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Lenz Altinger kommt über den Tod seiner geliebten Frau einfach nicht hinweg. Obwohl es schon eine Weile her ist, dass sie ihm so gnadenlos entrissen wurde, ist seine Trauer noch immer unermesslich. Nun ist der Großbauer ganz allein, denn Kinder blieben dem Paar verwehrt.
Das ganze Dorf weiß, wie sehr Lenz an seiner Serafina gehangen hat und wie glücklich die Ehe der beiden war. Aber dann taucht plötzlich ein junges Madel auf dem Altinger-Hof auf, das der Serafina wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Einige der älteren Bäuerinnen haben gar das Gefühl, die Verstorbene wäre zurückgekehrt.
In St. Christoph kursieren bald die wildesten Gerüchte. Einig sind sich allerdings alle darin, dass das Madel die uneheliche Tochter von Serafina sein muss. Doch das ist nur die halbe Wahrheit!
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Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Auf der Spur von Elisas Geheimnis
Vorschau
Impressum
Auf der Spur von Elisas Geheimnis
Ihre Ähnlichkeit mit einer Toten sorgt für Aufregung und wilde Gerüchte
Von Andreas Kufsteiner
Lenz Altinger kommt über den Tod seiner geliebten Frau einfach nicht hinweg. Obwohl es schon eine Weile her ist, dass sie ihm so gnadenlos entrissen wurde, ist seine Trauer noch immer unermesslich. Nun ist der Großbauer ganz allein, denn Kinder blieben dem Paar verwehrt.
Das ganze Dorf weiß, wie sehr Lenz an seiner Serafina gehangen hat und wie glücklich die Ehe der beiden war. Aber dann taucht plötzlich ein junges Madel auf dem Altinger-Hof auf, das der Serafina wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Einige der älteren Bäuerinnen haben gar das Gefühl, die Verstorbene wäre zurückgekehrt.
In St. Christoph kursieren bald die wildesten Gerüchte. Einig sind sich allerdings alle darin, dass das Madel die uneheliche Tochter von Serafina sein muss. Doch das ist nur die halbe Wahrheit!
Dr. Martin Burger sah nach einem anstrengenden Arbeitstag endlich wieder einem Abend mit seiner Familie entgegen, als sich sein Diensthandy bemerkbar machte.
Resigniert nahm er den Anruf entgegen. Es war Ludwig Sirch, der strenge Dorfgendarm von St. Christoph, der ihn mit großer Dringlichkeit bat, zu einem Unfallort zu kommen.
»Warum hast du net die Rettung gerufen, Ludwig?«, fragte Martin Burger.
»Das hat der Verunfallte abgelehnt«, erwiderte der Gendarm verärgert.
Der »Verunfallte«, wie das klingt, dachte Martin. Dann versprach er Ludwig, sich sofort auf den Weg zu machen, was den Gendarmen hörbar erleichterte.
Er küsste seine Frau abbittend auf die Wange, doch Sabine, die selbst Ärztin war, nahm es klaglos hin, dass aus einem gemeinsamen Abend einmal wieder nichts werden würde. Tessa, die achteinhalbjährige Tochter, schmollte jedoch und sah ihn aus ihren dunklen Brombeeraugen anklagend an.
»Du hast es versprochen«, begann sie.
»Ihr könnt auch ohne mich Monopoly spielen, Schneckerl«, versuchte er sie zu trösten.
Doch Tessa schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre schwarzbraunen Locken, denen sie den Kosenamen »Schneckerl« verdankte, um ihr reizendes Gesichtchen tanzten.
»Ohne dich ist es nur halb so schön«, erwiderte sie eigensinnig.
»Das stimmt«, pflichtete ihr Filli bei.
Philipp, der Filli genannt werden wollte, kam bald in die Schule und gehörte zu den Kindern, die immer alles ganz genau wissen wollten. Und er hatte auch zu allem eine Meinung, die er unverhohlen kundtat.
»Aber euer Vater kann doch einen Kranken oder Verletzten net seinem Schicksal überlassen, weil ihr net auf euren Spieleabend verzichten wollt«, meinte Sabine vorwurfsvoll.
»Nun gut, dann eben ohne dich, Papa«, murmelte Tessa, und ihr Bruder nickte zustimmend.
