Der Bergdoktor 2195 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2195 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Ohne Vorwarnung bricht Juliane plötzlich zusammen. Sie hat sich zu viel zugemutet. Es ist nicht nur der stressige Job als Redakteurin bei verschiedenen Zeitungen, sondern hinzu kommt ihre regelrechte Handysucht. Tausend Mal am Tag schaut sie in den sozialen Medien nach neuen Nachrichten oder postet selbst etwas. Das Smartphone sei geradezu an ihrer Hand festgetackert, meint ihr Bruder und verordnet ihr eine Auszeit mit einer vollständigen Internet- und Social-Media-Abstinenz. Zwei Wochen Urlaub soll Juliane ohne Handy und Computer in einer Berghütte in St. Christoph verbringen. Zähneknirschend lässt sie sich auf dieses Abenteuer ein und ahnt nicht, dass mit diesem "Entzug" ein ganz neues Leben für sie beginnt ...


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Seitenzahl: 124

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Und dann ist es doch Liebe

Vorschau

Impressum

Und dann ist es doch Liebe

Packender Roman um ein fast verspieltes Glück

Von Andreas Kufsteiner

Ohne Vorwarnung bricht Juliane plötzlich zusammen. Sie hat sich zu viel zugemutet. Es ist nicht nur der stressige Job als Redakteurin bei verschiedenen Zeitungen, sondern hinzu kommt ihre regelrechte Handysucht. Tausend Mal am Tag schaut sie in den sozialen Medien nach neuen Nachrichten oder postet selbst etwas. Das Handy sei geradezu an ihrer Hand festgetackert, meint ihr Bruder und verordnet ihr eine Auszeit mit einer vollständigen Internet- und Social-Media-Abstinenz. Zwei Wochen Urlaub soll Juliane ohne Handy und Computer in einer Berghütte in St. Christoph verbringen. Zähneknirschend lässt sie sich auf dieses Abenteuer ein und ahnt nicht, dass mit dieser Auszeit ein ganz neues Leben für sie beginnt ...

»Kann ich mir dein Ladekabel leihen, Timo?« Juliane stürmte in das Zimmer ihres Bruders und schaute sich suchend um. »Wo hast du es eigentlich?«

Etwas regte sich unter der blau bezogenen Bettdecke. Gedämpftes Murmeln war zu vernehmen. Zu leise, um verstanden zu werden, aber es hörte sich definitiv nach einem Fluch an.

In dem dämmrigen Halbdunkel des Raumes war das Gesuchte nicht auszumachen, deshalb zog Juliane die Jalousie hoch, um mehr Licht hereinzulassen. Dann stöberte sie zwischen den Büchern und Papieren, die sich auf dem Schreibtisch stapelten.

Ihr Bruder arbeitete als Tierarzthelfer in einer Münchner Tierklinik und absolvierte gerade eine Zusatzausbildung in Anästhesie, um künftig auch im OP eingesetzt werden zu können. Sein Schreibtisch bog sich förmlich unter Fachbüchern, Ordnern und Papieren.

Aber wo war das verflixte Handy-Ladekabel?

»Was machst du denn da?« Ein verstrubbelter blonder Schopf tauchte unter der Bettdecke auf. Timo kniff die Augen zusammen, spähte zum Wecker und stöhnte vernehmlich. »Ich hätte noch zehn Minuten schlafen können, bis ich zum Nachtdienst muss.«

»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe, aber ich brauche das Ladekabel unbedingt.«

»Was?«

»Das Ladekabel«, wiederholte Juliane geduldig. »Deins. Kann ich es mir ausleihen?«

»Klar. Wenn du es findest.« Timo zuckte die Schultern. Dann schwang er die Beine aus dem Bett und tappte barfuß und lediglich mit Boxershorts bekleidet nach nebenan ins Badezimmer.

Juliane suchte weiter, stieß auf einen Karton mit angebissenen Pizzaresten und verzog das Gesicht. Was ihr Bruder »kreatives Chaos« nannte, hätte sie schon längst in die Flucht geschlagen.

Manchmal war es schwer vorstellbar, dass sie wirklich Zwillinge waren. Zugegeben, Timo hatte dieselben grünen Augen und die dunkelblonden Haare wie sie, aber damit endeten die Ähnlichkeiten zwischen ihnen bereits. Er war groß und muskulös, während sie ihm gerade mal bis zur Schulter reichte und höchstens halb so viel wog wie er.

Julianes sportliche Aktivitäten beschränkten sich auf ausgedehnte Einkaufsbummel und eine halbherzige Yogastunde hin und wieder, während kaum ein Tag verging, an dem Timo nicht ruderte, joggte oder irgendein Krafttraining absolvierte.

Draußen peitschte ein Zweig gegen das Fenster. Der Sturm fuhr in die uralte Eiche im Garten ihres Hauses. Vor ein paar Stunden hatte sich der Himmel über München zugezogen. Nun türmten sich bleigraue und tiefviolette Wolkenberge über der Stadt, und es goss in Strömen.

Bei schönem Wetter konnte man vom Haus aus den Englischen Garten überblicken, aber an diesem Tag waren vor den Fenstern nicht viel mehr als graue Regenschwaden zu erkennen.

»Net dort.« Timo kehrte in sein Zimmer zurück und blickte sich um. »Das Kabel ist net im Schreibtisch.«

»Wo denn dann?«

»Das ist eine gute Frage.« Er rieb sich das Kinn.

»Weißt du nimmer, wo du es hingelegt hast?«

»Net wirklich. Ich habe es seit zwei Wochen net gebraucht.«

»Zwei Wochen?« Juliane sah ihren Bruder entgeistert an. Sie musste ihr Handy täglich aufladen, an manchen Tagen sogar zweimal, weil der Akku sonst schlappmachte. »Du nimmst mich auf den Arm, oder?«

»Heute mal net«, erwiderte er. »Du kennst mich doch. Ich muss mein Handy net oft laden, so selten, wie ich telefoniere.«

»Zum Telefonieren braucht man es ja nun auch am wenigsten.«

»Tatsächlich? Ich dachte, das wäre der Sinn eines Telefons.«

»Früher vielleicht, aber heute kann man damit so viel mehr machen ... Ah, da ist es ja.« Juliane zog das Kabel hinter dem Blumentopf mit der Zimmerpalme hervor, schob es in die Steckdose und schloss ihr Handy an. »Endlich wieder Saft.«

Ihr Bruder zog eine Augenbraue hoch.

Juliane schaltete ihr Handy ein und wartete. Nichts tat sich. Sie trommelte mit den Fingern auf das Display.

»Oh, verflixt, komm schon, geh an!«

»Da tut sich nichts.«

»Weil der Akku komplett runter ist.«

»Dann wird das so schnell nichts.«

»Sag das nicht.« Juliane stöhnte und versuchte erneut, ihr Handy zu starten. Vergeblich. »Ausgerechnet heute muss das passieren. Ich musste schon den ganzen Nachmittag ohne mein Handy zubringen.«

»Und wo ist das Problem?« Timo sah sie verständnislos an.

Juliane seufzte. Sie beide lebten ganz offensichtlich in völlig verschiedenen Welten. Während Timo sein Handy nur für Notfälle hatte und meist eine Weile brauchte, um sich zu erinnern, wo es überhaupt lag, tat sie keinen Schritt ohne ihr Smartphone.

Sie brauchte es im Alltag fast ständig, um zum Beispiel einen Blick in die Wetter-App zu werfen, Bankgeschäfte zu erledigen, Benzinpreise zu vergleichen, in die Zeitung zu schauen, bei Tinder nach Verabredungen zu suchen und natürlich für ihre Social-Media-Kanäle und ihren Blog. Sie bestellte sich Essen und erledigte noch tausend andere Dinge über ihr Handy.

»Ohne mein Smartphone bin ich nur ein halber Mensch. Ach was, nicht einmal das. Ich brauche es, verstehst du das? Ich muss es haben! Ohne funktioniere ich einfach nicht richtig.«

»Himmel, Juli, hörst du dir eigentlich selber zu? Du hörst dich gerade an wie ein Junkie, der von seiner Droge spricht.«

»Na, hör mal. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben Drogen genommen.« Empört funkelte sie ihn an. »Und das weißt du auch.«

»Aber diese Internetsucht ...«

»Das ist keine Sucht. Ich mag einfach nur meine Facebook- und Instagram-Kanäle.«

»Ich verstehe gar nicht, wofür diese Plattformen, auf denen jeder irgendwelche Sachen posten kann, eigentlich gut sein sollen.«

»Zum Beispiel, um Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten.«

»Das geht in der Kneipe um die Ecke auch, und dort kann ich meinem Gegenüber in die Augen schauen und sehen, ob er eine ehrliche Haut oder ein Gauner ist. Im Internet zeigt jeder nur ein schönes Bild von sich selbst. Wer weiß schon, was wirklich dahintersteckt?« Timo schüttelte den Kopf.

»Net jeder im Internet ist ein Gauner, Timo.«

»Aber die Zeit, die es kostet, Fotos und Beiträge zu gestalten und sein Leben im Internet zu präsentieren, die verliert man doch für sein echtes Leben. Oder etwa net?«

»So viel Zeit ist das net.«

»Wirklich net? Wie viele Stunden warst du gestern online, hm?«

»Net so viele. Fünf oder sechs vielleicht. Höchstens acht.«

»Acht Stunden im Internet? Dazu acht Stunden Arbeit und acht Stunden Schlaf. Und wann hast du gelebt?«

Juliane schaute ihn verständnislos an.

»Ich meine es ernst. Es ist net gesund, was du da machst.«

»Es ist mein Hobby. So wie deines dein frecher Vogel ist.« Sein Nymphensittich war auf ihrer Schulter gelandet und knabberte liebevoll an ihrem Ohrläppchen. Ottos Käfig stand neben Timos Bett, aber er durfte frei fliegen.

Der Sittich hatte früher der alten Frau Paulsen aus der Nachbarschaft gehört. Als sie ins Pflegeheim umziehen musste, hatte Timo ihn aufgenommen. Er machte regelmäßig Fotos von Otto und schickte sie an Frau Paulsen – zusammen mit Briefen, in denen er Ottos neueste Streiche schilderte.

Juliane machte noch einen Versuch. Diesmal sprang ihr Handy an. Sie öffnete die App für die Videokamera und filmte Otto, wie er ihr ins Ohr biss.

Sie lud das Video bei Facebook hoch und schrieb darunter: Ich habe einen Vogel, und das ist gut so.

Kurz darauf trudelten bereits die ersten Likes ein.

Timo spähte auf ihr Profil hinunter.

»Sag mal, sehe ich das richtig? Hat Jannes gerade ein Smiley unter dein Foto gesetzt? Bist du wirklich noch mit deinem Ex befreundet?«

»Sicher. Warum auch net?«

»Ich finde das schon merkwürdig. Melanie und ich sind damals zwar auch in Frieden auseinandergegangen, aber ich will nimmer bei Facebook mit ihr befreundet sein und womöglich mitlesen müssen, wie sie von ihrem Neuen schwärmt. Nein, das würde ich mir net antun wollen.«

»Bei Jannes und mir ist das eben anderes.«

»Ja, weil du noch am Alten festhältst. Ich fürchte nur, dass du auf diese Weise keine neue Beziehung finden wirst.«

»Heute kann ich dir anscheinend gar nichts recht machen.« Juliane stemmte die Hände in die Hüften. »Gibt es net auch etwas Gutes an mir?«

»Klar doch. Ich hab gehört, dein Bruder soll ein ganz toller Typ sein.« Lachend wich er aus, als sie sich auf ihn stürzte und ihn kitzelte.

Ein gedämpftes Ping verkündete den Erhalt einer Nachricht und rettete ihren Bruder vor einer längeren Kitzelattacke. Juliane ließ von ihm ab und rief die Mitteilung auf.

Ihre Kollegin Wiebke fragte an, ob sie einen Artikel für sie übernehmen könne. Juliane tippte eine kurze Bestätigung. Und wo sie schon mal dabei war, schaute sie auch gleich noch einmal bei Facebook vorbei.

Ihr Nachbar Thomas hatte Fotos von seinem Junggesellenabschied gepostet. Juliane wischte über ihr Display, grinste angesichts der Bilder, überflog die Erklärungen jedoch nur.

»Viel zu viel Text«, murmelte sie. »Den liest doch keiner. Kostet viel zu viel Zeit.«

»Juliane Charlotte Sterzl!«, drang die strenge Stimme ihres Bruders zu ihr durch.

»Was?« Zerstreut blickte sie auf.

»Wir waren noch mitten in der Unterhaltung, als du plötzlich in die unendlichen Weiten des Internets abgetaucht bist. Jetzt leg doch endlich mal das Handy weg.«

»Ich kann nicht. Ich muss noch schauen, was ich in den letzten Stunden verpasst habe, und dann ... Hey!« Sie reckte sich protestierend, als er nach ihrem Handy griff.

»Ist dieses Ding etwa an deiner Hand festgetackert?«

»Unsinn.« Ihre Finger zitterten, als sie versuchte, sich ihr Handy zurückzuholen.

Timo sah sie alarmiert an.

»Mei, du zitterst ja wie Espenlaub. Was ist denn los?«

»Vermutlich zu viel Kaffee und zu wenig Schlaf.« Sie winkte ab. »Ich arbeite gerade an drei Reportagen gleichzeitig. Manchmal weiß ich wirklich nimmer, wo mir der Kopf steht.« Juliane schrieb größtenteils für ein beliebtes Frauenmagazin, mitunter aber auch für andere Zeitungen. Ihre Artikel waren ebenso beliebt wie ihre wöchentliche Kolumne und verlangten ihr einiges ab.

»Dein Chef ist ein Sklaventreiber. Sag einmal, wann hast du eigentlich zuletzt etwas gegessen?«

»Kommt drauf an. Zählen Pfefferminzbonbons auch?« Sie lächelte schief.

»Ich sag dir was ...« Was auch immer ihr Bruder sagen wollte, er wurde vom Klingeln ihres Handys unterbrochen.

»Frau Sterzl, Eckstein hier«, bellte die Stimme ihres Chefs sie an, kaum dass sie sich gemeldet hatte. Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Hören Sie zu: Sie müssen den Bericht über die Frauen übernehmen, die auf einen Love-Scammer hereingefallen sind. Frau Heller fällt aus. Irgendwelche Schwangerschaftsbeschwerden. Wie auch immer. Schaffen Sie das bis zum Ende der Woche?«

»Bis zum Ende der Woche?«, fragte Juliane panisch, denn sie dachte an den Berg an Arbeit, der sich bereits auf ihrem Schreibtisch stapelte. »Diese Woche?«

»Natürlich diese Woche. Der Artikel soll in die nächste Ausgabe. Kocht gerade wieder hoch das Thema. Also, ich verlasse mich auf Sie. Wir hören voneinander.«

»Aber ich ... Hallo? Sind Sie noch dran?« Ihr Chef hatte bereits aufgelegt. Juliane ließ das Handy sinken und biss sich auf die Unterlippe. Noch ein Artikel. Wie sollte sie den bloß auch noch schaffen?

»Was ist los?« Ihr Bruder sah sie prüfend an. »Schlechte Nachrichten?«

»Nur ein neuer Auftrag.« Sie versuchte ein Lächeln, spürte jedoch selbst, dass es verrutschte.

»Weißt du was? Ich mache uns jetzt erst einmal etwas Ordentliches zu essen, eine Omelette mit Tomaten vielleicht. Und nach dem Essen überlegen wir uns, wie wir dir ein paar Verschnaufpausen verschaffen können. Einverstanden?«

»Das wäre schön, aber ich kann net. Ich muss los.« Sie schielte auf ihr Handy. Inzwischen betrug der Ladestand sieben Prozent. Juliane überschlug in Gedanken, ob das reichen würde bis zu ihrem nächsten Termin.

