Der Bergdoktor 2211 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2211 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Sorgenvoll blickt Dr. Martin Burger aus dem Fenster der Praxis. Ein schwerer Sturm zieht auf. In seinem Heimatdorf werden in aller Eile Vorkehrungen getroffen. Das Vieh wird in Sicherheit gebracht, die Gondelbahn zum Feldkopf stellt den Betrieb vorzeitig ein, im Herrgottswinkel der meisten Häuser werden Kerzen angezündet.
Der fast schwarze Dezemberhimmel über dem Zillertal verheißt nichts Gutes.
Wenig später geht bereits der erste Notruf im Doktorhaus ein ...


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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Das dunkle Dorf

Vorschau

Impressum

Das dunkle Dorf

Warum in St. Christoph keine Weihnachtsfreude aufkommen wollte

Von Andreas Kufsteiner

Sorgenvoll blickt Dr. Martin Burger aus dem Fenster der Praxis. Ein schwerer Sturm zieht auf. In seinem Heimatdorf werden in aller Eile Vorkehrungen getroffen. Das Vieh wird in Sicherheit gebracht, die Gondelbahn zum Feldkopf stellt den Betrieb vorzeitig ein, in den Herrgottswinkeln der meisten Häuser werden Kerzen angezündet.

Der fast schwarze Dezemberhimmel über dem Zillertal verheißt nichts Gutes.

Wenig später geht bereits der erste Notruf im Doktorhaus ein ...

Sakra, da kommt was auf uns zu!

Johann runzelte angesichts der Werte auf dem Anemometer die Stirn. Der Windmesser zeigte seit einer Stunde stetig steigende Werte an. Wenn sich die Entwicklung so rasant fortsetzte, stand ihnen ein handfester Sturm ins Haus!

Dazu passten auch die Luftdruckdaten. Sie ließen keinen anderen Schluss zu: Ein Unwetter näherte sich dem Zillertal – von einer Stärke, wie sie es lange nicht mehr gegeben hatte.

Angesichts der Wolkenballungen, die sich gut zehn Kilometer hoch auftürmten, vertieften sich die Furchen in Johanns Stirn. Als Meteorologe verließ er sich nicht nur auf die Instrumente in seiner Wetterwarte, sondern auch auf seine Sinne. Und die schlugen gerade kräftig Alarm!

Der Schnee unter seinen Stiefelsohlen knirschte, als er mit langen Schritten in die Station zurückkehrte. Drinnen gab er eine Warnung vor dem nahenden Unwetter durch. Die würde von Radiostationen, Nachrichtensendern und Infokanälen aufgenommen und weitergegeben werden. Auch verschiedene Wetter-Apps stützten sich auf seine Daten. Auf diese Weise würden hoffentlich viele Menschen vor der nahenden Gefahr gewarnt.

Zwar bestand eine Chance, dass der Sturm am Zillertal vorbeizog, aber wenn sich die Windrichtung nicht innerhalb der nächsten Viertelstunde änderte, würde er sie voll erwischen.

Die Wetterwarte stand auf dem Feldkopf, dem höchsten der Berge, welche das kleine Seitental bewachten. Neben der Station gab es noch einen Klimagarten, der nicht mit Grünpflanzen, sondern mit meteorologischen Messstationen bestückt war. Hier gab es Regen- und Windmesser, Thermometer, eine Windfahne und einen Sonnenschein-Autograph. Dazu diverse Sensoren, die gern mal ausfielen und Johann meist mehr Arbeit als Unterstützung boten.

Die Station stand gipfelnah und damit so abgelegen, dass es kaum möglich gewesen wäre, jeden Tag hier herauf zur Arbeit zu gelangen. Aus diesem Grund bewohnte Johann zwei kleine, aber behagliche Zimmer unter dem Dach der Station. Mit den schrägen Wänden und den Bauernmöbeln aus warmem Holz war sein Heim sehr gemütlich.

In der kommenden Nacht würde das allerdings nicht zutreffen, denn das Wetter drohte ausgesprochen ungemütlich zu werden. Hier befand man sich bereits oberhalb der Baumgrenze. Es gab so weit oben nur Schnee und Felsen und keinerlei Schutz durch einen Wald, und so würde der Sturm mit ungebrochener Macht über die Station hereinbrechen.