***
Dr. Burger machte sich in aller Eile auf den Weg und hoffte inständig, dass er nicht zu spät kam. Schon von Weitem sah er das blinkende Blaulicht, denn Ludwig Sirch hatte sich ausnahmsweise nicht auf sein Motorrad geschwungen, sondern war wegen der anhaltenden Regenfälle mit dem Polizeiwagen unterwegs.
Der SUV des Verunglückten hatte die Leitplanke durchbrochen und stand nun schräg auf einem Wiesengelände. Der Zustand des Wagens ließ darauf schließen, dass er auch noch einen Bergahorn gestreift hatte.
Dr. Burger hielt an und stieg aus. Bevor er die sumpfige Wiese betrat, zog er noch Stiefel an, die er immer mit sich führte. Gemeinsam mit Ludwig Sirch näherte er sich dem Gefährt, hinter dem Steuer war eine zusammengesunkene Gestalt zu erkennen.
»Ist er ansprechbar?«, wollte Martin wissen.
»Net so richtig. Aber er hat net gewollt, dass ich die Rettung rufe. Er ist reinweg panisch geworden. Jetzt stöhnt er nur noch. Es schaut net gut aus, hoher Blutverlust«, erstattete Ludwig Sirch Bericht.
Über das Gesicht des Mannes strömte aus einer Kopfwunde Blut. Dr. Burger nahm einen starken Alkoholgeruch wahr, offensichtlich war der Verunglückte betrunken über die Landstraße gefahren.
Trotz seiner Verletzungen erkannte der Bergdoktor ihn sofort. Es handelte sich um Lenz Altinger, einen Großbauern, der bisher ein vorbildliches Leben geführt hatte und noch nie als Trunkenheitsfahrer in Erscheinung getreten war.
»Lenz, kannst du mich hören?«, sprach er ihn an.
»Ja«, kam es gequält über die Lippen des Altingers, dann stöhnte er wieder.
Während Dr. Burger versuchte, die Blutung zum Stillstand zu bringen, sprach er gleichzeitig beruhigend auf Lenz ein.
»Im Krankenhaus kann man dir besser helfen«, schlug er zuletzt vor.
Ein Beben ging durch Lenz Altingers kraftvollen Körper.
»Die haben meine Frau auf dem Gewissen«, brachte er undeutlich hervor, und sein Gesicht verzerrte sich.
Dazu sagte Dr. Burger nichts, denn er wollte den Altinger nicht noch mehr in Erregung versetzen. Stattdessen wandte er sich an Ludwig Sirch.
»Ich nehme den Lenz mit in die Mini-Klinik, die notwendigsten Untersuchungen kann ich auch dort vornehmen.«
Ludwig Sirch atmete auf.
»Ich fahre hinter Ihnen her. Mein Kollege soll den Unfallort sichern.«
***
Es war kein leichtes Unterfangen, den Verunglückten in die Mini-Klinik des Doktorhauses zu bringen und ihn ärztlich zu versorgen. Als die Untersuchungen abgeschlossen waren, stellte sich heraus, dass der Altinger – entgegen des ersten Eindrucks – nicht lebensgefährlich verletzt war.
Die Röntgenaufnahmen ergaben, dass er nur eine leichte Gehirnerschütterung hatte, außerdem Prellungen an einer Körperseite. Die Kopfwunde war inzwischen genäht worden, eine Narbe würde allerdings bleiben, sie ließ sich jedoch mit den Haaren verdecken.
Nachdem Dr. Burger seinem unwilligen Patienten alles eingehend erklärt hatte, versuchte Lenz Altinger sich zu erheben.
»Was ist?«
»Ich muss nach Hause, die Kühe melken und den Hund füttern, sonst werden alle narrisch«, stieß der Altinger hervor.
»Du bleibst gefälligst hier unter Beobachtung. Warum rufst du net zu Hause an, damit deine Wirtschafterin die Tiere versorgt? Sie hat doch früher selbst einen Hof gehabt«, erwiderte Dr. Burger streng.
»Meine Kühe wollen nur von mir gemolken werden, und der Hund ist halt bissig«, wandte Lenz Altinger störrisch ein und wollte ein Bein aus dem Bett schwingen.
»Wenn du keine Ruhe gibst, ruf ich die Rettung, verstanden? Auf dich wird eh noch so einiges zukommen. Trunkenheit am Steuer, Sachbeschädigung, und deinen SUV kannst du auch vergessen«, sagte Dr. Burger.
