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Sissi Weidner hat einen Traum: Sie möchte einmal Almwirtin auf der Schöneck-Alm werden und nicht nur die Gäste verwöhnen, sondern auch Tradition und neue, frische Ideen miteinander verbinden. Seit mehr als vierzig Jahren ist Egid Luger, dem die Almwirtschaft und die angrenzenden Wiesen gehören, immer darum bemüht, einen perfekten Service zu bieten. Dank Sissis Hilfe sind die Gäste des Lobes voll. Es könnte ein wunderbarer Frühling werden, aber Egid - der inzwischen über siebzig ist - erkrankt schwer und verliert den Boden unter den Füßen.
Als er plötzlich eines Morgens nicht mehr in seinem Haus ist, findet man ihn am Antoniuskircherl im Achenwald. Dr. Burger kann nur noch seinen Tod feststellen.
Sissi ist sofort bereit, die neue Almwirtin zu werden, obwohl man im Dorf skeptisch ist. Wird sie es schaffen? Und außerdem - eine junge, hübsche Frau als Wirtin auf einer Alm - unmöglich!
Das findet auch Egids Neffe Julian, der als Erbe seines Onkels große Pläne hat. Er will auf der Alm einige Chalets bauen, schicke Ferienquartiere für Menschen, die das Besondere lieben. Die Almwirtschaft soll verschwinden!
Sissi ist außer sich. Nie und nimmer wird sie das zulassen! Und so streiten sich Julian und Sissi immer wieder über das leidige Thema, bis Dr. Burger energisch eingreift ...
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Seitenzahl: 116
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Egal, was die anderen denken
Vorschau
Impressum
Egal, was die anderen denken
Als Almwirtin lebt Sissi ihren Traum
Von Andreas Kufsteiner
Sissi Weidner hat einen Traum: Sie möchte einmal Wirtin auf der Schöneck-Alm werden! Egid Luger, dem die Almwirtschaft und die angrenzenden Wiesen gehören, ist das Madel jetzt schon eine unentbehrliche Hilfe. Immerhin ist er über siebzig und spürt die Mühen des Alters.
Als er eines Morgens die Tür nicht öffnet, ruft Sissi aus einer Ahnung heraus den Bergdoktor zu Hilfe. Der kann nur noch Egids Tod feststellen.
Jetzt muss Sissi beweisen, dass sie als junge, bildhübsche Frau allein auf der abgelegenen Alm zurechtkommt und ihr Traum nicht zum Albtraum wird ...
Frühlingserwachen im Zillertal!
Endlich gab es sie wieder, die grünen Wiesen, auf denen man nur noch ganz vereinzelt das eine oder andere Tüpferl Schnee sah, das der Winter vergessen hatte. Er hatte sich nach anfänglichem Zögern so schnell davongemacht, dass es ihm gerade noch halbwegs gelungen war, ein paar Eiszapfen in seinem frostigen Gepäck zu verstauen. Zwei, drei Tage später, dann wären von den Zapfen nur einige spärliche Wassertropfen übrig geblieben. Denn der Frühling – heiter und mit wunderbaren Farben – war in Begleitung guter Freunde gekommen, die ihm gern zur Seite standen.
Da war zunächst einmal der milde Wind, der einen zarten Duft aus südlichen Gefilden mitbrachte und erstaunlich schnell die heimischen Frühjahrsblumen aus dem Winterschlaf weckte. Die Vögel zwitscherten und sangen wieder ihre melodischen Liedchen, in den Wiesen und Bächen wurde es lebendig, und wenn man genau hinschaute, sah man droben über den Gipfeln dieses ganz bestimmte Leuchten, das es nur im Frühling gab.
Die beste Freundin des Frühlings war zweifellos die Sonne. Sie besaß nicht nur Zauberkräfte, sondern wärmte auch die Herzen der Menschen, die im Winter ein bisschen »eingefroren« waren.
Jeden Tag gab es ein anderes Wunder zu bestaunen. Zuerst waren nur die Schneeglöckchen da gewesen, danach die Krokusse, die Primerln auf den Wiesen und am Bach, die blauen Veilchen zusammen mit ihren Schwestern, den hellblauen Vergissmeinnicht. Rosa und weiße Blüten an Sträuchern und Bäumen ließen sich von den Sonnenstrahlen verwöhnen und warteten auf den »Besuch« von Bienen und Schmetterlingen.
