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Eine Bewegung oben am Fenster zieht den Blick des Mannes auf sich. Franziska steht dort und schaut mit traurigen Augen zu den Bergen. Das arme Madel ist todunglücklich, das ist nicht zu übersehen. Er hat keine Ahnung, warum sie ihrem Verlobten den Laufpass gegeben hat. Niemand im Dorf weiß das. Noch ahnt sie nicht einmal, dass ihre Welt bald noch mehr aus den Fugen geraten wird. Der Birkenhof gehört ihrer Familie nur noch auf dem Papier - und auch das wird sich in naher Zukunft ändern.
Er will den Birkenhof an sich bringen - und Franziska und ihre Schwestern für immer verjagen ...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Warum darf ich dich nicht lieben, Franziska?
Vorschau
Impressum
Warum darf ich dich nicht lieben, Franziska?
Zu Herzen gehendes Finale der Trilogie
Von Andreas Kufsteiner
Schon in Schulzeiten war Korbinian in Franzi, das schöne Madel vom benachbarten Birkenhof, verliebt. Fünfzehn Jahre später ist Franzi verlobt – mit Korbinians früherem Spezl Simon.
Kurz vor der Hochzeit trennt sie sich aber von ihm. Den Grund verrät sie zunächst niemandem. Nur Korbinian gegenüber findet sie Worte und vertraut ihm ihr trauriges Geheimnis an.
Plötzlich erwachen Gefühle, doch die dürfen nicht sein, denn zwischen Franzis und Korbinians Vätern tobt ein wilder Streit, bei dem Franzis Familie sogar den Birkenhof verlieren könnte.
Als Dr. Burger von den Nöten des Liebespaars erfährt, nimmt er sich des Falles an. Wird der Bergdoktor das junge Glück retten können?
Der warme Sommerwind strich durch das Gras. Die Halme neigten sich, als würden sie miteinander flüstern. Ein Halm kitzelte Korbinian an der Wange, als er sich tiefer duckte und seinen Fotoapparat ein wenig nach links drehte ... noch etwas weiter ... ja, so war es perfekt.
Im Sucher erschien ein rotbrauner Käfer. Die Fühler krümmten sich und streckten sich wieder, als würde er sich im warmen Sonnenschein aalen. Korbinian drehte das Rädchen, bis die Sicht scharf genug war, um die feinen Härchen auf dem Leib des Käfers erkennen zu lassen.
Er war so fasziniert von seinem Fund, dass er alles um sich herum vergaß: die Englisch-Klausur, die für die nächste Stunde angesetzt war, ebenso wie das fröhliche Lärmen der anderen Schüler auf dem Pausenhof. Die jüngeren Kinder standen in kleinen Grüppchen beisammen, tauschten Pausenbrote gegen Schokoriegel oder tobten hinter einem Fußball her. Die älteren Schüler lümmelten auf den Lehnen der Sitzbänke, bis Herr Hofer, der die Aufsicht hatte, ihnen ein paar mahnende Worte zurief und sie auf die Sitzflächen hinunterrutschten.
Korbinian krümmte den Finger am Auslöser und bannte seinen Fund in den Speicher der Digitalkamera. Er hatte lange sein Taschengeld zusammengespart und neben der Schule kleine Aufträge übernommen, um sie sich zu kaufen. Er liebte es, die Welt durch den Sucher zu betrachten und im rechten Augenblick abzudrücken, um besondere Momente festzuhalten.
