Der Bergdoktor 2083 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2083 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Als Alina nach dem Tod ihrer Tante Gerti deren Apfelhof erbt, weiß sie nicht, was sie tun soll. Sie hat nie vorgehabt, sich hier im Zillertal niederzulassen und auf dem Land Apfelbäuerin zu werden. Ihr fehlen jegliche Kenntnisse, wie ein solcher Hof bewirtschaftet werden muss. Und die Dorfbewohner empfangen sie auch nicht gerade freundlich. Selbst mit Lukas, ihrem einstigen Jugendfreund, ist es nicht mehr wie früher. Damals haben sie jeden Tag miteinander verbracht, wenn Alina über die Sommerferien im Zillertal war. Doch heute scheint eine unüberwindbare Mauer zwischen ihnen zu stehen. Dabei bräuchte sie gerade jetzt dringend jemanden zum Reden. Verkaufen oder nicht? Wie soll sie sich entscheiden? Bevor sie sich zu einem Entschluss durchringen kann, passiert ein dramatisches Unglück ...


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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Vorschau

Impressum

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Die große Sorge der jungen Obstbäuerin

Von Andreas Kufsteiner

Als Alina nach dem Tod ihrer Tante Gerti deren Apfelhof erbt, weiß sie nicht, was sie tun soll. Sie hat nie vorgehabt, sich hier im Zillertal niederzulassen und auf dem Land Apfelbäuerin zu werden. Ihr fehlen jegliche Kenntnisse, wie ein solcher Hof bewirtschaftet werden muss. Und die Dorfbewohner empfangen sie auch nicht gerade freundlich. Selbst mit Lukas, ihrem einstigen Jugendfreund, ist es nicht mehr wie früher. Damals haben sie jeden Tag miteinander verbracht, wenn Alina über die Sommerferien im Zillertal war. Doch heute scheint eine unüberwindbare Mauer zwischen ihnen zu stehen. Dabei bräuchte sie gerade jetzt dringend jemanden zum Reden. Verkaufen oder nicht? Wie soll sie sich entscheiden? Bevor sie sich zu einem Entschluss durchringen kann, passiert ein dramatisches Unglück ...

»Alina? Alina, lebst du noch?«

Die Stimme stach wie Nadelspitzen in ihren Gehörgängen und löste eine Kaskade von Kopfschmerzen aus, die in Wellen hinter ihrer Stirn hochschwappten.

Stöhnend blinzelte Alina ins helle Morgenlicht, das einen Weg zwischen den Jalousien hindurch in ihr Büro fand. Während sie aus den Tiefen ihres Schlummers auftauchte wie ein verschlafener Bergfink aus dem Wipfel einer dicht begrünten Zirbelkiefer, schob sich mit einem Mal ein bärtiges Männergesicht in ihr Sichtfeld.

»Alina!« Ein erleichtertes Seufzen war zu hören. »Du bist wach!«

»Glaub schon«, murmelte sie und verzog das Gesicht. Ihre Zunge fühlte sich pelzig an, und ein schaler Geschmack hatte sich darauf ausgebreitet.

Ihr Kollege grinste. »Ein bisserl ramponiert, aber eindeutig munter«, konstatierte er. »Mir ist der Schrecken gehörig in die Glieder gefahren, als ich dich reglos an deinem Schreibtisch entdeckt habe. Warst du etwa die ganze Nacht hier?«

»Wie spät ist es denn?«

»Gleich halb acht.«

»Dann ist es wohl so. Dann war ich die ganze Nacht hier.« Sie richtete sich in ihrem Bürostuhl auf, tastete nach ihrem Gesicht und klaubte eine Haftnotiz von ihrer Wange.

»Streberin.« Die Sorge in der Stimme des Kollegen strafte seinen Tadel Lügen.

Felix Lechner arbeitete am Empfang des Hotels Seeblick. Man sah ihn nie anders als in Tracht gekleidet. An diesem Morgen trug er zu seiner Lederhose ein blassgrünes Hemd mit einer Gams-Stickerei auf der Brust. Dazu die passenden Kniestrümpfe. An seinem Hemdkragen steckte die goldene Nadel, die ihn als Mitglied der örtlichen Wasserwacht auswies.

