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In Veronika Haflers Elternhaus war Gottesfurcht das oberste Gesetz. In allen Winkeln standen Kerzen und Heiligenfiguren, das Madel durfte in seiner Jugend keinerlei Freiheiten genießen, und über allem stand stets drohend das vierte Gebot: "Du sollst Vater und Mutter ehren."
Inzwischen ist Vroni mit einem Bauern aus der Nachbarschaft verheiratet, doch die Geister der Vergangenheit lassen sie nicht los. So folgsam und brav, wie sie immer sein sollte, ist sie nämlich nicht gewesen, und seit vielen Jahren trägt Veronika ein Geheimnis mit sich herum, das sie selbst ihrem Mann nie anvertrauen konnte. Mittlerweile leidet die Ehe unter Vronis Heimlichtuerei, und die junge Frau erkrankt an Körper und Seele. Nur widerstrebend lässt sie sich auf ein Gespräch mit Dr. Martin Burger ein. Was der Bergdoktor dabei herausfindet, erfüllt ihn mit Fassungslosigkeit ...
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Das vierte Gebot
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Impressum
Das vierte Gebot
Dr. Burger und ein bedrückendes Familiengeheimnis
Von Andreas Kufsteiner
In Veronika Haflers Elternhaus war Gottesfurcht das oberste Gesetz. In allen Winkeln standen Kerzen und Heiligenfiguren, das Madel durfte in seiner Jugend keinerlei Freiheiten genießen, und über allem stand stets drohend das vierte Gebot: »Du sollst Vater und Mutter ehren.«
Inzwischen ist Vroni mit einem Bauern aus der Nachbarschaft verheiratet, doch die Geister der Vergangenheit lassen sie nicht los. So folgsam und brav, wie sie immer sein sollte, ist sie nämlich nicht gewesen, und seit vielen Jahren trägt Veronika ein Geheimnis mit sich herum, das sie selbst ihrem Mann nie anvertrauen konnte. Mittlerweile leidet die Ehe unter Vronis Heimlichtuerei, und die junge Frau erkrankt an Körper und Seele. Nur widerstrebend lässt sie sich auf ein Gespräch mit Dr. Martin Burger ein. Was der Bergdoktor dabei herausfindet, erfüllt ihn mit Fassungslosigkeit ...
Maria Grubmüller schwang energisch die Schöpfkelle.
»Wie gut, dass wir heute mit dem Mittagessen spät dran sind, da kannst du uns gleich Gesellschaft leisten«, sagte sie an ihre Tochter gerichtet und stellte schwungvoll einen Topf voll dampfendem Kraut auf den Esstisch in der Stube.
Veronika Hafler seufzte innerlich. Die Vierundzwanzigjährige hatte ihren Besuch bei den Eltern absichtlich erst in den frühen Nachmittag gelegt, um genau diese Situation zu vermeiden. Am liebsten wäre sie nämlich gar nicht gekommen, sondern daheim im Bett geblieben.
Sie litt seit dem Vortag an einer Magenverstimmung. Wahrscheinlich hätte sie gestern Abend den Krapfen, den ihr Paul vom Kirtag mitgebracht hatte, doch nicht essen sollen. Aber nachdem sie sich den ganzen Tag – und die Tage zuvor – schlecht gefühlt hatte, war sie froh gewesen, wenigstens ein bisschen Anteil an Pauls Vergnügungen zu haben. Traurig genug, dass sie ihn nicht begleitet hatte! Aber das hatte sie nun davon, jetzt ging es ihr gleich noch einmal schlecht.
Auch ihr Ehemann Paul klagte seit dem Morgen über Bauchschmerzen. Veronikas Mutter, die eine begnadete Köchin war, ließ solche Ausreden jedoch nicht gelten. Noch dazu war Sauerkraut bekanntlich schon immer eine von Veronikas Lieblingsspeisen gewesen.
