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Luisa ist erschüttert, als Adrian Wagenbauer, in dessen Futtermittelhandlung sie arbeitet, ihr mitteilt, dass er schwer krank ist: Lymphdrüsenkrebs. Weil er vermutlich nicht mehr lange zu leben hat, möchte er nun alles regeln, damit seine mutterlosen Kinder nach seinem Tod ihr Zuhause nicht verlieren. Luisa soll seine Frau werden, ihr möchte er die Zukunft von Simon und Leni anvertrauen und auch sein Geschäft.
Auch wenn sie Adrian nicht liebt, so schätzt sie ihn sehr und willigt nach kurzem Zögern in die Ehe ein. Dass ihre Entscheidung gut und richtig war, zeigt sich in den nächsten Wochen. Die Kinder blühen regelrecht auf, und Adrian versichert ihr täglich seine tiefe Dankbarkeit. Zudem schlägt Dr. Burgers Behandlung gut an.
Schon haben alle Hoffnung, dass vielleicht doch alles gut werden könnte, als überraschend Luisas Jugendliebe auftaucht und ihr ausmalt, wie sorglos, unbeschwert und aufregend ihr Leben an seiner Seite aussehen würde ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Fast auf der Zielgeraden
Vorschau
Impressum
Fast auf der Zielgeraden
Doch dann strauchelt Luisa erneut
Von Andreas Kufsteiner
Luisa ist erschüttert, als Adrian Wagenbauer, in dessen Futtermittelhandlung sie arbeitet, ihr mitteilt, dass er schwer krank ist: Lymphdrüsenkrebs. Weil er vermutlich nicht mehr lange zu leben hat, möchte er nun alles regeln, damit seine mutterlosen Kinder nach seinem Tod ihr Zuhause nicht verlieren. Luisa soll seine Frau werden, ihr möchte er die Zukunft von Simon und Leni anvertrauen – und sein Geschäft.
Auch wenn sie Adrian nicht liebt, so schätzt sie ihn sehr und willigt nach kurzem Zögern in die Ehe ein. Dass ihre Entscheidung gut und richtig war, zeigt sich in den nächsten Wochen. Die Kinder blühen regelrecht auf, und Adrian versichert ihr täglich seine tiefe Dankbarkeit. Zudem schlägt Dr. Burgers Behandlung gut an.
Schon haben alle Hoffnung, dass vielleicht doch alles gut werden könnte, als überraschend Luisas Jugendliebe auftaucht und ihr ausmalt, wie sorglos, unbeschwert und aufregend ihr Leben an seiner Seite aussehen würde ...
»Kommt ihr am Samstag in den ›Ochsen‹? Die Hexensteiner spielen auf.«
Der Jungbauer Dominik Stelzer lächelte die beiden Frauen gewinnend an, die auf einer Bank vor der Dorfkirche von St. Christoph, dem beschaulichen Zillertaler Bergdorf, saßen und gegensätzlicher nicht sein konnten.
Die zweiundzwanzigjährige Loretta, eine Halbitalienerin mit dunklem Lockenschopf und Glutaugen, sprühte vor Temperament, während die gleichaltrige Luisa mit ihren seidigen, blonden Haaren und den sanften Rehaugen eher zurückhaltend war. Auch körperlich waren die Freundinnen grundverschieden. Loretta war groß und kurvenreich, Luisa hingegen zierlich, mit reizvollen Formen, die zu ihrer schlanken Figur passten.
Nick bevorzugte jedoch Loretta, wie sein begehrlicher Blick zeigte, mit dem er die junge Frau musterte. Für die Blonde hatte er nur ein flüchtiges Lächeln übrig.
Luisa Loderer seufzte wehmütig. Sie war hoffnungslos in den feschen, zwei Jahre älteren Jugendfreund verliebt, dessen verwegenes Lächeln das Herz aller heiratsfähigen Madeln in St. Christoph höherschlagen ließ. Trotzdem hielt sie ihre Gefühle eisern unter Verschluss. Der Nachbarsohn – die elterlichen Höfe am Rautenstein waren nur einen Steinwurf voneinander entfernt –, durfte nicht wissen, wie es um sie stand. Er würde sich nur über sie lustig machen. Für ihn war sie noch immer die pausbäckige Spielkameradin von einst, die ansehnliche, junge Frau, zu der sie sich gemausert hatte, nahm er nicht wahr.
Egal, gegen die rassige Loretta hätte sie ohnehin keine Chance.