Eine dunkle Brille saß auf seiner Nase. Er besaß eine ganze Sammlung von Brillen. Alina hatte den Verdacht, dass er sie überhaupt nicht brauchte und nur als modisches Accessoire trug, aber wenn sie ihn danach fragte, zwinkerte er immer nur und murmelt etwas von: »Kannst du schweigen? Ja? Ich auch!«

Alina tastete nach ihren Haaren und fühlte den in Auflösung begriffenen Knoten.

Felix zog eine Augenbraue hoch.

»Weißt du«, begann er gedehnt, »du könntest allerhand Miete sparen, wenn du dir endlich einen Ruck geben, deine Wohnung kündigen und ganz ins Büro ziehen würdest.«

»Höre ich da etwa einen leisen Tadel in deiner Stimme?«

»Leise? Von wegen. Ein Nebelhorn von einem Tadel ist das. Ich mache mir ehrlich Sorgen um dich. Du wirst immer dünner. Und blasser. Schläfst du überhaupt noch? Abgesehen von einem Nickerchen an deinem Computer, meine ich.«

»Aber sicher schlafe ich ... Hin und wieder.«

»Und kannst du das Wort ›Freizeit‹ noch buchstabieren?«

»Klar: A-R-B-E-I-T.« Sie zwinkerte ihm zu und erntete ein mahnendes Augenrollen. Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Es ist lieb, dass du dich so um mich sorgst, aber das ist wirklich net nötig. Es geht mir gut.«

»Wenn sich ›gut‹ auf Atmen und Reden beschränkt, gebe ich dir recht. Ansonsten, würde ich sagen, hält dich nur noch der Kaffee aufrecht, den du literweise in dich reinkippst. Das kann net gesund sein.« Felix beugte sich vor und stemmte die Hände auf ihren Schreibtisch. Eine Wolke seines holzigen Aftershaves wehte ihr entgegen. »Du siehst müde aus.«

»Mir fehlen nur eine Dusche und ein Frühstück«, wehrte sie ab.

»Und ungefähr zweihundert Stunden versäumter Schlaf.«

»In den letzten Nächten habe ich die Planung für das Musikfest ausgearbeitet, das wir im Sommer veranstalten wollen. Da muss der Schlaf eine Weile zurückstehen.«

»Ich weiß, du liebst es, Veranstaltungen für das Hotel zu organisieren. Und der Chef lässt dir freie Hand, weil er weiß, was er deinen Ideen zu verdanken hat: reichlich zusätzliche Einnahmen. Du solltest nur aufpassen, dir net zu viel aufzubürden. Alleine die Hochzeitsfeiern im Hotel verschlingen reichlich Zeit.«

»Die muss ich ja net alleine auf die Beine stellen.« Alina hatte als Aushilfe im Seehotel angefangen und sich nach ihrem Abschluss zur Assistentin der Hotelleitung hochgearbeitet. Inzwischen verließ sich der Leiter des Hotels immer mehr auf sie, und sie tat alles, um sein Vertrauen zu rechtfertigen.

Der Preis dafür waren ein übervoller Schreibtisch und lange Arbeitstage.

»Du brauchst ein Privatleben, vergiss das net.«

»Ich habe ein Privatleben.«

»Tatsächlich? Und wie verbringst du das?«

»Ich mache ... nun ... ich mache Yoga!«

»Du hast dir ein Lehrbuch und eine Matte gekauft.« Felix schaute vielsagend zu der Rolle, die neben dem Aktenschrank stand und an der noch das Preisschild hing. »Das ist noch lange kein Yogatraining.«

Alina verzog ertappt das Gesicht. Sie war tatsächlich noch nicht dazu gekommen, das Übungsbuch aufzuschlagen, aber das würde sie so bald wie möglich nachholen. Da brauchte Felix gar nicht so zweifelnd zu gucken. Jawohl.

