Der Bergdoktor 2176 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2176 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Kurz vor Ostern spielt in St. Christoph das Wetter verrückt. Nach einem frühlingshaften März fegt ein April voller Winterstürme über das Zillertal hinweg. Da diese Witterung Krankheiten und Unfälle begünstigt, hat der Bergdoktor alle Hände voll zu tun. Auf der Rückfahrt von einem Hausbesuch findet er frühmorgens auf einer vereisten Straße eine reglose Frau.
Sogleich erkennt er die junge Magd Josefina Mayreder, die erst seit etwa einem Jahr auf dem Danzingerhof arbeitet. Sie hat vor Erschöpfung das Bewusstsein verloren - und ist zudem schwanger. Warum war sie bei diesem Wetter zu Fuß unterwegs, und wohin?


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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Zum Glück ist Dr. Burger da

Vorschau

Impressum

Zum Glück ist Dr. Burger da

Der Bergdoktor schenkt einem Paar in einer Lebenskrise neue Hoffnung

Von Andreas Kufsteiner

Kurz vor Ostern spielt in St. Christoph das Wetter verrückt. Nach einem frühlingshaften März fegt ein April voller Winterstürme über das Zillertal hinweg. Da diese Witterung Krankheiten und Unfälle begünstigt, hat der Bergdoktor alle Hände voll zu tun. Auf der Rückfahrt von einem Hausbesuch findet er frühmorgens auf einer vereisten Straße eine reglose Frau.

Sogleich erkennt er die junge Magd Josefina Mayreder, die erst seit etwa einem Jahr auf dem Danzinger-Hof arbeitet. Sie hat vor Erschöpfung das Bewusstsein verloren – und ist zudem schwanger. Warum war sie bei diesem Wetter zu Fuß unterwegs, und wohin?

»Und nun zum Wetter«, tönte es aus dem Autoradio. »Auch in den Tagen vor Beginn der Karwoche hängt weiterhin eine Kaltfront über den Tiroler Alpen. Bis hinunter zu einer Seehöhe von zweihundertfünfzig Metern ist mit starkem Schneefall zu rechnen.«

Die Stimme des Sprechers klang bei den letzten Worten abgehackt. Zunehmend verlor sie sich in einem Rauschen, während Dr. med. Pankraz Burger den Geländewagen von Mautz zurück Richtung St. Christoph lenkte.

Die Bäume im Krähenwald waren schwer mit dem Schnee der vergangenen Tage beladen. Ihre Äste neigten sich darunter.

»Schnee zu Ostern«, murmelte Pankraz vor sich hin. »Ich glaube, das haben wir seit fünfzehn Jahren nimmer gehabt.«

In einem langsamen Tempo nahm er die nächste Kurve. Dort hing eine mit Schnee bedeckte Kiefer so weit über die Straße, dass man Angst kriegen konnte, ihr Stamm würde bersten und den Geländewagen unter sich begraben.

Zum Glück hielt der Baum stand, bis der rüstige Landarzt unter ihm hindurch war.

»Mei«, fuhr er mit seinen Betrachtungen fort, »die Kinder werden Augen machen, wenn das Osterhaserl heuer seine Nester im Schnee versteckt!«

Die Vorstellung der drei verdutzten Gesichter entlockte ihm ein Lächeln. Erst gestern hatten die beiden Größeren ihn vor seinem Kabinettl abgefangen und ihm ihre Sorgen anvertraut.

»Opa, der Filli will wissen, was das Haserl tut, wenn's zu Ostern noch schneit«, hatte Tessa begonnen. »Ob es sich net die Pfoten abfriert.« Ihre dunklen Brombeeraugen und ihr Kopf voller schwarzer Locken machten sie zur Prinzessin der Familie Burger. Und natürlich war sie mit ihren acht Jahren schon viel zu groß und erwachsen, um noch an den Osterhasen zu glauben! Deswegen schob sie bei solchen Fragen gern ihren kleinen Bruder vor.

