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Überraschung! Nach sieben Jahren meldet sich Ben, Annis Jugendfreund, mit einem herzlichen Brief bei ihr zurück. Er hat in den USA studiert und war in New York im Finanzsektor tätig.
Nun ist er wieder in Innsbruck und lädt sie zu sich ein.
Natürlich möchte sie ihn wiedersehen, man hat schließlich damals eine schöne Zeit miteinander gehabt und viel unternommen, alles rein freundschaftlich. Und freundschaftlich soll es auch bleiben, ohne Wenn und Aber. Dafür gibt es einen traurigen Grund ...
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Seitenzahl: 105
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Um der alten Zeiten willen
Vorschau
Impressum
Um der alten Zeiten willen
Eines Tages erhält Anni eine seltsame Einladung von ihrer Jugendliebe
Von Andreas Kufsteiner
Überraschung! Nach sieben Jahren meldet sich Ben, Annis Jugendfreund, mit einem herzlichen Brief bei ihr zurück. Er hat in den USA studiert und war in New York im Finanzsektor tätig.
Nun ist er wieder in Innsbruck und lädt sie zu sich ein.
Natürlich möchte sie ihn wiedersehen, man hat schließlich damals eine schöne Zeit miteinander gehabt und viel unternommen, alles rein freundschaftlich. Und freundschaftlich muss es auch bleiben, ohne Wenn und Aber. Dafür gibt es einen traurigen Grund.
Doch Anni ist machtlos gegen ihre Gefühle. In Ihrer Verzweiflung vertraut sie sich schließlich Dr. Burger an und hofft, dass er ihr helfen kann ...
Auf die halbe Stunde vor dem Abendläuten wollte Anni Kirschner nie verzichten, vor allem nicht im Sommer, wenn die Sonne golden durch die Baumwipfel leuchtete. Der warme Schein tauchte das Tal, den Wald, die grünen Almen und die Berge in ein friedliches, sanftes Licht.
Es war Annis ganz persönliche Zwiesprache mit dem Himmel und der Erde, eine Besinnung auf sich selbst und ein tiefes, wohltuendes Durchatmen nach einem langen Tag.
Warum konnte nicht jeder Mensch auf der Welt sich so eine kleine Auszeit nehmen und auf eine innere Reise gehen?
Vielleicht hätte es einigen geholfen, wieder zu sich selbst zu finden oder an schöne, vielleicht zu schnell vergangene Momente zu denken, die es wert waren, dass man sich an sie erinnerte. Manchmal wussten die Leute gar nicht, wie viele inwendige Kostbarkeiten sie mit sich herumtrugen – echte Seelenschmeichler.
Wenn einem der Alltag kaum Zeit zum Luftholen ließ und nur noch der Blick auf die Uhr und den Kontoauszug wichtig war, kamen die kleinen Freuden und Gefühle viel zu kurz. Aber das hieß ja nicht, dass es sie nicht gab. Die schönen, kleinen Dinge des Lebens brauchten nicht viel, um wieder aufzublühen. Zum Beispiel genügte manchmal ein halbes Stündchen Ruhe und Frieden am frühen Abend, bevor die Glocken der Pfarrkirche den Feierabend einläuteten und die Sonne sich langsam bis zum nächsten Morgen verabschiedete.
Anni saß an ihrem Lieblingsplatz in St. Christoph am Rande der Wiese, die sich hinter dem Grundstück ihrer Eltern bis fast zum Waldrand erstreckte. Ihr kleiner Hund Wichtel war im Gras eingeschlafen.
Wichtel war ein Yorkshire-Terrier, ein richtiger Springinsfeld. Aber wenn sein Frauchen am Nachmittag aus Schwaz zurückkam, die Tasche in den Flur stellte, den Briefkasten leerte und sagte: »Wichtel, jetzt lassen wir die Seele baumeln«, dann wurde Wichtel nach seiner üblichen, begeisterten Willkommens-Begrüßung (durchs Zimmer rasen, wie ein Ball an Frauchen hochhüpfen und sich vor Freude kugeln) ganz still.