Ihr Bruder sagte etwas, doch sie hörte seine Worte nur wie aus weiter Ferne. Als sie zu ihm hochblicke, verschwamm sein Gesicht vor ihren Augen. Der Boden wankte unter ihr. Und dann wurde mit einem Mal alles schwarz um sie herum.

***

»Ich kann net hierbleiben! Das geht auf keinen Fall!« Juliane schwang die Beine von der Liege in der Notaufnahme und schaute sich nach ihrem Bruder um.

Timo stand neben einem der Monitore und beobachtete fasziniert die Kurven, die sich darauf abzeichneten.

»Eh, beruhig dich besser wieder. Dein Puls geht gerade durch die Decke.«

»Wundert dich das etwa? Sie wollen mich hier im Krankenhaus behalten. Zur Beobachtung. Ich will das net. Ich hab auch gar net die Zeit dafür.«

»Du bist vorhin umgekippt.«

»Es war eben ein langer Tag. Jetzt geht's mir wieder gut.«

»Mir wäre wohler, wenn die Ärzte das bestätigen würden.«

»Ich bestätige es dir. Reicht das net?«

»Eher net. Du hast mich vorhin fast zu Tode erschreckt.«

»Das tut mir leid. Es wird net wieder vorkommen.«

»Das wissen wir erst mit Sicherheit, wenn die Ärzte herausgefunden haben, warum du überhaupt ohnmächtig geworden bist.«

»Aber ich ...« Juliane unterbrach sich und stöhnte frustriert.

Der junge Arzt, der sie untersucht und an eine Infusion angeschlossen hatte, war hinausgegangen. Sie vermutete, dass er einen anderen Patienten versorgte, während sie auf die Ergebnisse ihrer Bluttests warteten. Wusste der Himmel, wann er wieder hier erscheinen würde oder wann sie wieder nach Hause durfte. Notaufnahmen waren wie schwarze Löcher. Wer einmal darin feststeckte, kam so schnell nicht wieder frei.

»Ich möchte nach Hause, Timo. Und zwar jetzt gleich.«

»Das versteh' ich ja, aber wir müssen wirklich abwarten, was der Arzt sagt.«

»Mir fehlt nichts.«

»Man fällt net einfach um, wenn einem nichts fehlt.«

Juliane funkelte ihren Bruder an, doch gegen sein Argument war nichts einzuwenden. Es stimmte ja. Sie war umgekippt, und er hatte den Rettungsdienst rufen müssen, der sie postwendend ins Krankenhaus gefahren hatte.

»Mir fehlt nichts«, wiederholte sie noch einmal.

»Ja, das sagt unser Vater auch immer, wenn Mutter ihn ermahnt, bei der Arbeit in der Gärtnerei kürzerzutreten.«

»Es stimmt ja auch.«

»Du bist wirklich schon genau wie er.« Timo rollte die Augen.

»Das nehme ich als Kompliment.« Juliane vergötterte ihren Vater. Er war gütig, freundlich und tat alles für seine Familie. »Gib mir bitte meine Jacke. Ich möchte nach Hause.«

»Das geht net. Wir brauchen deine Versicherungskarte und vermutlich auch einen Entlassungsschein. So bald werden wir nirgendwo hingehen.«

»Aber ...« Juliane umklammerte den Rand der Liege. Ihre Haut kribbelte, als würden unsichtbare Ameisen darüberlaufen. Hunderte davon. Sie stand total unter Strom.

»Du übertreibst es wirklich, Juliane«, murmelte ihr Bruder.

»Ich will doch nur nach Hause.«

»Das meine ich net. Ich rede von Social Media. Dein Leben im Internet. Das ist net gesund, glaub mir das.«

»Ich mag, was ich tue, und ich bin gut darin.«

»Aber ist es auch gut für dich?« Er sah sie bedeutungsvoll an.