Abermals entrang sich ein Seufzer ihrer Brust, worauf die Freundin verwirrt die Stirn runzelte. Auch Loretta hatte keine Ahnung von Luisas heimlichem Faible für den Jungbauern, glaubte, er wäre für sie nichts weiter als der gute Freund aus Kindertagen.
»Das Repertoire der Hexensteiner ist doch inzwischen ziemlich abgedroschen«, flüchtete sie sich in eine Ausrede, bevor Loretta nachfassen konnte. »Ich amüsiere mich lieber im Club Flamingo in Mayrhofen. Da geht die Post ab.«
Scheinbar gelangweilt blickte sie zu der urigen Dorfwirtschaft »Zum Ochsen« neben der Kirche, wo man sich samstags gern zum geselligen Beisammensein traf. Oft spielten die Hexensteiner, eine Gruppe von vier jungen Bauernburschen, im großen Saal zum Tanz auf. Ihre fetzige Musik war bei Jung und Alt beliebt, und eigentlich war Luisa ein Fan der Band. Aber es ärgerte sie, dass Nick ihrer Freundin so deutliche Avancen machte, während er sie ignorierte.
»Gute Idee, gehen wir in den Club«, pflichtete Loretta bei und bedachte Nick mit schadenfrohem Grinsen. Eigentlich gefiel er ihr, und wie sehr er sie begehrte, war nicht zu übersehen. Aber er war auch ein unverbesserlicher Schürzenjäger und ließ nichts anbrennen, wie seine Spezln spotteten. Stolz reckte sie den Kopf, sie würde keine weitere Trophäe in seiner Sammlung sein.
»Amüsieren wir uns halt im noblen Flamingo«, schloss sich Nick spontan an. Er hakte die Daumen in seine sündhaft teure Hose aus weichem Elchleder, die seine kernige Statur noch mehr zur Geltung brachte, und lächelte siegesgewiss.
So leicht ließ er sich nicht abschütteln. Wenn er ein Auge auf ein Madel geworfen hatte, dann blieb er am Ball. Kaum eine, die dem Erben vom Stelzerhof einen Korb gab. Auch die spröde Loretta würde seinem Charme erliegen, wenn er nur hartnäckig genug war. Eigentlich konnte er jede haben, und er war auch nicht wählerisch, liebte es auf die Pirsch zu gehen. Mit einer festen Bindung hatte er wenig am Hut.
Dumm nur, dass sein Vater ihm nun die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Er wollte ihm den Hof erst überschreiben, wenn er eine Braut heimbrachte. Damit nicht genug, war auch noch die Nachbarstochter Luisa die Favoritin seines alten Herrn. Doch für die Jugendfreundin konnte er sich nicht erwärmen, wenn er sie sonst auch mochte, aber eben mehr wie eine kleine Schwester. Da war die sexy Loretta die bessere Wahl.
Mit der temperamentvollen Halbitalienerin könnte er sich eine längere Beziehung vorstellen, die den Vater vielleicht milde stimmen würde, sodass er aufhörte, ihn in die Ehe zu drängen.
Noch wollte Nick seine Freiheit nicht den Pflichten als Hoferbe opfern. Aber er durfte auch nicht länger das Nörgeln des alten Bauern ignorieren. Sonst kam dieser noch auf die Idee, den Besitz dem fünf Jahre älteren Stiefbruder zu vermachen, den die Mutter mit in die Ehe gebracht hatte. Als leiblicher Sohn stand Nick zwar höher im Kurs, doch das konnte sich schnell ändern, wenn er seinen unsoliden Lebenswandel nicht einschränkte.
Er setzte einen treuherzigen Blick auf. »Alle Kosten gehen auf mich.«
Der exklusive Club war für sein feudales Ambiente bekannt, aber auch entsprechend teuer. Nick vermutete, dass sich die Freundinnen das Vergnügen nur selten leisten konnten.
Loretta arbeitete als Kellnerin im Berghotel »Am Sonnenhang«, Luisa war in der Verwaltung des Futtermittelhandels Wagenbauer in Mayrhofen tätig. Da verdiente man kein Vermögen. Zudem war Luisas Anteil am elterlichen Hof, den ihr zwölf Jahre älterer Bruder Bruno mit seiner Frau bewirtschaftete, bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag eingefroren. Die Eltern waren vor knapp zehn Jahren bei einem Murenabgang ums Leben gekommen.
Doch die beiden Frauen ließen sich nicht so leicht fangen, sie wollten keinem Burschen verpflichtet sein.