Er wusste, dass erst einmal Ruhe angesagt war. Und weil er alles tat, was Frauchen wollte, verschob er sämtliche Spiele auf später. Nur ab und zu überprüfte er mit einem Blick seiner glänzenden, schwarzen Knopfaugen, ob Anni auch ganz bestimmt noch da war, am besten ganz nahe bei ihm.
Herrlich, dieser warme Sommerabend – Anfang Juli, die Luft wie Seide und ein Meer von blauen und weißen Blüten auf der Wiese. Wären sie doch niemals verblüht!
Anni hatte schon als Kind die tiefblauen Berg-Glockenblumen auf ihrer Lieblings-Wiese bewundert, zu denen die schneeweißen Margeriten so wunderbar passten, als habe sie jemand absichtlich an dieser Stelle ausgesät.
Es war wohl ein himmlischer Gärtner gewesen, der einst die Wiese hinter dem Haus der Familie Kirschner in einen Alpengarten verwandelt hatte. Früher hatte die kleine Anni geglaubt, dass sich in jeder Glockenblume, nämlich genau in der blauen »Glocke«, eine winzige Elfe versteckte.
Und wenn es vielleicht wirklich so war? Man würde es sicher nie erfahren, denn Blumenelfen hatten die Angewohnheit, ganz schnell zu verschwinden, ehe man sie entdecken konnte!
Anni betrachtete mit einem unterdrückten Seufzer die Post von heute Morgen. Im Briefkasten hatten mal wieder zu viele Werbeprospekte gesteckt. Manches war interessant, aber was tat man mit Pfannen und Töpfen, wenn im eh schon alles zur Genüge vorhanden war?
Oder mit Fußmatten zum Sonderpreis, die mit Motiven aus der Südsee bedruckt waren? Also wirklich – nein. Dann schon eher die garantiert rutschfesten Sportschuhe, die auch für steinige Wege geeignet waren und nur jetzt so günstig erhältlich waren wie nie zuvor! Sollte man das glauben? Eher nicht.
Ich brauch' jetzt gar nichts, dachte Anni und blinzelte zu den grün-goldenen Baumkronen hinüber.
Die Sonne gab sich an diesem frühen Sommerabend alle Mühe, ein besonders schönes Farbenspiel zu zaubern. Gold und dazu das Grün der Bergahornbäume, ein Meisterwerk der Natur!
Zwischen den faden Werbeprospekten fand sie zu ihrer Überraschung dann doch noch einen Brief.
Ein echter Brief, wirklich und wahrhaftig!
Wer schrieb heutzutage noch Briefe? Fast niemand mehr. Man telefonierte, schickte E-Mails und alle möglichen digitalen Botschaften. Das Briefpapier wurde eingemottet. Allenfalls die eine oder andere Glückwunschkarte oder Weihnachtsgrüße flatterten noch ins Haus. Oder auch – und das war dann leider ein sehr trauriger Anlass – jene betrüblichen Umschläge mit dem schwarzen Rand.
Aber dieser Brief, den Anni sehr erstaunt betrachtete, steckte in einem ganz normalen, weißen Umschlag, die Adresse war von Hand geschrieben. Nichts Gedrucktes und daher fast eine Seltenheit! Etwas Persönliches also, so sah es jedenfalls aus. Allerdings fehlte der Absender.
Irgendwie kam Anni die Schrift bekannt vor. Sehr energische und deutliche Buchstaben, kein Gekritzel. Aber wirklich erinnern konnte sie sich nicht. Also: Umschlag öffnen und den perfekt gefalteten Brief herausnehmen ...
***
Das war ja nicht zu fassen! Völlig überrascht las sie:
»Hallo, Bergfee! Ja, ich bin es wirklich, dein Freund Ben von einst. Obwohl das Wort ›einst‹ ein bisschen übertrieben klingt. So, als hätten wir uns im Mittelalter getroffen oder noch eher. Vielleicht wäre ich dann ein Ritter gewesen und du ein Burgfräulein oder sogar eine Königstochter. Prinzessin Anna-Maria, die Edle und Schöne aus dem Reich der mächtigen Berge!
Wir haben uns sieben Jahre lang nicht gesehen.