Im Kirchgässl mitten in St. Christoph blühte es in den Vorgärten um die Wette. Wenn man vom Kirchplatz kam, sah man es schon, das Meer der tausend und abertausend Blüten. Ein Frühlingstraum – einer von vielen Träumen, die in dieser wunderbaren Zeit so manches Herz höher schlagen ließen. Und welcher frisch Verliebte flüsterte jetzt seinem Schatz nicht ins Ohr: »Willst du heut' Abend nicht länger bei mir bleiben?«
Wie schnell konnte aus einem Frühlingsabend eine verzauberte Nacht werden ...
Das Schönste am diesjährigen Frühling war, dass er früher begann als sonst. Zum Osterfest versteckte der Osterhase drunten im Tal die bunten Eier bereits im grünen Gras, rund um die Nester leuchteten die ersten gelben Schlüsselblümchen. Eigentlich waren sie ja recht bescheiden, diese kleinen Frühlingsboten, aber nach dem kalten Winter machten sie richtig etwas her! Ganz zu schweigen von den herrlich blühenden Forsythienbüschen, die auf vielen österlichen Fotos den goldenen Hintergrund bildeten.
»Ich glaube, dass wir in unserem Tal diesen besonders schönen Frühling zu schätzen wissen«, wandte sich Pfarrer Roseder in seiner Sonntagspredigt – eine Woche nach Ostern – an die Gemeinde. »Wir freuen uns über das Erwachen der Natur, über die Vögel in unseren Gärten und über jede Blume am Wegesrand, die wieder neu erblüht. Der Winter war kalt, wir hatten schon an Allerheiligen mit Nebel, dann mit Schnee und auch mit winterlichen Stürmen zu kämpfen. Aber wir haben es geschafft, das Beste aus der dunklen Jahreszeit zu machen. Und warum? Weil wir darauf vertrauen, dass wir nicht allein sind, dass wir gehalten werden und dass wir auch in der dunkelsten Nacht an das eine strahlende Licht glauben dürfen, das unseren Weg erhellt. Wir waren in unserer Dorfgemeinschaft während des Winters für all jene da, die Sorgen hatten, allein waren und Hilfe brauchten. Licht und Wärme, ein gutes Wort und zur Weihnachtszeit ein Wunsch-Packerl für Menschen, die einsam in ihrer Stube saßen, waren liebevolle Gaben. Wir wollten Sterne der Hoffnung leuchten lassen, und das ist uns auch gelungen. Allen, die unser Dorf so hell gemacht haben, auch in den kalten Winternächten, danke ich von ganzem Herzen. Nun werden wir mit einem wunderbaren Frühling belohnt, der – und daran besteht kein Zweifel – so schön ist wie nur selten zuvor. Deshalb wollen wir heute auch einmal aus ehrlichem Herzen danke sagen für alles, was uns hier in unserer Bergheimat geschenkt wird.«
Es folgte eine kurze Pause, um die Worte wirken zu lassen. Dann schloss der Pfarrer: »Das ist nicht selbstverständlich. Denn wir wissen, wie zerbrechlich der Frieden und der Zusammenhalt unter den Menschen sein kann. Wir können es gar nicht hoch genug schätzen, dass wir in unserem Tal geborgen und sicher leben. Ich wünsche euch allen einen wunderbaren Frühling und Gottes Segen!«
***
Sissi Weidner hatte zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder Niklas die Sonntagsmesse besucht.
»Das waren schöne Worte«, wandte sie sich an Niklas. »Sonst macht der Herr Pfarrer ja oft ein paar humorvolle Bemerkungen. Aber heute kam nichts in dieser Hinsicht. Er wollte sicher darauf hinweisen, dass wir allen Grund haben, zufrieden und dankbar zu sein. Und dass wir auch etwas für andere tun können. Das ist bei uns im Dorf zum Glück eh die Regel. Es war noch nie anders. Alle haben sich immer unter die Arme gegriffen, wenn Not am Mann war.«
»Oder an der Frau«, grinste Niklas.
»Was soll das?«
»Na, