Der Bergdoktor 2119 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2119 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Was mache ich nur mit dem armen Madel? Der Bergdoktor möchte seiner Patientin helfen, aber die Therapiemöglichkeiten sind nahezu ausgeschöpft. Seit einem schweren Autounfall leidet Lisa Hitzinger unter ständigen Schmerzen im Bein, dazu gesellen sich Panikattacken, Schlafstörungen und Schuldgefühle. Ärzte und Familie versichern ihr, dass sie schuldlos an dem Unglück war, trotzdem verfolgen sie die Ereignisse jener Herbstnacht. Ja, der andere Wagen ist ins Schleudern gekommen und in ihr Auto hineingerast, aber wäre sie nur fünf Minuten später losgefahren, könnte ein Familienvater noch leben. Das bekommt Lisa nicht aus ihrem Kopf.
Keine Therapie schlägt bei ihr an. Lisa ist verzweifelt und einsam. Während ihre Schwestern glücklich vergeben sind, scheint Amor sie vergessen zu haben.
Da taucht eines Tages ein Fremder auf dem Hof auf und bietet seine Hilfe als Knecht an. Für Kost und Logis ist er bereit, mit anzupacken. Lisa ist viel zu dankbar, um das Angebot zu hinterfragen. Sie ahnt nicht, dass Valentin etwas vor ihr verbirgt ...


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Seitenzahl: 124

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Das Glück sucht dich

Vorschau

Impressum

Das Glück sucht dich

Hat Amor die schüchterne Lisa wirklich übersehen?

Von Andreas Kufsteiner

Was mache ich nur mit dem armen Madel? Der Bergdoktor möchte seiner Patientin helfen, aber die Therapiemöglichkeiten sind nahezu ausgeschöpft. Seit einem schweren Autounfall leidet Lisa Hitzinger unter ständigen Schmerzen im Bein, dazu gesellen sich Panikattacken, Schlafstörungen und Schuldgefühle. Ärzte und Familie versichern ihr, dass sie schuldlos an dem Unglück war, trotzdem verfolgen sie die Ereignisse jener Herbstnacht. Ja, der andere Wagen ist ins Schleudern gekommen und in ihr Auto hineingerast, aber wäre sie nur fünf Minuten später losgefahren, könnte ein Familienvater noch leben. Das bekommt Lisa nicht aus ihrem Kopf.

Keine Therapie schlägt bei ihr an. Lisa ist verzweifelt und einsam. Während ihre Schwestern glücklich vergeben sind, scheint Amor sie vergessen zu haben.

Da taucht eines Tages ein Fremder auf dem Hof auf und bietet seine Hilfe als Knecht an. Für Kost und Logis ist er bereit, mit anzupacken. Lisa ist viel zu dankbar, um das Angebot zu hinterfragen. Sie ahnt nicht, dass Valentin etwas vor ihr verbirgt ...

Der Duft von frisch gebackenem Apfelkuchen begrüßte jeden Gast im »Café Kostner«. Mit einem Hauch von Zimt und Mandelsplittern war der Kuchen in diesem Winter besonders beliebt – nicht nur bei Urlaubern, nein, auch die Einheimischen gönnten sich gern ein Stück bei einem Haferl Kaffee. Am liebsten mit einem Sahnetupfer.

Während sich die Schneewolken über dem Zillertal ballten und die Schneeflocken umherwirbelten, waren die Straßen und Gassen von Mayrhofen voller Menschen. Zahlreiche Urlauber marschierten mit geschulterten Skiern zu den Bergbahnen, die auf die beiden Hausberge führten, den Ahorn und den Penken.

Viele Sprachen waren hier zu hören: Englisch, Niederländisch, Französisch, Russisch ... Die tief verschneiten Hänge lockten Menschen aus zahlreichen Ländern in diesen Winkel des Zillertals.

Lisa Hitzinger beobachtete gern das bunte Treiben durch die verglaste Tür des Cafés. Sie stand hinter der Theke und verkaufte Kuchen, Semmeln und hausgemachte Konfitüren. Manchmal wies sie einem Kunden auch den Weg zum Bahnhof der Zillertalbahn oder zum nächsten Briefkasten.

