Der Bergdoktor 2092 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2092 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Geli ist bei ihrer Tante Bruni im "Paradies" aufgewachsen. So heißt das abgelegene Stückchen Land, in das sich fast nie jemand verirrt. Es ist ein einsames, aber auch ein freies und selbstbestimmtes Leben, in dem Gelis verletzte Seele in den letzten Jahren heilen konnte.
Da war der viel zu frühe Tod der geliebten Mutter, dann die zweite Ehe des Vaters mit einer reichen, aber hartherzigen Frau, die Geli von Anfang an abgelehnt und schließlich verlangt hat, das Kind zur Tante in die Berge zu bringen.
Seitdem sind viele Jahre vergangen. Gelis heimliche Hoffnung auf eine Aussprache mit dem Vater hat sich nicht erfüllt, denn gestern kam die Nachricht von seinem plötzlichen Tod. Wenigstens soll er ihr einen Brief hinterlassen haben, erfährt sie aus vertrauenswürdiger Quelle. Doch als sie die Stiefmutter danach fragt, weist diese ihr die Tür ...


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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Wildes Paradies

Vorschau

Impressum

Wildes Paradies

Dr. Burger und die Geschichte einer verstoßenen Tochter

Von Andreas Kufsteiner

Geli ist bei ihrer Tante Bruni im »Paradies« aufgewachsen. So heißt das abgelegene Stückchen Land, in das sich fast nie jemand verirrt. Es ist ein einsames, aber auch ein freies und selbstbestimmtes Leben, in dem Gelis verletzte Seele in den letzten Jahren heilen konnte.

Da war der viel zu frühe Tod der geliebten Mutter, dann die zweite Ehe des Vaters mit einer reichen, aber hartherzigen Frau, die Geli von Anfang an abgelehnt und schließlich verlangt hat, das Kind zur Tante in die Berge zu bringen.

Seitdem sind viele Jahre vergangen. Gelis heimliche Hoffnung auf eine Aussprache mit dem Vater hat sich nicht erfüllt, denn gestern kam die Nachricht von seinem plötzlichen Tod. Wenigstens soll er ihr einen Brief hinterlassen haben, erfährt sie aus vertrauenswürdiger Quelle. Doch als sie die Stiefmutter danach fragt, weist diese ihr die Tür ...

»Net weinen, Murkel.« Geli musste sich auf die Zehenspitzen recken, um in das Babybett zu langen. Behutsam strich sie ihrem jüngeren Bruder über die weiche Wange. »Ist ja alles gut. Du bist net allein. Schau. Ich bin da.«

Ihre Worte waren kaum zu verstehen über seinem Gebrüll. Sein Gesicht lief dunkelrot an, und er ruderte mit den Fäustchen durch die Luft, als wollte er seiner Empörung damit Ausdruck verleihen.

Angestrengt suchte Geli nach einem Trost.

Sie hatte noch einen Butterkeks in ihrer Hosentasche. Der war schon ein bisschen zerdrückt und vermutlich ein bisschen aufgeweicht vom Regen draußen, aber besser als nichts war er allemal. Sie hatte ihn als eiserne Reserve aufgehoben, falls es abends wieder den ekligen Spinatauflauf gab, von dem Mama Iris behauptete, er wäre so gesund, dass selbst Ötzi davon wiederauferstehen würde.

Geli kannte diesen Onkel zwar nicht, aber dass er den klumpigen grünen Brei mögen würde, bezweifelte sie stark. Vermutlich würde er Reißaus nehmen.

Geli zog den Keks aus ihrer Tasche, wischte rasch ein paar Krümel ab und drückte ihn ihrem kleinen Bruder in die winzige Faust. »Der ist für dich!«

Zack! Der Keks landete auf dem Teppich des blauen Kinderzimmers. Ihr Bruder weinte noch lauter. Dicke Tränen kullerten ihm über das nunmehr tiefrote Gesicht.

Geli machte einen erschrockenen Luftsprung.