Von seinem Schreibtisch aus hatte Johann einen freien Blick durchs Fenster auf die Gondelbahn, die in der Nähe auf den Gipfel führte. Im Sommer brachte sie Bergwanderer herauf, jetzt im Winter waren es Skifahrer, welche die Hänge bevölkerten. Gemächlich schwebten die Gondeln an dicken Drahtseilen bergan.

Entschlossen griff Johann zum Telefon und wählte die Nummer der Talstation. Die war an diesem Nachmittag mit dem Bartl-Sepp besetzt. Der brummte etwas in den Hörer, das nicht zu verstehen war. Sepp war herzensgut, aber eben kein großer Redner.

»Sepp? Johann hier. Hör zu, ihr müsst den Betrieb der Gondelbahn für heute einstellen. Ich hab gerade eine Wetterwarnung rausgegeben. Schafft die Leute vom Berg und lasst niemanden mehr herauf. Wir bekommen einen Sturm, wie wir lange keinen hatten. Der könnte euch die Gondeln abreißen.«

»Danke für die Warnung. Wann wird der Sturm ungefähr hier sein?«

»In einer Stunde, maximal zwei. Dann wird's hier heroben reichlich ungemütlich werden. Vom Schnee will ich gar net reden.«

»Alles klar. Kommst du zurecht?«

»Freilich.« Johann hatte kein Problem damit, allein auf dem Berg zu wohnen. Im Gegenteil. Das war ihm gerade recht so. Was er vermisste, würde er auch unten im Dorf nicht finden ... Dass er durch den Schneesturm vielleicht ein paar Tage hier oben festsitzen und vom Rest der Welt abgeschnitten sein würde, störte ihn nicht. Er hatte einen ausreichenden Lebensmittelvorrat und für alle Fälle einen Generator, der ihm Strom liefern würde. Für die Wärme gab es einen Kamin und ein großes Holzlager hinter der Station. Nein, er sorgte sich nicht um sich selbst.

Wohl aber um die Skiwanderer, die gerade an seiner Station vorbeikamen. Bemerkten die nicht, wie kräftig der Wind schon war? Ein leiser Fluch entfuhr ihm.

»Johann? Was ist denn los?«

»Hier sind ein paar Wanderer auf Skiern. Sie scheinen gerade zu einer Tour aufzubrechen.«

»Was? Bei diesem Wetter? Haben die den Himmel net bemerkt?«

»Schaut net danach aus. Ich werde sie warnen. Wir hören uns, Bartl.« Damit warf Johann das Telefon zurück in die Ladeschale, sprang auf und trat hinaus in die winterliche Kälte. Eine Böe fauchte ihm entgegen und trieb ihm einen Schwall bitterkalter Luft entgegen. Unwillkürlich zog er die Schultern hoch. »Hallo?« Er musste die Stimme heben, um von den Wanderern gehört zu werden.

Einer der fünf blieb stehen und stemmte die Skistöcke in den Schnee. Er schob die Skibrille nach oben in seine Mütze und rief: »Servus! Schön habt ihr es hier heroben!«

»Heute ist es nur leider net sicher hier.«

»Entschuldige. Was hast du gesagt?«

»Net sicher!« Johann verspürte keine Lust, diese Unterhaltung den Wind überbrüllend zu führen, deshalb machte er ein paar Schritte durch den Schnee auf die Gruppe zu. »Ein Schneesturm braut sich zusammen. Ihr solltet net weitergehen, wenn ihr net mitten hineingeraten wollt.«

»Ach geh, das ist doch nur ein bisserl Wind. Der bläst uns schon net um.«

»Das ist net nur Wind. Das wird ein handfester Sturm.«

»So arg kann's net sein. Die Bergbahn fährt doch noch.«

»Die bringt nur noch die Leute vom Berg, dann stellt sie den Betrieb für heute ein.«

»Mei ...« Sein Gegenüber rieb sich den dunklen Bart und wirkte nun doch verunsichert. Während er sich mit seinen Begleitern beriet, rieselten die ersten Flocken vom Himmel. Es dauerte nicht lange, dann schneite es kräftiger.

Johann schaute prüfend in den Himmel. Der färbte sich allmählich in einem unheilvollen Violett. Wie die Warnung vor einem drohenden Unheil ...