»Von den Pfoten hab ich gar nix gesagt!«, hatte Filli sie sogleich verbessert. »Ich hab nur wissen wollen, ob das Haserl dann mit dem Schlitten kommt. Und wer den zieht. Ein Pony wär' ja zu groß. Und ein Hund wird ihn ja auch net ziehen. Vor dem hätt' das Haserl bestimmt Angst.«

Solche ernsten und wichtigen Fragen mussten ausführlich besprochen werden. Daher hatte Pankraz Burger die beiden in sein Kabinettl auf je einen Kakao und eine von Zenzis Zimtschnecken eingeladen. Gemeinsam hatten sie dann überlegt, wie der Osterhase bei solch widrigem Wetter die ihm anvertraute Pflicht am besten erfüllen könnte. Zu guter Letzt hatten sie entschieden, das tapfere Haserl würde seinen Schlitten selbst ziehen. Natürlich in warmen, mit Pelz gefütterten Stiefeln – seinen armen Pfoten zuliebe.

Vorsichtig nahm Pankraz die letzte Kurve, ehe der Krähenwald endete. Dahinter lag Hochbrunn, ein Weiler mit nur wenigen Häusern. Jetzt noch an der Endhaltestelle der Buslinie vorbei, ein oder zwei Kilometer über die Hauptstraße, und er war daheim beim Doktorhaus in der Kirchgasse von St. Christoph. Gerade rechtzeitig zum Frühstück!

Als Pankraz Burger am Vorabend zu einer Hausgeburt am Scharrerhof in Mautz aufgebrochen war, hatte er im dichten Schneetreiben kaum ein paar Meter weit gesehen. Jetzt schneite es zwar nicht mehr, doch in der Nacht hatte die Kälte noch einmal angezogen und die Nässe auf der Straße in eine tückische Eisschicht verwandelt.

Pankraz war für die guten Winterreifen dankbar, die der Elmentaler-Jörg dem Geländewagen im letzten November verpasst hatte.

Ja, das Wetter ... er sehnte den Frühling herbei. Der Winter hatte dieses Jahr wirklich lange genug gedauert. Zwar hatte es im März einige Tautage gegeben, aber nun, im April, konnte man zuschauen, wie die gelben Blüten auf dem Osterstrauch erfroren. Gemüsefelder mussten mit Folie abgedeckt, junge Obstbäume mit Netzen vor der Hagelgefahr geschützt werden. Wer dem warmen Märzwetter vertraut und seinen Mais dieses Jahr früher ausgesät hatte, bereute es bitter.

Das waren so die Sorgen, mit denen sich die Bauern im Zillertal herumschlugen. Und hatten die Bauern viel Mühe, ging es dem Landarzt genauso. Bei all der Rennerei über gefrorene Äcker, bei all dem Stapfen in Arbeitsstiefeln durch den Schnee schnupfte und hustete halb St. Christoph. Und die andere Hälfte war auf einer Eisplatte ausgerutscht und hatte sich bei dem Sturz die Hand aufgeschürft oder gar das Bein gebrochen.

Pankraz' Sohn Martin hatte in seiner Praxis am Ende der Kirchgasse keine ruhige Minute mehr. Seine Sprechstundenhilfe, die Tannauer-Bärbel, und auch seine Frau Sabine unterstützten ihn nach Kräften.

Schwester Sofie, die in Teilzeit angestellt war, kam ebenfalls öfter und blieb länger als sonst. Aber wenn sich zu so einem gebrochenen Haxen und einer Kopfwunde, die genäht werden musste, auch noch eine verfrühte Hausgeburt gesellte, reichten selbst diese helfenden Hände nicht aus. Dann verließ eben auch der alte Doktor für eine Weile seinen Ruhestand und sein Kabinettl.

Diese Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Pankraz etwas erspähte.

Er war fast bei der Bushaltestelle angelangt. Der nächste Hof, der des Almtalers, befand sich ein paar Kilometer abseits der Straße. Und direkt vor Pankraz' Geländewagen lag etwas auf dem vereisten Asphalt.

Oder nein, nicht »etwas«. Ein Mensch lag da, erkannte Pankraz, dessen Augen auch mit siebenundsiebzig Jahren noch scharf waren.

