffte, dass es noch lange nicht so weit sein würde. Was sollte sie mit dem großen Haus, das in einem riesigen Garten lag, nur anfangen? Vielleicht wäre es am besten, wenn Onkel Franz es verkaufte, damit es zu einem Museum umgewandelt werden konnte.

Etwas Ähnliches war die Villa sowieso schon, eine Art privates Museum mit vielen Erinnerungsstücken, Bildern, Figuren und uralten Landkarten, die Onkel Franz hortete. Annika hatte sich daran gewöhnt, dass auch immer wieder etwas hinzukam, zuletzt wieder einmal eine Figur aus Griechenland, die Göttin Aphrodite, das Sinnbild weiblicher Schönheit.

Annika arbeitete derzeit in einem kleinen Café am Naschmarkt. Auf keinen Fall wollte sie den ganzen Tag daheim bleiben und sich mit der Statue des altgriechischen Gottes Helios unterhalten, auf die Onkel Franz besonders stolz war.

Natürlich war es auch nur eine Kopie, aber eine sehr wertvolle. Man konnte Helios, den Sonnengott, so viel fragen, wie man wollte. Aber er antwortete nicht. Eigentlich wirkte er sogar abweisend. Ein Blick in sein schönes, aber streng wirkendes Marmorgesicht zeigte, dass er wahrscheinlich gar keine Lust hatte, sich als griechischer Gott mit unwissenden Menschen einzulassen, die gar keine Ahnung vom Götterhimmel hatten.

Von einem Sonnengott hätte man etwas bessere Laune und ein bisschen Verständnis erwarten können. Aber Figuren sind nun mal nicht lebendig. Und außerdem waren die griechischen Götter bestimmt keine geeigneten Gesprächspartner!

Immer wieder stellte Annika fest, dass sie sich einsam fühlte. Deshalb war ihr die Tätigkeit im Café »Kerzl« auch sehr wichtig, denn dann kam sie wenigstens ein bisschen unter die Leute.

Eigentlich war sie von Beruf Hotelfachfrau mit einer Extra-Fachausbildung zur Sekretärin. Für das geplante und dann im Nichts versunkene Kurhotel in Baden hätte sie ihre Kenntnisse hervorragend einbringen können.

Nachdem Reinhard sie verlassen hatte, war Annika in sich zusammengesunken. Bis jetzt nagte die bittere Enttäuschung an ihr, und sie scheute sich, mit anderen Leuten darüber zu reden. Es war peinlich und demütigend, sich wie ein ausrangiertes Möbelstück zu fühlen.

Im gemütlichen Café »Kerzl« erwartete man von Annika nur, dass die Gäste freundlich bedient wurden und sich jeder wohlfühlte. Hin und wieder waren Abrechnungen zu erledigen oder Briefe zu schreiben, eine Kleinigkeit für Annika. Beruflich war sie in dem kleinen Café unterfordert, aber das war ja nicht weiter schlimm.

Annika litt still vor sich hin. Ihr Leben war bisher ziemlich traurig verlaufen, obwohl sie sich unendlich nach Harmonie und ein bisschen Glück sehnte.

Jemand, der deprimiert und bedrückt ist, möchte nicht unbedingt eine verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben. Es fehlt an Konzentration, wenn man oft den Tränen nahe ist und darüber nachdenkt, warum man seinen Weg einsam und allein gehen muss.

Jeder hat sicher schon einmal eine Zeit erlebt, in der alles sinnlos erscheint. Alles fällt einem schwer, man möchte sich verkriechen, und es tut weh, andere Menschen zu sehen, die lachen und sich freuen oder die sogar verliebt sind.

Das Herz tut weh, wenn man einmal – nur ein einziges Mal! – glücklich sein möchte, aber immer wieder verzichten muss und im Schatten auf bessere Tage wartet, während andere auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

So war es Annika zumute. Auch an diesem kühlen, grauen Vormittag, an dem sie ein bisschen verspätet ins »Kerzl« kam. Einzig und allein der schöne Traum von der Straße, die zu den weißen, geheimnisvollen Bergen führte, erhellte ihre gedrückte Stimmung ein wenig.

Es war ein Tag wie alle anderen, jedenfalls schien es so.

Aber das stimmte nicht. Irgendwo im großen Schicksalsrad des Lebens gab es einen kleinen Schalter, den Annika nicht sehen konnte und der sich plötzlich ganz von selbst umlegte.

Und so entpuppte sich dieser Tag als Wendepunkt in ihrem Leben ...

***

Im »Kerzl« fanden sich vorwiegend Stammgäste ein, vor allem in der Mittagszeit. Das kleine Stündchen Pause, bevor die Arbeit wieder begann, verbrachten einige Berufstätige nur allzu gern im urgemütlichen Café der Familie Kerzl.

Es gab nicht nur herrliche Kuchen oder Süßspeisen, sondern auch appetitliche, frisch zubereitete Schmankerln zu moderaten Preisen.

Sehr beliebt waren die überbackenen Toast-Spezialitäten und die Pizza-Ecken nach Art des Hauses, die Suppen, die Salate, die gefüllten Blätterteigtaschen und das ungarische Gulasch, zu dem ein »Krusterl« serviert wurde, eine hausgebackene Roggensemmel. Wer zum Dessert ein Cremeschnittchen wollte, bekam es sogar zum halben Preis.

Das nette Ehepaar Petra und Benno Kernitzer aus dem Sportgeschäft von nebenan war auch wieder da. Neulich hatten die zwei ihren dritten Hochzeitstag gefeiert und ein paar Tage später den Gästen im »Kerzl« ein Glaserl Schampus spendiert.