»Wir bezahlen selbst«, beharrte Luisa stolz.
Die schroffe Abfuhr trübte Nicks Miene und erbarmte Loretta.
»Du kannst uns trotzdem begleiten«, bot sie an. »Der Türsteher reagiert auf alleinstehende Madeln immer ein wenig komisch. Er fürchtet wohl, wir würden Unfrieden zwischen die Pärchen stiften, die vorzugsweise den Club besuchen. Dabei wollen wir uns nur amüsieren, unsere Cocktails genießen und zu der flotten Musik des DJs tanzen.«
»So hübsch wie ihr seid, kann ich dem Türsteher nur zustimmen«, fühlte sich Nick nun zu einem Kompliment genötigt. »Da könnte so mancher verbandelte Bursche schon eine Beziehungskrise riskieren.« Er neigte mit gezierter Handbewegung den Kopf. »Es ist mir ein Vergnügen, euer Freipass zu sein.« Er richtete sich wieder auf und legte fest: »Also abgemacht, Samstagabend um acht Uhr hier am Platz. Ich hol' euch mit dem Wagen ab.« Er linste zu Loretta. »Deine Adresse verrätst du mir ja net, oder?«
»Treffpunkt an der Bank«, umging diese Nicks Versuch, ihr die Adresse zu entlocken, die nur wenige Vertrauenspersonen kannten.
Sie war erst seit einem halben Jahr wieder in St. Christoph, hatte zuvor einige Jahre in Italien bei ihrem Vater gelebt. Ihre Mutter war überraschend gestorben, und in Ermangelung anderer Verwandtschaft hatte ihr als Minderjährige das Heim gedroht oder eine Unterbringung bei einer Pflegefamilie. Deshalb hatte sie sich kurzerhand bei ihrem Vater einquartiert, der bis dahin nichts vom Resultat seines Urlaubsflirts mit ihrer Mutter gewusst hatte. Nach anfänglichen Differenzen, die hauptsächlich seiner nervigen Familie anzulasten waren, hatten sie sich gut verstanden.
Doch dann hatte es Loretta vor Heimweh nicht mehr ausgehalten, und als Luisa ihr bei einem Telefonat mitgeteilt hatte, dass man im Berghotel eine Servicekraft suchte, hatte sie sich kurzerhand beworben.
Mit Hedi Kastler, der Chefin des Hotels, war sie sich schnell einig geworden, hatte aber deren Angebot abgelehnt, ein Zimmer im Personaltrakt zu bewohnen. Stattdessen hatte sie lieber ein Quartier bei einer Witwe im Dorf bezogen, die ihr strikte Verschwiegenheit zugesichert hatte. Noch einmal wollte Loretta nämlich keinen anhänglichen Verehrer vor der Tür stehen haben, wie es ihr in Florenz beim Haus ihres Vaters passiert war.
Nick schmunzelte. »Sag der Josefa liebe Grüße von mir, wenn du sie siehst«, raunte er. Er tippte grinsend an seinen imaginären Hut und schlenderte davon, während Loretta vor Zorn über den Verrat ihrer Zimmerwirtin kochte.
»Mach dir nix draus«, versuchte Luisa die aufgebrachte Freundin zu beschwichtigen. »Josefa ist mit Nicks Vater befreundet, da war es nur eine Frage der Zeit, bis sie aus dem Nähkästchen plaudert.«
»Ich will aber net, dass Nick vor meiner Tür lauert«, maulte Loretta. Die Klette im Haus ihrer Verwandten hatte sie nur mit Mühe abschütteln können, zumal ihr Vater der Meinung gewesen war, es wäre an der Zeit, dass sie unter die Haube kam.
Luisa lachte abfällig. »Da musst du dich net sorgen. Nick wirbt net um seine Angebetete, er wartet, bis sie ihm zu Füßen sinkt.«
»Da kann er aber lang warten«, grollte Loretta und warf stolz den Kopf zurück. »Loretta Maierling ist noch nie vor einem Mann auf die Knie gefallen, und das wird auch net geschehen.« Sprach's und stapfte davon.
Luisa stöhnte innerlich. Sie wäre glücklich, wenn Nick an ihre Tür klopfen und ihr seine Liebe gestehen würde. Doch das würde vermutlich niemals geschehen, damit musste sie sich abfinden.
***
Die Turmuhr der Dorfkirche verkündete mit ihrem fünfmaligen Glockenschlag die späte Nachmittagsstunde und erinnerte Luisa daran, dass sie sich langsam auf den Heimweg machen sollte.
Freitags arbeitete sie nur bis fünfzehn Uhr im Futtermittelhandel und half danach ihrem Bruder bei der Hofarbeit. Aber heute hatte sie im Vorbeifahren Loretta auf der Bank bei der Kirche sitzen gesehen, wo diese den sonnigen Frühlingstag genoss, der dem Wonnemonat Mai alle Ehre machte. Sie hatten sich gerade angeregt unterhalten, als Nick aufkreuzte und das Gespräch an sich riss.
Luisa hatte sich gefreut, ihre heimliche Liebe zu sehen, allerdings nur, bis Nick sie wie ein unliebsames Anhängsel ihrer Freundin behandelte.
Sie seufzte unglücklich. Dann stand sie auf und begab sich zu ihrem Wagen, der nicht weit entfernt parkte. Beim Anblick des klapprigen Gefährts, das schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, blies sie resigniert die Luft aus. Höchste Zeit, dass sie sich von ihrem Schnauferl trennte, das im wahrsten Sinne des Wortes nur noch mühsam den steilen Schotterweg zum Lodererhof hochschnaufte. Aber sie hing nun mal an dem kleinen Wagen, den sie von ihrem ersten selbst verdienten Geld gekauft hatte.
Bis dahin hatten die Eltern und der große Bruder »das Küken«, wie Bruno sie noch immer scherzhaft nannte, maßlos verwöhnt. Aber jetzt stand sie auf eigenen Füßen und traf selbst ihre Entscheidungen, wenn es auch nicht immer einfach war. Manchmal wäre sie gern noch das verträumte Kind, das sorglos durch seine geliebte Bergheimat streifte, mit sich und der Welt im Reinen, bis der Berg die Eltern holte.
Verstohlen wischte sich Luisa über ihre feuchten Augen, der Verlust ihrer Lieben tat noch immer weh. Ihr Blick streifte den Dorffriedhof neben der Kirche, der mit dem leise im Wind rauschenden Bergahorn am Eingang so viel Ruhe ausstrahlte.
Die Eltern waren an diesem idyllischen Fleckchen Erde zur letzten Ruhe gebettet worden, wofür Luisa dankbar war. Nicht alle Opfer eines Murenabgangs wurden gefunden, und der Gedanke ihre herzliche Mutter und der gutmütige Vater würden noch immer in der zerstörten Scheune unter dem Geröllhaufen neben ihrem Hof begraben sein, ließ sie frösteln.
Zum Glück hatte Bruno nicht geruht, bis die Bergwacht die Verschütteten geborgen hatte. Heute wuchsen an der Unglückstelle die schönsten Blumen weit und breit, als wäre es ein Gruß der Verstorbenen, was dem Hügel seinen Schrecken nahm.
Luisa hauchte einen Handkuss in Richtung Friedhof, dann setzte sie sich in den Wagen und knatterte los. Langsam fuhr sie die Hauptstraße entlang und an der Kirchgasse vorbei, an deren Ecke sich der Gemischtwarenladen der Jeggl-Alma befand, die einzige Einkaufsmöglichkeit im Ort.
Ein Stück die Gasse hinein hatte das Haus von Dr. Martin Burger, dem Landarzt von St. Christoph, seinen Platz. Im großzügigen Anbau befanden sich Praxis und »Mini-Klinik«, wie die modern ausgestattete, medizinische Einrichtung im Volksmund hieß. Der Bergdoktor war neben dem Allgemeinmediziner auch ein erfahrener Chirurg und wegen seiner Kompetenz und einfühlsamen Art allseits beliebt. Zu ihm kamen die Patienten vom weiten Umkreis.
Luisa trat auf die Bremse, setzte ein Stück zurück und verengte die Augen, um das Nummernschild des großen Van lesen zu können, der vor der Arztpraxis parkte. Kein Zweifel, es war der Wagen ihres Chefs Adrian Wagenbauer.
Argwöhnisch runzelte sie die Stirn. Warum suchte Adrian den Bergdoktor auf und nicht seinen langjährigen Hausarzt in Mayrhofen? Vertraute er dem alten Kramer mit seiner Schulmedizin nicht mehr? In letzter Zeit machte der sonst so umtriebige Futtermittelhändler, dessen kräftige Erscheinung an einen Bären erinnerte, einen erschöpften Eindruck.
Luisas Herz zog sich zusammen. Sie mochte den freundlichen Witwer sehr. Auch betreute sie gern seine mutterlosen Kinder, die inzwischen zweijährige Leni und den vier Jahre alten Simon, wenn die Großmutter verhindert war. Gäbe es nicht Nick, für den ihr Herz schlug, würde sie sich vielleicht in ihren Chef verlieben. Der Zweiunddreißigjährige war zwar nicht auffällig attraktiv, hatte aber eine herzliche Ausstrahlung, die jeden in den Bann zog.
Sie lachte leise. Was hatte sie nur für törichte Gedanken! Adrian machte ihr nicht die geringsten Avancen, und dass sie ihn beim Vornamen nennen und duzen durfte, besagte auch nichts. Das tat die gesamte Belegschaft.
Abermals befiel Luisa eine nervöse Unruhe. Hoffentlich bedeutete Adrians Besuch beim Bergdoktor nichts Schlimmes! Dann schüttelte sie unwillig den Kopf. Warum reagierte sie immer gleich über? Die Männer kannten sich privat und spielten gelegentlich zusammen Tennis auf dem hauseigenen Tennisplatz von Baron Markus von Brauneck, der mit seiner Familie in dem gelben Barockschlössl am Ortsrand von St. Christoph wohnte. Offenbar hatte Adrian das Haflingergestüt des Barons, das sich nahe dem Schlössl befand, mit Futter beliefert und danach dem Arzt einen Besuch abgestattet.
Ein Blick auf die Armbanduhr mahnte Luisa zur Eile. Was trödelte sie so herum! Der Bruder brauchte sie auf dem Hof. Seine Frau Anni bekam ihr drittes Kind und litt diesmal verstärkt unter Schwangerschaftsbeschwerden. Dr. Burger hatte ihr dringend geraten, sich zu schonen.
Luisa machte es nichts aus, Bruno zur Hand zu gehen. Sie hatte immer gern auf dem Hof mitgearbeitet, liebte das bäuerliche Leben. Wahrscheinlich war sie deshalb so in Nick verschossen. Er gefiel ihr nicht nur, er würde auch eines Tages den Hof seines Vaters übernehmen. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als mit dem geliebten Mann einen Berghof zu bewirtschaften und ihre Kinder im Einklang mit der Natur aufwachsen zu sehen, wie sie es selbst erlebt hatte.
Luisa seufzte. Sie verstand sich gut mit Bruder und Schwägerin. Trotzdem waren ihre Tage auf dem elterlichen Anwesen gezählt. Wenn erst das Baby da war, ein Mädchen, wie sie bereits wussten, würde es in dem kleinen Bauernhaus eng werden.
Bruno und Anni brauchten das Giebelzimmer, das Luisa bewohnte, um es zu ihrem Schlafzimmer umzugestalten. In ihrer kleinen Kammer war kein Platz für eine Babywiege, und zu den beiden wilden Buben, dem sechsjährigen Kilian und dem vierjährigen Rufus, die sich ein Zimmer teilten, konnten sie das Schwesterchen nicht einquartieren.
Bruno würde Luisa niemals auffordern, ihr verbrieftes Wohnrecht aufzugeben und sich nach einer anderen Bleibe umzusehen. Aber sie merkte selbst, dass es an der Zeit war, auf eigenen Füßen zu stehen.
Bruno war der Hoferbe und hatte ein Recht auf seinen Besitz. Sie war der Hemmschuh, der die junge Familie an ihrer persönlichen Entfaltung hinderte. Weder Bruno noch Anni beklagten sich, aber Luisa spürte, wie sehr sich das Ehepaar nach einem trauten Heim allein mit den Kindern sehnte.
Der durchdringende Klang einer Autohupe ließ Luisa erschrocken zusammenzucken. Mein Gott, was tat sie hier! Ihr Fahrzeug stand mitten auf der Straße, und sie sinnierte vor sich hin. Gerade, dass ihr der Hintermann keinen Vogel zeigte.
Hastig legte sie den Gang ein und steuerte nun zielstrebig die Abzweigung am Rautenstein an, wo es zum Lodererhof ging.
***
Adrian Wagenbauer fröstelte. Was ihm der Bergdoktor eröffnet hatte, zog ihm den Boden unter den Füßen fort. Ungläubig starrte er den Arzt an.
»Sie müssen sich irren, Martin«, begehrte er gegen dessen Diagnose auf. »Mir geht es gut, bin nur ein wenig erschöpft. In letzter Zeit war viel zu tun und ...«