Der Bergdoktor 2109 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2109 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Benedikt Bergmüller, der Sohn eines Großbauern, wälzt Zukunftspläne: Bald möchte er seine Lena heiraten, die er in Wien beim Studieren kennengelernt hat, und mit ihr zusammen eine Käserei eröffnen. Dass seine Stiefmutter hinter seinem Rücken ein böses Ränkespiel betreibt, ahnt er nicht. Und so tappt er arglos in die Falle, die sie ihm stellt und die ihn zur Hochzeit mit ihrer Nichte Jeanette zwingt.
Gefangen in seiner eigenen Anständigkeit, entscheidet sich Benedikt gegen die Liebe und für eine Ehe mit Jeanette. Doch der Kummer und die Ausweglosigkeit treiben ihn dazu, sein Schicksal herauszufordern. So klettert er über schwierige Steige und rast mit dem Fahrrad querfeldein über die Berge. Als er in seiner Verzweiflung mit dem Gleitschirm von der Achenwand springt, wendet sich sein Schicksal schließlich abrupt ...


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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Einmal kommt die Wahrheit ans Licht

Vorschau

Impressum

Einmal kommt die Wahrheit ans Licht

Von der ersten Stunde an war alles Lüge

Von Andreas Kufsteiner

Benedikt Bergmüller, der Sohn eines Großbauern, wälzt Zukunftspläne: Bald möchte er seine Lena heiraten, die er in Wien beim Studieren kennengelernt hat, und mit ihr zusammen eine Bio-Käserei eröffnen. Dass seine Stiefmutter hinter seinem Rücken ein böses Ränkespiel betreibt, ahnt er nicht. Und so tappt er arglos in die Falle, die sie ihm stellt und die ihn zur Hochzeit mit ihrer Nichte Jeanette zwingt.

Gefangen in seiner eigenen Anständigkeit, entscheidet sich Benedikt gegen die Liebe und für eine Ehe mit Jeanette. Doch der Kummer und die Ausweglosigkeit treiben ihn fortan dazu, sein Schicksal herauszufordern. So klettert er über schwierige Steige und rast mit dem Fahrrad querfeldein über die Berge. Als er in seiner Verzweiflung mit dem Gleitschirm von der Achenwand springt, wendet sich sein Schicksal schließlich abrupt ...

»Der verrückte Sohn vom Bergmüller-Bauern ist schon wieder mit dem Radl unterwegs!« Schimpfend wie ein Rohrspatz trat Dr. Pankraz Burger auf die Terrasse vom Doktorhaus. »Beinahe hätt' er mich und den Poldi überfahren!«

Als wollte er die Worte seines Herrchens bekräftigen, wedelte Rauhaardackel Poldi aufgeregt mit dem Schwanz und kläffte ein paar Mal Richtung Straße.

Dr. Martin Burger, der gerade mit einer medizinischen Fachzeitschrift seine Mittagspause verbrachte, versuchte seinen Vater zu beschwichtigen: »Weißt du, Vater, das machen die jungen Leut' heutzutage halt so. Mountainbiken ist als Sport grad sehr in Mode. Und im Übrigen war ich war doch früher auch kein Lamperl – und du sicher auch net!«

»Papperlapapp«, grummelte der ältere Herr und ließ seine etwas übermächtige Leibesfülle in den Liegestuhl fallen. »Tu net so, als wäre ich ein alter Meckerer. Freilich müssen sich die jungen Leute austoben. Das war bei dir so, und auch wenn es heute schwer vorstellbar ist, war das auch zu meiner Zeit net anders. Und natürlich weiß ich auch, was ein Mountainbike ist. Wir sind damals halt mit dem normalen Fahrradl den Berg runtergedonnert. Aber im Unterschied zum Bergmüller-Benedikt hatten wir alle miteinander einen gehörigen Respekt vor der Natur. Was dieser verrückte Bursch aufführt, das geht allerdings zu weit. Er fährt ja net auf einer speziell gekennzeichneten Strecke, sondern schmeißt sich waghalsig durchs Gebüsch. So was ist kein Sport, das ist nur eine riesengroße Dummheit.«

»Hast ja recht, Vater«, sagte Martin und ließ die Zeitschrift sinken. Nachdenklich schaute er in die Ferne. »Ich frag mich, was mit dem Benedikt los ist. Bis vor Kurzem war er doch ein ziemlich vernünftiger junger Mann!«

Martin legte seine Lesebrille auf den Tisch und massierte sich gedankenverloren die Nasenwurzel. So machte der Bergdoktor das immer, wenn er über einem Problem grübelte. Seine junge Frau Sabine, die ihn vom Wohnzimmer aus beobachtete, musste lächeln. Wie klug und gut ihr Martin doch aussah!

Für seine einundfünfzig Jahre war Martin Burger ein äußerst attraktiver Mann, darin war sich die Damenwelt des kleinen St. Christoph einig. Noch einhelliger war die Meinung der Leute allerdings, wenn es um die beruflichen Qualitäten »ihres« Bergdoktors ging.

Auf Martin Burger war Verlass, er war nicht nur ein ausgezeichneter Hausarzt, sondern, wenn es nötig war, auch ein begnadeter Spezialist. Als gelernter Chirurg hatte sich Martin Burger überdies schon mehr als einmal als Lebensretter erwiesen. Dazu kamen sein Mut und sportlicher Einsatz. Selbst ein geübter Bergsteiger zögerte er niemals, wenn es in der Umgebung von St. Christoph einen Unfall gab. Dann rückte der Arzt mit der Bergrettung aus und leistete vor Ort Erste Hilfe.

Wie gut ich es getroffen habe, dachte Sabine nicht zum ersten Mal. Die gebürtige Wienerin, das »Stadtpflänzchen«, wie ihr Schwiegervater Pankraz scherzhaft zu sagen pflegte, war inzwischen in dem Tiroler Bergdorf heimisch geworden. Dafür, dass sich Sabine so wohl fühlte, sorgten natürlich auch die drei munteren Kinder der Burgers, die ihre Mama gehörig auf Trab hielten: die achtjährige Tessa, die vor einigen Jahren als Findelkind das Leben der Burgers auf wunderbare Weise auf den Kopf gestellt hatte. Der fünfjährige Philipp, genannt Filli, und zuletzt das »Prinzesschen«, die entzückende Laura mit ihren zweieinhalb Jahren.

Dass ihre Kinder inmitten der Natur aufwachsen durften und von so viel Liebe umgeben waren, empfand Sabine jeden Tag aufs Neue als Geschenk. Jetzt nahm sie das Tablett und trug drei Gläser und einen Limonadenkrug nach draußen.

»Habt ihr zwei schon Zenzis Melissen-Limonade gekostet?«, fragte sie, vor allem an ihren Schwiegervater gewandt. Mit liebevoller Besorgnis achtete Sabine stets auf die gesunde Ernährung des Altdoktors. Pankraz, mit siebenundsiebzig Jahren nicht mehr der Jüngste, verzog in gespielter Entrüstung das Gesicht.

»Ein ordentlicher Mokka wäre mir lieber«, brummelte er.

»Mit extra viel Zucker, ich weiß«, lachte Sabine. »Aber du kennst ja Martins Ansicht zu diesem Thema!«

Pankraz warf einen scheelen Seitenblick auf seinen Sohn. Dieser hatte beizeiten nicht nur die Begeisterung zum Arztberuf, sondern auch die Praxis übernommen und erwies sich nun auch dem Vater gegenüber mitunter als strenger Hausarzt.

Seufzend griff Pankraz zur Limonade. Diese, von Haushälterin Zenzi höchstpersönlich aus den Kräutern vom hauseigenen Bauerngarten zubereitet, schmeckte freilich außergewöhnlich gut. Weshalb Pankraz auf weitere Diskussionen verzichtete. Am späteren Nachmittag würde er sowieso zum Schlössl hochspazieren. Bei seiner Schachpartie mit Baron von Brauneck bekam er dann auch einen starken Mokka.

»Seltsam ist das schon mit dem Bergmüller-Benedikt«, fing er jetzt wieder an. »Ist der Bursch nicht gerade erst nach Wien zum Studieren gegangen?«

»Ja, stimmt. Agrarwirtschaft auf der Universität für Bodenkultur«, gab Martin zurück. »Angeblich ist er dort einer der vielversprechendsten Studenten. Schon in der Schule hat sich der Benedikt besonders angestrengt, damit er seinen Vater möglichst bald entlasten kann. Du weißt ja, dass der Rudolf mit seinem Herz nicht mehr so viel arbeiten kann. Umso zielgerichteter wollte der Benedikt seine Ausbildung hinter sich bringen. Grad deshalb wundert mich dieses seltsame Verhalten.«

Rudolf Bergmüller, der Altbauer vom Bergmüllerhof, war seit Jahren eines von Martins ärztlichen »Sorgenkindern«. Ein Herzleiden – chronisches Vorhofflimmern – hatte die hochfliegenden Pläne des Großbauern bald auf den Boden der Realität zurückgeholt. Zwar fand er für die Milch seiner Kühe bis weit ins Land Tirol hinein Abnehmer, aber der Bauer selbst musste dabei zusehen, wie der Großteil der Arbeit von seiner jungen Frau Barbara und den Angestellten erledigt wurde.

Freilich waren die beiden Knechte, der Kilian und der Hartl, überaus tüchtige Burschen. Dennoch: Warum der Bergmüller-Sohn ausgerechnet mitten im November – wo doch das Jahr für die Studenten erst anfing – das Dorf mit seinen rasanten Fahrradmanövern in Angst und Schrecken versetzte, war nicht ganz nachzuvollziehen. Ob Martin einmal mit dem Benedikt reden sollte?

»Es ist nicht nur das Fahrrad«, sagte Sabine, die ebenfalls über die Wandlung des jungen Bergmüller-Sohns nachzudenken schien. »Letztens hab ich den Benedikt beim Klettern am Frauenhorn gesehen. Auf dem Rabensteig war er und noch dazu ganz allein. Gescheit ist das wirklich nicht!«

Pankraz schreckte hoch: »Auf dem Rabensteig? Im Ernst? Das ist wirklich unklug.«

Martin strich sich nachdenklich übers Kinn. »Ich hab den Benedikt zuletzt bei der Hochzeit vom Sinnhuber-Lois gesehen. Das war vor drei Wochen. Gut möglich, dass damals alles angefangen hat ... Ich hätt' da so eine Idee. Ich glaube, ich werde mir den jungen Mann mal vorknöpfen und ein ernstes Wörtl mit ihm reden.«

***

Ein paar Wochen zuvor ...

Nicht nur die kleine Dorfkirche von St. Christoph erstrahlte in festlichem Glanz – auch das Gasthaus »Zum Ochsen« war bis in den kleinsten Winkel mit Blumen geschmückt. Der ganze Ort feierte ausgelassen, dass der Sinnhuber-Lois endlich seine Jugendliebe, die Steffi Pichler, heimführte.

Was für ein wunderschönes Paar, dachte Martin Burger, als er den beiden vor dem Kirchenportal gratulierte. Steffi trug ein roséfarbenes Festtagsdirndl mit weißer Schürze. Das zarte Rosenmuster, welches den Stoff am Dekolleté zierte, wiederholte sich raffiniert in den zarten rosa Knospen, die Steffi in ihre hochgesteckte Kranzelfrisur geflochten hatte. Lachend löste Steffi ihr weißes Schürzenband, welches auf der linken Vorderseite in eine schöne Masche gelegt war.

»Sie wissen ja, Herr Doktor, verheiratete Frauen tragen die Schleife auf der rechten Seite«, sagte sie mit geröteten Wangen, während sie mit flinken Fingern eine neue Schleife legte.

Martin nickte anerkennend. Er erinnerte sich noch zu gut, wie seine Sabine damals ihr Schürzenband umgebunden hatte. Und davor, viele Jahre früher, war es die Christl gewesen, die neben ihm aus der Kirche getreten war, den Brautstrauß glücklich an sich gedrückt. Wie eine schemenhafte Erinnerung war ihm dieses Bild, aber stets unvergessen.

Inzwischen hatte der Bergdoktor das Leben von all seinen Seiten kennengelernt, den glücklichen wie den bitteren: Er hatte die Sonne erfahren, das Glück mit Sabine und den Kindern – aber er kannte auch den Schatten.

Christl, seine erste Liebe, war nach nur einem Jahr Ehe gestorben. Ja, auch solche Schicksalsschläge hatte das Leben bereit. Eine komplizierte Geburt war's gewesen, und der Mann, der sich gerade noch im höchsten Glück gewähnt hatte, war in einen tiefen Abgrund gestürzt, als er Frau und Kind begraben musste.

Doch nach jeder dunklen Nacht geht die Sonne auf – auch das durfte Martin Burger erleben, als er Jahre später mit seiner Sabine wieder das Glück getroffen hatte. Bis dahin hatte er geglaubt, die Liebe auf den ersten Blick komme nur im Märchen vor, und das tiefe Gefühl würde sich erst mit der Zeit entfalten. Christl war nämlich seine Jugendliebe und einstmals beste Freundin gewesen, und ihre Liebe war langsam gewachsen. Bei Sabine war die Liebe über ihn gekommen wie ein Blitzschlag.

Auch das strahlende Brautpaar, der Lois und die Steffi, kannten sich schon seit dem Kindergarten.

»Ich gratuliere euch von ganzem Herzen«, sagte Martin Burger, der sich aber gleich nach der Trauung wieder verabschieden musste, denn er wollte noch nach seinen Patienten sehen.

»Wollen Sie net später noch in den ›Ochsen‹ rüberkommen, Herr Doktor? Wir würden gern mit Ihnen auf die Zukunft des Brautpaars anstoßen!«

Es war der junge Benedikt Bergmüller, der als Trauzeuge des Bräutigams diese freundliche Einladung aussprach. Fesch war auch er mit seinem blonden Haarschopf über dem grünen Trachtenjanker.

Martin erinnerte sich an diverse Kinderkrankheiten und ein böse aufgeschlagenes Knie, an eine Schulterprellung nach einem Sturz beim Skifahren und eine langwierige Mittelohrentzündung.

»Schauen wir mal, Benedikt. Danke jedenfalls für die Einladung. Und jetzt feiert's schön, ihr habt es euch verdient!« Der Bergdoktor verabschiedete sich mit einem freundlichen Winken, nickte auch dem Trauzeugen freundlich zu und sah aus dem Augenwinkel gerade noch, wie sich die Braut vor der Kirche umwandte und ihren aus weinroten und rosa Rosen gesteckten Strauß über die Schulter in die Menge warf. Lautes Kreischen verkündete eine glückliche Landung des Brautstraußes. Der Legende nach stand in St. Christoph also bald wieder eine Verlobung bevor.

Der Bergdoktor schmunzelte in sich hinein.

***

Die Blasmusikkapelle spielte einen weiteren Tusch und geleitete das Jubelpaar mit einem fröhlichen Volkslied zum Wirtshaus.

Benedikt Bergmüller übte in Gedanken noch einmal seine Festrede. Er hatte diese Feier für seinen besten Freund bis ins letzte Detail geplant und freute sich nun, dass auch das Wetter mitspielte: Eine warme Septembersonne stand hoch am Himmel und tauchte den ganzen Ort in ein weiches, goldenes Licht.

Vor dem Wirtshaus hielt der Festzug an. Eine Gruppe junger Männer, die Benedikt noch als Rabauken aus der Schulzeit kannte, verweigerte dem Paar jedoch den Eintritt.

»Es sei denn«, rief der Rädelsführer, »ihr trinkt jeder ein Schnapserl auf Ex!«

Benedikt sah, wie die Braut ihrem nunmehr angetrauten Ehemann einen verzweifelten Blick zuwarf. Schon beim Auszug aus der Kirche und kurz danach waren sie von den »Wegelagerern« gestoppt und zum Trinken aufgefordert worden. Schon jetzt stand sie nicht mehr sicher auf ihren Beinen.

»Lass nur«, murmelte Benedikt schnell, denn auch das gehörte zu den Aufgaben des Trauzeugen. Schnell kippte er beide für das Brautpaar gedachte Stamperl in sich hinein. Erst dann betraten die Frischvermählten mit ihren Gästen das Wirtshaus.

Auf das Anschneiden der dreistöckigen Torte, die das Café Rosi in Mayrhofen geliefert hatte, folgten die feierlichen Ansprachen vom Brautvater und dem Trauzeugen des Bräutigams. Letzterer wurde dabei – wie es der Brauch verlangte – immer wieder von den örtlichen »Unruhestiftern« unterbrochen. Erst nachdem er einige weitere Glaserln geleert hatte, durfte er weitersprechen.

Na großartig, dachte Benedikt, der das Trinken nicht gewohnt war. Wenn das so weitergeht, kann ich die Braut gar nicht mehr um einen Tanz bitten!

Schon schwankte alles um ihn herum, aber nach seiner Rede wurde zum Glück endlich das Essen serviert. Erst jetzt war er seiner Pflichten enthoben und durfte sich den eigenen Gedanken hingeben. Und die schweiften, wie auch sonst immer, direkt zu seiner Lena.

Magdalena Tomandl stammte aus einem Nachbartal von St. Christoph. Und doch hatte Benedikt erst nach Wien zum Studieren fahren müssen, um diese hübsche dunkelhaarige Frau kennenzulernen.

Lena lebte als Waisenkind bei ihre Großeltern, die auf einer Alm eine kleine biologische Käserei betrieben. Diesen Betrieb wollte die junge Frau nach ihrem Studium übernehmen – ihr ganzes Herz hing an der Produktion der verschiedenen Graukäsesorten.

Wie praktisch, dass ich demnächst einen Milchbetrieb übernehmen werde!, hatte Benedikt gedacht, als sie ihm das nach einer Vorlesung erzählt hatte.

Er hatte sich sofort in ihr ernsthaftes Wesen, das scheue Lächeln und die dunklen, nachdenklichen Augen verliebt. Seit einem halben Jahr waren sie jetzt ein Paar, und Benedikt wollte den Heimatbesuch nicht nur nutzen, um seinem besten Freund Lois »beizustehen«, er wollte auch endlich mit dem Vater über seine Zukunftspläne reden.

Noch in diesem Jahr wollte er um die Hand seiner Lena bitten. Außerdem hatte er vor, den elterlichen Großbetrieb zu verkleinern und auf Bio-Milch umzustellen. Hoffentlich würde sich an diesem Wochenende eine Gelegenheit finden, um mit dem Vater zu sprechen!

Seit dieser an einer Herzschwäche laborierte, war es fast unmöglich, ihn alleine anzutreffen. Immer war Barbara, Benedikts besorgte Stiefmutter, an dessen Seite. Sie arbeitete hart und gab sich alle erdenkliche Mühe, den kranken Ehemann vor Aufregung abzuschirmen. Dass darunter auch die Beziehung zwischen Vater und Sohn litt, war eine unvermeidliche Nebenwirkung.

Auch heute war Barbara in Rudolfs Vertretung zur Hochzeit des jungen Sinnhuber-Bauern gekommen. In ihrer Begleitung war eine junge Frau, die Benedikt noch nie gesehen hatte.

»Darf ich dir meine Nichte Jeanette vorstellen? Sie ist die Tochter meines jüngeren Bruders und lebt normalerweise in London und Berlin. Stell dir vor, Benedikt! Jeanette war noch nie in unserem schönen St. Christoph!«

Benedikt streckte der jungen Frau mit den auffallend blonden, hochtoupierten Haaren freundlich die Hand entgegen.

»Servus, ich bin der Benedikt! Willkommen bei uns! Gefällt es dir in den Bergen?«

Die junge Frau lächelte charmant und nahm an seiner Seite Platz.

»Und wie! Du musst mir halt alles zeigen, was es hier zu sehen gibt«, sagte sie und schlug ihre lang bewimperten, himmelblauen Augen zu ihm auf.

Benedikt stellte fest, dass ihr goldenes Dirndl zwar keiner hiesigen Tracht entsprach, aber mit seinem tiefen Ausschnitt und dem kurzen Rock alle Vorzüge der jungen Frau zur Geltung brachte.

***

Der Bergdoktor hatte seine Krankenbesuche rascher erledigen können als erwartet.