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Kathi heißt die kleine Sorgenprinzessin in Dr. Burgers Praxis. Die Sechsjährige leidet
an einer schweren Form der Zöliakie. Nur mit dem konsequenten Verzicht auf alle glutenhaltigen Nahrungsmittel kann sie ein unbeschwertes Leben ohne schlimme Bauchschmerzen und Übelkeit führen. Zum Glück ist Kathi für ihr Alter sehr vernünftig und hält sich an die strengen Regeln. Darum sind es auch nicht irgendwelche körperlichen Beschwerden, die dem Bergdoktor seit einiger Zeit so große Sorgen bereiten, sondern es ist Kathis Traurigkeit. Das Mädelchen ist einsam und braucht dringend einen Freund - und so verordnet er Kathi einen Hund. Doch kann Flori, der fröhlich-freche Beagle, wirklich richten, woran bislang alle anderen scheitern?
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Kathis einziger Freund
Vorschau
Impressum
Kathis einziger Freund
Ein kleiner Hund soll ihr das Lachen zurückgeben
Von Andreas Kufsteiner
Kathi heißt die kleine Sorgenprinzessin in Dr. Burgers Praxis. Die Sechsjährige leidet an einer schweren Form der Zöliakie. Nur mit dem konsequenten Verzicht auf alle glutenhaltigen Nahrungsmittel kann sie ein unbeschwertes Leben ohne schlimme Bauchschmerzen und Übelkeit führen. Zum Glück ist Kathi für ihr Alter sehr vernünftig und hält sich an die strengen Regeln. Darum sind es auch nicht irgendwelche körperlichen Beschwerden, die dem Bergdoktor seit einiger Zeit so große Sorgen bereiten, sondern es ist Kathis Traurigkeit. Das Mädelchen ist einsam und braucht dringend einen Freund – und so verordnet er Kathi einen Hund. Doch kann Flori, der fröhlich-freche Beagle, wirklich richten, woran bislang alle anderen scheitern?
»Danke, dass Sie sich sogar an Ihrem freien Nachmittag Zeit für mich nehmen, Herr Doktor. Und dass ich mit Ihnen über meine Probleme reden kann«, sagte Lena gleich nach der Begrüßung.
»Wir hatten es ja so ausgemacht«, antwortete Dr. Burger. »Im normalen Praxisalltag bleibt oft zu wenig Zeit für Gespräche. Jetzt atme erst mal tief durch, du schaust ein bisschen gehetzt aus.«
»Halb so schlimm«, meinte sie und winkte ab. »Ich hab heute länger gearbeitet, die Kastlers haben mich darum gebeten. Das Berghotel ist total ausgebucht.«
»Wie immer eigentlich«, warf der Doktor ein.
Lena Sagberger nickte. »Die einzige Ausnahme ist der November, da ist es meistens ruhig. Aber im Dezember geht es schon wieder los mit den Reservierungen. Und jetzt wollen die Leute den goldenen Herbst in den Bergen erleben, wandern und die klare Sicht genießen. Die Speisekarte im Hotel mit den herbstlichen Köstlichkeiten lockt natürlich auch viele Gäste an. Es gibt jede Menge zu tun. Man sollte gar net glauben, wie viel Organisation nötig ist, damit alles reibungslos klappt. Aber ich freu mich, dass ich zum Hotel-Team gehöre. Nur daheim jeden Tag das Haus von oben bis unten zu putzen und darüber zu sinnieren, warum meine Ehe mit Thomas gescheitert ist, das wäre nichts für mich.«
Lena bemühte sich, jeden Tag nach dem Weckerklingeln optimistisch in den Tag zu starten.
Das war gar nicht so leicht. Sie hatte in ihrem Leben schon einige ungute Erfahrungen gemacht, angefangen von ihrer Kindheit unter der allzu strengen Aufsicht ihrer Eltern, für die feste Regeln das A und O gewesen waren, bis hin zu ihrer Scheidung vor anderthalb Jahren.
Ihr einziger Sonnenschein war derzeit ihr sechsjähriges Töchterchen. Kathi war nach den Sommerferien eingeschult worden und besuchte die erste Klasse der Grundschule in St. Christoph, das »Schwalbennest«.
Warum dieser Name? Weil hier die kleinen, noch ein wenig unsicheren »Schwalben«, Buben und Madeln, über den Nestrand schauten und Erfahrungen für den Start ins zweite Schuljahr sammelten, um dann nach und nach die Flügel auszubreiten und in die Welt hinauszufliegen.
