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Aufregende Zeiten im sonst so beschaulichen Zillertaler Dörfchen St. Christoph: Die Hamburger Hochzeitsplanerin Theres Winterberg hat ihre Tante, Baronin Christine von Brauneck, überredet, das Familienschlössl für eine Hochzeitsfeier zur Verfügung zu stellen.
Bei dem Brautpaar handelt es sich um prominente TV-Stars, und natürlich wollen sie die Öffentlichkeit an ihrer Märchenhochzeit teilhaben lassen. Angeblich sind sie das ihren Fans schuldig.
Im Schlössl beginnen schon Wochen vorher die hektischen Vorbereitungen - und leider läuft dabei so einiges aus dem Ruder ...
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Hochzeitsfieber im Schlössl
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Impressum
Hochzeitsfieber im Schlössl
Wie das Leben so spielt, bleibt immer eine Überraschung
Von Andreas Kufsteiner
Aufregende Zeiten im sonst so beschaulichen Zillertaler Dörfchen St. Christoph: Die Hamburger Hochzeitsplanerin Theres Winterberg hat ihre Tante, Baronin Christine von Brauneck, überredet, das Familienschlössl für eine Hochzeitsfeier zur Verfügung zu stellen.
Bei dem Brautpaar handelt es sich um prominente TV-Stars, und natürlich wollen sie die Öffentlichkeit an ihrer Märchenhochzeit teilhaben lassen. Angeblich sind sie das ihren Fans schuldig.
Im Schlössl beginnen schon Wochen vorher die hektischen Vorbereitungen – aber leider läuft dabei so einiges aus dem Ruder ...
Auf dem Kirchplatz von St. Christoph hatten sich nach der Sonntagsmesse kleine Grüppchen gebildet. Das Thema, welches aufgeregt diskutiert wurde, war aber nicht die eindringliche Predigt von Pfarrer Roseder zum Thema »Frieden und Versöhnung in der Welt«, sondern ein Gerücht, das seit Tagen in dem beschaulichen Bergdorf seine Runde machte.
»Ist es wahr?« – »Mei, das ist mir aber gar net recht!« – »Ach, es wäre aber durchaus eine nette Abwechslung!« – »Ha! Jetzt ist's vorbei mit der Beschaulichkeit in unserem Dorf!«
Benjamin Larcher grinste still in sich hinein. Was sich die Leut' auch immer aufregten! Für manche Dörfler war alles Neue eine regelrechte Bedrohung.
Die Bewohner von St. Christoph wetterten gern lautstark und vergaßen dabei ganz, dass auch sie – wenn auch ein wenig hinterherhinkend – den Trends ihrer Zeit folgten. So war inzwischen auch Benjamins Großmutter Besitzerin solch eines »Wisch-Dings«, mit dem sie ihre Familienmitglieder »terrorisierte«. Wenn die Großmutter in einer ihrer schlaflosen Nächte darüber nachgrübelte, was sie wohl ihren Liebsten zu Weihnachten schenken wollte, konnte es schon passieren, dass bei diesen zu nachtschlafender Zeit das Telefon klingelte. Dabei war noch nicht einmal der Mai angebrochen, und in den Gärten schauten mit den Tulpen und Narzissen gerade mal die Frühlingsblumen aus der Erde.
Und jetzt regten sich die Leut' halt über etwas Neues auf: Es wurde nämlich geflüstert, dass im Schlössl droben eine große Hochzeit stattfinden sollte. Aber nicht der Baron von Brauneck sollte zum Altar schreiten – er war mit seiner Frau Christine ja schon seit vielen Jahren glücklich verheiratet. Es stand auch nicht die Vermählung des Adoptivsohns der beiden, Thomas, zur Debatte, denn dieser Bursch war gerade mal neunzehn Jahre alt und fühlte sich für den Ernst des Lebens noch längst nicht bereit.
Nein – das große Spektakel sollte für Außenstehende veranstaltet werden, und das schöne Barockschlössl würde dabei – wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte – bloß als Kulisse dienen. Angeblich handelte es sich bei dem illustren Brautpaar um berühmte Filmschauspieler.
Noch waren allerdings keine Details bekannt geworden, und niemand wusste, ob es nicht bloß eine Falschmeldung war, die irgendein Scherzbold in Umlauf gesetzt hatte, womöglich sogar absichtslos. So lief es in dem kleinen Ort im Tiroler Zillertal ja gelegentlich ab: Einer flüsterte, der oder die andere gab das Gehörte weiter, und so machten die unglaublichsten Themen die Runde, wobei jeder Erzähler der Geschichte ein neues spannendes Detail hinzufügte. Und am Ende des »Stille-Post-Spiels« stimmte gar nichts mehr!
In diesem Fall fände Benjamin das jedoch ziemlich schade. Denn ihm gefiel die Vorstellung eines großen Festes äußerst gut. Ja, das Schlössl würde sich hervorragend für eine opulente Frühlingsfeier oder einen Ball eignen. Dann wäre in diesem verschlafenen Nest nicht nur endlich etwas los – Benjamin hätte auch die einmalige Chance, seine Gärtnerei vorzustellen.
Schon seit er ein kleiner Junge war, wusste Benjamin, dass er einen »grünen Daumen« hatte. Als der Vater dann vor drei Jahren den Betrieb an seinen älteren Sohn Johannes übergeben hatte, stellte sich für den Zweitgeborenen Benjamin die Frage nach der eigenen Zukunft. Sollte er – wie viele andere Burschen in derselben Situation – sein »Sackerl« nehmen und in die Ferne ziehen? Er hatte seine landwirtschaftliche Ausbildung mit dem Schwerpunkt Gartenbau mit Auszeichnung abgeschlossen und würde überall eine Stelle finden. Doch Benjamin hatte sich gegen diesen Weg entschieden.
Später vielleicht, dachte er. Jetzt bin ich noch viel zu gern daheim.
Benjamin liebte den Hof, auf dem er aufgewachsen war, über alles. Trotz des freundlichen Spotts, den ihm sein älterer Bruder gelegentlich zuteil werden ließ, lebte Benjamin gern mit dem Bruder und den Eltern unter einem Dach. St. Christoph und die umliegenden Berge – das war seine Heimat, die er so bald nicht verlassen wollte.
Und so war er dankbar gewesen, als sein Bruder ihm folgenden Vorschlag gemacht hatte: »Wir besitzen am östlichen Ende ein paar Hektar brachliegendes Grünland. Es taugt halt leider net viel. Vielleicht willst du es dort aber trotzdem mit einer Gärtnerei versuchen?«
Benjamin hatte natürlich gewusst, dass das zur Verfügung gestellte Grundstück für keine anderen Zwecke zu gebrauchen war – nicht einmal zur Futterwiese eignete sich der Boden – aber er hatte die Herausforderung angenommen. Und so plagte er sich nun schon seit über einem Jahr mit dem kargen Land herum. Dabei war es ihm tatsächlich gelungen, der Erde eine ansehnliche Zahl von Zierpflanzen abzuringen, die er in den selbst gebauten Glashäusern großzog.
Ja, die Gärtnerei war der Hauptgrund für Benjamins Wohlwollen gegenüber den Hochzeitsgerüchten. Ach, wäre doch nur etwas Wahres dran! Dann könnte er endlich zeigen, dass er mehr vermochte, als Pflanzen großzuziehen. Er hatte ein besonderes Gefühl für Farben und Gestaltung, das würde er gern unter Beweis stellen.
Indem er ein Steinchen vor sich her kickte, schlenderte Benjamin langsam nach Hause. Natürlich wusste er, dass ihn auch ein einmaliger großer Auftrag nicht herausreißen würde. Zwar konnten die Leute hier eine Gärtnerei ganz gut gebrauchen, um die Blumenzwiebeln und das Saatgut für ihre Bauerngärten zu erstehen. Benjamin aber schwebte Größeres vor.
Er träumte davon, kunstvolle Skulpturen aus Blumen zu bauen, doch den Einwohnern von St. Christoph genügten ihre schön gestalteten Balkone und die üppigen Blumengärten, in denen sie selbst manch ansehnliche Ergebnisse zustande brachten.
Etwa die Haushälterin der Arztfamilie Burger: Zenzi Bachhuber. Die zog in ihrem Garten nicht nur die schönsten Blumen, sondern hatte im rückwärtigen Bereich auch einen äußerst ansehnlichen Nutzgarten angelegt, in dem die herrlichsten Kräuter, die schönsten Salatköpfe und das knackigste Gemüse gediehen. Im Spätsommer war dieser Garten eine wahre Pracht, da rankten die grünen Bohnen mit den Sonnenblumen um die Wette, und die Rosensträucher spielten Farbspiele mit dem duftenden Lavendel.
Sogar an dem heutigen Frühlingstag wehte eine aromatische Brise durch den Gartenzaun, als Benjamin am Doktorhaus vorüberschritt. Der Flieder neben dem Eingang begann bereits zu knospen, und die Obstbäume hatten sich schon mit zartrosa und weißen Blüten geschmückt und schienen nur noch auf einen Sonnenstrahl zu warten, um ihre Pracht zu entfalten.
»Was hast du denn so lange herumgezuckelt?«, neckte Johannes seinen jüngeren Bruder beim Mittagessen, wie er es seit der gemeinsamen Kindheit oft tat. »Wir anderen haben für den Heimweg von der Kirche nicht halb so lange gebraucht wie du.«
»Ach, unser Benjamin ist halt ein rechter Träumer«, sagte die Mutter der beiden lächelnd.
Stolz betrachtete die Bauersfrau ihre beiden Söhne. Der ältere, Johannes, war groß und stattlich. Mit seinen breiten Schultern und dem dunklen Vollbart sah er aus wie ein freundlicher Holzfäller. Und er konnte mit seinen kräftigen Händen auch so recht zupacken! Wie gut, dass dieser Sohn den Hof übernommen hatte, denn mit dem Milchvieh und den Feldern gab es immer Arbeit.
Der Jüngere, Benjamin, war ebenfalls groß gewachsen. Er war aber schlank und hatte eine sehnige Figur, außerdem ein jugendliches Gesicht. Auch in seinem Wesen wirkte der Bursch jünger als fünfundzwanzig. Immer noch blitzte ihm der Schalk aus den Augen.
Gundel Larcher konnte nicht umhin, glücklich zu seufzen. Es waren zwei so schöne Söhne! Ein kleiner Abstrich in Gundels Glück war es, dass beide Söhne noch immer einschichtig waren. Beide hatten immer wieder mal Freundinnen, aber ihre Lebenspartnerin hatten die Larcher-Brüder noch nicht gefunden.
Gundel drängte ihre Söhne nicht – aber immer öfter dachte sie daran, wie schön es wäre, wenn in der Bauernstube fröhliches Kinderlachen ertönen würde.
»Habt ihr auch von der Hochzeit im Schlössl gehört?«, fragte Vater Larcher nun in die Runde.
»Freilich«, antwortete seine Frau. »Aber ich denk net, dass an der Geschichte was dran ist. Mir hat's die Sulmhofer-Rosa zugeflüstert, die es wiederum von der Jeggl-Alma weiß. Bei der hat gestern angeblich ein Reporter angerufen und nach dem genauen Datum der Promi-Hochzeit gefragt. Bestimmt ist das alles nur ein Gerücht! Wer sollte so verrückt sein, extra zum Heiraten nach St. Christoph zu kommen? Zum Wandern – ja, oder zur Erholung. Aber zum Heiraten?«
»Na ja, das Schlössl auf dem Hügel ist schon recht prachtvoll«, gab ihr Mann zu bedenken. »Aber du hast schon recht, Gundel, ich denk auch, dass nix dran ist an der Geschicht'. Als ich den Baron nach der Messe darauf ansprechen wollt', hat er nur den Kopf eingezogen und ist grantig nach Hause geeilt. Hat irgendwas von einem Rehbraten gemurmelt, den er nicht warten lassen will ... Der Herr Baron hat mir net so ausgeschaut, als ob er Lust hätte, sein schönes Schloss an irgendwelche dahergelaufenen Hochzeiter zu vermieten!« Johann Larcher senior lachte schallend. »Und was ist mit dir?«, fragte er seinen jüngeren Sohn. »Du bist heut' fei so still!«
»Ich muss halt auch an das Gerücht denken«, gab Benjamin zu, während er sich mit der Kelle eine Portion Leberknödelsuppe in seinen Teller schöpfte.
»Das dacht' ich mir!« Johannes grinste. »Für dich und deine Gärtnerei könnte so eine Hochzeit schließlich ein großes Geschäft werden! – Für alle anderen ist es wahrscheinlich eher eine Belästigung.«
»Ich will gar net daran denken, dass da Horden fremder Leute durch unseren Ort streunen«, pflichtete der Vater bei. »In diesem Punkt bin ich ganz eins mit dem Herrn Baron!«
Johannes setzte boshaft nach: »Ja, Vater, stell dir vor, diese Leut' betrachten unsereins dann wie die ausgestopften Bären im Museum. Wie tätest du das wohl finden, wenn du grad auf dem Feld arbeitest und auf einmal bist du von einer Gruppe Touristen umzingelt, die dich in deiner schmutzigen Arbeitshose fotografieren wie ein Weltwunder?« Johannes verzog das Gesicht zu einer lustigen Grimasse.
Der Vater hatte nun endgültig seine Meinung gefunden: »Wir brauchen das Spektakel net! Wir lassen unser Dorf nicht von den Zugereisten verschandeln!«
»Aber für Benjamin könnte so eine große Hochzeitsfeier wirklich eine gute Möglichkeit sein, sein Können zu zeigen«, warf die sanfte Larcherin ein.
»Falls es überhaupt eine Hochzeit gibt«, sagte Benjamin seufzend. »Und falls die dann überhaupt einen Einheimischen für den Blumenschmuck beauftragen. Womöglich kommt da irgendein Florist aus der Stadt daher und ›verschönt‹ unser Dorf mit exotischen Gewächsen!«
»Und wenn es so wäre, Benni, und du den Auftrag nicht kriegen tätest – würdest du dann für oder gegen die Hochzeit stimmen?«, fragte sein listiger Bruder und zwinkerte frech.
»Erstens wird unsereins sowieso net gefragt«, brummte Benjamin, »zweitens denk ich, dass ich trotzdem dafür wäre. Einmal andere Gesichter sehen, das könnte mir schon gefallen.«
»Siehst du, Bruderherz, dann sind wir beide letztendlich ja doch einer Meinung!«, rief Johannes, der vor dem kleinen Bruder gern so tat, als hätte er einen Ruf als »Weiberheld« zu verteidigen. »Bei solchen großen Hochzeiten gibt es immer eine ganze Menge wunderhübscher Brautjungfern – und die möchte ich allesamt näher kennenlernen!« Zufrieden schöpfte sich Johannes einen weiteren Knödel auf den Teller und begann herzhaft zu essen.
***
Auch der Hamburger Himmel erstrahlte an diesem Tag in hellem Sonnenglanz – wenn auch die Sonne im Norden ein ganz anderes Licht schuf als in den schroffen, immer noch von Schnee bedeckten Bergen des Zillertals. Vor allem dort, wo die Sonnenstrahlen gegen die Glaswand eines Hochhauses prallten, war das Licht grell und schmerzte in den Augen.
»Filmstudio« stand in großen Lettern auf der Fassade des Hauses.
In einem der Büroräume im 27. Stock drückte ein junger Mann mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und einer sportlich-durchtrainierten Figur auf einen Schalter. Beinahe lautlos surrten daraufhin die Jalousien herab und dämpften das Licht. Dennoch schimmerte das hellblaue Hemd, welches der Mann zu seiner schwarzen Anzughose trug, weiter. Es war schließlich aus teurer Seide.
»Also, was haben Sie für Vorschläge? Meine Verlobte und ich können es kaum erwarten, alle zu hören«, sagte der Mann und hieß eine eben eintretende Frau, Platz zu nehmen.
Die junge Frau, die pünktlich um fünfzehn Uhr das Büro der Filmfirma betreten hatte, lächelte charmant und legte eine Mappe voller Fotos auf die Glasplatte des Schreibtischs.
Tatsächlich fühlte sich Theres Winterberg aber gar nicht so souverän, wie es ihr Auftritt vermuten ließ. In Wahrheit war sie so aufgeregt, dass sie am liebsten an ihren Fingernägeln gekaut hätte. Diese waren aber – extra für diesen Anlass – frisch manikürt und mit leuchtend rotem Lack überzogen.
Also lieber doch nicht Nagelbeißen, mahnte sich Theres und schob ihre Hände sicherheitshalber in die Taschen ihres dunkelblauen Blazers. Ach, war sie nervös! Die Schuhe mit den hohen Absätzen drückten, und Theres musste sich bei jedem Schritt konzentrieren, nicht zu stolpern. Als sie versuchte zu lächeln, spürte sie, wie ihre Mundwinkel zitterten. Aber sie durfte ihre Aufregung auf keinen Fall zeigen.