Gemessen an der Ewigkeit, ist das nur eine Sekunde! Aber Spaß beiseite. Ich weiß, dass ich ziemlich schnell verschwunden bin. Ich hatte die Gelegenheit, eine Ausbildung zum Finanzberater in New York zu machen. Du weißt, wie toll ich den Gedanken fand, an der Wall Street alles zu lernen, was ein künftiger Finanz-Manager wissen muss. Ich hab's geschafft und bekam sogar ein Stipendium. Es war nicht leicht, ich habe mir keinen Durchhänger erlauben dürfen. Sonst hätte man mich wieder weggeschickt.
Zweifellos hätte ich auch in New York bleiben können. Aber ich wollte unbedingt zurück nach Österreich. Nach Hause! Vielleicht bin ich, wie du mal gesagt hast, ein richtiger Banker, der immer einen Blick auf Aktienkurse, Gewinn und Verlust hat.
Aber auf der anderen Seite brauche ich meine Tiroler Heimat und die Berge, das habe ich jeden Tag drüben in den USA immer wieder gespürt. Es war eine faszinierende Zeit, das gebe ich zu. Aber ich sehnte mich zurück. Der Ort, an dem man das Licht der Welt erblickt hat, ist durch nichts zu ersetzen. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung. Vielleicht denken viele Menschen anders darüber, sie kehren ihrer Heimat für immer den Rücken. Eigentlich ist das schade, obwohl man es vielleicht auch verstehen muss. Aber jeder muss das tun, was er für richtig hält.
Jetzt wohne ich seit ein paar Wochen wieder in Innsbruck und habe vor, mich selbständig zu machen. Meine Wohnung liegt zwar zentral, aber trotzdem ruhig. Sehr geräumig, viel Licht, Dachterrasse, ganz so, wie ich es mir auch vorgestellt hatte. Anni, ich möchte dich einladen, mich bald mal zu besuchen. Sehr bald – hast du Zeit für mich?
Sag mal, Anni, denkst du noch manchmal an früher? Wir hatten viel Spaß, du warst erst sechzehn, als ich dich zusammen mit deinen Freunden Geli und Stefan beim Skifahren am Feldkopf getroffen habe. Ich konnte mich kaum auf den Brettln halten, sportlich war ich eine Null, bis ihr mich in die Mangel genommen habt. Wir haben viel gelacht! Was machen Geli und Stefan jetzt? Und vor allen Dingen, wie geht es dir?
Es tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Nimm es mir bitte nicht übel – um der alten Zeiten willen.
Ich hatte in New York jeden Tag etwas anderes vor, meistens beruflich. Privat lief nicht viel. Ich erzähle dir gern mehr, wenn wir uns bald treffen.
Als ich aus Tirol fortgegangen bin, warst du achtzehn und hattest dein Abitur in der Tasche. Ich war dreiundzwanzig und wollte Karriere machen. Haben wir uns verändert? Wahrscheinlich. Man lernt dazu, dieses und jenes. Es gibt helle und dunkle Tage, das ist so im Leben.
Du wolltest einen Beruf ergreifen, der mit Mode und Design zu tun hat. Das passt auch zu dir. Du warst immer so hübsch und fesch, immer hast du genau gewusst, worauf es ankam. Wetten, dass es immer noch so ist?
Anni, ich hoffe, du wohnst noch in St. Christoph und bekommst diesen Brief. Ich wollte dir unbedingt schreiben, so wie früher, als wir uns ab und zu kleine Brieferl zugesteckt haben. Alles ganz harmlos, es ging um Termine und um gemeinsame Treffen mit Geli und Stefan. Du hast immer irgendwelche Figürchen dazu gemalt. Modepüppchen, hab ich sie genannt.
Meine Anschrift und alles Weitere findest du umseitig. Ruf einfach an, wenn du Interesse daran hast, mich wiederzusehen. Ich würde mich wirklich sehr freuen.
In alter Freundschaft, Ben.«
Anni holte tief Luft. Alles hätte sie sich vorstellen können, aber nicht, dass Ben Gerster sich jemals wieder melden würde!
Hatte er nicht ganz entschieden verkündet, dass er in den USA bleiben würde? Hinaus in die große weite Welt, das war sein Motto gewesen.