Er stieg auf die Bremse. Der Geländewagen kam schlitternd zum Stehen – knapp vor der liegenden Gestalt. Es war eine Frau, sah Pankraz, eingehüllt in einen dunkelgrünen Wintermantel. Schwarze Haare hingen lang und offen über ihre Schultern. Sie umrahmten ein sehr hübsches, schmales, wenn auch allzu blasses Gesicht. Die Frau hatte die Augen geschlossen.

Pankraz kannte sie. Besser gesagt: Er war sich sicher, dass er sie schon das eine oder andere Mal beim Kirchgang gesehen hatte. Eine Magd von einem der hiesigen Höfe. Nicht vom Almtaler, aber vielleicht von dessen Nachbarn, dem Danzinger-Bauern? Ihren Namen hatte er vergessen. Aber das spielte nun auch keine Rolle. Nur eines zählte: Sie brauchte seine Hilfe!

Der alte Landarzt schaltete die Warnblinkanlage ein und stieg aus. Der Wind riss ihm die Autotür aus der Hand und schlug sie zu. Selbst bei dem lauten Knall regte sich die junge Frau auf der Straße nicht.

In wenigen Schritten war Pankraz bei ihr und beugte sich zu ihr herab.

»Madel!«, rief er. »Kannst du mich hören?«

Sie gab dafür kein Anzeichen.

Mit seinem ärztlich geschulten Blick schaute sich Pankraz das Madel genauer an. Der Wintermantel war bis zum Hals zugeknöpft, doch sie trug keinen Schal. Und nur einen Handschuh aus grüner Wolle! Der war völlig durchnässt und steifgefroren. Auch der lange Mantel schien bis hinauf zu den Knien vereist zu sein. Vor allem aber: Pankraz bemerkte an ihr keine äußerlichen Hinweise auf eine Verletzung.

Er wandte kurz den Blick. Dort am Wegesrand, wo es über die Wiesen und Felder zum Almtalerbauern ging, entdeckte er eine Spur. Eine tiefe Spur, als hätte sich jemand beharrlich durch den kniehohen Schnee gekämpft. Andere Spuren sah Pankraz keine. Auch nicht die eines Autos. Die Reifenabdrücke seines Geländewagens waren weit und breit die Einzigen.

Also hatte vermutlich kein Unfall stattgefunden, fasste er in Gedanken zusammen. Kein Auto hatte die Fußgängerin erfasst und auf die Straße geschleudert. Nein. Sie war querfeldein über die Wiese gekommen, hatte die Straße erreicht und – ja, was? Hatte sie vor lauter Erschöpfung ohne fremdes Zutun das Bewusstsein verloren?

Er musste es riskieren. Erneut beugte er sich über das Madel. Hätte irgendetwas auf einen Autounfall hingewiesen, dann hätte er es vermieden, sie zu bewegen. Doch wenn sie keine inneren Verletzungen hatte ... Zuerst sanft, dann nachdrücklicher rüttelte er sie an der Schulter.

Etwas regte sich. Die Lider flatterten. Für einen Moment dachte er, sie würde die Augen öffnen. Aber sie wachte nicht auf.

Pankraz seufzte. Es half nichts, er musste sie ins Auto tragen und so schnell wie möglich ins Doktorhaus bringen.

***

»Triffst mich eh net, Filli!«, rief Tessa lachend. Der Name ihres kleinen Bruders ging in einem spitzen Schrei unter, als Fillis gut gezielter Schneeball den Weg in ihren Jackenkragen fand.

»Treff dich do-hoch«, frohlockte der Fünfjährige in einem Singsang.

»Do-hoch«, sang ihm das Laura-Mauserl nach und lief hinter ihren beiden älteren Geschwistern in den Schnee, während Tessa empört ihre Jacke aufriss. Sie versuchte, die weißen Kristalle aus dem Kragen zu stauben, und verteilte sie dabei über das ganze Innenfutter.

Die Bachhuber-Zenzi hastete hinterdrein, gerade als Pankraz Burger den Motor des Wagens abstellte.

»Ja, sapperlot!« Die Hauserin stand seit vierzig Jahren bei den Burgers im Dienst und ließ sich normalerweise so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Nun aber wirkte selbst sie gestresst.

