Der Bergdoktor 2139 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2139 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Nach einer großen Enttäuschung erkennt die hübsche Flora, worauf es bei einem Mann wirklich ankommt, nämlich Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Geradlinigkeit. Und über diese Tugenden verfügt Anton in reichlichem Maße. Zudem ist er auch noch sehr attraktiv. Immer wenn er in ihrer Gärtnerei auftaucht, beginnt ihr Herz ungestüm zu klopfen. Und ehe sie es sich versieht, hat Flora sich in ihn verliebt.
Doch es gibt ein Problem, denn Anton ist Autist. Er lebt in seiner eigenen Welt, und nicht nur die Liebe, sondern auch der Umgang mit fremden Menschen ist für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Flora setzt sich über alle Bedenken hinweg und beginnt eine Liebesbeziehung mit Anton. In trauter Zweisamkeit läuft auch alles bestens. Doch als sie Anton zum ersten Mal mit zu einem Gartenfest von Freunden nimmt, kommt es zu einer Katastrophe ...


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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Zwei wie Tag und Nacht

Vorschau

Impressum

Zwei wie Tag und Nacht

Flora verliebt sich in Anton, doch er ist Autist

Von Andreas Kufsteiner

Nach einer Enttäuschung erkennt die hübsche Flora, worauf es bei einem Mann wirklich ankommt, nämlich auf Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Geradlinigkeit. Und über diese Tugenden verfügt Anton in reichlichem Maße. Zudem ist er auch noch sehr attraktiv. Immer wenn er in ihrer Gärtnerei auftaucht, beginnt ihr Herz ungestüm zu klopfen. Und ehe sie es sich versieht, hat Flora sich in ihn verliebt.

Doch es gibt ein Problem, denn Anton ist Autist. Er lebt in seiner eigenen Welt, und nicht nur die Liebe, sondern auch der Umgang mit fremden Menschen ist für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Flora setzt sich über alle Bedenken hinweg und beginnt eine Liebesbeziehung mit Anton. In trauter Zweisamkeit läuft auch alles bestens. Doch als sie Anton zum ersten Mal mit zu einem Gartenfest von Freunden nimmt, kommt es zu einer Katastrophe ...

Warum kann ich net weinen?, fragte er sich.

Anton schaute sich langsam um. Links von ihm standen seine Eltern, einander stützend, als würde einer ohne den anderen umfallen. Beide waren von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und schienen mit den Regenschwaden zu verschwimmen, die an diesem Tag vom Himmel stürzten und die Erde auf dem Kirchhof in Morast verwandelten. Anton war vorhin ausgerutscht und hingefallen, sodass sich nun ein schlammbrauner Fleck auf seiner Hose abzeichnete.

Sein Vater hatte kein Wort darüber verloren. Und seine Mutter schien seit Konrads Tod ohnehin durch ihn hindurchzusehen wie durch Glas.

Beiden rannen Tränen über das Gesicht, und sie wischten sie nicht weg.

Rechts von ihm standen Tante Saskia und Onkel Thorsten. Seine Tante hatte den Kopf an die Schulter seines Onkels gelehnt und schluchzte hemmungslos. Ebenso wie seine Großeltern.

Anton schob die Hände in die Hosentaschen und spähte hinter sich. Im Halbkreis hatten sich Nachbarn und Freunde seiner Eltern versammelt. Viele waren gekommen, um seinem Bruder das letzte Geleit zu geben. In der letzten Reihe hatten sich der Lehrer Thomas Werth und Konrads Klassenkameraden versammelt. Alle sahen traurig aus, viele weinten.

Nur Anton fand keine Tränen. Er fühlte sich so leer wie ein verlassenes Schneckenhaus.

Sein Blick wanderte zu dem Sarg. Der war aus hellem Erlenholz gefertigt und mit vier roten Herzen bemalt. Jedes Herz stand für ein Mitglied seiner Familie: die Eltern, Anton – und Konrad, der nun nicht mehr bei ihnen war.