»Was für ein praktischer Zufall«, wiederholte die Grubmüllerin. »So kommst du heut' ganz unerwartet zu deiner Leibspeise, Kind! Jetzt lang aber ordentlich zu!« Ungebeten kippte sie einen weiteren Schöpfer Kraut auf Veronikas Teller. »Wer arbeitet, muss auch essen!«, stellte die Bäuerin dabei unerbittlich fest.
Veronika spürte, wie ihr die Magensäure in den Hals hinaufstieg, aber sie beherrschte sich tapfer. Sie griff zu beiden Seiten nach den Händen ihrer Eltern und wartete mit gesenktem Kopf, bis der Vater das Tischgebet gesprochen hatte. Dann erst sprang sie auf und stürzte ins Bad.
Als sie zurückkam, entging ihr nicht, dass sich ihre Eltern einen zufriedenen Blick zuwarfen.
»Ich fürchte, ich hab mir gestern den Magen verdorben«, sagte sie schnell, um keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen. »Paul jammert auch schon den ganzen Tag.«
»So«, sagte die Mutter und grinste unverhohlen. »Wir freuen uns jedenfalls sehr, dass du dir endlich den Magen verdorben hast! Nach fünf Jahren Ehe war's eh schon an der Zeit!«
Auch Veronikas Vater schmunzelte so sehr, dass die Spitzen seines dichten Schnurrbarts wackelten. Die Worte seiner Frau schienen ihn zu amüsieren.
Veronika versuchte es noch einmal.
»Paul war gestern mit seinen Freunden am Kirtag in Jenbach und hat mir von dort einen Bauernkrapfen mitgebracht. Seit ich den gegessen hab, fühl' ich mich net wohl«, erklärte sie. »Wahrscheinlich war das Fett, in dem er herausgebacken wurde, net mehr frisch.«
»Natürlich. Ich danke Gott dafür, dass du einen alten Krapfen gegessen hast!«, rief Franz Grubmüller und klatschte vor Freude in die Hände. Dann brach er in schallendes Gelächter aus.
Lautes und vor allem herzhaftes Lachen war in diesem gottesfürchtigen Haus eine Seltenheit, deshalb lugte die alte Magd Susanne auch gleich erschrocken um die Ecke, als sie das polternde Geräusch vernahm. Erstaunt zog sich Susanne gleich wieder zurück. Der Bauer lachte ja wirklich!
Die Eltern ließen ihre Tochter nicht zu Wort kommen.
»Schon gut, du brauchst uns nichts zu erklären«, sagte Maria Grubmüller streng. »Es ist besser, du schweigst, bevor du uns anlügst und gegen ein Gottesgebot verstößt. Und jetzt iss eine Portion Sauerkraut, das ist gesund!«
Veronika betrachtete den verkniffenen Blick ihrer Mutter und wunderte sich wieder einmal, wie ähnlich sie beide sich sahen. Und das, obwohl die Mutter ihre Haare in einem strengen Knoten trug, sich niemals schminkte und ihre Augenbrauen ungezupft ließ, während Veronika zu besonderen Anlässen Lippenstift auflegte und ihre hellblonden Haare, im Gegensatz zu jenen der Mutter, modisch schneiden ließ.
Ein weiterer Unterschied zwischen ihnen war, dass Veronika viel und gern lachte, die Mutter hingegen eine ernste Miene für gottgefälliger hielt. Die Ähnlichkeit lag wohl an den Augen, die stahlblau und mit kleinen goldenen Sprenkeln durchsetzt waren, und an der Art, wie beide Frauen ihre Nasen kräuselten, wenn sie nachdachten. Außerdem waren sie beide Sturköpfe.
»Nein, danke, Mutter«, sagte Veronika deshalb jetzt und schob den Teller von sich, um sich vom Geruch des heißen Sauerkrauts zu befreien.
Die alte Grubmüllerin kniff ihre Augen zusammen und warf der Tochter einen prüfenden Blick zu.
»Warum hast du deinen Mann denn net zum Kirtag begleitet?«, fragte sie.
Veronika sank ein bisschen in sich zusammen.