»Wenn du so weinst, kriegt Mama Iris wieder ihre Migräne und schimpft.« Geli wusste nicht mehr genau, wie die Beschwerden hießen, die ihre Stiefmutter regelmäßig plagten, aber sie wusste genau, dass dann alle durchs Haus schlichen, als würde beim kleinsten Geräusch der Blitz einschlagen.

Sie schaukelte sacht an seinem Bettchen und summte ihrem Bruder etwas vor.

Vielleicht würde ihm das gefallen?

Plötzlich gellte hinter ihr eine aufgebrachte Stimme:

»Was hast du meinem Bub nun wieder angetan, du Unglückskind?«

Geli wirbelte erschrocken herum. »N-nix!«, beteuerte sie.

Mama Iris hob ihren Sohn aus dem Bettchen und wiegte ihn liebevoll. Dabei starrte sie Geli über seine Schulter hinweg böse an.

»Sag schon. Was hast du mit dem Buben gemacht?«

»Nix. Ich hab nur ...«

»Gekniffen hast du ihn. War es net so? Ich hab's genau gesehen.«

»Das hab ich bestimmt net.«

»Hast du doch! Josef! Sieh nur! Sie hat unseren Kleinen schon wieder zum Weinen gebracht! Wo soll das hinführen? Das Madel ist unberechenbar.«

Der Bauer steckte den Kopf zur Tür herein. »Geli? Hast du was angestellt?«

»Nein, Papa«, wisperte sie.

»Na, da hast du es, Iris. Das Madel hat nix angestellt.«

»Als würde sie dir das so einfach auf die Nase binden. Ich hab es mit eigenen Augen gesehen, Josef. Sie hat ihn gekniffen. Das muss ein Ende haben.«

Geli zitterte mit einem Mal am ganzen Leib. Sie war nur aus einem einzigen Grund ins Zimmer ihres kleinen Bruders gegangen: weil er so laut geweint hatte. Trösten wollte sie ihn, aber das glaubte die Stiefmutter ihr nicht.

Iris wiegte das Baby. Ihre bösen Blicke gingen Geli durch und durch.

Rasch sprang sie auf und floh aus dem blauen Kinderzimmer in ihr eigenes Reich. Das lag neben dem ihres Bruders und war ganz in Hellgrün und Gelb eingerichtet – in den Farben eines sonnendurchfluteten Waldes.

Geli mochte Käfer. Mama Iris nannte sie abartig, aber Papa strich ihr über den Kopf und lobte sie, wenn sie einen Käfer aus der Gießkanne vor dem Ertrinken rettete.

»Nächstenliebe fängt im Kleinen an«, pflegte er zu sagen. »Es gibt kein Wesen, bei dem der liebe Gott sich net etwas gedacht hätte, als er es schuf.«

Geli mochte die flinken Alpenböcke mit ihren antennenartigen Fühlern, die Feldmaikäfer mit ihrem flauschig behaarten Bauch und Rosenkäfer, von denen einige einen golden glänzenden Leib hatten. So viele unterschiedliche gab es. In ihrem Zeichenblock hatte sie etliche mit Buntstiften festgehalten.

Ihre Liebe spiegelte sich in ihrem Zimmer wider. Am Schreibtisch bewachte ein plüschiger Hirschkäfer ihre Lampe, über ihrem Bett hing ein Mobile, an dem unterschiedliche Käfer aus bunt bemaltem Holz baumelten. Das hatte Papa selbst für sie gebaut.

An einer Wand hing ein Poster mit Ameisen. Die fand Geli auch faszinierend. Papa sagte, es gab viele davon auf der Welt. Würde man alle Menschen in eine Waagschale stellen und alle Ameisen in die andere, wäre die Waage ausgeglichen.

Das fand Geli erstaunlich. Schon allein der Bürgermeister wog so viel wie Papa und Mama Iris zusammen. Und da sollte es genügend Ameisen auf der Welt geben, um das auszugleichen? Die waren doch winzig klein!