Anton versuchte sich vorzustellen, dass sein Bruder in dem Sarg lag, kalt und leblos, aber es wollte ihm nicht gelingen. Konrad war immer so quirlig gewesen, ganz anders als Anton, und er hatte den Kopf voller Streiche gehabt. Gewiss würde er jeden Moment den Deckel aufstoßen und lachend heraussteigen, quicklebendig und hochzufrieden, dass er sie alle hereingelegt hatte.

Komm schon, Konny, flehte Anton. Komm zurück zu uns. Bitte. Doch das geschah nicht.

Konrad sei ertrunken, hatten sie gesagt. Beim Spielen am Kuckuckssee war er vom Bootssteg ins Wasser gefallen und sofort untergegangen. Mit seinen sieben Jahren konnte er noch nicht schwimmen.

In den Sommerferien hatte Konrad einen Schwimmkurs mitmachen wollen. Keine zwei Wochen waren es noch bis dahin gewesen. Zu spät!

Konrad war nicht nur sein kleiner Bruder, sondern auch der einzige Mensch gewesen, der ihn nie komisch angeguckt hatte. Genau das machten nämlich die anderen immer.

Seine Mutter hielt ihn dauernd dazu an, mit anderen Kindern zu spielen und sich nicht immerzu in seinem Zimmer zu verkriechen.

»Das ist net normal«, hielt sie ihm vor.

Anton verstand nicht, was so schlimm daran sein sollte, aber das war es wohl, denn sein Vater fuhr ihn von einem Arzt zum anderen, damit sie aus ihm einen »richtigen Buben« machten. Also musste an ihm wohl irgendetwas falsch sein. Nur Konrad hatte das nicht gedacht. Nein, Konrad hatte ihn so genommen, wie er war.

Es wäre doch blöd, wenn du ein anderer sein solltest als der, der du bist. Das hatte er gesagt, und das war gut gewesen. Und nun war er fort. Der einzige Mensch, der ihn nie hatte ändern wollen, war für immer weg.

Antons Kehle war eng, als hätte er einen zu großen Bissen Germknödel hinuntergeschlungen, aber sosehr er auch schluckte, er konnte ihn nicht loswerden.

Und er konnte nicht weinen.

»Dem Buben ist der Tod seines Bruders einerlei«, hörte er Großmutter Hilde hinter sich flüstern. »Steht da wie ein Stein. Als würde ihn das alles nix angehen.«

»Pst. Er kann dich hören.« Das kam von Opa Hannes.

»Und wenn schon. Es kratzt ihn ja doch net, was andere sagen. Dieser Bub ist mir unheimlich. Er hat absolut keine Gefühle.«

»Das ist net wahr, Hilde.«

»Schau, wie teilnahmslos er auf die letzte Ruhestätte seines Bruders starrt. Wie kann ein Kind nur so kalt sein! Das ist doch net normal.«

Net normal. Diese Worte hallten in seinem Inneren wieder und verwandelten seinen Bauch in eine kalte klumpige Masse. Anton hatte sie schon oft gehört, wusste jedoch nicht so recht, was sie bedeuteten. Nur, dass etwas mit ihm nicht stimmte und dass er nicht dazugehörte. Nirgendwo.

Wenn er doch nur weinen und ihnen zeigen könnte, dass er nicht anders war als sie und dass er seinen Bruder nicht weniger vermisste als sie. Er wusste nur nicht, wie er das anstellen sollte. Seit jenem unglücklichen Tag am See klaffte ein Loch in seiner Brust. Manchmal sah er an sich hinunter, weil er sich sicher war, man müsste das Loch sehen, das Konrads Tod hineingegraben hatte, aber da war nichts. Wieso? Wie konnte da kein Loch sein? Er spürte es doch ganz deutlich!

Anton starrte auf das Grab, doch seine Augen blieben trocken.

Als der Gendarm mit der Nachricht vom See zu ihnen gekommen war, war seine Mutter ins Bad gestürzt und hatte so geweint, dass sie sich hatte übergeben müssen. Auch seinem Vater waren die Tränen wie ein Sturzbach über das Gesicht gelaufen.