Sie stand auf, trat an das Fenster und stieß es auf. Kühle, wunderbar klare Morgenluft wehte herein. Ihr Büro befand sich in der ersten Etage des Hotels im Westflügel und bot einen wunderbaren Blick auf den Rosengarten. Wenn sie sich ein wenig hinausreckte, konnte sie einen Blick auf den Wörthersee erhaschen.

Auf ihrem Schreibtisch lagen etliche Mappen und Dokumente. Dazwischen stand ein Bilderrahmen mit der Fotografie eines weißen Chihuahua. Daisy. Ihr kleines Gänseblümchen.

Noch immer zog sich Alinas Herz schmerzhaft zusammen, wenn sie an die kleine Hündin dachte. Daisy war im vergangenen Herbst während eines Spaziergangs von einem freilaufenden Hund attackiert worden. Der war gut fünfmal größer und schwerer als sie gewesen und hatte sie so schwer verletzt, dass der Tierarzt ihr nicht mehr hatte helfen können.

»Du solltest dir wieder einen Hund anschaffen«, schlug Felix vor, der ihrem Blick gefolgt war. »Die Kleine hat dir gutgetan und dich an die frische Luft gebracht. Seitdem sie nicht mehr da ist, gehst du kaum noch raus. Selbst ein Vampir sieht die Sonne öfter als du.«

»Ich bin noch net so weit, ihren Platz neu zu vergeben«, erwiderte Alina leise. Dabei fuhr ein scharfer Schmerz durch ihren Bauch. Sie legte eine Hand darauf und zog hörbar den Atem ein.

»Dein Magen? Schon wieder?«, hakte Felix nach. »Du bist ein richtiger Lazarus. Ich glaube, dein Körper ruft nach einem Arzt.«

»Geh, mir fehlt nix weiter.«

»Da bin ich mir net so sicher.« Felix sah sie ernsthaft besorgt an. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sie mochte, aber Alina verabredete sich prinzipiell nicht mit Kollegen und schlug seine Einladungen deswegen beharrlich aus. Für sie stand ihre Arbeit an erster Stelle. Sie organisierte Hochzeiten, Kongresse und Events und tat alles, damit ihre Gäste unvergesslich schöne Tage im Hotel Seeblick verbringen konnten.

Ihre Eltern waren gestorben, als Alina siebzehn gewesen war. Sie vermisste die beiden jeden Tag und arbeitete so ehrgeizig, damit ihre Eltern stolz auf sie sein konnten.

Eines Tages wollte sie ihr eigenes Hotel leiten. Dafür war sie zu manchem Opfer bereit ...

»Hör zu, Alina, der Chef will dich sprechen.«

»Was? Etwa jetzt gleich?«

»Er telefoniert noch. Ein paar Minuten bleiben dir also. Die solltest du nutzen, um dich kurz frisch zu machen. Deine Bluse sieht aus, als hättest du sie gerade aus dem Korb mit Schmutzwäsche gezogen«, meinte Felix ebenso gutmütig wie unverblümt.

Alina hielt stets eine Bluse zum Wechseln in ihrem Schrank bereit, weil es während der Events im Hotel hin und wieder ein Malheur mit verschütteten Getränken gab und sie ungern für den Rest des Tages mit Flecken herumlief.

Sie strebte in den kleinen Waschraum, der zu ihrem Büro gehörte, und erschrak, als ihr aus dem Spiegel über dem Waschbecken von verlaufener Mascara schwarzumrandete Waschbäraugen entgegenblickten. Tatsächlich hatten sowohl ihre Haare als auch ihre Bluse schon bessere Tage gesehen.

Flink tauschte sie ihre Bluse, putzte sich die Zähne und wusch sich das Gesicht. Dann bürstete sie ihre langen blonden Haare, um sie ordentlich hochzustecken.

Als sie in ihr Büro zurückkehrte, war Felix nicht mehr zu sehen. Dafür lief ihr Chef vor dem Fenster auf und ab wie ein gefangener Tiger.