Natürlich war Kathi stolz darauf, dass sie jeden Tag mit ihrer nagelneuen, »supertollen« Schultasche losmarschieren konnte und somit nicht mehr zu den »Zwergerln« im Kindergarten gehörte. Lena brachte ihre Tochter derzeit morgens noch zur Schule, danach wartete die Arbeit im Berghotel auf sie.
Mittags ging Kathi zusammen mit ihrer Freundin Rosl, die den gleichen Heimweg hatte, dann wieder zurück und deckte schon mal den Tisch, denn gegen halb zwei kam die Mama zum Mittagessen – manchmal auch später, wenn es sehr viel zu tun gab.
Daheim in Kathis Zimmer stand die bunt verzierte, große Schultüte immer noch als Blickfang neben dem Schrank, außerdem eine zweite, glänzende Tüte mit Geschenken von Papa.
Er war zur Feier des Tages – also an Kathis erstem Schultag – extra aus Klagenfurt gekommen und hatte das Wochenende in St. Christoph verbracht.
»Kathi fragt oft, warum ihr Vater nicht wieder zu uns kommt«, seufzte Lena. »Sie kann es nicht fassen, dass Tom und ich nicht mehr zusammengehören. Jedenfalls nicht als Ehepaar. Als Eltern sind wir beide für sie da, wobei Tom natürlich nicht ständig zwischen Klagenfurt und St. Christoph pendeln kann. Kathi möchte ihn nicht besuchen, jedenfalls vorerst nicht, weil er ja inzwischen mit seiner Anna verheiratet ist. Sie ist nun mal die neue Frau in seinem Leben, aber Kathi will das net wahrhaben. Man muss ihr einfach noch ein bisserl mehr Zeit lassen.«
»Wie stehst du denn zu der neuen Ehe deines Ex-Mannes?«, erkundigte sich Dr. Burger.
Lena zuckte die Schultern. »Eigentlich bin ich ganz neutral. Gegen Anna hab ich nichts, wir haben sogar mal ganz vertraulich miteinander gesprochen. Sie ist eine nette Person, mit der man gut auskommen kann. Anna trägt ja keine Schuld daran, dass Tom und ich uns nichts mehr zu sagen hatten. Als er sie traf, lief unsere Scheidung schon. Um ehrlich zu sein, zwischen Tom und mir war eigentlich schon zwei Jahre nach der Hochzeit der Ofen aus, wie es so treffend heißt. Da passte gar nichts mehr zusammen. Wegen Kathi versuchten wir, freundschaftlich miteinander umzugehen. Das funktionierte nach einigem Hin und Her mal mehr, mal weniger gut. Mein Mann wäre einerseits gern eher ausgezogen, andererseits brachte er es wegen Kathi nicht fertig. Es stand fest, dass ich im Fall einer Trennung mit dem Kind hierbleiben würde. Immerhin gehört das Haus ja auch mir, meine Eltern haben es mir schon vererbt, bevor sie ins Burgenland umgezogen sind. Das rechne ich ihnen hoch an – es ist ein schönes, geräumiges Haus mit einem herrlichen Garten, in dem man vom Alltag abschalten kann. Wir haben einen Märchengarten, meint Kathi.«
»Wir lieben unseren Garten auch sehr«, lächelte Dr. Burger. »Ein Paradies für uns Erwachsene und natürlich vor allem auch für die Kinder.«
»Wenn Vater und Mutter nicht so streng mit mir gewesen wären, hätte ich als Kind eine wunderbare Zeit gehabt«, ergänzte Lena. »Aber ich hatte immer Angst, etwas falsch zu machen und bestraft zu werden, entweder durch neue Verbote oder Stubenarrest. Das war schlimm für mich, denn ich wollte immer nach draußen in die Natur, zu den Blumen, den Tieren und im Winter in den Schnee. Ich musste mich immer genau an die Regeln meiner Eltern halten. Erst jetzt, im Alter, sind die beiden milde geworden, vielleicht haben sie eingesehen, dass es damals auch ohne strenge Vorschriften gegangen wäre. Darüber reden wollten sie nie. Unser Kontakt ist sehr beschränkt. Es ist besser, wenn sie sich nicht mehr in mein Leben einmischen und umgekehrt. Ich denke manchmal daran, wie sehr ich geweint habe, wenn die anderen Kinder draußen spielten und ich aus irgendeinem Grund drinnen bleiben musste. Wirklich verzeihen kann ich meinen Eltern ihre Strenge nicht.«
»Es gibt Menschen, die glauben, dass man mit Härte und Konsequenz weiter kommt als mit Güte und Verständnis«, warf Dr. Burger ein. »Du solltest versuchen, deine unguten Erinnerungen nicht allzu nahe an dich heranzulassen. Zurück zu dir und deinem Ex-Mann. Hatte Tom kein schlechtes Gewissen, als er dich und die Kleine schließlich doch zurückgelassen hat?«, fragte Dr. Burger.