Nur er, Anton, weinte nicht. Was stimmte bloß nicht mit ihm?

»Der Bub hat kein Herz«, hörte er seine Großmutter flüstern.

»Hilde, was redest du denn da?«

»Siehst du es denn net? Er kann net lieben. Seine Eltern net, uns net und auch seinen Bruder net. Oder später einmal ein Madel. Wir können es uns für ihn wünschen, und vielleicht wünscht er es sich sogar selber, aber er kann es net. Der Anton liebt nichts und niemanden. Net einmal sich selbst.«

Antons Mund wurde trocken.

Auf der anderen Seite des Sarges stand Pfarrer Roseder und sprach über Konrad, über sein Lachen und seine Begeisterung für die Feuerwehr, über Auferstehung und das ewige Leben. Doch seine Worte rauschten an Antons Ohren vorbei.

»Hey.« Seine Cousine trat neben ihn und neigte ihren Mund an sein Ohr. »Du schaust aus, als würde dich das alles nix angehen. Bist du denn gar net traurig?«

Traurig? Anton dachte nach.

»Ich weiß net, was das bedeutet.«

»Was das bedeutet?« Elli sah ihn an, als hätte sich seine Haut mit einem Mal grün gefärbt.

Anton nickte und hoffte, sie würde ihn verstehen. Sein Inneres war ein einziger Wirrwarr, seitdem Konrad fort war. War das Trauer? Er wusste es nicht. Worte waren so unzulänglich. Sie reichten einfach nicht aus.

Elli kniff die Augen zusammen.

»Dein kleiner Bruder ist gestorben.«

»Ich weiß.«

»Lässt dich das völlig kalt?«

Kalt? Anton horchte in sich hinein.

»Mir ist net wärmer oder kälter als sonst auch.«

Elli wich einen Schritt von ihm zurück.

»Was bist du eigentlich?«, zischte sie.

»Ich bin der Anton.«

»Nein, du bist ein Freak!« Damit schob sie sich hinter ihren Vater, als könnte sie nicht weit genug von Anton wegkommen.

Anton senkte den Kopf und starrte auf seine Schuhspitzen. Anscheinend war er ein Sonderling. Er gehörte nirgendwo dazu. Besser, er fand sich endlich damit ab.

Und so sollten fünfzehn Jahre vergehen, in denen Anton mit der Gewissheit lebte, niemanden lieben zu können ...

***

»Wo sollen die Ranunkeln hin?« Eine Holzkiste mit Pflanzen schien sich schwankend auf zwei Beinen auf Flora zuzubewegen. Das Behältnis hatte die Größe eines Waschzubers und war bis obenhin vollbepackt mit Blumen. »Wie wäre es da drüben? Neben der Stiege mit den Büschelnelken ist es schön schattig.«

»Nein, stell sie ruhig hier neben mir ab.« Flora blickte von ihrer Arbeit auf. »Ich möchte sie gleich einsetzen.«

»Alles klar.« Rosi ließ die Kiste langsam sinken und schnaufte erleichtert. Sie packte seit anderthalb Jahren in der Gärtnerei mit an und kam bei Wind und Wetter mit einem Fahrrad zur Arbeit. Es war gelb lackiert und hatte eine Blumenvase am Lenker. Sich wieder aufrichtend, wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Das war die letzte Kiste. Damit solltest du alles haben, was du brauchst.«

»Danke dir. Ich kümmere mich gleich um das Einsetzen.«

»Für wen sind die hübschen Blumen denn gedacht?«

»Für das ›Berghotel‹. Hedi hat ein Dutzend bepflanzte Schalen bei uns nachbestellt. Ich habe schon eine Idee und hoffe, sie werden ihr gefallen.« Flora deutete auf die Blumen auf ihrem Arbeitstisch: Ranunkeln, Elfensporn, hellblaue Zauberglöckchen und gelbe Kapkörbchen.

»Die werden ihr ganz sicher gefallen. Hauptsache, die Schalen bekommen net wieder Beine wie die letzten!« Rosi verdrehte die Augen. Tatsächlich waren vor zwei Tagen mehrere Blumenschalen aus dem Hotel verschwunden – zeitgleich mit dem letzten Urlaubstag mehrerer Gäste, sodass ungewiss war, mit wem sie »abgereist« waren.