Oh! Oh! Alina kannte den Mittfünfziger gut genug, um zu wissen, dass das kein gutes Zeichen war. Theodor Thanner gab sich gern souverän. Sein kurzes, graumeliertes Haar verriet den teuren Schnitt. Sein grauer Anzug saß tadellos, und die blank polierten Lederschuhe stammten aus Italien.

»Frau Burgstaller.« Er unterbrach seine Wanderung. Seine grauen Augen glitten über sie und verengten sich. Alina widerstand dem Impuls, sich über das Gesicht zu fahren und eventuelle weitere Reste der Wimperntusche fortzuwischen. »Es tut mir leid«, kam er direkt zum Punkt, »aber Sie müssen Ihren Schreibtisch räumen.«

Seinen Worten folgte eine Stille, die in Alinas Ohren dröhnte.

Meinen Schreibtisch räumen? Sie hatte das Gefühl, einen Schlag auf den Kopf bekommen zu haben. Sie wollte etwas sagen, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Kein Laut kam aus ihrem Mund. Was soll das bedeuten?

»Ich musste Ihren Posten anderweitig vergeben.«

»A-anderweitig?«

»So ist es.« Der Hotelier verschränkte die Arme vor der Brust, als müsste er Alina auf Abstand halten. »Meine Tochter hat ihr Studium in London abgebrochen und kommt nach Hause. Das Leben in der Fremde war nichts für sie. Sie ist noch unstet, leider, deshalb braucht sie hier eine Aufgabe, damit sie mir net abrutscht. Keinen Aushilfsposten, sondern etwas mit Verantwortung. Sie hat das Organisationstalent ihrer Mutter geerbt, deshalb wird sie Ihren Posten übernehmen, Frau Burgstaller.«

»Meinen.« Alina räusperte sich. Sie hoffte immer noch, sich verhört zu haben. Das konnte nicht wahr sein. Wusste er denn nicht, wie viel Kraft und Herzblut sie in ihre Arbeit steckte? Die schüttelte man nicht so einfach aus dem Ärmel. Dafür brauchte es Erfahrung und Hingabe. Und nun ... nun sollte sie gehen? Ihre Stelle räumen?

»Sie bekommen selbstverständlich ein gutes Zeugnis und eine großzügige Abfindung von mir, Frau Burgstaller. Ihr Vertrag hätte bald verlängert werden sollen, aber nun ist das hinfällig, wie Sie sicher verstehen werden. Sie haben noch reichlich Urlaub übrig. Warum nehmen Sie den net und erholen sich erst einmal?«

»Erholen.« Verflixt, sie wünschte sich, sie könnte mehr als nur ein Wort hervorbringen, aber in ihrem Kopf herrschte schlagartig gähnende Leere.

Gekündigt. Von jetzt auf gleich. Mit Blumen und Trompeten zwar, aber Rauswurf blieb Rauswurf. Das war ein Schock, den sie erst verdauen musste. So schnell ging das nicht.

»Bitte, notieren Sie alles, was meine Tochter wissen muss. Dann fahren Sie heim. Sie haben sich eine Auszeit wirklich verdient.« Der Hotelier blickte ihr nicht in die Augen. »Meine Tochter wird Ihre Aufgaben ab morgen übernehmen.«

»Morgen.« Ein metallischer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Sie war wie betäubt. Sie hatte doch alles geplant. Für Jahre im Voraus. Ihre ganze Karriere. Und nun? Nun war ihre Zukunft mit einem Mal ein einziges großes Fragezeichen.

Sie wusste nicht einmal, was der restliche Tag bringen würde!

Alina schüttelte kaum merklich den Kopf.

Was mache ich denn jetzt nur?, hämmerte es hinter ihrer Stirn. Was?

Sie bemerkte nicht einmal, wie ihr Chef das Büro verließ. Ihre Umgebung verschwamm vor ihren Augen. Sie sank an ihrem Schreibtisch in sich zusammen und starrte mit brennenden Augen vor sich hin ...