Während sich Geli noch darüber den Kopf zerbrach, drang von nebenan nicht länger nur das Weinen ihres Bruders herüber, sondern auch die harschen Stimmen ihres Vater und seiner zweiten Frau.

Unwillkürlich zog Geli den Kopf ein.

Oh, wenn sie erst einmal zankten, konnte es schlimm werden. Manchmal flogen dann auch Tassen und Schuhe durch die Luft!

Rasch zog Geli die Tür zu ihrem Kleiderschrank auf, kroch hinein und schloss die Tür wieder hinter sich. Hier drinnen war es dunkel, und es duftete nach Waschmittel und sauberen T-Shirts.

Geli setzte sich mit dem Rücken an die Seitenwand und presste die Hände auf ihre Ohren. Während sie sich bemühte, den Zank auszublenden, hatte sie einen dicken Kloß in der Kehle. Wenn Papa und Mama Iris zankten, verkroch sie sich lieber.

Ihre Mutter war gestorben, als sie sieben Jahre alt war. Manchmal vergaß sie schon ihre Stimme, und das tat ihr weh, aber sie wusste nicht, was sie dagegen tun konnte. Wenigstens an ihren Duft erinnerte sie sich gut: Ihre Mutter hatte immer so gut geduftet, nach Apfelshampoo und einem Hauch Babypuder.

Gelis Herz machte einen sehnsüchtigen Satz.

Mama war immer lieb gewesen. Nie war ihr ein lautes, herbes Wort über die Lippen gekommen. Und sie hatte die besten Apfelküchlein im ganzen Zillertal gebacken.

Geli schluckte. Mamas Hände waren von der Arbeit rau und rissig gewesen, aber sie konnten das Aua aus einem blutigen Knie streicheln wie niemand sonst.

Ein schmerzhaftes Ziehen breitete sich in Gelis Brust aus. Sie vermisste ihre Mutter so sehr!

Kurz nach ihrem siebten Geburtstag hatte Mama ihr einen Hund versprochen.

»Wenn du ein bisserl älter bist, wird er dein bester Freund sein. Warte nur noch ein Weilchen ab ...«

Aus dem Weilchen waren inzwischen Jahre geworden, und ein Hund schien für Geli unerreichbar zu sein. Mama Iris mochte keine Hunde.

Geli glaubte, sie mochte überhaupt keine Tiere ...

Nebenan war es inzwischen still geworden.

Irgendwann wurde die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet, und ihr Vater kam herein. Seine Schritte klangen schwer und schlurfend. In der Hand trug er das blassblaue Köfferchen, das schon seit vielen Jahren auf dem Dachboden verstaubte.

Josef Schwemberger war ein stämmiger Mann mit Händen wie Kohleschaufeln und breiten Schultern, denen man ihre Kraft ansah. Durch seine dunkelblonden Haare zog sich noch kaum ein graues Haar. Dafür grub sie an diesem Abend ein bitterer Zug um seinen Mund ein, der ihn älter wirken ließ.

Geli beäugte den Koffer, dann blickte sie in das aufgewühlte Gesicht ihres Vaters.

»V-verreisen wir, Papa?«

»Naa.« Er schüttelte den Kopf. »Tun wir net.«

Trotz seiner Worte stellte er das Köfferchen auf ihrem Bett ab, klappte es auf und begann, ihre Garderobe darin zu verstauen.

»P-papa?«, wisperte Geli. »Wo sollen meine Sachen denn hin?«

Da ließ er kurz von seine Tätigkeit ab. Er blickte sie ein paar Atemzüge lang schweigend an. Als er schließlich wieder sprach, klang seine Stimme fremd und kratzig.

»So geht das net weiter, Geli.« Schwer ließ er sich auf ihr Bett sinken. Es knackte unter ihm. »Ständig dieser Zank. Der zermürbt einen. Wir ... also ... Ich hab beschlossen, dass du zu deiner Tante Bruni ziehen wirst.«

»Übers Wochenende?«

»Nein, für immer.«

Seine Worte jagten Geli eine Heidenangst ein. Fort von daheim sollte sie? Für immer? Sie wollten sie hier nicht mehr haben? Aber ... aber ...