»Für das Hotel ist dieser Verlust wirklich ärgerlich.«

»Stimmt, aber wir dürfen dafür neue Blumenschalen machen. Das ist auch etwas.«

»Du findest wohl in allem noch etwas Gutes, was?«

»Net ganz. Zu dieser Hitze fällt selbst mir nichts Gutes mehr ein. Man schwitzt ja schon, wenn man nur nachdenkt. Und in den Gewächshäusern ist es trotz der Belüftung kaum auszuhalten.«

»Da sagst du was.« Flora hatte an diesem Morgen einige Stunden mit Umtopfen verbracht und sich unter dem Glasdach wie in einer Sauna gefühlt. Aus diesem Grund hatte sie ihren Arbeitstisch auch mit ins Freie genommen und arbeitete hier weiter. Zusätzlich zu den verschwundenen Schalen hatte Hedi weitere für ihre Terrasse geordert. Flora arrangierte die selbst gezogenen Pflanzen liebevoll in den Schalen.

Auch wenn ihr Arbeitsplatz manchmal heiß und unbequem war, konnte sie sich keinen schöneren Beruf vorstellen. Sie betrieb eine kleine Gärtnerei in St. Christoph. Bei ihr gab es eine bunte Vielzahl an Pflanzen für drinnen und draußen zu kaufen. Der Staudinger-Theo hatte den Betrieb aufgebaut. Bei ihm hatte Flora gelernt und sich alles abgeschaut. Als er krank geworden war, hatte er ihr angeboten, seine Gärtnerei zu übernehmen.

Flora liebte den Betrieb und hatte nicht lange überlegen müssen. Seither tat sie alles, um das Geschäft in seinem Sinne weiterzuführen. Sie plante auch bereits für die Zukunft – zum Beispiel ein Gewächshaus für Orchideen und einen Gartenpflege- und Schnittservice für ihre Kunden, aber das war vorerst nur Zukunftsmusik, bis sie genügend verdiente, um weitere Helfer einstellen zu können.

Rosi nahm ihre metallene Trinkflasche vom Fenstersims des Schuppens und trank mit langen, durstigen Zügen.

»Obacht, lass wenigstens die Flasche übrig«, neckte Flora sie.

»Kann ich net versprechen«, japste Rosi. »Ich hab einen Durst, das glaubst du net.«

»Im Kühlschrank steht noch Eistee.«

»Mit Pfirsichstücken?« Rosis Augen leuchteten auf, als Flora nickte. »Da sage ich net Nein. Dein Tee schmeckt nach Urlaub.«

»Ab morgen brauchst du dafür keinen Tee mehr, dann bist du direkt am Meer.«

»Stimmt. Ganze zehn Tage nix als Strand, Sonne und meine Bücher. Ich kann es kaum erwarten, mit eigenen Augen einmal das Mittelmeer zu sehen und net nur auf Ansichtskarten.«

»Wird dir die Busfahrt auch net zu lang werden?«

»Ach, ich hab doch meine Bücher mit. Ich glaube, es wird wunderbar, sich einmal um rein gar nichts kümmern zu müssen. Anreise, Hotel, Verpflegung – alles ist schon gebucht. Ich kann den ganzen Tag in der Sonne liegen und lesen.«

»Was ist mit Sightseeing?«

»Brauch ich net. Ich möchte zehn Tage lang gar nichts machen, und davon jede Menge!« Rosis Lächeln ließ die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken tanzen. »Was ist mit dir? Noch keine Urlaubspläne weit und breit?«

»Im Moment net.«

»Wohin würdest du denn gern einmal fahren?«

»Nach England.« Da musste Flora nicht überlegen. »Einmal die verborgenen Gärten der Schlösser und Herrenhäuser zu sehen, das wäre mein Traum.«

»Ah, die hohe Schule der Gartenkunst. Du, das würde mir auch gefallen. Lass mich nur rasch im Lotto gewinnen, dann komme ich mit.«

»Net zu vergessen, ein bisserl freie Zeit. Die müssten wir auch gleich gewinnen, sonst wird nix daraus.« Flora wischte sich über die verschwitzte Stirn. Sie hatte schon überlegt, im Sommer zu verreisen, aber in der Gärtnerei gab es in der warmen Jahreszeit so viel zu tun, dass an einen Urlaub vorerst nicht zu denken war. Im Herbst vielleicht ...