Österreich war ihm zu »klein« geworden. Eine schöne Landschaft und tolle Menschen, aber eben ein bisserl zu »heimelig« und zu »gemütlich«. Und nun war es genau das, was ihn wieder heimwärts getrieben hatte.
Manchmal kam die Einsicht spät, aber Hauptsache, sie kam doch noch – und war überzeugend.
Natürlich hatte sich Anni geärgert, dass Ben vor sieben Jahren nach einem sehr kurzen Abschied verschwunden war. Sie hatte auch Tränen vergossen, klar. In erster Linie waren sie natürlich Freunde gewesen, aber sie hatte manchmal überlegt, ob sie sich nicht doch noch in ihn verlieben würde ... früher oder später.
Geli, ihre Freundin, die inzwischen nach Jenbach umgezogen und seit einem Jahr mit ihrer Jugendliebe Stefan verheiratet war, hatte sie sogar ermuntert, Ben »festzuhalten«.
Das wäre Anni aber niemals in den Sinn gekommen. Wer gehen wollte, den durfte man nicht aufhalten. Das war auch heute noch ihre Überzeugung, genau wie damals.
Sollte sie etwa nachtragend sein und sich stur stellen, also nicht auf Bens Einladung reagieren und ihm nur kurz mitteilen, dass sie kein Interesse mehr an den »alten Zeiten« hatte?
Nein, das kam nicht infrage! Im Gegenteil, sie freute sich von Minute zu Minute mehr über den Brief und verzieh ihm großmütig, dass er so lange sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden war. Wahrscheinlich hatte er nur an seine Karriere gedacht und sich außerdem dem amerikanischen »way of life« angepasst.
Ehrgeizig war er immer gewesen, aber auch ein bisschen nachlässig, was Termine und Versprechungen anbelangte. Trotzdem hatten sie miteinander damals eine richtig schöne Zeit gehabt, ganz unbeschwert und kurzweilig. Das hatten auch Geli und Stefan immer wieder betont, die damals nur freundschaftlich miteinander umgegangen waren und erst viel später entdeckt hatten, dass sie ja eigentlich in jeder Hinsicht wunderbar zueinander passten.
»Gut, Kleiner«, sagte Anni zu Wichtel, der jetzt langsam ungeduldig wurde und auf seine Spielstunde wartete, »dann werde ich Ben in den nächsten Tagen anrufen. Du weißt net, wer Ben ist? Klar, wie solltest du auch! Bestimmt kommt er auch mal wieder zu uns nach St. Christoph, dann lernst du ihn kennen. Und jetzt gehen wir heim und schauen, was noch alles anliegt. Natürlich spielen wir auch – versprochen! Also, hopp, auf die Beine!«
Das ließ sich Wichtel nicht zweimal sagen. Er flitzte so schnell voraus, dass Anni ihn gar nicht mehr einholen konnte. Es war ja eh nicht weit – nur ein Stück über die Wiese und dann immer der Nase nach!
***
Anni wohnte neben ihrem Elternhaus im Zuhäusl, das sie sich nach ihren eigenen Wünschen eingerichtet hatte. Drei kleine Stuben, eine Küche, ein Gärtchen mit Veranda und einer Geißblatt-Laube, gemütlicher ging es gar nicht!
Man hätte noch anbauen können, das Grundstück war groß genug. Anni liebäugelte eh mit dem Gedanken, ein Schneider-Atelier einzurichten, um sich selbständig zu machen. Sie war im bekannten Modehaus Mayerl in Schwaz angestellt, seitdem sie ihre Ausbildung zur Mode-Designerin abgeschlossen hatte. Dazu gehörte natürlich auch das »Handwerk« als Schneidermeisterin, denn wer Mode entwarf, musste auch nähen können.
Mit ihrer perfekten Ausbildung war Anni für die Geschäftsinhaber Mayerl so etwas wie ein Hauptgewinn. Von Trachtenmode und stilsicherer Tageskleidung bis hin zu festlicher Garderobe fanden auch anspruchsvolle Kundinnen alles, was das Herz begehrte.