»Jessas«, gab Pankraz Burger von sich, der seinem Sohn bei den Untersuchungen behilflich gewesen war.
Aus seiner Stimme war jedoch ein gewisses Mitleid herauszuhören, denn er kannte den Altinger-Lenz schon seit dessen Kindheit.
»Mein Vater bleibt bei dir über Nacht, falls es irgendwelche Komplikationen gibt«, fuhr Dr. Burger fort.
»Komplikationen?«, fragte der Altinger erschrocken.
»Das kann man nie wissen.«
Pankraz Burger warf seinem Sohn einen strafenden Blick zu.
»Mach dir keine Sorgen. Du schläfst jetzt erst einmal, dann schaut die Welt schon ganz anders aus«, beruhigte der Senior den Verletzten.
»Und morgen früh ist dann die liebe Schwester Sofie für dich da«, fügte Martin Burger mit leichtem Spott hinzu.
»Schwester Sofie? Die so süß lächeln kann, in Wirklichkeit aber ein Drachen ist?«
»Das richte ich ihr gerne aus. Damit sie gleich die richtige Einstellung zu dir hat«, erwiderte Martin.
»Jetzt reicht es aber«, erklärte Pankraz vehement.
Es stellte sich heraus, dass Altingers Handy bei dem Unfall heil geblieben war, und nach einem kurzen erregten Gespräch beruhigte er sich endlich.
»Die Hanna hat sich inzwischen längst um alles gekümmert. Der Hund hat sie auch net gebissen, seltsam.«
»Dann wirst du jetzt hoffentlich einschlafen«, sagte Pankraz.
Lenz Altinger gab einen knurrenden Laut von sich, dann aber schloss er gehorsam die Augen. Bald darauf verkündeten regelmäßige Atemzüge, dass er tatsächlich in einen tiefen Schlaf gesunken war.
»Endlich«, murmelte Pankraz.
***
Auch im Doktorhaus war inzwischen Stille eingekehrt. Zenzi Bachhuber hatte noch ziemlich lang in der Küche herumgewirtschaftet, ehe sie in ihre gemütliche Dachkammer hochgestiegen war. Etwas mühsam allerdings, denn mit Anfang sechzig war man halt kein leichtfüßiges junges Madel mehr.
Sie zog sich die Haarnadeln aus ihrem grauen Knoten und schlüpfte in ihr altmodisches Rüschennachthemd, denn ließ sie sich aufseufzend in die Kissen sinken. Wie immer sprach sie vor dem Einschlafen noch ihr Nachtgebet, in das sie die Burgers mit einschloss. Denn das Wohl »ihrer Familie« lag ihr sehr am Herzen.
Auch Tessa und Filli sowie die zweijährige Laura, das jüngste der Doktorkinder, schliefen. Ihre Mutter hatte noch mehrmals nach ihnen gesehen, bevor sie selbst zu Bett gegangen war.
Sabine schreckte aus einem leichten Dämmerschlaf auf, als Martin neben ihr ins Bett schlüpfte. Sie kam selten zur Ruhe, wenn ihr Mann noch spät zu einem Notfall gerufen wurde, denn oft gab es Anlass genug, sich Sorgen um ihn zu machen.
»Dem Altinger geht es verhältnismäßig gut, aber er ist ein schwieriger Patient. Und das dauert dann halt.«
Sabine richtete sich auf. »Hast du Hunger, Schatzerl?«
»Die Zenzi hat mir noch etwas hergerichtet, die Gute. Nach den Kindern hab ich auch geschaut.«
Sabine ließ sich wieder zurücksinken. Martin suchte ihre tröstende Nähe, und eng aneinandergeschmiegt schliefen sie ein.
***
»Nun, wie geht es uns denn heute Morgen?«, fragte Schwester Sofie und sah Lenz Altinger prüfend an.
»Ich weiß nur, wie es mir geht, und das ist einfach furchtbar«, erwiderte Lenz unfreundlich und zog die Bettdecke höher.
Pankraz Burger hatte inzwischen das Krankenzimmer verlassen und ihn damit Schwester Sofie ausgeliefert.