Rosi schüttelte ihre leere Flasche.

»Ich werde mir wirklich etwas von dem Eistee holen. Soll ich dir welchen mitbringen?«

»Danke dir, ich hab noch.«

»Alles klar.«

Während Rosi mit langen Schritten davonging, wandte sich Flora wieder ihren Pflanzen zu. Sie hatte zwölf Schalen auf dem Tisch aufgestellt und diese mit Erde gefüllt. Dort hinein kam nun der Elfensporn. Flora grub ein Loch nach dem anderen und setzte die Pflanzen behutsam ein.

Bei der Arbeit sang sie vor sich hin und ertappte sich dabei, wie sie plötzlich lauthals ein Lied von den Hexensteinern schmetterte.

»... drum lieb i die Burschen aus den Bergen, die wissen, was i gern mog ...« Flora drehte sich um, wollte nach der nächsten Pflanze greifen und stieß unvermittelt gegen eine breite Männerbrust. Ein warmer Blitzstrahl schien durch ihren Körper zu ziehen und machte ihr Herz so weit, als würde das ganze Tal hineinpassen. Der Mann vor ihr war so groß, dass sie mit der Nasenspitze gegen sein dunkelgrünes Poloshirt stieß.

Flora hob den Kopf und blickte in funkelnde Augen, braun wie Bernstein mit goldenen Sprenkeln darin.

»Anton!« Sie schnappte nach Luft, und ihre Wangen glühten vor Verlegenheit, weil er sie beim Singen ertappt hatte.

»Servus.« Seine Stimme war tief und warm wie eine heiße Schokolade mit dunklen Kakaosplittern. Groß und durchtrainiert war er. Ein Mann wie aus einem Felsen gemeißelt. »Du bist fröhlich.« Seine Worte klangen wie eine Frage.

»Weil die Ranunkeln wunderschön gediehen sind. Schau nur. Sie sind so bunt und fröhlich, dass man einfach immer lächeln muss, wenn man sie ansieht.«

Anton folgte ihrem Blick zu den Blumen und furchte die Stirn.

»Ranunkeln«, echote er und schien zu überlegen, was Flora daran so erfreulich fand.

Männer! Flora hielt ein Seufzen zurück. Wenn man nicht daran herumschrauben konnte, zählte es für sie nicht.

Anton lebte auf einem Bauernhof im Norden von St. Christoph, diesem idyllischen Dorf im Zillertal, wo die Hektik der modernen Welt noch keinen Einzug gehalten hatte. Während seine Eltern den Hof bewirtschafteten, hatte er gemerkt, dass die Landwirtschaft nichts für ihn war, und stattdessen Versicherungsmathematik studiert. Nach seinem Abschluss hatte er sich das Austragshäusel hergerichtet, zum Wohnen und als Büro. So hatte er sein eigenes Reich, konnte jedoch mit anpacken, wenn auf dem Hof einmal Not am Mann war.

»Für die Gesangseinlage bekomme ich übrigens noch Eintritt«, scherzte Flora. Ihre Wangen waren immer noch warm.

Anton tastete nach seiner Geldbörse.

»Wie viel macht das?«

»Wie viel?« Flora stutzte. »Geh, nein, du musst doch nix bezahlen.«

»Aber du hast gesagt ...«

»Das war nur ein Scherz. Bei meiner grässlichen Singstimme müsstest du eher noch Geld herausbekommen.«

»Deine Singstimme ist net grässlich. Ich finde sie sogar recht angenehm.«

»Wirklich.« Flora schenkte ihm ein dankbares Lächeln.