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Der Winter beschert dem Zillertal reichlich Schnee und Kälte. Während die Kinder begeistert ihre Schlitten herausholen und über fröhlichen Wettfahrten und Schneeballschlachten das Heimkommen vergessen, hat der Bergdoktor in der Praxis alle Hände voll zu tun. Dabei wollte er es in der Vorweihnachtszeit einmal ruhiger angehen lassen, mit seiner Familie Baumschmuck basteln und süße Lebkuchenmänner verzieren. Stattdessen versorgt er von früh bis spät Knochenbrüche und fiebrige Infekte.
Als er wegen eines Notfalls auch noch die Schulaufführung seiner Tochter verpasst, beschließt er, dafür zu sorgen, dass sie Weihnachten auf jeden Fall alle gemeinsam feiern können. Ein geheimer Plan reift in ihm heran. Für den braucht er jedoch eine Verbündete. Er weiht Zenzi in sein Vorhaben ein.
Bald wundert sich die Familie über die Heimlichkeiten. In allen Ecken des Doktorhauses raschelt es plötzlich geheimnisvoll und duftet wunderbar nach Weihnachten. Martin Burger jedoch hüllt sich in geheimnisvolles Schweigen ...
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Dr. Burgers geheimer Weihnachtsplan
Vorschau
Impressum
Dr. Burgers geheimer Weihnachtsplan
Wird die Familie in der Heiligen Nacht wieder vereint sein?
Von Andreas Kufsteiner
Der Winter beschert dem Zillertal reichlich Schnee und Kälte. Während die Kinder begeistert ihre Schlitten herausholen und über fröhlichen Wettfahrten und Schneeballschlachten das Heimkommen vergessen, hat der Bergdoktor in der Praxis alle Hände voll zu tun. Dabei wollte er es in der Vorweihnachtszeit einmal ruhiger angehen lassen, mit seiner Familie Baumschmuck basteln und süße Lebkuchenmänner verzieren. Stattdessen versorgt er von früh bis spät Knochenbrüche und fiebrige Infekte.
Als er wegen eines Notfalls auch noch die Schulaufführung seiner Tochter verpasst, beschließt er, dafür zu sorgen, dass sie Weihnachten auf jeden Fall alle gemeinsam feiern können. Ein geheimer Plan reift in ihm heran. Für den braucht er jedoch eine Verbündete. Er weiht Zenzi in sein Vorhaben ein.
Bald wundert sich die Familie über die Heimlichkeiten. In allen Ecken des Doktorhauses raschelt es plötzlich geheimnisvoll und duftet wunderbar nach Weihnachten. Doch ausgerechnet am 24. Dezember muss Martin Burger unerwartet noch einmal fort ...
»Wir hätten den Ausflug verschieben sollen!« Valentin Prantl musste laut rufen, um von seinen Freunden gehört zu werden. Als sie zu ihrer Wanderung aufgebrochen waren, war der Wind nur ein laues Lüftchen gewesen, der einige wenige Wolken über den Himmel getrieben hatte. Jetzt fegte ein bitterkalter Sturm von Norden durch das Zillertal, und am Himmel ballten sich dunkle Wolkentürme, die nichts Gutes verhießen.
Vor einer halben Stunde hatte es zu schneien begonnen. Der erste Schnee des Jahres, und der entwickelte sich rasch zu einem ausgewachsenen Schneesturm. Binnen weniger Augenblicke war die Umgebung weiß gezuckert, und die Sicht wurde immer schlechter. Sie konnten kaum noch weiter als bis zu ihren Nasenspitzen sehen.
Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, dachte Valentin und knirschte mit den Zähnen. Warum musste ihm ausgerechnet jetzt eine der Ermahnungen von Großmama einfallen? Er sah ihre grauen Augen vor sich, die seit dem Tod seines Großvaters stets bekümmert blickten.
Die Berge verzeihen keinen Fehler, nicht den allerkleinsten, pflegte die Großmutter auch zu sagen.