***

»Sag mal, Martin, hast du auch das Gefühl, dass das hier keine gute Idee ist?« Dominikus Salt musste seine Stimme heben, um über das Fauchen des Sturms gehört zu werden. Der fegte wie ein wütendes Raubtier über die weißen Hänge des Zillertals, wirbelte den Schnee hoch und drohte alles und jeden umzureißen, der ihm in den Weg geriet.

»Fällt dir das jetzt erst auf?«, gab Martin Burger trocken zurück. »Ich hatte schon bei unserem Aufbruch ein mulmiges Gefühl. Ganz zu schweigen von ein paar erfrorenen Zehen.«

Sein Begleiter warf ihm ein schiefes Lächeln zu. »Wir mussten ja unbedingt der Bergwacht beitreten, oder?«

»Tja, wo sonst erlebt man bei jedem Einsatz ein Abenteuer?«

»Darauf könnte ich gern verzichten, wenn ich stattdessen daheim am warmen Kamin sitzen und lesen könnte. Manchmal frag' ich mich, ob ich net langsam zu alt für diese Einsätze werde. Ich spüre sie immer länger in den Knochen.«

»Einmal Bergwachtler, immer Bergwachtler. Davon kommen wir nimmer los.«

»Nein, wohl net.« Sein Begleiter hatte seinen Schal über Mund und Nase gezogen. Kleine kristallklare Eisbrocken klebten in der Wolle. Auch an seinen Augenbrauen hafteten Schnee und Eis. Als er ein paar Schritte machte, verschwamm seine sehnige Gestalt im Schneetreiben zu einem dunklen Schemen.

Martin Burger schaltete seine Stirnlampe ein. Die brachte jedoch nicht viel. Der Flockenwirbel schluckte das Licht wie ein Fisch einen Köder.

»Wir müssen weiter.« Dominikus setzte sich wieder in Bewegung. Vornübergebeugt stemmte er sich gegen den Sturm.

Martin Burger folgte ihm. Ein Blick zurück ins Tal entlockte ihm ein Seufzen. Die Lichter der Bauernhöfe waren hinter dem Schneetreiben kaum noch auszumachen. Von seinem Haus oder seiner Praxis war gar nichts mehr zu erkennen. Nein, das war wirklich kein Wetter, um in den Bergen herumzuspazieren.

Seine Sprechstunde war gerade zu Ende gewesen, als der Notruf eingetroffen war. Am Steinbock-Kar war ein Mann in Bergnot geraten. Er schaffte es aus eigener Kraft nicht mehr ins Tal. Seine genaue Position war nicht bekannt. Der Anruf war abgebrochen, bevor die Leitstelle mehr in Erfahrung bringen konnte. Aus diesem Grund waren nun zwei Teams der Bergwacht unterwegs, um nach ihm zu suchen. Sie nahmen unterschiedliche Wege, um ihn so schnell wie möglich zu finden.

Die rapide fallenden Temperaturen bereiteten Martin Burger Sorgen. Der Verletzte war ihnen schutzlos ausgesetzt. Wenn sie ihn nicht schleunigst fanden, sanken seine Überlebenschancen.

Martin Burger schob die Daumen unter die Riemen seines Einsatzrucksacks. Ebenso wie sein Begleiter trug er Schneeschuhe, um nicht bis zu den Knien in den Schnee einzusinken. Das hätte ihr Vorwärtskommen immens erschwert.

Er führte eine Hausarztpraxis unten in St. Christoph. Weil er immer ein offenes Ohr für die Sorgen seiner Patienten hatte, wurde er überall ›Bergdoktor‹ genannt. Nebenher half er seit vielen Jahren bei der Bergwacht mit und hatte schon genügend Unwetter durchgestanden, um zu wissen, dass der aktuelle Sturm noch lange nicht sein volles Potential entfaltet hatte.

»Legen wir einen Schritt zu«, schlug er vor. »Der Himmel gefällt mir gar net.«

»Einverstanden«, stimmte sein Begleiter zu. »Ich habe net vor, das Weihnachtsfest hier heroben zu verbringen. Ich fühle mich jetzt schon wie ein Eiszapfen.«

»Wir tauen dich nachher schon wieder auf. Wenn wir zurück sind, kannst du dir einen heißen Tee machen.«

»Da wird es schon mehr brauchen, um den Frost aus meinen Knochen zu vertreiben. Ein schönes warmes Bad mit reichlich knisterndem Schaum. Dazu ein leckerer Glühwein ...« Ein sehnsüchtiges Schnaufen begleitete seine Worte.