... bis ihr Handy summte. Sie zog das Telefon zu sich heran, warf einen Blick auf das Display und las: Tante Gerti. Sogleich stiegen Erinnerungen in ihr auf: an schier endlose Sommerferien in den Bergen, an süß duftende Apfelküchlein und heimliche nächtliche Badeausflüge mit ihrem Jugendfreund Lukas.

Die Erinnerungen an den Apfelhof waren ein warmer Hoffnungsschimmer an diesem trüben Tag ...

***

Im Zillertal zeigte sich der April heuer von seiner turbulenten Seite.

Auf milde Tage, die den Frühling ahnen ließen, folgten Schneefälle bis in die Täler hinein. Das Weiß deckte die mit farbenfrohen Krokussen gesprenkelten Wiesen zu, bis die Sonne die Blüten wieder ans Licht brachte. Und so ging es fort.

Die Bauern standen morgens im warmen Janker bei ihrem Vieh, während sie abends hemdsärmelig vor ihren Häusern saßen. Der Bergdoktor beobachtete es mit Sorge. Das wechselhafte Wetter brachte rote Schnupfnasen und fiebrige Infekte mit sich und sorgte dafür, dass in seiner Praxis selten einmal ein Stuhl frei blieb.

In den kommenden drei Tagen würde ihn seine Frau in der Sprechstunde vertreten. Er selbst war zu einem Ärztekongress nach München eingeladen. Dabei kehrte er seinem Heimattal nicht gern den Rücken, aber die Themen der Vorträge interessierten ihn. Außerdem freute er sich auf den Austausch mit seinen Kollegen.

Auf dem Rücksitz seines Geländewagens war bereits sein Koffer verstaut, als er den letzten Hausbesuch vor seiner Abreise erledigte. Die Zankl-Wally hatte ihn gebeten, bei ihr vorbeizuschauen. Dabei hatte sie vor lauter Schmerzen kaum ein klares Wort herausgebracht. Er ahnte, was ihr wieder zu schaffen machte.

Ihre Haustür war nur angelehnt. Auf sein Klingeln ertönte von drinnen ein kläglicher Ruf.

»Herr Doktor? Sind Sie das?«

»Ja, ich bin es. Guten Morgen, Wally.«

»Könnte besser sein, dieser Morgen«, kam es schnaufend zurück. »Kommen Sie bitte herein. Ich kann Ihnen leider net entgegenkommen.«

»Dein Rücken, wieder mal?«

»Hm-mm.« Ein Stöhnen war zu vernehmen.

Martin Burger schob die Haustür auf und betrat das gepflegte Alpenhaus. Zwei Katzen kamen ihm im Hausflur entgegen und stromerten schnurrend um seine Beine. Eine war orange getigert, die andere schwarz bis auf einen weißen Latz.

»Wally? Wo bist du denn?«

»In der Küche!«, kam es vom anderen Ende des Flurs.

Er folgte der Stimme und fand Wally vornübergebeugt an der Anrichte stehen. Sie stützte sich ab und hielt den Kopf gesenkt. Ihre aschblonden Haare waren silbrig gesträhnt und zu einem Zopf geflochten. Sie trug ein violettes Kleid, das mit Streublumen bedruckt war. Darüber hatte sie eine blitzsaubere Schürze gebunden.

Wally hielt ihr Telefon noch umklammert, so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.

»Vielen Dank, dass Sie gleich hergekommen sind, Herr Doktor«, sagte sie gepresst. »Ich wollte mir gerade meinen Morgentee kochen, als es mir ins Kreuz gefahren ist. Es fühlt sich an, als wäre meine Wirbelsäule mitten entzweigebrochen. Ich kann mich kaum noch rühren.«

»Ein Lumbago mal wieder?«

Wally nickte – und stöhnte erneut.

»Der verflixte Hexenschuss! Immer dann, wenn ich ihn gerade gar net gebrauchen kann! Heute Nachmittag wollte ich zum Bummeln nach Mayrhofen fahren, aber das kann ich mir nun aus dem Kopf schlagen. Ich bin froh, wenn ich es rauf in mein Bett schaffe.«