Der Bergdoktor 2191 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2191 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Die jungen Knechte am Aignerhof sind in Julia verliebt, der feschen Tochter des Bauern. Auch Jonas. Er ist allerdings ein Außenseiter und bekommt regelmäßig den Spott seiner Kameraden zu spüren. Er sei halt etwas deppert, machen sie sich über ihn lustig.
Nur eine hält wirklich zu ihm: Kathi, die jüngere Schwester von Julia. Doch was steckt hinter Jonas’ eigenartigen Symptomen? Er hat öfter Kopfweh, fällt auch schon mal in Ohnmacht und stöhnt im Schlaf. Jonas spricht nicht über die bedrohlichen Bilder, die ihn heimsuchen und quälen.
Findet der Bergdoktor heraus, was dem jungen Knecht wirklich fehlt?


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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Gestern noch ein Außenseiter

Vorschau

Impressum

Gestern noch ein Außenseiter

Der Bergdoktor bringt die überraschende Wahrheit ans Licht

Von Andreas Kufsteiner

Alle jungen Knechte am Aignerhof sind in Julia verliebt, der feschen Tochter des Bauern. Auch Jonas. Er ist allerdings ein Außenseiter und bekommt regelmäßig den Spott seiner Kameraden zu spüren. Er sei halt etwas deppert, machen sie sich über ihn lustig.

Nur eine hält wirklich zu ihm: Kathi, die jüngere Schwester von Julia. Doch was steckt hinter Jonas' eigenartigen Symptomen? Er hat öfter Kopfweh, fällt auch schon mal in Ohnmacht und stöhnt im Schlaf. Jonas spricht nicht über die bedrohlichen Bilder, die ihn regelmäßig heimsuchen und quälen.

Findet der Bergdoktor heraus, was dem jungen Knecht wirklich fehlt?

Dr. med. Martin Burger betrat die Wohnstube des Doktorhauses in der Kirchgasse von St. Christoph und blieb stehen. Seine Frau saß auf dem Sofa, einen Karton auf den Knien. Um sie herum waren zerknülltes Papier und anderes Füllmaterial verstreut. Sie hielt etwas in der Hand und betrachtete es nachdenklich.

Neugierig kam der Bergdoktor näher und lehnte sich über Sabines Schulter.

»Was hast du da, Schatzerl?«

Sie zeigte ihm ohne ein Wort eine etwa handgroße Bronzebüste. Es war das Abbild einer jungen Frau. Eine Bluse mit einem reichlich tiefen und noch dazu verrutschten Ausschnitt bedeckte bloß einen Teil ihrer Brüste. Auf dem Kopf trug sie eine Mütze mit seitlichen Bändern und einem langen, runden Zipfel, der nach vorne fiel. Darunter wallte eine Lockenpracht hervor.

»Ein Geschenk von unserem Herrn Baron im Schlössl«, erklärte Sabine ihrem Mann belustigt. »Du weißt ja, er und die Christine machen gerade Urlaub in Frankreich.«

»Um die Lavendelfelder in der Provence zu besuchen«, erinnerte sich Martin. »Und natürlich Paris, die Stadt der Liebe.« Er und Sabine lächelten einander an. »Und da hat er dir eine französische Schönheit als Souvenir geschickt?«

Im Stillen ergänzte er: Man muss dankbar sein, dass der Markus in letzter Zeit nur noch den bronzenen Madeln nachschaut und seiner Christine keinen Kummer mehr bereitet.

»Ich glaube, er hat dabei eher an dich gedacht«, erwiderte Sabine schelmisch. »Das Packerl war an uns beide adressiert. Er schreibt, das hier wär' eine Antiquität aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Eine Büste von la Marianne, der Symbolfigur der Französischen Republik.«

»Und was tun wir mit dem Mariandl?« Der Bergdoktor schaute sich um. Die gewagte Französin passte nicht so recht zum bäuerlichen Stil der gemütlichen Wohnstube. Er wollte sich vor allem auch gar nicht ausmalen, wie die Bachhuber-Zenzi dreinschauen würde, wenn sie das halbnackte Madel abstauben müsste.

»Ich hab mir gedacht, wir stellen sie in dein Sprechzimmer«, schlug Sabine vor. »Als Briefbeschwerer. Oder als Buchstütze auf dem Regal mit den anatomischen Fachbüchern. Dann haben deine Patienten gleich was zum Anschauen, während du ihre Diagnosen in den Computer tippst.«

Dr. Burger nahm ihr die Büste ab und wog sie in der Hand.