»Tessa!«, hörte Pankraz sie schelten. »Herrschaftszeiten, Madel! Du kannst dich bei der Kälte doch net ausziehen. Bleib da, lass mich dir helfen.« Mit wenigen gezielten Handgriffen hatte sie Tessas Jacke vom Schnee befreit.

»Und Filli! Da kommst du her!« Der kleine Übeltäter im blauen Anorak schlich näher. »Ja, glaubst du, ich seh' net, was du hinter dem Rücken versteckst? Jetzt ist es genug mit den Schneebällen! Hustet eh schon die halbe Welt. Was sollen die Leut' sagen, wenn da auch noch die Doktorkinder ganz nass und durchfroren in die Schule und in den Kindergarten kommen?«

Zugleich eilte Pankraz' Schwiegertochter Sabine aus dem Doktorhaus und fing das Mauserl ein, bevor es für sich ein schönes Sitzplatzerl im Schnee finden konnte.

Die Zweijährige widersprach energisch, bis sich Sabine nur mehr auf eine Art und Weise zu helfen wusste: Sie hob ihre Jüngste kurzerhand hoch und trug sie zurück ins Haus.

Kurz vor der Haustür blieb sie stehen.

»Grüß dich!«, rief sie ihrem Schwiegervater zu, als dieser die Fahrertür des Geländewagens öffnete und ausstieg. »Hast du schon gefrühstückt? Der Kaffee steht noch auf dem Tisch, und die Zenzi hat einen Germzopf gebacken.«

Für einen Moment antwortete Pankraz nicht, sondern bewunderte nur das Bild, das Sabine und Klein-Laura abgaben. Das Mauserl saß nun ganz zufrieden auf ihrer Hüfte, hatte beide Arme um den Hals ihrer Mama geschlungen und schmiegte sich an sie. Ein schöner Anblick war das: Mutter und Tochter vor der Tür des Familienhauses.

Wieder einmal dankte Pankraz dem gütigen Herrgott dafür, dass dieser seinem Sohn Martin nach einem schweren Schicksalsschlag eine solche zweite Liebe geschenkt hatte.

Schließlich riss er sich von dem Bild los.

»Mei, Frühstück klingt gut«, antwortete er. »Die Scharrers hätten mich zwar nach der Geburt ihrer kleinen Emma net hungrig gehen lassen. Aber du weißt ja, bei Zenzis Backkunst werd' ich immer schwach. Bloß vorher brauche ich den Martin in der Praxis.«

»Ist etwas passiert?« Besorgt änderte Sabine die Richtung und kam mit dem Mauserl auf der Hüfte näher. Wer Dr. Burgers hübsche, blonde, um sechzehn Jahre jüngere Frau das erste Mal sah, mochte nicht erwarten, dass sie selbst eine studierte Ärztin war. Die Gesundheit der Bewohner von St. Christoph lag ihr ebenso am Herzen wie ihrem Mann. »Der Scharrer-Claudia und der Kleinen geht es doch gut, oder net?«

»Freilich«, beruhigte Pankraz sie. »Mutter und Kind sind wohlauf. Und ich soll dir von der Claudia ganz liebe Grüße ausrichten. Aber auf dem Rückweg durch Hochbrunn, da hab ich jemanden gefunden.« Er öffnete die hintere Tür des Geländewagens, wo die bewusstlose junge Frau lag

Erschrocken schlug Sabine eine Hand vor den Mund.

»Jesses Maria!«, entfuhr es ihr.

»Jesses Maria, Opa!«, wiederholte das Mauserl fröhlich.

***

Dr. med. Martin Burger schloss die Zimmertür hinter sich und trat zu denen, die im Flur auf ihn warteten. Bärbel Tannauer, die tüchtige Sprechstundenhilfe, hielt unten in der Praxis die Stellung. Sein Vater und Sabine warteten vor einem der beiden Krankenzimmer.

»Wie geht es ihr?«, fragte Sabine sogleich

Martin räusperte sich. »Soweit ganz gut. Sie schläft jetzt, aber das dürfte wirklich nur von der Erschöpfung kommen. Zusammen mit ...« Er verstummte.