Eisiges Entsetzen schüttelte sie. Bang klammerte sie sich an seinen Hemdzipfel.

»Lass mich daheim, Papa. Bitte, bitte.«

»Das kann ich net.«

»Bitte. Ich werde nix anstellen, nix sagen. Nur schick mich net weg. Bitte.«

»Es ist besser so, Spatzerl.« Tiefer Gram grub sich in sein Gesicht ein. Ein Gram, der nie wieder daraus weichen sollte. Er murmelt noch etwas, das Geli nicht verstand – und das ihr erst viele Jahre später ein bitteres Geheimnis enthüllen sollte ...

***

Fünfzehn Jahre später

Der Paradiesgrund war ein Geheimtipp unter Bergwanderern. Das stille Seitental lag verborgen so hoch oben, dass keine Fahrstraße heraufführte. Nur ein gewundener Weg, der sich vielfach auf dem steinigen Boden verlor und nicht leicht zu finden war.

Hatte man den Anstieg bewältigt, öffnete sich ein wildes grünes Tal, durch das sich ein sprudelnder Wildbach schlängelte. Wunderschön war das. Hier heroben konnte sich die Natur ungestört entfalten, und so lebten im Paradiesgrund zahlreiche seltene Tierarten.

Auf Baumstämmen sonnten sich glänzende schwarze Alpensalamander. Steinböcke bewegten sich zwischen den Felsen, und auf den Hängen balgten sich Murmeltiere. Selbst Luchse gab es hier heroben, aber sie waren scheu und ließen sich nur mit viel Glück entdecken. Dafür waren die Gämsen zutraulich genug, um zum Trinken an die Quelle hinter dem einzigen Anwesen hier heroben zu kommen.

In dem eingeschossigen Haus mit dem angeschlossenen Stall wohnte Geli mit ihrer Tante Bruni. Im Winter waren sie häufig eingeschneit und wochenlang auf sich gestellt, aber Bruni achtete darauf, dass die Speisekammer gut gefüllt war und sie nie Not leiden mussten. Für alle Fälle stand im Schuppen ein Schneemobil, mit dem sie sich ins Dorf durchschlagen konnten.

Der kleine Hof im Paradiesgrund beherbergte eine muntere Schar Ziegen, zwei Milchkühe und etliche Hühner, die jeden Tag Eier lieferten.

Wer fragte, erhielt hier eine schmackhafte Jause. Allerdings kamen selten Wanderer hier herauf. Die meisten Urlauber strandeten weiter unten beim Kreidl-Wirt oder auf der Strasser-Alm und stärkten sich dort.

Hier heroben tickten die Uhren langsamer als im Tal. Das Leben richtete sich nach dem Tageslicht, nicht nach Stunden und Minuten. Die Arbeit begann mit dem Sonnenaufgang und endete, sobald es zu dunkel war, um die Tiere auf der Weide zu erkennen. Es gab nur eine einzige Stelle, an der das Handy Empfang hatte: auf einem Felsvorsprung gut einhundert Meter vom Haus entfernt.

Die Umgebung war wild und ursprünglich und das Leben einsam, aber auch frei und selbstbestimmt. Geli liebte es und konnte sich gar nicht mehr vorstellen, woanders zu leben.

Dabei waren die ersten Wochen und Monate hart gewesen. Von ihrem Vater verstoßen, hatte sie sich verloren gefühlt und kein Wort gesprochen. Mit viel Liebe und Geduld war es ihrer Tante gelungen, ihr das Vertrauen in andere Menschen zurückzugeben.

Damals hatte Geli mit dem Malen begonnen. Es hatte ihr geholfen, ihren Kummer zu verarbeiten und aus sich herauszulassen. Die ersten Bilder waren düstere schwarze Schnörkel gewesen, ein Blick in ihre weinende Kinderseele. Tante Bruni war es zu verdanken, dass sie längst farbenfrohe, sonnige Bilder von ihrer Heimat malte. Bilder, welche von Urlaubern gern als Souvenir gekauft wurden.