Tja, das hier war definitiv ein Fehler. Der Schnee erschwerte das Vorwärtskommen erheblich. Valentin hatte seinen Schal hoch- und die Kapuze heruntergezogen, sodass dazwischen nur ein schmaler Streifen für seine Augen frei blieb. Trotzdem stach der Sturm wie unsichtbare Nadelspitzen in sein Gesicht.
Seine Freunde reagierten nicht auf seinen Ruf, sondern stapften vornübergebeugt weiter durch den Schnee. Vermutlich hatten sie ihn nicht einmal gehört. Allen voran marschierte Rupert, der mit seinen sechzehn Jahren ein Jahr älter als sie war und ihnen einen Weg durch den Schnee bahnte. Das Ende seines kastanienbraunen Schals flatterte hinter ihm wie eine Fahne.
Hinter ihm stapfte Felix, der den Kopf einzog, um dem Sturm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Er war so schmächtig, dass er fast hinter seinem Freund verschwand.
Valentin lief als Schlusslicht, die eiskalten Hände tief in seinen Taschen vergraben.
Felix und Valentin waren Nachbarskinder und von klein auf befreundet. Rupert hatte die fünfte Klasse wiederholen müssen, weil er seine Freizeit lieber im Stall bei den Tieren als über seinen Hausaufgaben verbrachte. So war er bei ihnen gelandet. Er war schon immer größer und kräftiger als die anderen Kinder gewesen. Als einige Raufbolde Valentin und Felix in der Schule zugesetzt hatten, hatte er sich vor sie gestellt und einen Treffer gegen das Kinn eingesteckt, ohne einen Laut von sich zu geben.
Seitdem waren sie Freunde.
»Wären wir bloß schon wieder daheim«, flüsterte Valentin in das Fauchen des Sturms. »Was gäbe ich jetzt für eine Tasse von Großmamas heißer Schokolade.« Er leckte sich über die Lippen, die sich trocken und rau anfühlten.
Vor ihm blieb Felix so abrupt stehen, dass Valentin nicht mehr rechtzeitig stehen bleiben konnte und in ihn hineinlief. Sein Freund atmete rasselnd. Oh nein! Nicht jetzt!
Felix zog den Inhalator aus seiner Tasche, setzte ihn an die Lippen und nahm einen Pumpstoß. Er war so blass, dass seine dunklen Augen riesig wirkten.
Rupert hatte noch nicht bemerkt, dass sie angehalten hatten.
»Warte!«, rief Valentin ihm nach. Er machte sich nicht viele Hoffnungen, dass sein Freund ihn in dem fauchenden Sturm hörte, doch Rupert drehte sich um und kam zurück.
»Was ist los?«
»Felix.«
»Verstehe. Dann warten wir.« Rupert drehte den Kopf langsam nach links und rechts. Die Bewegung erinnerte Valentin an eine Eule, die er im Alpenzoo gesehen hatte. »Wir sind schon am Heustadel vom Hubertus-Bauern vorbei, oder?«
»Glaub ich net.«
»Ich schon.«
»Hab ihn net gesehen.«
»Ich auch net, aber wir sind seit einer Ewigkeit unterwegs. Wir müssen daran vorbei sein. Meint ihr net auch?«
Valentin spähte auf seine Armbanduhr. Erst halb drei? Dann konnten sie noch nicht so weit gekommen sein, wie er gehofft hatte. Bis zum Dorf zurück war es noch über eine Stunde. Eher zwei, so langsam, wie sie vorankamen. Sie waren zu der Tour aufgebrochen, weil es hieß, dass ein Wolf auf dem Rautenstein gesichtet worden war und Rupert ihn finden und fotografieren wollte.
Den Wolf hatten sie nicht zu Gesicht bekommen und auch sonst keine Tiere.
Die waren alle klug genug, sich einen Unterschlupf zu suchen, bevor der Sturm aufgekommen ist, dachte Valentin. Anders als wir ...
»Geht's wieder?« Rupert knuffte Felix in die Seite.