»Ein bisserl schon. Das hab ich ihm ausgeredet«, antwortete Lena. »Es hatte keinen Zweck mehr mit uns, und wir litten beide unter der verfahrenen Situation. Er zögerte lange mit seinem Umzug, weil er sehr an der Kleinen hing und weil er in ihrer Nähe sein wollte. Vor allem wegen ihrer Krankheit. Tom ist sehr besorgt um Kathi. Er hat ihr versprochen, dass er natürlich für immer ihr Papa ist und dass sie sich auf ihn verlassen kann.«
»Schade, dass es bei euch beiden nicht geklappt hat«, fand Dr. Burger. »Tom war in meinen Augen ein sympathischer Mensch, der sich vor seiner Verantwortung nicht drücken wollte. Aber wenn die Liebe fehlt, kann man die Risse in einer Beziehung nicht kitten. Ohne Liebe geht gar nichts.«
»Gefühle kann man nicht erzwingen«, murmelte Lena. »Ich hab versucht, mir unsere Ehe schönzureden. Und ich wollte so tun, als ob ich noch in Tom verliebt war. Es ging net. Irgendwann saß ich da und weinte mir die Augen aus, während er nur noch vor sich hinstarrte.«
»Auf Dauer ist eine Ehe, die nur noch auf dem Papier besteht, eine schwere Belastung für beide Partner«, bestätigte Dr. Burger. »Eine Trennung kann sogar hilfreich sein, weil die Chance besteht, freundschaftlich miteinander umzugehen und den gegenseitigen Respekt zu bewahren. Anstatt sich aufzureiben und den anderen zu verteufeln, sollte man rechtzeitig die Reißleine ziehen und nach einem vernünftigen Weg suchen. Ich denke, dass ihr beide – du und Tom – diesen Weg gefunden habt.«
Lena nickte. »Ja, wir hatten wirklich gute Vorsätze, weil wir wegen Kathi keinen Rosenkrieg und keinen Streit wollten. Und auch unseretwegen nicht. Das war nie ein Thema bei uns. Wir waren ja mal ineinander verliebt, nur hat es für die Ehe net gereicht. Uns ist eigentlich sehr bald nach Kathis Geburt klar geworden, dass es besser gewesen wäre, wenn wir nicht geheiratet hätten. Wir liebten die Kleine über alles, und das ist natürlich immer noch so. Aber unsere Gefühle füreinander gingen täglich immer mehr den Bach hinunter. Das tat weh, weil wir merkten, dass nichts mehr zu kitten war. Wir mussten der Wahrheit ins Auge blicken. Es nützte nichts, sich etwas vorzumachen.«
»Wollte Tom nicht eigentlich in Tirol bleiben?«, erkundigte sich Dr. Burger. »Er hatte doch angeblich vor, in Schwaz das Sportgeschäft Steiger zu übernehmen und Skikurse anzubieten. Jedenfalls sagte er mir das.«
»Daraus ist nichts geworden, weil er Anna kennengelernt hat«, erwiderte Lena. »Anna, die ideale Partnerin. Das hat er mir zwar nicht so deutlich gesagt, aber ich hab ihm angemerkt, dass er für sie sogar in eine Hütte ohne Strom und Wasser umgezogen wäre oder in Kanada als Holzfäller gearbeitet hätte. Na ja. Ich gönne ihm sein Glück.«
Dr. Burger schmunzelte. »Kanada und eine Blockhütte im Wald standen aber nicht wirklich zur Debatte, denke ich.«
»Nein, absolut nicht. Er hat Anna auf einer Sportmesse kennengelernt. Klar, wo sonst. Sport ist immer noch sein Hobby Nummer eins. Und Anna, die ihm auf Anhieb den Kopf verdreht hatte, war auch noch die Nachfolgerin ihres Vaters im eigenen Klagenfurter Sportgeschäft mit einem Vitalstudio. Insgesamt ein Volltreffer für Tom! Manchmal frage ich mich, ob er auf all das verzichtet hätte, wenn zwischen uns noch ein Funken Liebe gewesen wäre. Aus einem Funken kann ja ein Feuer entstehen. Bei uns war aber gar nichts mehr.«