Unten im Dorf verkaufte die Jeggl-Alma in ihrem Gemischtwarenladen Gelis Bilder gegen eine kleine Provision. Geli bezahlte von dem Erlös ihren Fernkurs in Tierheilkunde.

Alle zwei Monate brachte der Postbote eine Mappe mit neuen Lernmaterialien. Geli hatte entdeckt, dass sie einen besonderen Draht zu Tieren hatte. Diese vertrauten ihr und ließen sich gern von ihr helfen.

Und so war es gekommen, dass Dorfbewohner kranke oder verletzte Tiere zum Aufpäppeln zu ihr brachten. Die Behandlung überließ Geli dem Tierarzt, aber die Pflege von kranken Katzen, von Ponys mit Bisswunden oder Hühnern mit Legenot nahm oft mehr Zeit in Anspruch, als die Landwirte übrig hatten, und so brachten sie ihre Tiere für eine gewisse Zeit zu Geli. Die übernahm die Pflege gern und hatte einen zusätzlichen Stall mit unterschiedlichen Möglichkeiten zur Unterbringung anbauen lassen.

»Willst du net Schluss machen für heute?« Ihre Tante kam den gewundenen Pfad herunter und schob ihr Mobiltelefon in die Schürzentasche.

Jeden Mittwochnachmittag hielt Bruni einen ausgiebigen Plausch mit ihrer Freundin Wally, die in Bergfelden eine Pension betrieb. Zum Telefonieren musste sie ein Stück aufsteigen, aber das störte sie nicht. Gelassen nahm sie es hin, wie alle Umständlichkeiten, die ein so abgeschiedenes Leben verlangte.

Bruni war von ruhigem, durch und durch freundlichem Gemüt. Alles an ihr war rund und mütterlich. Eigene Kinder hatte sie nicht bekommen können. Daran war ihr Ehe zerbrochen. In ihrer Trauer hatte sie sich in den Paradiesgrund geflüchtet. Anfangs war es eine Zuflucht gewesen, aber inzwischen war der kleine Hof längst ihr Zuhause.

Sie sah Geli mahnend an. »Du bist seit dem frühen Morgen auf den Beinen und siehst müd' aus.«

»Das bin ich auch, aber ich möchte das Bild heute noch fertig malen. Dann kann ich es morgen mit den anderen zu Alma schicken.« Der Postbote kam nur einmal in der Woche zu ihnen, brachte Post, Pakete und heiß ersehnte Neuigkeiten aus dem Dorf.

»Mei, das ist doch der Filou.« Tante Bruni beugte sich über das Bild. Es zeigte den Hofkater, der sich auf dem Brunnenrand eine Pfote leckte. Dahinter erhoben sich die imposanten Felsspitzen der Zillertaler Berge. »Hübsch ist das geworden. Das wird net lange in Almas Laden stehen.«

»Meinst du?«

»Und ob. Du hast das künstlerische Talent deiner Mutter geerbt. Weder dein Vater noch ich können einen geraden Strich zeichnen. Das liegt uns net im Blut. Dir schon.«

Der Vater ... Ein schmerzhafter Stich fuhr Geli geradewegs ins Herz hinein. Vor zwei Wochen war er gestorben. Vom Dach in den Tod gestürzt, als er ein paar Schindeln erneuern wollte. Sie hatte ihn nicht noch einmal wiedergesehen. Er hatte es nicht gewollt.

Wie ein Schatten lag dieses Wissen auf ihrem Herzen. Sie hatte gelernt, damit zu leben, aber verstehen konnte sie es auch nach all den Jahren nicht. Ihr Vater hatte sie fortgeschickt und aus seinem Leben verbannt. Das schmerzte noch immer. Manche Wunden heilten niemals ...

Mit einem Mal fiel ihr auf, dass ihre Tante nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Dabei zupfte sie an ihrem braunen, von grauen Strähnen durchzogenen Zopf.

»Tante Bruni? Stimmt was net?«