Nur einen Steinwurf vom Café entfernt befanden sich mehrere Geschäfte für Sportartikel und Mitbringsel und eine Buchhandlung. Hin und wieder führte die schneidende Kälte einen Gast herein, der sich nur kurz aufwärmen wollte und dann doch vom süßen Duft des Gebäcks zum Probieren verführt wurde. Im »Café Kostner« gab es die besten Kuchen des Zillertals, davon war Lisa überzeugt.

Obwohl es schon auf den März zuging, mochte der Winter sein Zepter noch nicht an den Frühling übergeben. Immer neue Schneefälle sorgten für weiße Pisten und oft auch für verwehte Bergstraßen und Sperrungen. In die höheren Regionen durfte man nur mit Schneeketten fahren, denn die Straßen waren schmal und steil und schon so manchem Fahrer zum Verhängnis geworden.

Lisa füllte gerade das Blech mit Apfelstrudel nach, als ein Mann an ihrem Stand vorbeihastete und das Café verließ. Sein geringelter Wollschal wehte hinter ihm her wie eine Fahne, und sein grauer Mantel schien ihm zu groß zu sein, jedenfalls versank er beinahe darin.

Er hatte zwei Stunden an einem der runden Tische in Lisas Nähe zugebracht und etwas in einen Laptop getippt, während sein Kaffee langsam kalt geworden war. Anscheinend hatte er über dem Schreiben die Zeit vergessen, denn nun hetzte er davon und hatte sein Mobiltelefon neben seiner Tasse vergessen.

»O nein!« Lisas Hand fuhr an ihren Mund. Sie wandte sich um. »Britta, kannst du kurz für mich übernehmen, bitte? Ich bin gleich zurück.«

Während ihre Kollegin an ihren Stand trat, schnappte sich Lisa das Handy und eilte dem Gast hinterher.

»Hallo? Sie haben etwas vergessen! Hallo!« Sie hatte kaum einen Fuß vor die Tür gesetzt, als eine heftige Bö an ihr zerrte und ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper trieb. Warum nur hatte sie nicht daran gedacht, sich eine Jacke überzuziehen? Allerdings wäre der Gast vermutlich längst verschwunden gewesen, bis sie die Jacke geholt hätte.

Der Wind trieb ihr Schneeflocken in die Augen. Lisa kniff die Lider zusammen und schaute sich um. In dem bunten Gewimmel aus Urlaubern und Einheimischen war es nicht einfach, den Gast ausfindig zu machen. Wo konnte er nur stecken? Ah, da vorn war er! Er lief die Straße hinauf in Richtung der Penkenbahn.

Lisa eilte ihm nach.

»Hallo? Hallo!« Mehrere Köpfe drehten sich zu ihr um, aber der Unbekannte stürmte weiter. Sie beschleunigte ihre Schritte, um ihn einzuholen, und rief erneut: »Hallo! Ihr Handy!«

Endlich wurde er langsamer, griff in seine Manteltaschen und drehte sich um. Sein Blick glitt suchend über die Passanten, blieb an Lisa hängen und hellte sich auf, als er sein Handy in ihrer Hand entdeckte.

»Mei, Sie haben mich gerettet«, sagte er und kam ihr entgegen.

»Sie haben das Handy im Café vergessen.« Sie reichte es ihm.

»Ich hätte es spätestens auf dem Berg vermisst, denn ich möchte dort fotografieren. Fotos helfen mir, mich beim Schreiben zu fokussieren, wissen Sie? Die Bilder sind einer der Gründe, weshalb ich überhaupt hierhergekommen bin.«

»Sie sind Schriftsteller?«

»Ich versuche mich gerade an meinem ersten Krimi. Er spielt hier im Zillertal, in einem kleinen Bergdorf.«

»So versunken, wie Sie vorhin beim Schreiben waren, wird er bestimmt gut.«

»Ich hoffe es.«

»Ich bin die Lisa«, stellte sie sich vor. Ihre Wangen erwärmten sich unter seinem Blick.

