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Seit Generationen stehen die Berghöfe der Familien Wagner und Simmerling nun bereits einträchtig nebeneinander in einem Hochtal zwischen St. Christoph und Hochbrunn.
Und auch die Bauern haben sich stets verstanden, sich gegenseitig geholfen und freudige Ereignisse wie Hochzeiten und Taufen zusammen gefeiert.
Doch dieses gute Einvernehmen existiert seit fast dreißig Jahren nicht mehr, seit sich die einstigen Jungbauern der Nachbarhöfe in dasselbe Madel verschaut haben.
Dass die schöne Marianne Burgmüller sich schließlich für Markus Wagner und gegen Lukas Simmerling entschied, besiegelte eine Feindschaft, die mittlerweile zu einem wahren Kleinkrieg ausgeartet ist.
Die Söhne der Streithähne bekämpfen sich verbissen, die Altbauern stehen ihnen in nichts nach.
Und als sich in dieser aufgeheizten Situation Julian Simmerling ausgerechnet in die Nachbarstochter Lisa Wagner verschaut, bezahlt der Jungbauer dies beinahe mit seinem Leben. Im letzten Moment kann Dr. Burger ihn retten, doch ein Happy End scheint ausgeschlossen ...
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Wo du mich findest
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Impressum
Wo du mich findest
Dr. Burgers Praxis wird zum Ort der Hoffnung
Von Andreas Kufsteiner
Seit Generationen stehen die Berghöfe der Familien Wagner und Simmerling nun bereits einträchtig nebeneinander in einem Hochtal zwischen St. Christoph und Hochbrunn.
Und auch die Bauern haben sich stets verstanden, sich gegenseitig geholfen und freudige Ereignisse wie Hochzeiten und Taufen zusammen gefeiert.
Doch dieses gute Einvernehmen existiert seit fast dreißig Jahren nicht mehr, seit sich die einstigen Jungbauern der Nachbarhöfe in dasselbe Madel verschaut haben.
Dass die schöne Marianne Burgmüller sich schließlich für Markus Wagner und gegen Lukas Simmerling entschied, besiegelte eine Feindschaft, die mittlerweile zu einem wahren Kleinkrieg ausgeartet ist.
Die Söhne der Streithähne bekämpfen sich verbissen, die Altbauern stehen ihnen in nichts nach.
Und als sich in dieser aufgeheizten Situation Julian Simmerling ausgerechnet in die Nachbarstochter Lisa Wagner verschaut, bezahlt der Jungbauer dies beinahe mit seinem Leben. Im letzten Moment kann Dr. Burger ihn retten, doch ein Happy End scheint ausgeschlossen ...
Es war einer der ersten Tage im März, recht zeitig am Morgen. Über dem Tiroler Zillertal hing noch der dunkelgraue Himmel der ausgehenden Spätwinternacht, nur über dem Horizont im Osten schimmerte bereits ein erstes, schmales Band von blassviolettem Licht, das die Dämmerung und den neuen Tag ankündigte.
Der Winter war noch nicht vorbei, in der Nacht sanken die Temperaturen meist unter den Gefrierpunkt. Am Tage aber, wenn die Sonne stieg, fing im Tal von St. Christoph der Schnee an zu schmelzen, wurde flüssig und versickerte in der fruchtbaren, dunklen Erde, die diesen Landstrich für Ackerbau und Viehzucht seit Jahrhunderten prädestinierte.
Die kleine Gemeinde St. Christoph fand sich in einem schmalen Seitental, weltabgeschieden und nur über eine einzige Landstraße zu erreichen. Eine Handvoll weiterer Dörfer reihte sich an das asphaltierte Band, dazwischen, in teils sehr abgelegenen Hochtälern, ernährten Bergbauernhöfe ihre Bewohner seit vielen Generationen.
St. Christoph war klimatisch bevorzugt. Sechs Berggipfel schützten das Tal, hoher Tann hielt scharfe Winde von Ost und Nord ab, an den weiten Berghängen graste in der warmen Jahreszeit das Vieh. Die Tiroler Bauern waren bekannt für ihre hochwertige Heumilch und ihren aromatischen Bergkäse.