»Ein festes Madel ist sie ja. Als Briefbeschwerer sollte sie schon taugen.« Er zwinkerte seiner Frau zu. »Glaubst du, die Bärbel würde ihr einen weißen Arztkittel nähen, wenn ich sie darum bitte?«

Ein helles Lachen entkam Sabine. Poldi, der Rauhaardackel der Familie, hob unter dem Sofa den Kopf und bellte, als fände auch er den Scherz lustig.

Gleich darauf hörte man in der Diele Schritte. Dem Gang nach war es die Bachhuber-Zenzi. Martin Burger und seine Frau tauschten rasche Blicke. Der Bergdoktor legte die Büste zurück in den Karton. Sabine häufte das Füllmaterial darauf und strich darüber etwas Seidenpapier glatt.

Schon kam die Hauserin herein. Poldi sprang auf und lief schwanzwedelnd auf sie zu.

»Du brauchst mich gar net so hoffnungsvoll anzuschauen, du Schlawiner«, grummelte die Zenzi. »Als ob du mir net grad vorhin in der Kuchl eine Knackwurst stibitzt hättest!« Sie musterte den Dackel streng, bis er sich wieder hinlegte, und nickte zufrieden.

Anschließend öffnete sie die Terrassentür und verschwand nach draußen. Es dauerte nicht lange, bis sie mit einem Büschel Küchenkräuter in der Hand zurückkehrte.

Ihr Blick schweifte zum Sofa. »Du, Martin, was hast du denn da?«

Martin Burger kam sich unter ihrer Musterung vor wie ein Schulbub. Energisch widerstand er dem Drang, die Schachtel hinter seinem Rücken zu verstecken.

»Ein Souvenir vom Herrn Baron«, erklärte Sabine mit einer wahren Unschuldsmiene. »Aus Paris.«

Zenzi betrachtete das Paket. »Ja, sind's denn gar ein paar von diesen sündhaft guten Macarons?« Sie schaute mit einem Mal ähnlich hoffnungsvoll drein wie zuvor der Dackel.

Sabine knabberte auf ihrer Lippe, als hätte sie Mühe, nicht loszuprusten.

»Leider net«, erwiderte der Bergdoktor bedauernd. Heimlich nahm er sich vor, Christine noch heute zu schreiben und sie zu fragen, ob sie vor dem Rückflug eine kleine Besorgung für ihn machen würde. Schließlich hatte die Zenzi bald Geburtstag.

Die Hauserin wandte sich enttäuscht ab. Poldi sprang erneut auf und strich um ihre Beine.

»Komm halt mit in die Kuchl, du Stritzi«, seufzte die Zenzi. »Schauen wir mal, ob wir noch ein paar Wurstzipfel für dich finden.«

Sie verließ die Stube. Der Dackel folgte ihr auf dem Fuß.

Sabine wandte sich mit funkelnden Augen an ihren Mann, und dieser gab klein bei.

»Ich nehm das Mariandl fürs Erste mit in mein Sprechzimmer«, gestand er ihr zu. »Nur was sag ich, wenn die Aignerin oder sonst eine von den Kirchenfrauen sie dort sieht? Ich glaube, da bleibt mir nix anderes übrig, als dass ich St. Christoph verlasse, meinen Namen ändere und woanders ganz neu anfange.«

Unvermutet schlang Sabine beide Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich herunter. Der Karton rutschte aufs Sofa, und keiner der beiden achtete noch auf ihn.

»Solange du nur mich und die Kinder, den Papa und die Zenzi und den Poldi mitnimmst, ist mir alles recht«, raunte Sabine und gab ihrem Martin ein herzhaftes Busserl.

***

Der Aignerhof lag abgeschieden hinter dem Achenkegel, gerade noch im Gemeindegebiet von St. Christoph. Am Abend dieses Junitages saß man dort in der großen Stube bei Tisch: jeder an seinem angestammten Platz.

Der Aignerbauer führte am Kopfende den Vorsitz, hinter sich den Vitrinenschrank aus Nussholz mit dem guten Porzellangeschirr. Rechts von ihm, auf der Bank entlang der Wand, hockten sein Sohn und Hoferbe Hannes und dann die Knechte: der ältere Hias zuerst, anschließend die anderen ihrem Alter und ihrer Dienstzeit entsprechend. Auf der linken Seite befanden sich die Aignerin, ihre Töchter Julia und Kathi und die einzige Magd, die grauhaarige Ulrike.