»Geht wieder«, bestätigte der Kleinere. Tatsächlich kam sein Atem wieder ruhiger. Der Asthmaanfall schien abgewendet. »Wo müssen wir lang?«
»Da entlang!«, sagte Rupert und deutete nach links.
»Da entlang!«, sagte Valentin im selben Augenblick und wies nach rechts.
»Oh.« Felix nagte an seiner Unterlippe.
Tatsächlich waren sie von nichts als wirbelnden weißen Schneeflocken umgeben. Eine Orientierung war unmöglich. Allerdings ...
»Nach links führt der Pfad bergab, und runter müssen wir, oder?«, bekräftigte Rupert seine Theorie.
Da war etwas dran, also stapften sie los.
Der Rautenstein war ein Tafelberg. Im Sommer weideten Schafe auf dem Plateau. Dann war der Berg ein beliebtes Ausflugsziel. Jetzt waren sie hier oben dem Sturm schutzlos ausgesetzt. Nur ein einziger Pfad führte in engen, steilen Kurven auf den Berg. Den mussten sie finden, sonst würden sie hier nicht wegkommen.
Valentin wünschte sich, sie wären schon wieder im Tal und könnten sich daheim aufwärmen. Allmählich spürte er seine Zehen nicht mehr. Die Kälte kroch durch seinen Körper und sandte ihm einen Schauer nach dem anderen über den Rücken.
»Unterhalten wir uns«, schlug Rupert vor. »Das lenkt uns von der Kälte ab.«
»Worüber willst du reden?«, fragte Felix, während ihm die Zähne hörbar aufeinanderschlugen.
»Madeln«, kam es postwendend zurück. »Habt ihr schon mal eins geküsst?«
Felix lief dunkelrot an.
»Das sag ich net.«
»Also net«, folgerte Rupert. »Kluger Mann. Bringt einem nix als Ärger ein. Das kann ich dir sagen. Was ist mit dir, Valentin?«
Anstelle einer Antwort, gab Valentin nur ein Schnaufen von sich.
»Sieh an. Sieh an. Du hast es schon getan.« Rupert blieb stehen und hieb ihm auf die Schulter. »Wer ist sie?«
Carina. Der Name schien in Valentins Kopf aufzuleuchten wie eine Neonreklame, aber er sprach ihn nicht aus. Was er für das hübsche Madel empfand, das mit ihren Eltern jedes Jahr zum Skifahren ins Zillertal kam, verwirrte ihn mehr als jede noch so knifflige Rechenaufgabe in der Schule. Er war noch nicht bereit, über sie zu reden ...
»Gehen wir weiter.« Felix rieb sich mit den Händen über die Arme. »Ich erfriere gleich.«
Damit war es entschieden. Sie marschierten weiter, haderten jeder für sich mit der Kälte und ihrer ungenügenden Ausrüstung. Sie hatten mit herbstlich-grauem Wetter gerechnet und nicht mit einem Eissturm. In ihren dünnen Jacken und den Turnschuhen hatten sie der Kälte kaum etwas entgegenzusetzen. Mit den glatten Sohlen schlitterten sie mehr, als dass sie liefen. Allmählich bildeten sich an ihren Haaren, die unter den Kapuzen hervorlugten, Eiszapfen.
Valentin fluchte in sich hinein. Er kniff die Augen zusammen, versuchte sich im Flockenwirbel zu orientieren und entdeckte die Umrisse eines Stadels vor sich. In früheren Zeiten war hier Heu gelagert worden, aber nun stand er schon lange leer. Er war aus Brettern gezimmert. Die Stürme vieler Sommer und Winter hatten an ihm genagt, nun neigte er sich, als würde er jeden Moment einstürzen. Noch hielt er.
»Da!« Rupert hatte den Stadel auch entdeckt.
»Meint ihr, wir können dort unterschlüpfen und uns aufwärmen?« Hoffnung schwang in Felix' Stimme mit. Er war alarmierend blass, und ein Tropfen hing an seiner vor Kälte geröteten Nase.