»Ich hab mich net gut gefühlt«, gestand sie leise.
»Aha.« Mehr brauchte die Mutter nicht zu sagen. Veronika schämte sich.
Franz Grubmüller hingegen ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen.
»Dann war dir also schon vorher übel?«, fragte er und rieb sich zufrieden die Hände.
Veronika warf ihrer Mutter einen hilfesuchenden Blick zu.
»Es war anders«, erklärte sie schließlich, mehr an die Mutter als an den strengen Vater gerichtet. »Es war ... eine Frauensache. Bauchkrämpfe.«
Maria Grubmüller verdrehte die Augen.
»Machst du noch immer so ein Gewese um unsere monatliche Frauenpflicht?«, fragte sie.
Der Vater sah verständnislos von einer zur anderen, dann schüttelte er den Kopf.
»Du warst immer schon ein Pflanzerl«, bemerkte er verächtlich. »Pass nur auf, dass es deinem Mann nicht einmal zu bunt wird!«
Veronika senkte den Kopf. So verharrte sie bis zum Ende der Mahlzeit. Immerhin gelang es ihr, das Essen zu verweigern, und wenigstens hatte das peinliche Thema für Schweigen gesorgt. Die Vorwürfe der Eltern hingen jedoch wie dunkle Regenwolken über dem Tisch.
Erst nachdem endlich auch der Vater seinen Teller zurückgeschoben und sein Dankgebet gesprochen hatte, durfte Veronika aufstehen und nach draußen gehen. Die Frischluft tat ihrem Magen gut. Bald kam auch der Vater aus der Stube, um den wöchentlichen Tauschhandel abzuschließen: Milch gegen Mehl.
Veronika lebte seit ihrer Hochzeit mit Paul Hafler auf einem Milchviehbetrieb. Am Grubmüllerhof wurde hingegen Ackerwirtschaft betrieben. Das fügte sich gut, so hatten beide Familien immer genug an den Grundnahrungsmitteln Mehl und Milch.
Beide Bauernhöfe lagen in einem kleinen Weiler namens Altenacker am Ufer des idyllischen Kuckuckssees. Die weitläufig verstreuten Häuser und Bauernhöfe gehörten zu dem Ort St. Christoph, welcher wiederum auf einer Anhöhe hinter dem Städtchen Mayrhofen im Tiroler Zillertal lag.
War St. Christoph schon ein ruhiges Plätzchen, an dem die Uhren anders gingen als sonst wo, so kam es all jenen, die sich nach Altenacker verirrten, bisweilen so vor, als wäre die Zeit überhaupt stehen geblieben. Das moderne Leben hatte hier noch keinen Einzug gehalten. Die Bewohner des kleinen Weilers blieben am liebsten für sich und kamen nur an den Sonntagen mit der großen weiten Welt von St. Christoph in Kontakt.
Die jungen Leute dachten freilich längst anders, sie gingen samstags ins Kino oder Theater – und manche von ihnen hatten dem Heimatort gleich ganz den Rücken gekehrt. So hatte es etwa Veronikas Bruder Gustl gemacht, der vor sechs Jahren fortgegangen war, um sich für ein Jahr die Welt anzuschauen – und der seitdem auf einer Ranch im Norden der USA lebte und keine Anstalten zeigte, heimzukommen und den väterlichen Hof fortzuführen.
Dies war zwischen dem alten Franz Grubmüller und seinem Sohn zu einem verbitterten Streitpunkt geworden.
»Das geht doch net an, dass der Bub in Montana lebt statt in Altenacker!«, sagte Franz verärgert. »Er ist doch hier daheim und muss den Hof übernehmen. Ich werde ja net jünger!«
Die Grubmüllers hatten ihre beiden Kinder Gustl und Veronika erst in ihren späten Dreißigern bekommen und waren nun schon in einem Alter, wo sie sich gern auf die Ofenbank zurückgezogen und den Jungen beim Arbeiten zugeschaut hätten. Das konnten sie sich aber nicht erlauben, denn Veronika war zu den Haflers gezogen, wie es sich für eine junge Bauersfrau gehörte, und Gustl machte keine Anstalten, wieder aus Amerika heimzukehren.
»Wenn du uns wenigstens ein Enkelkind schenken würdest«, sagte Franz von Zeit zu Zeit vorwurfvoll zu seiner Tochter. »Wir haben dich doch net mit neunzehn Jahren heiraten lassen, damit du dir einen schönen Tag machst! Hättest du nach einem Jahr ein Kind gekriegt, wie es sich gehört, könnt ich meinen Hoferben jetzt schon mit aufs Feld nehmen!«
Veronika ließ Vorwürfe dieser Art still über sich ergehen. Sie kannte ja die strenge Einstellung ihrer Eltern, die für jede Lebenssituation stets genau wussten, was sich gehörte und was nicht, und die sich dabei stets auf die zehn Gebote beriefen.
Wenigstens hatte sie mit ihren Schwiegereltern mehr Glück. Luise und Johann Haflinger arbeiteten nach wie vor auf dem Hof mit, hatten sich ansonsten aber aufs Altenteil zurückgezogen und schauten, dass sie den Jungen nicht in die Quere kamen.
»Ich hab mir als Jungbäuerin auch nichts dreinreden lassen«, sagte Luise. »Manches hab ich besser gemacht als die Altvorderen, anderes schlechter. Jetzt sind die Jungen dran, aus ihren Fehlern zu lernen.«
Mit großer Anstrengung hob Veronika jetzt drei volle Milchkannen aus der Scheibtruhe und stellte sie neben die Tür. Als sie nach dem Mehlsack greifen wollte, den der Vater schon hergeschleppt hatte, schob er sie beiseite und wuchtete das Mehl schwungvoll in die Karre.
»Ich danke schön, Vater«, sagte Veronika, wie der Alte es von ihr erwartete, dann hob sie die Schubkarrengriffe an.
»Nicht so schnell, Madel«, sagte der Vater und gab ihr einen Wink, mitzukommen.
Ein wenig verwundert folgte Veronika dem Vater in den Stall. In einem Verschlag lagen der Eber Bertram und seine Sauen und dösten vor sich hin. Der scharfe Geruch des Schweinekobens stieg Veronika unangenehm in die Nase. Rasch drehte sie sich weg.
Ihr Vater schien das nicht zu bemerken. Er legte seine Hand auf den Bauch der Tochter.
»Nenn es derweil nur einen verdorbenen Magen und einen schlecht frittierten Krapfen. Ich weiß es besser. Gott hat unsere Gebete erhört. Du bist in der Hoffnung. Und es war an der Zeit! Kinder zu bekommen, gehört schließlich zu deinen Pflichten als Ehefrau. Jetzt schau dich genau um, Tochter: Alles, was du hier siehst, wird einmal der da bekommen!«
Dabei klopfte er wieder auf Veronikas Bauch.
»Den Stall, die Getreidefelder, die ganze Gerätschaft«, fuhr er fort. »Und natürlich das Haus. Der Gustl, für den das alles eigentlich bestimmt war, will's ja doch net haben. Aber nun weiß ich wieder, wofür ich so hart arbeite: für meinen Erben, der jetzt endlich heranwächst!«
Veronika wollte am liebsten davonlaufen. Nicht nur die schwielige Hand, die unbeirrt auf ihren Bauch klopfte, war ihr zuwider, sondern vor allem das, was der Vater sagte. Sie wusste ja, wie sehr er sich ein Enkelkind wünschte. Aber sie war nicht schwanger und würde es wahrscheinlich auch nicht so bald werden – wenn überhaupt jemals.
Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, dem Vater das alles zu erklären – er würde ihr ja doch nicht glauben. Also lächelte sie scheu und wandte sich ab.
»Ich muss heim, Vater. Danke für das Mehl, ich werde gleich heute einen Laib Brot backen. Wir sehen uns dann ...«
»Am Sonntag in der Kirch', will ich wohl hoffen!«, vervollständigte der Vater ihren Satz. »Dann werde ich eine Kerze für meinen Enkel anzünden«, schloss er und schob seine Tochter vor sich her aus dem Stall.