»Und ich heiße Andreas.« Er war nur wenige Jahre älter als sie und hatte ein schmales Gesicht mit einem gepflegten Kinnbart. Ein Lächeln funkelte in seinen Augen, als er das Handy in die Tasche schob. »Ich danke Ihnen, dass Sie mir mein Handy gebracht haben. Und dabei ist es bitterkalt. Wie kann ich mich revanchieren?«

»Müssen Sie net«, wehrte sie ab. »Das gehört zu meinem Job.«

»Sie arbeiten in dem Café, nicht wahr? Ich bin sehr froh, dass Sie so aufmerksam waren. Ich würde mich wirklich gern erkenntlich zeigen.«

»Kommen Sie einmal wieder zu uns ins Café.«

»Das werde ich ganz sicher.« Er lächelte sie an. »Ich bin noch ein paar Tage in Mayrhofen. Dürfte ich Sie einmal zum Abendessen einladen? Heute vielleicht?«

Eine glühende Röte stieg Lisa ins Gesicht.

»Lieber net«, erwiderte sie verlegen. Sie senkte den Kopf und wünschte sich, sie könnte im Erdboden versinken. Warum war sie nur immer so ungeschickt? Weshalb hatte sie Nein gesagt? Sie wäre schon ganz gern einmal ausgegangen. Allerdings kannte sie ihn nicht und hatte keine Ahnung, worüber sie mit ihm reden sollte.

»Schade.« Sein Blick trübte sich, und Lisa wünschte sich, sie hätte seine Einladung nicht abgelehnt.

»Ich ...« Lisa biss sich auf die Zunge, murmelte einen Abschied und wandte sich ab. Sie wagte nicht, sich zu ihm umzudrehen, und lief schnell zurück zum Café – deutlich langsamer nun, denn ihr Bein tat wieder weh. Sie begann zu humpeln und hoffte, dass er ihr nicht nachsah.

Das Humpeln war ihr furchtbar peinlich.

Lisa musste stehen bleiben, weil sie ein schmerzhaftes Ziehen in ihrem Bein spürte. Sie ballte die Fäuste und grub die Fingernägel in die Handballen. Mit einem Mal verschwamm alles um sie herum, und sie sah alles nur noch wie durch einen Nebelschleier. Lisas Herz begann zu jagen, und ein flaues Gefühl lastete auf ihrer Brust.

Eine Panikattacke braute sich zusammen!

Sie kannte die Anzeichen und versuchte, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren, wie die Therapeutin es ihr gezeigt hatte. Nach einer Weile ließ der Druck nach, und sie konnte wieder normal atmen. Die Passanten eilten geschäftig an ihr vorbei, ohne von ihr Notiz zu nehmen. Endlich löste sich die Starre, und sie lief weiter.

Halb erfroren erreichte sie ihr Ziel und trat aufatmend durch die Tür des Cafés.

»Lisa.« Britta stand noch hinter dem Tresen und deutete über ihre Schulter. »Die Chefin möchte dich sehen. Du sollst bitte gleich zu ihr kommen, wenn du wieder da bist.«

»Danke.« Lisas Stimme war nur ein Flüstern.

Ihre Kollegin bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick.

Lisa ging in den hinteren Bereich des Cafés, in dem sich die Lager- und Geschäftsräume befanden. Die erste Tür stand offen. Sie führte zum Büro ihrer Chefin.

Verena Brandl war eine resolute Mittvierzigerin, die meistens Dirndlkleider trug. Heute trug sie ein sonnengelbes Dirndl, das mit Stickereien verziert war. Auf dem Schreibtisch reihten sich gerahmte Fotografien von ihr und ihrem Mann aneinander. Sie zeigten das Paar größtenteils beim Bergsteigen. Die Bilder waren allesamt schon älter. Seitdem sie das Café übernommen hatten, blieb ihnen wenig Zeit zum Klettern.