»Dort unterschlüpfen? Sicher net. Der Stadel besteht aus mehr Löchern als Brettern.« Ruperts Miene hellte sich auf. »Aber ich hab eine Idee. Los! Kommt mit!« Damit setzte er sich wieder in Bewegung, und ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Rupert führte sie eine Anhöhe hinauf, ehe er stehen blieb. Er deutete auf einen metallenen Korb, der an einem Drahtseil hing, das sich irgendwo im Flockenwirbel zu verlieren schien. Es wurde aber von mehreren Stahlträgern gehalten, die in regelmäßigen Abständen talwärts auf dem abschüssigen Hang verteilt waren. Eine Materialbahn. Sie ähnelte der Bergbahn, die auf den nahen Feldkopf führte, war aber viel kleiner und hatte keine Gondeln. Nur einen Transportkorb.
»Seht ihr?« Rupert schnaufte zufrieden. »Das ist unser Weg ins Tal.«
»Das ist deine Idee?« Ungläubig sah Valentin seinen Freund an.
»Hast du eine bessere? Damit sind wir im Handumdrehen unten.«
»Das ist net dein Ernst.«
»Besser schlecht gefahren als gut gelaufen.« Rupert rieb sich die Hände »Ehe ich mir noch stundenlang auf dem Pfad die Zehen abfriere, versuche ich lieber mein Glück damit. Ihr etwa net?«
»Die Materialbahn ist net für den Transport von Menschen bestimmt. Damit schafft der Schäfer im Sommer Futter und Ausrüstung auf den Berg.«
»Ich habe auch schon gesehen, wie er ein krankes Schaf damit vom Berg transportiert hat.«
»Das war net krank, das hatte der Blitz erschlagen.«
»Trotzdem ist es unten angekommen.«
»Der Korb hat net einmal ein Dach.«
»Na und? Wir wollen nur von diesem Berg herunter.« Rupert strebte dem Steuerkasten zu, der in der Nähe stand, zog die Abdeckung auf und blickte sekundenlang stirnrunzelnd auf die Knöpfe, ehe er einen drückte. Summend erwachte die Bahn zum Leben. Ein Ruck ging durch den Korb.
»Ha!« Rupert grinste breit. »Seht ihr? Sie fährt noch!«
»Nur, weil der Schäfer sie noch net für den Winter hereingeholt hat.«
»Glück für uns. Einer fährt abwärts, dann schickt er den Korb wieder rauf, und der Nächste fährt los.« Rupert schaufelte mit der hohlen Hand den Schnee aus dem Korb und legte den Boden frei. Einen Sitz gab es nicht. »Also?«
»Das ist zu unsicher«, gab Valentin zu bedenken.
»Schmarrn. Die Bahn gibt es schon seit Ewigkeiten. Da wird sie unsere Fahrt auch noch aushalten. Komm schon. Wollt ihr zehn Minuten in der Bahn bibbern oder euch noch ein oder zwei Stunden lang die Zehen auf dem Weg nach unten abfrieren?«
Sie sahen sich unsicher an.
Felix tastete nach seinem Inhalator.
»Ich bin für die Bahn«, japste er.
Valentin gab sich einen Ruck.
»Also schön. Dann fahre ich als Erster runter und teste die Bahn. Wenn ich heil ankomme, könnt ihr es auch wagen.«
»Warte mal.« Rupert griff nach seinem Arm. »Lassen wir Felix vor. Ihm bekommt der Sturm hier oben net. Unten wird es ihm besser gehen.«
»Aber wir sollten erst testen, wie tragfähig die Bahn ist.«
»Noch ein Grund, Felix zuerst zu schicken. Er ist der Leichteste von uns. Ihn wird die Bahn tragen. Sobald er unten angekommen ist, schickt er uns den Korb wieder rauf.«
»Das gefällt mir net.«
»Ist schon gut, Valentin, ehrlich.« Felix trat einen Schritt vor. »Ich mache es. Ich will so schnell wie möglich von diesem Berg runter. Die Kälte macht mich fertig.«
»Felix, warte ...« Vergeblich versuchte Valentin, seinen Freund vom Einsteigen abzuhalten. Der Korb schwankte unter ihm, aber er hielt. Felix klammerte sich am Rand des Korbes fest.