So einer ist das also, dachte Schwester Sofie und riss das Fenster weit auf, sodass ein Schwall kühler Morgenluft in den Raum strömte.
»Soll ich mir eine Lungenentzündung holen?«, empörte sich Lenz.
»Dass die Mannsleut so wehleidig sind, das werde ich nie verstehen«, gab Schwester Sofie zurück und funkelte ihn an.
»Ist ja schon gut«, murmelte Lenz.
»Du sollst vorerst leichte Kost bekommen. Was willst du denn haben: Grießbrei, Haferbrei oder ...«
»Nix, ich hab keinen Hunger«, fiel ihr der Altinger angeekelt ins Wort.
»Ach, will der Herr eine fette Haxen, Kraut mit Speck, Semmelknödel und ein großes Weißes dazu? Alles leicht verdaulich und gesundheitsfördernd, besonders, wenn man eine Kopfverletzung hat«, höhnte Schwester Sofie. Dann zog sie ihm mit einem Ruck die Bettdecke weg. »Ich wette, du hast eine richtige Wampen ...«
Doch da sah sie sich getäuscht. Lenz Altinger war zwar kräftig, aber keineswegs verfettet, und sie überließ ihm wieder die Bettdecke, die er wütend umklammerte.
»Das grenzt ja schon an Belästigung.«
»Ach geh, sei stad. Ich bring dir halt eine Suppe und eine Semmel. Kannst du allein ins Badezimmer gehen?«
»Natürlich.« Er richtete sich auf, und schon da begann seine Kopfverletzung zu pochen, und eine Körperseite tat ihm entsetzlich weh. Aber er wollte sich keine Blöße geben und wagte ein paar vorsichtige erste Schritte. Dann aber wurde es ihm schwarz vor Augen, er schwankte und griff Halt suchend um sich.
Schwester Sofie war sofort zur Stelle und umfasste ihn.
»Ganz langsam«, ermahnte sie ihn.
Der Altinger nahm ihren Duft wahr, blumig und frisch, genauso hatte seine über alles geliebte Frau immer geduftet.
Er durfte nicht an sie denken, sonst würde ihn wie so oft die Verzweiflung überkommen und ihn jeder Lebensmut verlassen.
Seine Augen füllten sich mit Tränen, und er schwankte wieder. Das entging Schwester Sofie nicht, ihr Griff wurde fester, war aber auch behutsam. Ihre Stimme wurde sanfter, als sie ihn fragte, ob er noch weitere Hilfe brauchte.
»Ich bleib vor der Tür, ruf mich halt, wenn es nötig ist«, sagte sie, als er dieses verneinte.
»Ich hätt net gedacht, dass man sich so schwach fühlen kann«, stieß er später, als er wieder im Bett lag, seufzend hervor. »Wie ein Greis hab ich mich bewegt.«
»Das wird schon wieder. Du musst nur ein bisserl Geduld haben und nichts übereilen«, meinte Schwester Sofie, ehe sie das Krankenzimmer verließ.
Jetzt rief der Altinger Hanna, seine Wirtschafterin, erneut auf dem Handy an.
»Die Kühe sind gemolken und gefüttert, der Hund auch. Der Ganter ist wieder mal ausgerissen, der Ludwig Sirch hat ihn auf der Landstraße gefunden und hergebracht. Er hat gedroht, ihn zu schlachten, wenn er ihn noch mal aufgreifen tät. Aber das hat er net ernst gemeint, man kennt ja den Ludwig«, berichtete sie.
»Da bin ich mir net so sicher«, erwiderte Lenz und beendete das Gespräch, ohne sich bei Hanna für ihre Mühe zu bedanken.
Für den Rest des Tages erwies sich Lenz Altinger als vorbildlicher Patient. Er verzehrte die leichte Kost, ohne zu murren, obwohl sie nach nichts schmeckte. Auch Widerworte gab er nicht mehr, sondern befolgte alles, was Schwester Sofie von ihm verlangte.
Dr. Burger fand, dass es Lenz schon weitaus besser ging, er würde ihn allerdings noch ein paar Tage dabehalten.
»Er ist ja plötzlich so handzahm, wie umgewandelt«, sagte Martin auf dem Flur zu Schwester Sofie.
Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist halt wieder bei Sinnen.«
Dr. Burger lächelte. Offenbar hatte Schwester Sofie ihm ordentlich den Marsch geblasen.