»Da bist du ja.« Verena Brandl wandte sich von ihrem Computer ab, stand auf und kam hinter ihrem Schreibtisch hervor. »Britta sagte, du wärst einem Gast nachgegangen?«

»Ja. Er hatte sein Handy vergessen.«

»Und du deine Jacke. Möchtest du einen Kaffee zum Aufwärmen?«

»Danke. Später vielleicht.«

»Wie du willst.« Ihre Chefin lehnte sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch und sah sie forschend an. »Ich kann dich net gehen lassen, ohne zu versuchen, dich umzustimmen.«

»Es tut mir leid, aber ich kann net bleiben.«

»Also möchtest du wirklich kündigen?«

»Ich muss.« Lisa schlang die Arme um ihren Oberkörper.

In den vergangenen drei Jahren war das Café ihr Zuhause geworden. Das lag vor allem an dem wunderbaren Team, das wie eine Familie zusammenhielt. Sie kümmerte sich gern um die Gäste, auch wenn das seit dem Herbst nicht mehr so einfach war. Seit dem Unfall war sie hinter die Theke verbannt worden, weil ihr das Laufen schwerfiel.

»Heute ist mein letzter Tag.«

»Wir verlieren dich nur ungern, das weißt du.«

»Ich hab mich hier auch immer sehr wohlgefühlt.«

»Dann bleib! Du könntest deine Stunden reduzieren, bei gleicher Bezahlung. Dann hättest du mehr Zeit für deine Therapie und die Genesung.«

Das Angebot war mehr als großzügig, aber Lisa brauchte nicht nur Zeit, sondern eine neue Perspektive. Wie die genau aussehen konnte, das wollte sie herausfinden.

»Es geht wirklich net. Es tut mir leid.«

»Und wenn du ein Sabbatical einlegst? Nimm dir ein Jahr Auszeit.«

»Ich wünschte, das wäre genug, aber so ist es net.« Lisa schüttelte den Kopf. »Der Unfall ist jetzt Monate her, aber er verfolgt mich immer noch. Ich brauche einen Neuanfang.«

»Ach, Lisa, das verstehe ich, aber wir werden dich vermissen.«

»Ich werde euch auch vermissen.« Ihre Augen brannten.

»Der Unfall war net deine Schuld. Das weißt du, net wahr?«

»Ja, ich weiß es schon, aber trotzdem mache ich mir Vorwürfe.« Sie presste die Hände zusammen. Seit jener unglückseligen Nacht wurde sie von Albträumen, Schuldgefühlen und Schmerzen heimgesucht. Sie fand keine Ruhe mehr, deshalb musste sich etwas an ihrem Leben ändern.

Lisa hatte ihre Stelle und ihr Zimmer aufgegeben, um nach St. Christoph heimzukehren. Es war ihr letzter Ausweg.

»Alles Gute, Lisa.« Ihre Chefin fasste sie bei den Schultern und sah sie mit Tränen in den Augen an. »Wenn du es dir anders überlegst, solltest du wissen, dass wir hier immer einen Platz für dich haben.«

»Danke.« Ihre Kehle wurde eng. Auf wackeligen Beinen kehrte sie an ihren Posten zurück. Hier blickte Britta ihr entgegen.

»Die Chefin konnte dich net umstimmen, oder? Verlässt du Mayrhofen etwa wegen Jannes? Weil er sich verlobt hat?«

»Er hat sich verlobt?!«

»Wusstest du das net?«

Lisa schüttelte den Kopf. Im Sommer hatten sich ihre beiden jüngeren Schwestern verlobt – und nun auch Jannes. Sie waren ein paarmal zusammen aus gewesen. Bis zu ihrem Unfall. Danach hatte er sie abserviert und nie wieder von sich hören lassen.

Ein jeder schien sein Glück zu finden. Nur sie selbst war nach wie vor allein. Beklommen fasste sie sich an den Hals.

Was stimmt bloß net mit mir?, dachte sie. Hat Amor mich vergessen?