Es gab Grammel- und Hascheeknödel aus einer großen Terrine, dazu zwei weitere Schüsseln voller dampfendem Sauerkraut mit Speckwürfeln.

»Wer bei der Arbeit tüchtig anpackt, darf auch bei Tische zulangen«, pflegte die Aignerin alle zu ermuntern. Sie war eine gutherzige Frau Mitte fünfzig, drall und rund mit den gleichen haselnussbraunen Locken wie ihre Töchter: Julia, die ältere, ein bildhübsches Madel von zweiundzwanzig Jahren; und Kathi, die jüngere, die alleweil ein wenig im Schatten ihrer Schwester stand.

»Das kleine Fräulein Wildfang«, pflegte die alte Magd Julia zu nennen. Und Kathi war für sie »das kleine Fräulein Sanftmut«. So hatten sich die Aignertöchter in ihrer Kindheit präsentiert.

Inzwischen jedoch war aus dem einstigen Wildfang Julia ein äußerst modebewusstes Madel geworden. Bei ihr drehte sich alles nur mehr um Schuhe, Handtaschen, Schmuck und natürlich darum, den Burschen zu gefallen. Aber nicht irgendwelchen beliebigen Burschen!

Nein, die Aigner-Julia wusste genau, dass sie in St. Christoph und Umgebung jeden bezaubern konnte. Das machte sie umso wählerischer.

Selbst auf dem heimatlichen Hof stand eine Auswahl an Verehrern für sie bereit. Bis auf Hias waren alle Knechte jung: angefangen vom glutäugigen Luigi, der seinen Namen einem Elternteil aus Bozen verdankte, bis hin zum Windiger-Jonas. Dieser hockte als der jüngste und am kürzesten dienende Knecht am unteren Ende des Tisches. An sich gab es an dem Platz nichts auszusetzen. Nur war er am weitesten von dem feschen Madel entfernt, welches gerade mit zierlichen Bewegungen einen Knödel verspeiste.

Jonas blieb viel Zeit, Julia zu betrachten. Lustlos stocherte er mit seiner Gabel im Sauerkraut. Trotz der schweren Arbeit den ganzen Tag über auf dem Feld fehlte ihm der Appetit.

Er ließ die Gabel sinken und rieb sich die Schläfe. Schon wieder Kopfweh, Sakra! In letzter Zeit verging kaum ein Tag ohne Schmerzen. Luigi spottete, er würde sich in ein Madel verwandeln. In der Weltsicht des italienischen Burschen litten ausschließlich Frauen an Migräne.

Der Aignerbauer erhob sich von seinem Stuhl und langte über den Tisch nach der Knödelterrine. Seine Aufmerksamkeit fiel dabei auf Jonas. Mit dem Schaumlöffel in der Hand hielt er inne.

Etwas fuhr durch Jonas wie der Blitz. Das Bild vor ihm wandelte sich. Der Bauer in seiner alten Strickjacke trug plötzlich ein blütenweißes Hemd und dazu eine seidene Weste. Eine altmodische Uhrkette hing aus seiner Tasche. Sein krauses Haar war geglättet und sorgfältig gescheitelt. Er hob den Schaumlöffel, bereit zu einem Hieb.

Jonas' winselnder Laut ging im Tischgespräch, im Tellerklappern und Besteckklirren unter. Dennoch starrte ihn der Aigner an. Und Jonas wusste, was gleich folgen würde. Die Gabel entglitt seinen Fingern und landete dumpf auf den Dielen. Er zog den Kopf zwischen die Schultern, machte sich so klein wie möglich und riss zugleich schützend beide Arme vors Gesicht.

Die Gespräche, das Klappern und das Klirren verstummten. Jemand nannte Jonas' Namen. Er hob nicht den Kopf, sondern kniff die Augen zusammen, so fest er konnte. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Alles, was er noch hörte, waren die polternden Schritte, die vom Kopfende des Tisches auf ihn zukamen.

»Net«, flehte er mit geschlossenen Augen. »Schlag mich net. Ich tu's auch gewiss nimmer, egal, was ich getan hab.«

»Dich schlagen?«, bellte eine Stimme nah an seinem Gesicht. »Herrschaftszeiten, Bursche! Was redest du denn da? Keiner will dir ans Leder.« Jemand ergriff ihn an den Handgelenken und drückte seine Arme nach unten. »Jetzt mach die Augen auf und schau mich an.«

Jonas blinzelte. Der Herr im blütenweißen Hemd war verschwunden. Vor ihm stand nur der Aignerbauer. Er ließ Jonas' Handgelenke los, kratzte sich am Kopf und wich einen Schritt zurück. Dabei stieß er mit dem Fuß an etwas.

Das Klirren zog seinen Blick an. Rasch bückte er sich nach der Gabel, wischte sie an seinem Ärmel ab und legte sie neben Jonas' Teller.

»Das war mal wieder so eine Sach' von dir, gell?«, knurrte er. Doch er schien keine Antwort zu erwarten, sondern marschierte zurück zu seinem Platz am Kopfende des Tisches.

»Heilige Maria im Himmel!«, hörte Jonas die Aignerin flüstern. Erneut zog er den Kopf ein: diesmal vor lauter Unbehagen, weil er die Blicke der anderen auf sich spürte. Er griff zur Gabel und starrte herab auf seine Finger, die sie hielten. Die schwielige Hand eines Burschen, eines Knechts. Während ihm der Herr im blütenweißen Hemd erschienen war, hätte er schwören können, er selbst wäre noch ein Bub gewesen: acht oder zehn Jahre alt.

Erneut rieb er sich mit gequälter Miene die Schläfe. Der Aigner ließ sich auf seinem Stuhl nieder. Die Aignerin reichte ihm wortlos eine der Schüsseln mit dem Sauerkraut. Nachdem sich der Bauer eine große Portion auf den Teller gehäuft hatte, räusperte er sich.

»Langt zu!«, ermahnte er seine Knechte. Er musterte einen nach dem anderen. Über Jonas glitt sein Blick peinlich berührt hinweg. »Morgen geht ihr mit mir und dem Hannes ins Heu. Da heißt's, früh aufstehen. Und nüchtern sein, gell, Philipp?« Streng musterte er den Burschen, der nur wenig älter war als Jonas. »Net, dass mir wieder einer versucht, die Zaunpfosten statt der Disteln abzumähen.«

»Das war ein einziges Mal, Bauer!«, entgegnete Philipp unwillig. Er ruckte mit dem Kinn in Jonas' Richtung. »Ich mach' mir mehr Sorgen wegen dem da. Womöglich kommt er uns mit der Sense nach, weil er glaubt, wir wären die Disteln.«

Luigi lachte laut auf. Sogar der gesetzte Hias schmunzelte, ebenso der Bauer und sein Sohn. Julia und die alte Magd Ulrike kicherten. Die Einzigen außer Jonas, die nicht lachten, waren die fromme Aignerin und ihre jüngere Tochter.

Kathi starrte finster auf ihren Teller, bis sie es anscheinend nicht mehr aushielt.

»Jetzt lasst ihn doch in Frieden!«, entfuhr es ihr. »Wie würd››s euch gefallen, wenn sich alle über euch das Maul zerreißen?«

Einen Moment lang herrschte Stille. Bis Hannes das Wort ergriff.

»Du hast vollkommen recht«, versicherte er Kathi ernst und grinste sie gleich darauf an. »Wärst du so lieb, mir die Knödel zu reichen, o heilige Katharina, Beschützerin der armen Irren?«

Kathis Wangen liefen dunkelrot an. Sie knallte ihm die Terrine hin.

Lass sie in Frieden!, wollte Jonas rufen – doch er schwieg. Hannes stand als Hoferbe gleich unter dem Bauern. Und er hänselte Kathi nur deswegen, weil sie sich für Jonas eingesetzt hatte. Wenn sich der »arme Irre«, wie sie ihn nannten, nun einmischte, würde das alles bloß schlimmer machen.

Jonas konnte sich nicht beklagen. Das wusste er. Solange er am Hof tüchtig mit anpackte, war für ihn gesorgt. Die Aignerin, eine mitfühlende Seele, nannte ihn öfter einen »armen Buben«. Beim Kirchgang betete sie einen Rosenkranz für ihn und befahl ihn dem besonderen Schutz der heiligen Mutter. Der Aigner hatte ihm ein eigenes Kammerl unter dem Dach zugewiesen, weil Luigi und die anderen Knechte sich beschwert hatten, dass Jonas' nächtliches Stöhnen und Schreien sie um den Schlaf brächte. Was kümmerten ihn da ein paar Scherze auf seine Kosten? Nirgendwo anders hätte er es besser gehabt als hier.