»Bereit?«, fragte Rupert zwinkernd, den Daumen schon über dem Startknopf.
»Bereit«, erwiderte Felix und duckte sich tiefer in den Korb.
»Dann ab die Post!« Rupert startete, und der Korb setzte sich in Bewegung, glitt langsam am Drahtseil talwärts und verschwand allmählich im dichten Flockenwirbel.
Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf ...
***
Fünfzehn Jahre später
»Was ist passiert?« Carina Prantl blinzelte. Es war jedoch niemand hier, der ihre Frage hätte beantworten können. Sie war allein mit der Kälte und dem Knirschen und Knacken des Gebälks. Verblüfft schaute sie auf das Dach des Stadels, das sich über ihr wölbte. Die Balken waren nagelneu und noch hell, das Holz nicht grau und dunkel vom Lauf der Zeit.
So weit, so gut.
Was sie verwirrte, war der Umstand, dass sie auf dem Bretterboden lag und sich nicht entsinnen konnte, was sie hier unten tat. Ihr rechter Arm lag verdreht unter ihrem Oberkörper und schmerzte, als wäre sie daraufgefallen. Doch auch daran konnte sie sich nicht erinnern.
Das war ganz und gar nicht gut.
Carina stemmte sich vom Boden des Stadels hoch und betastete ihren schmerzenden Arm. Gebrochen war er nicht, aber er fühlte sich an wie ein einziger blauer Fleck. Dazu war ihr so kalt, als hätte sie eine Stunde in der Kälte zugebracht.
Dabei hatte sie den Stadel gerade erst betreten. Oder etwa nicht? Ihr Blick fiel auf das offene Tor. Der Wind hatte Schnee hereingeweht. In der Öffnung häufte er sich zentimeterhoch. So viel Schnee hatte nicht dort gelegen, als Carina den Stadel betreten hatte. Da war sie sich sicher.
Seltsam! Wie lange hatte sie auf dem Boden gelegen?
Bin ich hingefallen? Carina blickte sich um, aber da lag nichts, über das sie hätte stolpern können. Oder war sie etwa ohnmächtig geworden? Schon wieder? Vor ein paar Tagen war sie auf der Eckbank in ihrer Küche wieder zu sich gekommen, während der Milchreis auf dem Herd angebrannt war und schon eine dicke schwarze Kruste am Topfboden gebildet hatte. Dabei war sie sich sicher gewesen, ihn gerade erst auf den Herd gesetzt zu haben. Sie hatte das mulmige Gefühl in ihrem Inneren verdrängt, aber jetzt brach es sich wieder Bahn. Was stimmte nicht mit ihr?
Schwanger bin ich net, dachte sie. Vielleicht fehlt mir ein bisserl Schlaf. Bei all der Arbeit auf dem Hof kommt die Ruhe oft zu kurz. Ja, das muss es sein. Stress ist net gesund. Das liest man alleweil in der Zeitung. Ich sollte wirklich schauen, dass ich öfter mal eine Pause mache und die Füße hochlege. Nur wann?
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie etwas über den Boden huschte und zwischen den Brettern an der Wand verschwand. Eine Maus. Eine von vielen, die auf dem Zirbenhof lebten. Das Anwesen hatte jahrelang leer gestanden, nur bewacht von den drei hohen Zirben, die sich neben dem Bauernhaus in die Höhe reckten. In dieser Zeit hatten sich die kleinen Nager hier offenbar häuslich eingerichtet.
Ihr Mann hatte den Hof von seinem Onkel geerbt. Seit drei Monaten lebten sie hier, und nun lag das erste Weihnachtsfest auf dem eigenen Hof vor ihnen. Wie lange hatten sie davon geträumt! Manchmal war sich Carina jedoch nicht sicher, ob der Hof ein Segen oder ein Fluch war. Vielleicht ein wenig von beidem, wenn man bedachte, was es noch alles zu tun gab.