»Was knipst du denn da?« Timo ließ sich neben ihm ins Gras fallen und biss herzhaft in einen Apfel. »Das Gras?«
»Einen Zilora sericea.«
»Einen ... was? Klingt wie etwas, das einem am Hintern wächst und juckt.«
»Es ist ein seltener Käfer. So selten, dass er seit einem halben Jahrhundert nimmer nachgewiesen wurde.«
»Lass mal sehen.« Timo spähte auf das Display der Kamera. »Sieht wie ´n ganz gewöhnlicher Wald- und Wiesen-Käfer aus.«
»Nein, ich wette, es ist ein Zilora sericea.«
»Okay, ich mache mit. Wetten wir um die Mathe-Hausaufgaben?«
»Wenn du gewinnst, schreibst du bei mir ab?«
»Und umgekehrt. Ehrensache!«
»Das wäre aber net fair. Ich bin mir wirklich sicher.« Korbinian zog sein Bestimmungsbuch aus der Tasche und blätterte darin, bis er eine Zeichnung des Käfers gefunden hatte. »Siehst du? Das ist er.«
»Du schleppst ´n Käferbuch mit dir herum?« Timo ließ seinen Apfel sinken und schaute Korbinian verdutzt an. »Weißt du, wenn du nicht so ein prima Freund wärst, wärst du ein ziemlich eigenartiger Typ.«
»Danke, ich bin auch froh, dass wir Freunde sind.« Korbinian grinste. Er nahm Timo die Bemerkung nicht krumm. Seine Mitschüler fanden seine Faszination für Insekten ebenfalls seltsam. Sie sahen die winzigen Lebewesen eben nicht mit seinen Augen – oder besser gesagt, sahen sie sie nicht durch den Sucher seiner Kamera. Er verfolgte, wie die Tiere miteinander auskamen, wie sie vor dem Regen flüchteten und die warmen Sonnenstrahlen genossen. Ihre Empfindungen schienen nicht so viel anders zu sein als seine oder die seiner Freunde ...
»Du bist schon wieder Lichtjahre weit weg, oder?« Timo knuffte ihn in die Seite.
»Wieso? Hast du etwas gesagt?«
»Ich wollte wissen, ob du nach dem Unterricht Lust hast, mit ins Freibad zu kommen.«
»Lust schon, aber ich muss heim. Jetzt im Sommer gibt es auf dem Hof besonders viel zu tun. Hab dem Vater versprochen, beim Heuwenden zu helfen.«
»Und am Wochenende?«
»Ich werd´s probieren.« Korbinian richtete sich im Gras auf, zupfte ein paar Halme von seinem T-Shirt und verkniff sich ein Seufzen. Er konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte Mal schwimmen gewesen war. Wenn die Sonne schien, musste das Wetter zum Heumachen genutzt werden. Und bei Regen war es Essig mit dem Freibad.
Als er sich umblickte, bemerkte er ein Madel mit braunem Zopf. Sein Herz machte einen verräterischen Hüpfer. Franziska! Sie saß im Gras, die Knie angewinkelt und ein Buch in der Hand. Bestimmt war es Moby Dick, darin las sie schon die ganze Woche in den Pausen.
Sie war so versunken in die Geschichte, dass sie die Amsel nicht bemerkte, die um sie herumhüpfte und im Gras nach einem Leckerbissen pickte.
Wie verträumt sie aussah! Und wie lieb. Ihm wurde ganz warm in der Brust. Er mochte sie, sehr sogar. Franziska lebte mit ihren beiden Schwestern auf dem Birkenhof, der unmittelbar an den Hof seiner Eltern grenzte. Sie waren Freunde, seit er denken konnte. In letzter Zeit spürte er jedoch noch eine andere Regung. Etwas war tief in seinem Inneren erwacht. Ein Ziehen, für das er keinen Namen hatte.
»Oooh, nun schaut ihn euch an.« Die beißende Stimme gehörte Simon, einem anderen Jungen aus seiner Klasse. »Er starrt die Franzi an wie ein hungriges Katzerl vor dem Fischladen.« Gefolgt von einem Trupp anderer Jungen trat Simon näher.
Korbinians Wangen fingen zu glühen an.
»Zieh mit deinen Jüngern weiter«, brummte er. »Du verschreckst mir die Käfer.«
»Die Käfer?« Simon lachte spöttisch. Er versuchte es zumindest, aber sein Lachen verrutschte und erinnerte eher an den Schluckauf eines Papageis.
Korbinian verzichtete darauf, den anderen Jungen damit aufzuziehen. Er war heilfroh, dass er den Stimmbruch schon hinter sich hatte.
Simons Ohrspitzen färbten sich dunkler. »Ach, mach doch, was du willst«, schnaubte er und wandte sich ab.
Während Timo seinen Apfel verspeiste, ließ Korbinian sich wieder im Gras nieder und machte sich auf die Suche nach einem weiteren Käfer, den es abzulichten sich lohnte.
Kurz darauf hörte er ein Lachen, das zwischen Quietschen und Schnarren schwankte und aus Simons Richtung kam. Unwillkürlich sah er auf und bemerkte den anderen Jungen, der mit seinen Kumpels im Halbkreis stand und den Kopf über ein Polaroidfoto beugte. Korbinian hätte das nicht weiter beachtet, hätten die Blicke der anderen Jungen nicht zwischen dem Bild und Franziska gependelt. Dazu ihr gedämpftes Gelächter ... In seinen Eingeweiden schien sich plötzlich ein Knoten zu bilden.
Er ließ die Kamera im Gras liegen, stemmte sich hoch und stapfte zu den anderen Jungen hinüber. Ein Blick auf die Fotografie ließ rote Lichter vor seinen Augen aufleuchten. Auf dem Bild war Franziska zu sehen – die daheim im Garten in einer alten Zinkwanne badete. Der Schaum verbarg ihren Körper, nur ein nacktes Bein ragte aus dem Wasser. Ein paar weiße Schaumflocken tropften herab. Korbinian wusste, dass diese alte Wanne gut verborgen hinter den Hecken des Birkenhofes stand. Sie wurde an sehr heißen Sommertagen von den Schwestern benutzt. Jemand musste sich angeschlichen haben, um das Foto zu machen.
»Woher hast du das?«, fragte er – und selbst in seinen Ohren klang seine Stimme wie Gewittergrollen.
»Geht dich nix an«, schnappte Simon. »Wenn du auch eins willst, mach es selbst.«
»So ein Foto solltest du net haben. Und schon gar net herumzeigen. Das ist net richtig. Du musst es vernichten.«
»Bist du irre?«
»Das gehört sich net.«
»Nun hört euch den an. Wie kann man nur so verklemmt sein?«
»Die Franzi geht in unsere Klasse.«
»Na und? Sie ist ´n Klassemadel. Das darf ruhig jeder sehen ... He, gib das wieder her!« Simon brüllte vor Zorn, als Korbinian ihm das Foto entriss. Dieser wollte es zerreißen, aber das war gar nicht so einfach. Die mehreren Lagen Fotopapier leisteten mehr Widerstand, als er gedacht hatte. Simons Hand schnellte vor wie eine Kreuzotter aus einem dichten Farn und zerrte an dem Foto, während Korbinian es noch festhielt. Nun gab das Foto doch nach und riss mittendurch.
»Du elender ...« Simon brachte den Satz nicht zu Ende. Stattdessen stieß er Korbinian seine Faust gegen das Auge, dass diesem ein wilder Schmerz durch den Schädel raste. Funken schienen vor ihm hochzuwirbeln.
Und Simon setzte nach! Mit einer Kraft, die man dem hageren Jungen niemals zugetraut hätte. Er packte Korbinian an der Schulter und stieß ihm seine geballte Hand gegen das Kinn, sodass dessen Zähne klappernd aufeinanderschlugen.
Korbinian taumelte zurück, hörte die anderen Jungen feixen und kreischen – und er reagierte instinktiv. Halb blind vor Schmerzen riss er den Arm hoch und schmetterte seinem Gegenüber die Faust entgegen. Ein unschönes Knacken war zu hören, gefolgt von einem wilden Schmerzensgeheul. Er blinzelte. Als sich seine Sicht klärte, sah er Simon, von einem Fuß auf den anderen hüpfend, als würden die Sohlen seiner Turnschuhe brennen. Mit beiden Händen hielt er seine Nase, aus der dunkles Blut schoss. Dabei heulte Simon etwas, das nicht zu verstehen war, aber wohl heißen sollte: »Du hast mir die Nase gebrochen! Du hast mir die Nase gebrochen!«
Korbinians Groll kühlte sich schlagartig ab. Sein malträtiertes Auge pochte immer noch, und auch sein Kinn schmerzte, aber er hatte den anderen Jungen auf keinen Fall verletzen wollen. Verflixt! Die Arbeit auf dem Hof hatte ihm einiges an Muskeln beschert. Er hatte seine Kraft unterschätzt, das wusste er nun.