»Ihr habt es euch net leicht gemacht, Lena.«
»Nein. Im Gegenteil. Das Schlimmste ist aber, dass Kathi so traurig ist«, seufzte die junge Frau. »Sie verdrängt es, dass Tom und ich geschieden sind. Insgeheim hofft sie, dass alles wieder so wird wie früher. Ein Wunsch, den wir ihr nicht erfüllen können. Das ist Problem Nummer eins. Und Problem Nummer zwei ist Kathis Krankheit. Sie schämt sich und weint manchmal, weil sie keine Frühstückssemmeln essen kann wie die anderen, keine Kekse und keinen Kuchen, auch keine Nudeln. Sie verträgt nur ganz wenige Süßigkeiten.«
»Richtig, sie muss alle glutenhaltigen Nahrungsmittel vermeiden«, stimmte Dr. Burger zu. »Wenn man an Zöliakie1 leidet, dann ist das so. Aber wenn man bedenkt, was Kathi trotzdem essen kann, dann ist das eine ansehnliche Liste. Auch auf Leckereien muss sie net verzichten. Mais, Reis, Hirse, Gemüse und Obst, Milch und Milchprodukte ohne Glutenzusatz, Eier, Fisch, Fleisch, Zucker und Honig – ich denke, das dürfte genügen. Allerdings muss man bei Fertigprodukten genau darauf achten, ob Gluten enthalten ist. Man bekommt glutenfreies Brot, sogar glutenfreie Pizza, Kekse und Kuchen. Aber wenn Kathi zum Beispiel zu einem Kindergeburtstag eingeladen ist, muss im Vorfeld klar sein, dass sie die üblichen Sachen nicht essen darf, beispielsweise Gebäck mit Getreidemehl, das normalerweise im Haushalt verwendet wird. Dann sollte sie einfach etwas von zu Hause mitnehmen.«
»Genau das ist der Punkt, Herr Doktor«, wandte Lena ein. »Kathi will so sein wie die anderen Kinder. Und weil das nicht geht, wird sie oft ausgegrenzt. Nur mit der Rosl vom Faller-Hof ist sie befreundet, die weiß nämlich genau, dass Kathi manchmal gar net gut beisammen ist. Sie möchte aber viele Freunde haben. In der Klasse wissen nur wenige, dass sie bestimmte Nahrungsmittel meiden muss. Sie begreifen net, dass sie net einfach in eine Semmel beißen oder alle möglichen Kekse essen kann. Einige sagen, dass sie zickig ist und keinen Rührkuchen mag, sondern nur Torte. Oder dass sie spinnt, weil sie keine Nudeln isst. Jedenfalls nicht die üblichen Nudeln, die Kinder so gern mögen. Sie isst immer nur komisches Zeug, heißt es dann.«
Lena wirkte bedrückt. Manchmal tat sie abends nicht anderes, als nachzudenken und zu überlegen, wie sie ihrer Tochter helfen konnte. Kathi sollte wieder lachen können, das war ihr größter Wunsch!
***
»Dass die Kinder in Kathis Klasse nicht verstehen, weshalb man ganz normale Nahrungsmittel nicht essen darf, wundert mich nicht«, sagte der Doktor. »Sogar viele Erwachsene halten es für dummes Geschwätz, dass jemand kein Brot vom Bäcker nebenan und auch keinen Kaiserschmarrn essen kann. Zöliakie ist, medizinisch gesehen, eine Enteropathie, die durch Gluten hervorgerufen oder verschlimmert wird. Als Enteropathie bezeichnet man bestimmte Darmkrankheiten. Bei der angeborenen Zöliakie liegt eine gestörte Aufnahme von Nährstoffen und somit oft auch von Mineralien und Vitaminen zugrunde, da die Dünndarmschleimhaut atrophisch verändert ist und diese wichtigen Stoffe nicht oder nur sehr begrenzt auf nehmen kann.«