»Klingt wirklich gut ... Sakra, sind wir eigentlich noch auf dem Höhenpfad?« Martin Burger kniff die Augen zusammen, um sich zu orientieren. Der Weg, der sich über den Höhenrücken des Hexensteins schlängelte und zum Steinbock-Kar führte, war im Sommer beliebt bei den Wanderern. Jetzt im Winter war er unter dem Schnee nur zu erahnen. Hier und da verriet eine verschneite Bank, dass sie noch richtig waren. Doch sie waren schon eine ganze Weile nicht mehr an einer vorbeigekommen.

Das Schneetreiben und die hereinbrechende Dunkelheit machten es schwer, mehr als wirbelnde Flocken auszumachen.

Und die Sicht wurde wegen der Dämmerung immer schlechter!

Sein suchender Blick streifte eine Erhebung unter dem Schnee.

Eine Bank.

Gut. Also weiter! Energisch stemmte er sich gegen den Sturm und kämpfte sich voran. Seiner Schätzung nach mussten sie bald da sein, aber noch war vom Steinbock-Kar nichts zu erkennen.

Das Kar war eine kesselförmige Vertiefung an einem Berghang, der vom Hexenstein wegführte. Die Form des Kars erinnerte an einen Lehnsessel. Ausgeschürft worden war sie vor langer Zeit von einem Gletscher.

»Und wir wissen net, wer hier oben verunglückt ist?«, vergewisserte sich Dominikus.

»Leider net. Der Anrufer war durch die Sturm schlecht zu verstehen. Das Gespräch brach ab, bevor der Telefonist in der Leitstelle mehr erfahren konnte. Es war unmöglich die Verbindung wieder herzustellen.«

»Dann ist entweder der Akku leer oder ...« Dominikus brach ab, aber sein gedehntes »oder« verriet, welche Sorgen er sich um den Verunglückten machte. »Es war aber auch ein Leichtsinn, bei diesem Wetter in die Berge zu gehen.«

»Wer weiß, wann er aufgebrochen ist. Heute Mittag sah es noch net so schlimm aus.«

»Auch wieder wahr. Ich werde mal Andy und Lisa anfunken.« Dominikus nahm das Sprechfunkgerät zur Hand und stellte den Kontakt zu dem anderen Team her. Doch seine Frage nach einem Hinweis auf den Verunglückten verneinten sie. »Gebt durch, sobald ihr etwas wisst«, bat er und schob das Funkgerät zurück in die Tasche seiner Einsatzjacke. Die war mit reflektierenden Streifen besetzt, welche im Schein der Stirnlampen schimmerten.

Der Sturm fauchte den Bergrettern entgegen und machte ihnen das Atmen schwer. Schweigend kämpften sie sich vorwärts, setzten Fuß um Fuß über das Weiß.

Sie waren mit dem Einsatzfahrzeug bis zum Wanderparkplatz gefahren. Weiter ging es nicht, weil der hohe Schnee die Wege unbefahrbar machte. Gut fünf Kilometer waren es vom Parkplatz bis zum Kar. Bei schönem Wetter war der Weg leicht zu begehen. In diesem Hexenkessel aus Schnee und eisiger Kälte dehnte er sich jedoch schier endlos.

Es kam Martin Burger so vor, als wären sie seit Stunden unterwegs. »Das ist wirklich mal eine Herausforderung«, murmelte er.

»So kann man´s auch nennen«, brummte sein Begleiter.

»Wie würdest du es denn nennen?«

»Einen Höllentrip. Wenn wir den Verletzten net bald finden ...«

»Das haben wir vielleicht gerade. Schau mal! Da vorn!« Martin Burger entdeckte einen Lichtschein, der im Flockenwirbel flackerte. An und aus. An und aus. Dreimal kurz hintereinander. Dreimal lang. Dreimal kurz. Dann von vorn. Das waren Morsezeichen aus Licht. SOS. Ein Hilferuf!

Die beiden Bergretter beschleunigten ihre Schritte.