Ein Wahrzeichen des Dorfes, neben dem Barockschloss der Barone von Brauneck, war die Kabinenbahn, die zum höchsten Berg, dem Feldkopf, hinaufführte. Und ein weiteres, nicht so Spektakuläres, aber durchaus wichtiges Wahrzeichen von St. Christoph stand in der Kirchgasse. Es war das Doktorhaus.
Vor mehr als fünfzig Jahren vom damaligen Landarzt Dr. Pankraz Burger im schlichten Gebirgsstil errichtet, war es noch immer Heim und Wirkungsstätte von Dr. Burger. Allerdings nicht mehr von Pankraz, der sich mit siebenundsiebzig Jahren im wohlverdienten Ruhestand im Kreise seiner Lieben befand, sondern von seinem Sohn Martin.
Dr. Martin Burger, der Bergdoktor, wie die Menschen im Zillertal ihn anerkennend nannten, war Mediziner mit Leib und Seele. Hoch gewachsen, sportlich, ein leidenschaftlicher Bergsteiger von Kindesbeinen an, intelligent und einfühlsam, ein Arzt, wie man ihn sich nicht ausdenken konnte. So einer wurde hineingeboren in sein Heimattal, zog feste Wurzeln und blieb doch geistig so rege, dass er in jeder noch so verzwickten Lage helfen konnte. Medizinisch wie menschlich.
Schon als junger Assistenzarzt im Spital von Schwaz hatte er sich erste Sporen verdient und die Anerkennung seiner Kollegen, die bis heute in zahlreichen Freundschaften Ausdruck fand.
Nun, mit Anfang fünfzig, war Martin eine echte Kapazität, zu der man ging, wenn es irgendwo zwackte, der aber auch nur für einen Rat oder ein tröstendes Wort stets Zeit hatte.
Der gut aussehende Landarzt war rund um die Uhr für seine Patienten da, eilte zu jeder Tages- und Nachtzeit zu Notfällen und hatte in seinem kleinen, aber voll ausgestatteten OP in der »Mini-Klinik« neben dem Doktorhaus schon manches Leben gerettet.
Woher Dr. Burger die Energie für einen solch vollen Einsatz nahm? Nun, gewiss aus seiner festen Verwurzlung in seinem Heimtattal. Die Klettertouren mit seinem Spezl Dominikus Salt, dem Leiter der hiesigen Bergwacht, ließen ihn immer wieder auftanken in der großartigen Bergwelt seiner geliebten Tiroler Alpen. Wichtiger noch war allerdings die familiäre Bindung.
Das herzlichen Einvernehmen mit seinem Vater, der noch immer regen Anteil an allen Fällen nahm, die Martin behandelte. Die warme Zuneigung zu Zenzi Bachhuber, der Hauserin, die ihn nach dem frühen Tod seiner Mutter großgezogen hatte. Und natürlich nicht zuletzt die tiefe Liebe zu seiner Frau Sabine. Ihre Ehe war glücklich, harmonisch, denn Sabine war selbst Medizinerin und hatte für das berufliche Engagement ihres Mannes volles Verständnis. Die schöne, blonde Wienerin hatte wieder Licht und Freude in Martins Leben gebracht, nachdem er seine erste Frau Christl früh und tragisch verloren hatte.
Nun krönten drei muntere Kinder diese perfekte Verbindung. Ein kluges Schulmadel namens Tessa, ein aufgeweckter Kindergartenbub, den alle Filli riefen, und das Nesthäkchen der Familie Burger, die zweijährige Laura.
Zenzi Bachhuber legte Wert darauf, dass die Familie die Mahlzeiten gemeinsam einnahm. Und sie freute sich im Stillen, wenn ihre Koch- und Backkünste geschätzt wurden, auch wenn die Hauserin mit dem (meist) strengen Haarknoten das natürlich nicht zugab.
Pankraz kannte Zenzi aber sehr genau. Sie hatte ihm damals in der schwersten Zeit seines Lebens nach dem Tod seiner geliebten Frau neuen Halt gegeben und davor bewahrt, zu verzweifeln. Dafür würde er ihr ewig dankbar sein. Und deshalb achtete er auch jeden Tag darauf, alles, was sie auf den Tisch brachte, entsprechend zu würdigen. Ganz abgesehen davon, dass es ihm einfach gut schmeckte. Und er achtete ebenso darauf, dass auch alle am Tisch saßen, damit Zenzi zufrieden war. Denn was gab es wohl Schlimmeres, als eine gute Köchin zu verärgern ...
An diesem Morgen hatte sich der Frühstückstisch im Hause Burger allerdings bereits merklich geleert, während Vater und Sohn Burger noch bei einer Tasse Kaffee beisammen saßen.
Die beiden älteren Kinder waren auf dem Weg zu Schule und Kindergarten, Sabine und Zenzi hatten mal wieder ihren monatlichen Großeinkauf im Supermarkt in Mayrhofen zu erledigen, und Klein-Laura begleitete sie. Im Gegensatz zu anderen Kleinkindern saß sie im Geschäft nämlich stets lieb und ruhig in ihrem Kindersitz und betrachtete mit glänzendem Augen die vielen Menschen, Lichter und bunten Auslagen.
Da Martin noch eine Viertelstunde Zeit hatte, bis er die Sprechstunde im Anbau nebenan beginnen musste, nutzte er die Gelegenheit, mit seinem Vater zu plaudern.
Poldi, der Familiendackel, hatte sich noch nicht zur Gassirunde bei Pankraz angemeldet, was wohl daran lag, dass ihm das nasskalte Spätwinterwetter so gar nicht behagte. Schließlich war es ziemlich unangenehm, mit nassen Bauchhaaren heimzukommen und sich dann noch anhören zu müssen, es rieche ...
»Die Marianne Wagner hat heut' mal wieder einen Kontrolltermin«, sagte Martin gerade zu seinem Vater.
Pankraz überlegte. »Diabetes und Drehschwindel, gelt?«
»Richtig. Sie ist gut eingestellt, eine folgsame Patientin, um die ich mich eigentlich net sorgen muss.«
»Aber sie hat gewiss selbst viele Sorgen«, warf der Vater ein.
Martin nickte. »Diese unselige Feindschaft zwischen den Familien Wagner und Simmerling. Ich versteh' es einfach net. Wenn man so abgelegen lebt, ist man doch auf eine gute Nachbarschaft angewiesen. Aber das scheint ihnen egal zu sein. Sie hassen sich, wie sie da sind, und das nun schon seit Jahrzehnten.«
»Nun ja, alle hassen sich net, aber das steht auf einem anderen Blatt geschrieben«, warf Pankraz ein.
Martin lächelte schmal. »Wie hat das Ganze eigentlich angefangen? Kannst du dich daran noch erinnern, Vater?«
»Freilich, auch wenn's schon lange zurückliegt ...«
Der alte Bergdoktor warf einen Blick aus dem Fenster in den Garten, wo noch immer der Schnee den Rasen und Zenzis Gemüsebeete bedeckte. Doch an den alten Obstbäumen schwollen bereits die Knospen, denn der Frühling war eben nicht mehr weit.
»Die Wagners und die Simmerlings sind allerweil gut miteinander ausgekommen«, holte er schließlich etwas weiter aus. »Es waren zwei Spezln, die ihre Höfe in dem Hochtal zwischen St. Christoph und Hochbrunn nebeneinander gebaut haben. Man sagt, sie konnten sich aufeinander verlassen, standen sich in schweren Tagen bei und feierten die Feste gemeinsam, wie sie fielen. So ging das über Generationen. Bis der Markus Wagner und der Franz Simmerling sich beim Maitanz in dasselbe Madel verschauten. Sie war eine wahre Schönheit, die Hoftochter Marianne Burgmüller aus Hochbrunn. Ein kluges und einfühlsames Madel, das die verbissene Konkurrenz zwischen ihren beiden Verehrern nicht ausnutzte, sondern sich bald für Markus Wagner entschied. Das besiegelte die Feindschaft zwischen den beiden Bergbauern, die bis auf den heutigen Tag andauert.«
»Aber der Simmerling hat doch auch gut geheiratet«, warf Martin ein. »Und gar net allzu lange nach seinem Nachbarn.«
»Freilich. Die Luzia Pold brachte eine schöne Mitgift in die Ehe. Die beiden haben sich von Anfang an gut verstanden und eine harmonische Ehe geführt. Es hätte wohl keinen wahren Grund mehr gegeben, sich weiterhin spinnefeind zu sein. Aber du kennst ja die Tiroler Sturschädel. Keiner hat nachgeben und dem anderen als Erster die Hand zur Versöhnung reichen wollen. Nun ist schon die nächste Generation mit dieser Feindschaft aufgewachsen.«
»Die Madeln scheinen vernünftiger zu sein«, sinnierte Martin.
Sein Vater nickte. »Fünf Brüder auf jeder Seite, die nix anderes im Sinn haben, als zu raufen, sobald sie sich treffen. Die Lisa und die Patrizia haben sich schon von klein auf gut vertragen. Das ist wohl ein Lichtblick. Und freilich die Verbindung zwischen Lisa Wagner und Julian Simmerling.«
»Von der allerdings niemand etwas wissen darf. Nur die Patrizia und Lisas Mutter sind eingeweiht.«
»Es ist eine Schande. So ein schönes Paar. Und das alles nur wegen der Sturheit der Väter. Gewiss wird die Marianne dir deswegen heut' wieder ihr Herz ausschütten, gelt?«
»Ich nehm' es an. Sie kann ja mit sonst niemandem darüber reden. Dabei wünscht sie sich nur, dass ihr Madel glücklich wird im Leben. Und dieses Glück, das ist sozusagen zum Greifen nah ...«
Das Trippeln kleiner Hundepfoten kündigte nun das Ende dieser Unterhaltung an. Poldi lugte durch die offene Stubentür, seine Leine im Fang.
»Ah, da bist du ja, alter Räuber«, meinte Pankraz und erhob sich. »Ja, es wird Zeit für ein bisserl Bewegung nach dem üppigen Frühstück, recht hast.«
»Ich muss auch allmählich rüber«, stellte Martin fest und trank seinen Kaffee aus.
»Wirst du ihr was raten?«, fragte Pankraz, während er Poldi anleinte. »Ich meine, der Wagnerin?«
»Ich bemüh' mich. Aber im Grunde ist's eine sehr verzwickte Situation. Wenn du mich fragst, täten die Jungen gut dran, woanders neu anzufangen. Diese alte Feindschaft hat doch schon ihrer aller Leben so vergiftet, dass ich keine echte Chance auf eine Versöhnung sehe.«
»Sie werden net gehen wollen«, hielt der Vater ihm entgegen. »Gerade die Bergbauern sind doch fest verwurzelt auf ihren Höfen. Es wird ihnen schwer werden, ihre Heimat zu verlassen.«
Martin seufzte. »Ja, ich weiß. Aber was bleibt sonst?«
»Gute Frage.« Pankraz lächelte seinem Sohn aufmunternd zu. »Dir wird schon was einfallen, Bub. Es wäre das erste Mal, dass du net helfen könntest...«
***
Die traditionsreichen Berghöfe der Familien Wagner und Simmerling lagen in einem schmalen Hochtal zwischen St. Christoph und Hochbrunn, das nicht leicht zu finden war. Der Abzweig von der Landstraße versteckte sich hinter dem dicken Stamm einer uralten Eiche und war für einen Ortsunkundigen praktisch unsichtbar.
Hatte man die Stelle aber gefunden, so folgte man einem kurvenreichen, asphaltierten Band, das eigentlich nur in der warmen Jahreszeit sicher zu befahren war. Im Winter waren die Höfe häufig von der Außenwelt abgeschnitten. Es musste nur ein paar Tage hintereinander schneien, wie es im Zillertal oft vorkam, ein umgestürzter Baum den Weg versperren, und schon gab es keinen Zugang mehr zu den Berghöfen.
Die Bauern waren es gewöhnt, mit diesen Unbilden der Natur zu leben. Vorratshaltung und Notstrom verhinderten gefährliche Situationen. Früher hatte man sich in solchen Zeiten gegenseitig besucht und aufgemuntert. Doch das gute, nachbarschaftliche Einvernehmen gehörte schon lange der Vergangenheit an.
An diesem Morgen waren Marianne und Lisa Wagner damit beschäftigt, das Mittagsmahl vorzubereiten, sodass es trotz des fälligen Arztbesuches der Bäuerin pünktlich auf dem Tisch stand.
Darauf legte Markus Wagner Wert, und seine Söhne waren es so gewöhnt. Die männlichen Mitglieder der Familie waren nach dem Frühstück im Stall und im Wald mit dem Holzeinschlag beschäftigt und würden erst wieder zum Mittagsläuten zurückkommen.
Lisa fuhr ihre Mutter zum Arzt, da diese es nicht konnte.
Der Schwindel machte es der Bäuerin unmöglich, noch sicher Auto zu fahren. Zuerst war Lisa von dieser Zusatzarbeit nicht begeistert gewesen. Doch nun war die Fahrt zum Doktorhaus in St. Christoph für sie schon lange zu etwas ganz Besonderem geworden.
Nachdem Marianne der Küchenmagd letzte Anweisungen gegeben hatte, verließen Mutter und Tochter das Haus.
Imposant und zeitlos standen die Berghöfe im Hochtal, mit breiten, schindelgedeckten Dächern, reich verzierten Balkonen und lieblicher Lüftlmalerei. Gebaut für die Ewigkeit hielten sie auch schweren Lawinen Stand und boten nun bereits seit vielen Generationen ihren Bewohnern Schutz und Heimat.
Lisa warf einen verstohlenen Blick zum Nachbarn. Julians Wagen stand vor dem Haus, denn auch er würde bald nach St. Christoph aufbrechen. Es war die Aufgabe des jüngsten Simmerling-Bruders, die Großmutter, die unter einem schwachen Herzen litt, regelmäßig zur Untersuchung zu bringen. Seit einer ganzen Weile schon legten sie die Termine so, dass sie sich im Doktorhaus treffen konnten und ihnen ein wenig gemeinsame Zeit blieb.
Gestohlene Zeit, dachte Lisa bitter.
»Nur Geduld, ihr seht euch ja gleich«, meinte Marianne, die den Blick ihrer Tochter freilich bemerkt hatte.
Die schöne Hoftochter mit dem langen, dunklen Haar und den großen, haselnussbraunen Augen seufzte leise.
Nachdem sie eingestiegen und losgefahren war, gab sie zu: »Ich freu' mich jedes Mal wie narrisch, den Julian zu sehen. Aber diese heimlichen Treffen, die sind doch net recht. Und sie gehen so schnell vorbei. Hernach bin ich immer traurig.«
»Ihr trefft euch ja auch in Patrizias Stube oder bei uns, wenn es gerade passt«, hielt die Mutter ihr entgegen. »Ich weiß, wenn man verliebt ist, möchte man gern immer beisammen sein.«
»Davon sind wir so weit entfernt wie die Erde vom Mond.«
»Mei, Tschapperl, ich fühl' mit dir und würde viel drum geben, euch zu helfen. Wenn es nur einen Weg gäbe ...«
»Manchmal, wenn meine Sehnsucht noch größer wird als meine Verzweiflung, dann würde ich dem Vater am liebsten ins Gesicht sagen: ›Ich hab den Julian Simmerling lieb! Nie werde ich einen anderen lieben! Schlag mich tot, ich bleib‹ dabei!' Aber dazu fehlt mir dann doch der Mut.«
»An so was darfst du net mal denken. Es würde meine Schuld ja ins Unermessliche wachsen lassen«, murmelte die Mutter bekümmert.
»Deine Schuld? Ich versteh' net ...«
»Schau, Lisa, wenn ich damals net zu dem Tanzfest gegangen wäre, dann hätte doch die Rivalität zwischen dem Markus und dem Franz niemals entstehen können, dann wäre es nie dazu gekommen, dass du und der Julian eure Liebe verstecken müsst.«
Lisa schmunzelte. »Freilich net, dann gäbe es uns ja nicht.«