***
Nun eilte der Bergdoktor zum Sprechzimmer, denn die Patienten waren im Warteraum schon hörbar unruhig geworden. Gottlieb Streithähnel, der eigentlich nur Hähnel hieß, aber wegen seiner ungebrochenen Streitlust diesen Beinamen erhalten hatte, war gerade wieder einmal dabei, Unfrieden zu stiften,
»Immer drängst du dich vor, Gottlieb«, beschwerte sich eine der Frauen mit schriller Stimme.
»Ich komm zuerst dran! Mein Ende naht!«, kreischte Hähnel.
»Das versprichst du uns schon lange. Das Einzige, was dir fehlt, ist ...«
Der Rest des Satzes, der Gottlieb von der nicht minder zänkischen Leitnerbäuerin entgegengeschleudert worden war, ging in lautem Gelächter unter.
Bärbel Tannauer, die am Empfang saß, lächelte boshaft.
»Ich glaub, der Gottlieb braucht mal eine Aufbauspritze, damit er wieder eine Zeit lang Ruh gibt.«
Der Streithähnel hasste nichts mehr als Spritzen, dennoch trieben ihn seine eingebildeten Leiden immer wieder in die Praxis.
Dr. Burger seufzte resigniert.
»Dann schick ihn halt als Ersten rein.«
Der übrige Tag verlief nicht minder turbulent. Etliche Gebirgler schienen von einem Magenleiden ergriffen zu sein, was Dr. Burger auf eine ausschweifende Familienfeier, bei der der Alkohol in Strömen geflossen war, schob.
Im Berghotel »Am Sonnenhang« war einer der Gäste die Treppe hinuntergestürzt und hatte sich Prellungen zugezogen. Hedi Kastler, die Hotelchefin, teilte Martin Burger im Vertrauen mit, dass sich dieser Gast schon des Öfteren in Sektlaune befunden hätte, wie man das hier nannte.
Und das war nicht der letzte Notfall, zu dem er an diesem Tag gerufen wurde, sodass er wieder einmal ziemlich spät zu seiner Familie zurückkehrte. Die Kinder waren schon zu Bett gebracht worden, und ihr Großvater hatte ihnen eine Gutenachtgeschichte aus seiner Zillertaler Chronik vorgelesen. Die Kinder liebten die Märchen und Legenden, die Pankraz seit Jahren sammelte und niederschrieb.
Allerdings hatte er ihren Eltern versprechen müssen, nur noch Geschichten mit gutem Ausgang auszuwählen, denn manche der Überlieferungen waren von großer Grausamkeit und hatten Tessa und Filli manches Mal in Angst und Schrecken versetzt. Und so hatte die gute Moorfee in der heutigen Geschichte einen einsamen Wanderer gerettet und ihm den richtigen Weg gewiesen.
Nachdem Martin Burger den Eintopf verzehrt hatte, den Zenzi ihm aufgewärmt hatte und der so noch viel besser schmeckte, ließ er sich neben Sabine auf das Sofa sinken. Pankraz, der noch etwas mitgenommen aussah von der Nachtwache, nahm gegenüber Platz, und auch Zenzi Bachhuber gesellte sich dazu.
Zenzi, der gute Geist des Doktorhauses, galt als Familienmitglied, hatte sie doch Martin, dessen Mutter gestorben war, als er elf Jahre alt gewesen war, mit aufgezogen.
»Heute habe ich einen ganz besonders guten Tropfen für uns«, verkündete Sabine, »einen Blauburgunder aus Südtirol.«
Sie goss ein, und nachdem Pankraz mit halb geschlossenen Augen den ersten Schluck gekostet hatte, seufzte er glücklich auf.
»Ein wahrer Trost.«
Pankraz war leiblichen Genüssen sehr zugetan, was auch seine stattliche Figur bewies. Sabine fiel die undankbare Aufgabe zu, ihm immer wieder Einhalt zu gebieten, worüber er sich regelmäßig beklagte. Aber er war seiner Schwiegertochter trotzdem sehr zugetan, wusste er doch, dass sie es gut mit ihm meinte.
»Und? Was macht unser schwieriger Patient?«, fragte Sabine nun. »Hat er Schwester Sofie das Leben schwer gemacht?«
Martin setzte sein Glas ab und lächelte.