Es dauerte trotzdem noch mehr als eine Viertelstunde, bis sie den Verletzten erreichten. Hier bot sich ihnen ein alarmierender Anblick. Eine Schleifspur im Schnee, Blutspritzer und mehrere Steine unterschiedlicher Größe, die sich deutlich vom Weiß abhoben.

Der Bergdoktor verspürte plötzlich einen dumpfen Druck im Magen. Die Steine waren noch nicht weiß vom Schnee, was bedeutete, dass sie frisch hierher abgerutscht waren. Ein Steinschlag! Dazu passte auch die Schleifspur, die von weiter oben hierherführte.

Damit lag auf der Hand, wie der Skiwanderer verletzt worden war: Er war in den Steinschlag geraten!

Er wechselte einen alarmierten Blick mit seinem Begleiter. Dominikus wirkte ebenso besorgt wie er. In aller Eile schnallten sie ihre Skier ab. Während Dominikus ihre Position per Funk durchgab und um Verstärkung bat, kniete sich Martin Burger neben den Verunglückten.

Blut zeichnete sich neben dem Kopf des Verletzten im Schnee ab. Dazu gelbliches Erbrochenes. Es ließ ihn eine Schädelverletzung befürchten.

Der Verletzte stöhnte rau und reagierte nur mit undeutlichem Murmeln auf seine Ansprache. Seine rechte Hand klammerte sich um seine Taschenlampe. Er trug warme Skikleidung und hatte Skistiefel an. Seine Schneeschuhe hatte er entweder abgeschnallt oder verloren. Jedenfalls waren sie nirgendwo zu sehen. Seine rechte Schulter stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Sie schien gebrochen zu sein. Auch der Arm war in Mitleidenschaft gezogen. Sein linkes Bein lag noch unter einem Felsbrocken begraben.

Martin Burger wollte fluchen, unterdrückte es aber. Er zog behutsam die Kapuze seines Patienten zur Seite, um sich ein Bild von der Verletzung zu machen.

Darunter kam ein bleiches, bärtiges Gesicht zum Vorschein.

Ein vertrautes Gesicht!

»Grundgütiger«, murmelte er. »Das ist ja unser Lehrer!«

»Was sagst du da?« Dominikus lehnte sich herüber und schnappte nach Luft. »Sakra, das ist gar net gut.«

»Nein, ist es net.« Eine hässliche blutende Wunde zog sich über Stirn und Schläfe des Lehrers. Blutergüsse zeichneten sich um seine Augen wie eine Brille.

Eine kurze Überprüfung der Vitalwerte ergab einen schwachen Puls und eine flache, rasselnde Atmung.

»Herr Werth? Können Sie mich hören?« Martin Burger zog eine Rettungsdecke aus seinem Rucksack und breitete sie über seinem Patienten aus. Das Wenige an Körperwärme, das ihm geblieben war, musste bis zum Eintreffen der Verstärkung unbedingt erhalten werden.

Der Verletzte stöhnte wieder.

Dr. Burger legte einen venösen Zugang und führte dem Lehrer Flüssigkeit zu. Er tat alles, um seinen Kreislauf in Gang zu halten. »Kommen Sie, Herr Werth«, mahnte er sacht. »Bleiben Sie wach. Das ist wichtig.« Thomas Wert unterrichtete die kleinen Klassen in seinem Heimatdorf. Er war bei den Kindern beliebt, denn er besaß Humor und ein riesengroßes Herz. Doch seine Arbeit würde er auf absehbare Zeit nicht ausüben können. So schwer verletzt, wie er war.

»Mei, Martin ...« Dominikus sah ihn sorgenvoll an. »Er wird für mehrere Monate ausfallen, das sehe sogar ich, und ich bin kein Arzt. Damit droht unserer Schule die Schließung.«

»Malen wir net gleich so schwarz.«

»Das tue ich net. Ich erinnere mich nur. Weißt du nimmer? Im letzten Winter hatte Herr Werth die Grippe. Damals war er wochenlang krank und die Behörde fand keinen Vertreter und erwog, die Schule ganz zu schließen. Damals war es knapp, und diesmal werden sie ganz sicher zusperren. Damit blüht den Kindern täglich die lange Fahrt mit dem Bus nach Mayrhofen zum Unterricht. Falls die Straße net mal wieder wegen Schnee, Eisglätte oder Baumbruch gesperrt wird.«