***

»Wetten, du traust dich net?«

»Ich wette net mit dir.«

»Weil du dich net traust.«

»Na. Papa sagt, man soll net wetten.«

»Du hast nur Angst zu verlieren.«

Der kleine Disput riss Erwin Wildenthaler aus seinem Nickerchen. Er riss den Kopf hoch und wischte sich mit der flachen Hand über das bärtige Gesicht. Sakra, war er etwa eingeschlafen? Mitten im Schneetreiben?

Tatsächlich! Eine weiße Schicht bedeckte seinen Janker. Die Kälte war in seine Glieder gekrochen und sandte ihm Schauder über den Rücken. Verflixt, so war das nicht geplant gewesen. Er hatte sich nur kurz vom Schneeschaufeln ausruhen wollen. Dabei musste er eingenickt sein.

Anscheinend war es keine gute Idee gewesen, auf die Schmerzmittel auch noch zwei Schnapserl zu trinken. Wie lange hatte er geschlafen? Jedenfalls nicht lange genug, um in dem schneidenden Wind zu erfrieren.

Erwin saß auf der verschneiten Holzbank, die sich an sein Bauernhaus schmiegte. In seinen Gliedern steckte das Reißen, sein Rücken zwackte, und sein Bauch zwackte seit einiger Zeit auch immer stärker.

Ich bin ein Wrack, dachte er und stieß ein Seufzen aus. Genau wie mein Hof. Die Aussicht über die Bergspitzen war traumhaft schön, aber der Hof selber bot keinen schönen Anblick mehr. Das Dach hätte repariert werden müssen, der Koppelzaun stand schief, und von der Dachrinne hingen armdicke Eiszapfen herunter, die einen Mann erschlagen konnten. Sie mussten dringend entfernt werden.

Ach, es gab so viel auf dem Hof zu tun. Wenn er nur diese Schmerzen nicht gehabt hätte. Wieder entfuhr ihm ein Seufzen. Sein Eselhof stand am Rande von St. Christoph, einem idyllischen Dorf in den Bergen. Er war hier aufgewachsen und hatte sein ganzes Leben hier verbracht, aber seit einiger Zeit lastete die Arbeit wie ein Bleigewicht auf ihm.

Suchend schaute Erwin sich um. Die Koppel schloss sich an das Haus an, und dort am Zaun entdeckte er die beiden Kinder des Bergdoktors. Noch hatten sie ihn nicht bemerkt, denn sie waren ganz in ihren kleinen Zank vertieft.

»Ich trau mich schon, ich mag nur net«, verkündete der Bub nun, der so warm eingemummelt war, dass von ihm kaum mehr als die blitzenden blauen Augen und die von der Kälte gerötete Stupsnase zu sehen waren.

Das Madel neben ihm war älter und hatte dunkle Zöpfe, die unter ihrer Pudelmütze hervorlugten. Sie funkelte ihren Bruder an.

»Das glaub ich net. Du hast Angst vor dem Ungeheuer.«

»Hab ich net. Der Esel ist kein Ungeheuer, Tessa. Nur ein bisserl schlecht gelaunt.«

»Ein bisserl?« Das Madel schnaubte.

Erwin konnte es ihr nicht verdenken. Falls die beiden von seinem Esel sprachen, war das eine gewaltige Untertreibung. Ganz so, als wollte man behaupten, ein Schneesturm wäre nur ein laues Lüftchen. Herman war ein Grantler, wie er im Buche stand. Er biss, trat aus und stieß einen ausgewachsenen Mann um, wenn ihm danach war. Und es war ihm oft danach. Man musste sich vor ihm sehr in Acht nehmen.

Herrje! Und jetzt marschierte der Bub geradewegs auf das Tor der Koppel zu! Dann griff er nach oben und setzte einen Fuß auf das untere Brett. Der Bursche wollte tatsächlich über das Tor auf die Koppel klettern!

Erwin Wildenthaler fuhr der Schreck in die Glieder. Ohne nachzudenken, sprang er von der Bank auf und stürmte zu den beiden Kindern hinüber. Die Schneeschaufel hielt er noch in den Fäusten. Damit bot er wohl einen Furcht einflößenden Eindruck, denn die Kinder starrten ihn mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen an.

»Weg hier!«, rief das Madel.