Ulrike servierte die Teller ab, als das Mahl zu Ende war. Sie rümpfte über seinen noch halb vollen die Nase und merkte gut hörbar an: »Schad' um die Knödel. Ihr Burschen wisst halt net zu schätzen, wie lang die Bäuerin dafür in der Kuchl gestanden hat.«

»Jetzt lass ihn doch!«, entgegnete Kathi mit mehr Schärfe, als man dem stillen Madel zugetraut hätte. Sie war eine Bauerntochter, Ulrike nur die Magd – also schluckte die Ältere die Erwiderung hinunter, die ihr sichtlich auf der Zunge lag. Vor sich hin grummelnd verschwand sie in der Küche.

Die übrigen Bewohner des Hofes erhoben sich. Dankbar für die Unterstützung wollte sich Jonas zu Kathi umwenden. Doch seine Kopfschmerzen steigerten sich ins Unerträgliche. Er biss die Zähne zusammen. Trotzdem entrang ihm ein leises Stöhnen.

Sofort unterbrachen alle, die in der Stube standen, ihre Gespräche und musterten ihn argwöhnisch.

»Mir geht's gut«, versicherte er ihnen. Keiner schien ihm das recht zu glauben.

Er hörte, wie Luigi Julia zuraunte: »Wünsch mir Glück, dass er uns morgen im Heu net alle mit der Sense erlegt, mia grassa salsiccia.«

»Wie hast du mich genannt?«, erwiderte sie.

Jonas glaubte es zu wissen. Er war drauf und dran, die Übersetzung laut auszusprechen. Doch er besann sich. Was, wenn er sich irrte? Julia und der Rest würden ihn bloß wieder verlachen.

»Das wüsstest du gern, net wahr, mia esile balena?« Luigi zwinkerte ihr zu und kehrte sich ab. Julia blickte ihm nach und zog einen Schmollmund.

Hoffnungsvoll suchte Jonas ihren Blick. Schon aber marschierte das fesche Madel zur Tür, stieß sie auf und folgte ihrer Schwester aus der Stube.

***

Ein Südtiroler Volkslied schallte über die Wiese. Luigi sang bei der Arbeit: zwar falsch, dafür umso inbrünstiger. Bei den letzten Tönen warf er mit Schwung das Heu auf den Anhänger.

»Herrschaftszeiten! Ich komm' mir vor wie in der Sauna.« Hoferbe Hannes, der mit dem gleichaltrigen Luigi gut Freund war, blieb neben ihm stehen. Er rammte seine Heugabel so in einen Haufen, dass sie stecken blieb, und wischte sich mit einem nackten Unterarm den ärgsten Schweiß von der Stirn. Sie hatten alle ihre T-Shirts ausgezogen. Die Junisonne brannte auf die gebräunten Schultern, Nacken und Rücken der Burschen herab.

»Ich schwöre, zu Hause gehe ich als Erstes in die Kuchl und hole mir aus dem Kühlschrank einen Liter Eistee«, versicherte Hannes den Knechten.

Jonas nahm einen Schluck schales, handwarmes Wasser aus seiner Flasche. Er sah hinauf zu den schneebedeckten Gipfeln. Die Sonne brannte auch auf diese herab, als wollte sie das Eis von ihnen schmelzen. Das leidige Kopfweh machte sich schon wieder bemerkbar. Es musste am Föhn liegen.

Hinter sich hörte er Luigi sagen: »Stellt euch vor: ein kühler Swimmingpool. Die Julia in einem winzig kleinen Bikini ...«

Unwillkürlich horchte Jonas auf. Schon aber mischte sich Hannes ein: »Vergiss net, dass du von meiner Schwester redest.«

Luigi lachte und hieb ihm auf die Schulter, dass es klatschte.

»Dann stell du dir halt meine Schwester im Bikini vor.«

»Meinst du die Gina? Hast du net gesagt, sie schaut aus wie ein Walross mit Schnurrbart und wiegt zweihundert Kilo?«

»Ja, und? Mehr zum Anschauen, oder? Und mehr zum Angreifen sowieso. Ihr Mann beklagt sich jedenfalls net.«

Nun mischten sich auch Philipp und Hias mit abfälligen Bemerkungen in Luigis Richtung ein. Hannes hatte offenbar genug.

»Ich sag dem Vater, dass er den Traktor anwirft«, verkündete er und stapfte davon.