Der Bergdoktor 2213 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2213 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Auf dem Oberwegner-Hof sind alle überglücklich, dass die Jungbäuerin Mareike ihr erstes Kind erwartet. Nicht nur Kilian, ihr Mann, auch die Schwiegereltern sorgen sich rührend um sie und nehmen ihr alle schweren Arbeiten ab. Mareike soll sich schließlich schonen! Ihretwegen verzichtet Kilian sogar auf seine geliebten Bergtoren. Nicht auszudenken, was aus ihr und dem Kindl werden sollte, wenn ihm etwas zustieße!
Dennoch fällt auf, dass Mareike in letzter Zeit bedrückt wirkt. Auf ihr lastet ein Geheimnis, das sie ihrem Mann nicht anzuvertrauen wagt. Es scheint sogar, als ginge sie ihm absichtlich aus dem Weg. Dann ist Silvester. Wie jedes Jahr feiert man auf dem Hof im kleinsten Kreis feiern. Zu Mitternacht wünscht Kilian seiner Mareike ein gutes neues Jahr - immerhin ist es ein ganz besonderes: das Geburtsjahr ihres Kindes.
Mareike wird bei diesen Worten blass und begreift, dass sie ihre Lüge nicht mehr länger durchhalten kann. Für Kilian ist ihr Geständnis ein Schock. Um seine Gedanken zu ordnen, bricht er früh am Neujahrsmorgen zu einer Gipfeltour auf. Er braucht dringend Abstand von Mareike, er braucht die Klarheit, die er nur auf dem Berg finden kann. Denn für ihn gilt es, seine Ehe zu überdenken. Und eine Entscheidung zu treffen ...


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Seitenzahl: 121

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Sein letzter Aufstieg

Vorschau

Impressum

Sein letzter Aufstieg

Unterm Gipfelkreuz will er eine Entscheidung treffen

Von Andreas Kufsteiner

Auf dem Oberwegner-Hof sind alle überglücklich, dass die Jungbäuerin Mareike ihr erstes Kind erwartet. Nicht nur Kilian, ihr Mann, auch die Schwiegereltern sorgen sich rührend um sie und nehmen ihr alle schweren Arbeiten ab. Mareike soll sich schließlich schonen! Ihretwegen verzichtet Kilian sogar auf seine geliebten Bergtoren. Nicht auszudenken, was aus ihr und dem Kindl werden sollte, wenn ihm etwas zustieße!

Dennoch fällt auf, dass Mareike in letzter Zeit bedrückt wirkt. Auf ihr lastet ein Geheimnis, das sie ihrem Mann nicht anzuvertrauen wagt. Es scheint sogar, als ginge sie ihm absichtlich aus dem Weg. Dann ist Silvester. Wie jedes Jahr feiert man auf dem Hof im kleinsten Kreis feiern. Zu Mitternacht wünscht Kilian seiner Mareike ein gutes neues Jahr – immerhin ist es ein ganz besonderes: das Geburtsjahr ihres Kindes.

Mareike wird bei diesen Worten blass und begreift, dass sie ihre Lüge nicht mehr länger durchhalten kann. Für Kilian ist ihr Geständnis ein Schock. Um seine Gedanken zu ordnen, bricht er früh am Neujahrsmorgen zu einer Gipfeltour auf. Er braucht dringend Abstand von Mareike, er braucht die Klarheit, die er nur auf dem Berg finden kann. Denn für ihn gilt es, seine Ehe zu überdenken. Und eine Entscheidung zu treffen ...

Dieser Winter hatte den Bewohnern von St. Christoph im Zillertal wieder einmal weiße Weihnachten beschert. Doch seit Heiligabend schneite es nicht mehr. Die Wintersonne strahlte auf die Berghänge hinab und ließ den Schnee und das Eis dort tauen.

Auch der siebenundzwanzigste Dezember war ein klarer, sonniger Tag. Auf einem kleinen Berghof am Fuße des Achenkegels arbeitete die Oberwegnerin in ihrem Garten. Sie war eine praktisch veranlagte, herzliche Frau und mit ihren sechzig Jahren noch immer flink und rüstig.

Soeben hatte sie den letzten Grünkohl des Jahres aus den Beeten geerntet. Nun richtete sie sich auf, zog die Gartenhandschuhe aus und rieb sich den Rücken. Da sah sie, wie ihre Schwiegertochter Mareike mit einem schweren Wäschekorb in beiden Händen über die Außentreppe des Kellers hinaufstieg. Das Madel hielt auf die Wäscheleinen hinter dem Garten zu.

Außer Atem blieb sie oben auf der Treppe stehen. Ihre nussbraunen Locken waren zerzaust, ihre Wangen von der Kälte gerötet.

»Kind!«, rief die Oberwegnerin entsetzt und eilte zu ihrer Schwiegertochter. »Lass doch die Wäsche. Die ist viel zu schwer für dich.«

»Ach, das geht schon«, wehrte Mareike ab. Sie war eine hübsche, zierliche junge Frau und stand unübersehbar in der Hoffnung: Unter dem Dirndl zeichnete sich bereits die Wölbung eines Babybäuchleins ab.

Anna Oberwegner ließ sich nicht beirren und drehte sich suchend um.

»Kili!«, schrie sie gellend in Richtung Stall.

Sogleich eilte ihr Sohn herbei. Kilian Oberwegner war ein hochgewachsener, langbeiniger Bursche von neunundzwanzig Jahren. Seine treue Hündin Mädi, ein Huskymischling mit den stechend blauen Augen ihrer Rasse, folgte ihm wie meistens auf dem Fuße.

»Was gibt's denn, Mama?«, erkundigte sich Kilian. Doch er musste wohl sogleich sehen, warum sie gerufen hatte. Rasch wandte er sich Mareike zu. »Lass mich die Wäsche tragen«, bat er sie und versuchte ihr den schweren Korb abzunehmen.

Mareike hielt ihn fest. Kilian jedoch war stärker. Sanft, aber unnachgiebig entwand er ihr die Last.

»Ich hätte sie schon selbst tragen können«, beharrte Mareike. »So schwach bin ich net.«

»Ich weiß, dass du drei volle Maßkrüge in jeder Hand tragen kannst«, entgegnete Kilian lachend. »Ich hab die Fotos vom Münchner Oktoberfest ja gesehen.« Sein Blick glitt hinab zu ihrer Brust. Der Balkonausschnitt des Dirndls auf den Fotos hatte Mareikes Rundungen ganz besonders reizvoll betont.

Nun aber, als verheiratete Frau, trug sie hochgeschlossene Blusen. Unter seiner Musterung wandte sie den Kopf. Sie wich Kilians Blick aus und wirkte einen Moment lang bedrückt. Ja, fast hätte man sagen können beschämt.

Kilian bückte sich und setzte den Wäschekorb ab. Anschließend richtete er sich auf und griff nach Mareikes Hand. Er nahm ihre schlanken Finger in seine kräftigen und drückte sie.

»Du brauchst net zu glauben, ich wäre auf die Burschen von dort eifersüchtig«, beruhigte er sie. »Die haben dich doch nur ein paar Stunden lang anschauen dürfen. Ich hab dich fürs ganze Leben. Dich und ...« Lächelnd wies er auf die Wölbung ihres Bäuchleins.

Mareike entzog ihm ihre Hand.

»Ich muss in die Kuchel«, murmelte sie. »Und schauen, ob der Schweinsbraten auch net im Rohr verbrennt.« Mit diesen Worten eilte sie davon.

»Bleib ruhig drin! Ich hänge die Wäsche schon für dich auf!«, rief ihr Anna hinterher.

Verwundert schaute Kilian seiner Frau nach. Ging es ihr wirklich um den Schweinsbraten? Der war doch von gestern und brauchte bloß noch aufgewärmt zu werden. Dass man am siebenundzwanzigsten Dezember die Reste des Weihnachtsmahls aß, hatte sich auf dem Hof schon vor Jahren eingebürgert. In der Küche gab es heute daher nur wenig zu tun. Warum dann Mareikes Eile? Fast hätte man meinen können, dass sie vor ihm floh!

Er schüttelte über sich selbst den Kopf, bückte sich nach dem Korb und hob ihn in seine Arme. Dann begleitete er seine Mutter zu den Wäscheleinen hinter dem Garten. Mädi folgte ihm wie ein schwarz-weiß-grau gefleckter Schatten.

Sie waren fast dort, da schloss der Wind mit einem Knall die Haustür hinter Mareike. Mädi blieb stehen. Sie wandte sich nach dem Lärm um und stieß ein typisches Husky-Heulen aus. Ihre Ohren zuckten.

»Sie ist so ein tüchtiges Madel, unsere Mareike«, sagte die Oberwegnerin beim Aufhängen der Wäsche. »Sie mutet sich halt ein bisserl viel zu. Wie oft hab ich ihr net schon gesagt, dass sie net alles allein zu machen braucht. Wir halten als Familie in so einer Situation zusammen. Sie soll sich doch ruhig helfen lassen. Mutter werden ist ein Knochenjob und Mutter sein auch!«

Kilian hielt für sie den Korb auf Hüfthöhe, damit sie sich nicht zu bücken brauchte. Er lauschte geduldig, wenn auch nur mit halbem Ohr. Zwar deckte sich seine Meinung genau mit der seiner Mutter, jedoch hatte er das alles schon zu oft gehört. Sie neigte dazu, sich zu wiederholen.

»Ja mei. So ist sie halt«, warf er zwischendurch ein, als eine Wortmeldung angebracht erschien.

Und so war sie alleweil gewesen, seine Mareike. Sogar schon als kleines Madel, wenn man nach dem ging, was sie ihm erzählt hatte.

Als einziges Kind berufstätiger Eltern in Wien hatte sie früh für sich selbst sorgen müssen. Nach der Schule war sie in die leere Wohnung gekommen. Sie hatte sich das Essen gewärmt, später auch frisch gekocht und eigenständig die Hausaufgaben erledigt.

Mit achtzehn war sie von daheim ausgezogen. Sogar jetzt noch behandelten ihre Eltern sie wie eine Fremde – sehr zum Kummer der Oberwegnerin. Umso herzlicher hatten sie und ihr Mann die Schwiegertochter auf dem Hof aufgenommen. Vor allem Kilians Mutter ließ keine Gelegenheit aus, um zu betonen, dass ihr Mareike genauso lieb war wie eine leibliche Tochter.

»Es fällt ihr halt schwer«, sagte Kilian, »darauf zu vertrauen, dass wir für sie da sind. In jeder Lebenslage. Egal, was kommt.«

»Ich weiß.« Seufzend klammerte Anna ein kariertes Geschirrtuch an die Leine und klopfte ihrem Sohn dann liebevoll auf die Schulter. Sie musste sich dafür ordentlich strecken, denn Kilian überragte sie um mehr als einen Kopf. »Aber du würdest alles für sie tun. Und für das Butzerl. Das wird sie schon noch merken.«

Geistesabwesend nickte Kilian. Sein Blick wurde von einer Dohle angezogen, die aufflatterte und zum Gipfel flog. Sechs Berge, allesamt nun tief verschneit, umringten St. Christoph und den kleinen Hof etwas oberhalb des Ortes. Der Hang, auf dem er lag, gehörte zum mächtigen Achenkegel. Das Gipfelkreuz an dessen Spitze hob sich als schwarzer Schatten vor dem Blau des Dezemberhimmels ab.

Etwas von Kilians Sehnsucht musste sich auf seinen Zügen spiegeln.

»Hab ich net gerade gesagt, du würdest alles für sie und das Butzerl tun?«, ermahnte seine Mutter ihn nämlich streng. »Das heißt aber auch, dass es mit dem Herumkraxeln auf den Bergen vorbei ist, gell! Wenigstens für die nächsten paar Jahre. Die Mareike und das Kleine brauchen dich nötiger als irgendein Gamsbock da droben.«

Sie warf ihm einen beschwörenden Blick zu.

»Was sollt aus ihnen und aus uns allen werden, wenn du in eine Lawine kommst, Bub? Oder von irgendeinem Felsen stürzt und dir den Hals brichst?« Sie drehte sich rasch weg und griff erneut in den Korb. Doch er sah, wie ihre Lippen bebten.

Ein Seufzer entfuhr Kilian. Die Kraxelei auf den Bergen war seiner Mutter alleweil schon ein Dorn im Auge gewesen. Sie verstand einfach nicht, was ihn daran so reizte. Aus ihrer Sicht war jede Tour bloße Tollkühnheit, und man begab sich nur unnötig in Gefahr. Nie hatte er ihr begreiflich machen können, wie schön es war, auf einem Gipfel zu stehen und sich ganz klein zu fühlen. Eine winzige Ameise im Vergleich zum ganzen Rest von Gottes gewaltiger Schöpfung.

So ein Gefühl konnte jeder hin und wieder gebrauchen. Erst recht ein fast zwei Meter großer Bursche, ein Hoferbe noch dazu, den seine Eltern auch mit neunundzwanzig Jahren noch hin und wieder zu verhätscheln versuchten.

Aber die Oberwegnerin ließ sich nicht dazu überreden, auf einen Berg zu steigen. Ja, sie war geradezu stolz darauf, dass sie am Fuße des Achenkegels wohnte und noch nie auf seinem Gipfel gestanden hatte! Als es mit ihrem Sohn und Mareike ernst geworden war, hatte sie gehofft, Kilians Braut würde ihm die Kraxelei verbieten.

Das hatte Mareike jedoch nie getan. Sie gehörte zu den Madeln, die ihren Burschen Freiraum ließen. Genau das schätzte Kilian an ihr. Im Gegenzug erwartete sie, dass auch er sie nicht auf dem Hof einsperrte. Und Kilian hatte kein Wort dagegen gesagt, wenn sie wieder einmal nach Innsbruck zu ihrer besten Freundin gefahren war. Öfter auch ohne ihn und über Nacht. Er vertraute Mareike.

Seit sie schwanger war, blieb sie lieber daheim. Trinken durfte sie jetzt ja ohnehin nichts. Aber selbst die Café- und Theaterbesuche reizten sie nicht mehr so wie früher.

Was konnte er da anderes tun, als ihrem guten Vorbild zu folgen? Um des ungeborenen Kindes willen ließ er die gefährliche Kraxelei sein. Auch wenn ihn das an einem Tag wie heute schmerzte.

Anna zog ein nasses Handtuch aus dem Korb und verpasste ihm damit einen leichten Klaps.

»Jetzt mach net ein Gesicht, als hätt dir einer die Leberwurst vom Brot genommen«, befahl sie ihm streng. »Ich kenn doch diesen Blick!«

Sie schniefte und wischte sich mit einem Zipfel des Handtuchs rasch und verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Du wirst sehen, wenn das Butzerl erst auf der Welt ist, schaut sowieso alles anders aus. Dann denkst du die ersten paar Jahre gar nimmer an deine Gipfel. Dann gibt's hier auf dem Hof was viel Wichtigeres für die Mareike und dich.«

»So wird's sein«, stimmte er friedfertig zu, und halb glaubte er es auch. Dennoch schweifte sein Blick erneut zum Gipfelkreuz des Achenkegels.

***

Mareike war spät dran. Sie eilte aus dem Haus, so rasch ihr Zustand es zuließ. Auf halbem Weg zur Garage hörte sie ihren Namen.

Atemlos blieb sie stehen und warf einen Blick über die Schulter zurück. Kilian joggte hinter ihr her. Und dank seiner längeren Beine hatte er sie im Nu eingeholt. Mädi war ihm gefolgt. Nun drängte sie sich zwischen ihn und Mareike und rieb ihren Kopf an deren Dirndl.

Mit einem wehmütigen Lächeln beugte sich das Madel herab und kraulte die Hündin hinter den Ohren. Anfangs hatte sie Zweifel gehegt, was das Zusammenleben mit dem Huskymischling anging. Mareike kam aus Wien. Als Kind hatte sie sich oft geärgert, dass die Leute ihre Hunde nicht an der Leine führten und dass Gehsteige, Wiesen und Spielplätze voller Hundekot waren.

Seitdem sie Mädi kannte, hatte sich ihre Einstellung Hunden gegenüber geändert. Der Huskymischling war ein treuer, gut erzogener Hofhund. Ein Tier, das die Bezeichnung »der beste Freund des Menschen« verdiente. Es hatte nicht lange gedauert, bis Mareike sie ebenso ins Herz geschlossen hatte wie Kilian. Und Mädi gehorchte nun auch ihr aufs Wort.

»Wo wollen meine zwei Madeln denn heut hin?«, pflegte Kilian zu scherzen, wenn Mädi ihr Frauchen auf deren abendlicher Joggingrunde durch den Wald begleitete.

Wenigstens war das vor Mareikes Schwangerschaft so gewesen. Die Erinnerung versetzte ihr einen schmerzhaften Stich.

»Warum hast du's so eilig?«, fragte Kilian nun.

Einen Herzschlag lang war sie in der Erinnerung gefangen und konnte nicht antworten.

»Net dass ich dich auf dem Hof einsperren wollt!«, versicherte er ihr lächelnd. »Ich hab mir nur gedacht ...« Er warf einen raschen Blick zurück in Richtung Haus. »... wenn die Mama schon den Abwasch übernimmt, könnten wir zwei ein Stückerl in den Wald wandern. Zu unserem Platzerl. Da waren wir ein paar Wochen nimmer.«

»Das geht net«, erklärte Mareike ihm. »Ich muss doch hinunter nach St. Christoph zu Doktor Burger. Wegen der Vorsorgeuntersuchung.«

»Sakra! Das hab ich ganz vergessen.« Mitfühlend verzog Kilian das Gesicht. »Nimmt er dir wieder Blut ab, so wie beim letzten Mal?«

»Hoffentlich net!«, entfuhr es ihr.

Kilian zwinkerte ihr zu.

»Wenn er mit der Nadel kommt, stell dir einfach vor, er wär eine Gelse«, riet er ihr scherzhaft. »Einmal sticht sie zu, und schon ist's wieder vorbei.«

Mareike gluckste. Genau das liebte sie an Kilian: sein Verständnis für sie und ihre Sorgen. Und dass er sie stets aufheiterte, wenn etwas sie bedrückte. Er selbst war ein kerniger Gebirgler, hart im Nehmen. Einmal hatte er sich bei Holzarbeiten im Wald das Bein gebrochen und kaum einen Schmerzenslaut von sich gegeben. Er war sogar mit zusammengebissenen Zähnen nach Hause gehumpelt, statt auf seinen Vater mit dem Traktor zu warten.

Trotzdem wäre es ihm nie eingefallen, sich über Mareikes Angst vor Spritzen lustig zu machen. Oder auch darüber, dass sie es nicht fertigbrachte, am Morgen eines Schlachttags in den Stall zu gehen.

»Die Stierkälber schauen mich an, als wüssten sie, was ihnen bevorsteht«, hatte sie ihm beim ersten Mal gestanden. »Als würden sie's mir nachtragen.«

Kilian hatte wortlos seine starken Arme um sie geschlungen und sie an seine breite Brust gedrückt. Eine Weile hatten sie so in stiller Umarmung auf dem Hof gestanden.

Danach war er allein in den Stall gegangen und hatte den Mastkälbern ihre letzte Morgenmahlzeit verabreicht. Und als ihre Zeit gekommen war, hatte er einen Stier nach dem anderen über die Rampe in den Schlachttransporter geführt. Mareike hatte sich nicht aus dem Haus gewagt, aber durchs Stubenfenster sein trauriges Lächeln gesehen.

Der Jungbauer liebte seine Tiere. Doch er scheute nicht davor zurück, das zu tun, was getan werden musste. Er war eben Bauer mit Leib und Seele. Der beste Mann, den sie kannte.

Nun schenkte er ihr ein Lächeln, bei dem ihr zugleich warm und kalt wurde.