Er streckte Simon die Hand hin und wollte sich entschuldigen. Da dröhnte hinter ihm die Stimme des Lehrers, der die Aufsicht auf dem Pausenhof innehatte: »Hör auf, Korbinian! Sofort! Wenn du noch einmal zuschlägst, werde ich dafür sorgen, dass du von der Schule verwiesen wirst.«
»Aber ich wollte mich nur ...«
»Kein Wort mehr. Was hast du dir nur gedacht? Auf einen schmächtigen, dir an Kraft weit unterlegenen Mitschüler loszugehen? Du solltest dich wirklich schämen!«
»Was?« Korbinian traute seinen Ohren nicht. Er wandte sich Simon zu, der sich ein blutgetränktes Taschentuch an die Nase presste und höhnisch herübergrinste. Und da dämmerte es ihm: Nein, Simon würde keinen Finger rühren, um den Lehrer über seinen Irrtum aufzuklären.
***
Fünfzehn Jahre später
»Nun schau sich das einer an.« Ein verschmitztes Lächeln begrüßte Korbinian vor dem Gemischtwarenladen. Hier stapelten sich Kisten mit buntem Obst und Gemüse. Ein Aufsteller lud dazu ein, hausgemachtes Eis zu probieren. Eine Schar Kinder stand vor dem Laden, durchwühlte Hosentaschen und zählte eifrig Kleingeld ab.
Das Lächeln kam von Alma Jeggl, der Ladenbesitzerin. Eine warmherzige Frau, deren Alter schwer zu schätzen war, aber jenseits der sechzig lag, wenn man nach ihrem adretten grauen Haarknoten ging. Sie trug ein hellblaues Dirndl mit einer blütenweißen Schürze, dazu ein farblich passendes Kropfband.
»Servus, Alma.« Korbinian stieg von seinem Motorrad und bockte es vor dem Laden auf.
Im selben Augenblick kam Nina aus dem Laden. Die junge Frau warf Korbinian einen verträumten Blick zu.
Almas Lächeln vertiefte sich. Es war kein Geheimnis im Dorf, dass der gut aussehende Jungbauer bei den Madeln beliebt war. Wenn er auf seinem chromblitzenden Motorrad durchs Dorf brauste, folgte ihm so mancher sehnsüchtige Blick eines Madels – und so manches Stirnrunzeln des dazugehörenden Vaters.
»Servus, Korbinian.« Nina strahlte ihn an. »Deine Maschine ist wirklich eine Augenweide. Wie schnell fährt sie?«
»Zweihundert Stundenkilometer schafft sie schon.«
»Wow. Damit wäre man im Nu in Venedig, oder?«
»Ich denke, schon. Möchtest du gern einmal dorthin?«
»O ja! Was ist mit dir? Würdest du auch gern ...«
»Komm sofort her, Nina!« Ihr Vater kam mit einer Papiertüte auf dem Arm aus dem Laden. Sein Blick schwenkte von dem Motorrad zu Korbinian und hätte einen weniger gefestigten Mann auf der Stelle zu einem Eisblock erstarren lassen.
»Vaterl, wir reden doch nur.« Nina stülpte die Lippen vor.
»Komm sofort von ihm weg«, grollte er, als hätte Korbinian einen ansteckenden Ausschlag. »Wir gehen jetzt heim.«
»Ich komme gleich.« Nina warf Korbinian einen bedauernden Blick zu. Dann senkte sie die Stimme und sagte, nur für ihn hörbar: »Treffen wir uns morgen auf ein Eis?«
»Besser net, Nina. Du solltest dich mit einem Mann treffen, der besser zu dir passt. Ich mag dich, aber dein Vater braucht einen Nachfolger auf dem Hof. So einer bin ich net, und für ein Gspusi bist du zu schade.«
Ihr Lächeln wurde ein wenig wehmütig. »Sag mir trotzdem Bescheid, wenn du nach Venedig fährst, ja?«, flüsterte sie, bevor sie ihrem Vater die Dorfstraße hinunter folgte.
Korbinian fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wenn er ihr den Wunsch erfüllte, würde ihm der Bauer ganz sicher irgendwann mit einer Mistgabel auflauern ...
»Bei den Madeln hast du einen Stein im Brett«, stellte Alma fest. »Die Väter dagegen ...«
»... die würden mich am liebsten aus dem Tal verbannen.« Korbinian wusste Bescheid. Seine Vergangenheit folgte ihm auf Schritt und Tritt. Seit der Prügelei auf dem Schulhof haftete ihm sein Ruf an wie ein schlechter Geruch.
»Ich hab ein paar Exemplare von deiner Zeitschrift bestellt. Schau!« Alma deutete auf den Drehständer mit Zeitschriften, die vor ihrem Laden ausgestellt waren. »Und ich weise jeden meiner Kunden darauf hin, dass prämierte Fotografien von einem jungen Mann aus unserem Dorf darin sind.«
»Mei, Alma, das musst du net machen.«
»Geh, es wird net jeden Tag ein Fotograf aus unserem Dorf in einer bekannten Naturzeitschrift abgedruckt. Du solltest dein Licht net unter den Scheffel stellen. Was du geschafft hast, ist großartig.« Alma deutete auf die Zeitschrift, in der ein Dutzend Fotografien von ihm abgedruckt waren. Fünfzehn Jahre lang hatte er den Gletscher fotografiert, der eine gute Stunde vom Feldkopf entfernt lag – immer zur selben Jahreszeit und von derselben Position aus. Auf den Bildern wurde eindrucksvoll klar, wie sich das Eis zurückzog und allmählich verschwand. Der Klimawandel war deutlich erkennbar.
Mit diesen Bildern hatte Korbinian einen Preis gewonnen.
Er war Fotograf geworden und dokumentierte die Auswirkungen des Klimawandels, die auch vor dem Zillertal nicht Halt machten. Er folgte seltenen Tieren und bannte die Veränderungen auf seine Bilder. Seine Naturfotografien stießen international auf großes Interesse. Ein Erfolg, den er sich niemals hatte träumen lassen.
Er folgte Alma in den Laden und kaufte ein Hühnchen und allerlei Gemüse. »Heute Abend will ich dem Vater eine Hühnersuppe kochen. Er isst seit einiger Zeit alleweil so schlecht, aber die Suppe mag er.«
»Lieb von dir, darauf zu achten.«
»Wir haben ja nur noch uns.« Korbinian bezahlte seine Einkäufe und verstaute sie in seinem Rucksack.
»Hier, die schenke ich euch.« Alma drückte ihm eine Tüte mit süßem Quarkgebäck in die Hand. »Teilt sie euch.«
»Dank dir schön, Alma. Wir sehen uns.«
»Freilich. Grüß deinen Vater von mir, ja?«
»Das mache ich.« Korbinian nickte ihr zu, verließ den Laden und stockte kurz. Ein Mann stand neben seinem Motorrad und musterte die Maschine abfällig. Es war niemand anderes als Simon. Der magere Junge war zu einem hageren Mann herangewachsen. Seine blonden Haare waren kurz geschnitten und ließen ein kantiges Gesicht frei, das attraktiv gewesen wäre, hätte er die eisblauen Augen nicht so abschätzend zusammengezogen. Seine Nase war ein wenig krumm.
Korbinian presste die Hände zusammen. Die Rauferei mit Simon hatte ihm damals allerhand Schwierigkeiten eingebracht. Niemand hatte ihm geglaubt, dass der schmächtige Simon den ersten Schlag geführt hatte. Eine saftige Strafarbeit hatte ihm sein Lehrer aufgebrummt. Und noch heute hielten ihn viele im Dorf für einen Raufbold. Simon hatte nicht im Traum daran gedacht, zu erzählen, wie es wirklich gewesen war.
»Die reinste Fliegenfalle«, schnaufte Simon. »Ich wette, die Madeln gehen dir auf den Leim wie die Fliegen, wenn du auf dieser Angebermaschine vorfährst. Dass du es so nötig hast, wusste ich net.«
»Lass es gut sein, Simon.« Korbinian hatte schon vor langer Zeit entschieden, Simon zu ignorieren. Das klappte an anderen Tagen recht gut. Diesmal jedoch schien Simon auf Krawall gebürstet zu sein, denn er verstellte Korbinian den Weg.
»Was ist los?«, ätzte er. »Verträgst du die Wahrheit net?«
»Lass mich vorbei, Simon.«
»Und wenn ich das net tue? Brichst du mir wieder die Nase?«
Korbinian sah seinem Gegenüber grimmig in die Augen. »Ich könnte einfach die Wahrheit über dich erzählen.«