Veronika war erleichtert, als sie endlich gehen durfte. Sie liebte ihre Eltern, aber die gedämpfte Stimmung seit dem Bruch mit Gustl und die Frömmlerei der beiden Alten schufen eine bedrückende Atmosphäre. Dazu kamen Erinnerungen an eine arbeitsreiche Kindheit, an eine Jugend, in der sie sich nie verstanden gefühlt hatte.
Während ihren Schulfreundinnen eine unbeschwerte Jugendzeit zugestanden worden war, hatte sie sich jede kleine Freiheit stehlen müssen. Mit der Zeit war sie im Erfinden von »Notlügen« immer geschickter geworden, und es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie gar nicht mehr zwischen wahr und unwahr unterscheiden können.
»Meine Schulfreundin ist krank, ich muss ihr die Hausaufgaben vorbeibringen!«
»Morgen machen wir mit der Schule eine Exkursion, ich komme erst später heim!«
»Ich hab nächste Woche eine wichtige Prüfung und muss am Wochenende lernen!«
Es hatte fast immer geklappt. Wenn die Eltern sie bei einer ihrer Lügen ertappt hatten, waren die Konsequenzen allerdings schlimm gewesen. Im Ausdenken von Strafen war der alte Grubmüller-Franz stets sehr einfallsreich gewesen. Und so war Veronikas Jugendzeit eine Zeit, an die sie sich gar nicht gern erinnerte, denn sie war gespickt von Einsamkeit und schlechtem Gewissen.
Heute wusste Veronika, dass sie durch die Engstirnigkeit ihrer Eltern gleichsam zum Lügen und Betrügen gezwungen worden war, dass sie Unwahrheiten erfunden hatte, nur weil sie eben auch gelegentlich mal mit Gleichaltrigen lustig sein hatte wollen.
Wenn sie daran zurückdachte, fühlte sie sich beschmutzt, und sie schämte sich. Dennoch griff sie auch heute immer wieder auf erfundene Ausreden zurück, die halt schnell einmal aus dem Mund kamen und sich stets als praktisch erwiesen.
Die Wahrheit zu sagen, würde oft nur zu langen, quälenden Diskussionen führen und einen Stress verursachen, der doch vermeidbar war – so dachte Veronika zumindest, wenn sie ihre Lügen vor sich selbst entschuldigte. Seit ihrer Ehe mit Paul kamen ihr diese Unwahrheiten aber immer öfter wie eine Krankheit vor, die sich unaufhörlich in ihrer Seele ausbreitete und sie von innen vergiftete.
Es war an der Zeit, das zu ändern.
***
»Falls ich jemals ein eigenes Kind hab, werde ich es anders machen«, sagte sich die junge Frau, als sie nun die mit Mehl gefüllte Scheibtruhe über die rumpelige Dorfstraße schob. »Oh ja, ich werde schon auch streng und behütend sein, aber ich werde einsehen, dass die Jugend auch mal unter sich sein möchte!«
Als ihr bewusst wurde, welchen verbotenen Gedanken sie da spann, blieb sie abrupt stehen.
»Nein«, sagte sie sich. »Ich darf net daran denken. Ich darf es net wünschen, weil ich sonst ja doch nur enttäuscht werde. Es wird nämlich net sein, dass ich Mutter werde. Ich weiß es genau!«
Sicher war sie jedenfalls, dass sie heute wirklich »nur« unter einer Magenverstimmung litt. Schließlich hatte sie sich noch vorgestern unter quälenden Regelschmerzen gewunden und das Bett erst gegen Mittag verlassen können. Wieder einmal hatten diese schlimmen Stunden ihre Lebensfreude getrübt.
Paul hatte ihr Frauenmanteltee ans Bett gebracht, aber in seinem verschlossenen Gesicht hatte Veronika ablesen können, was er wirklich dachte: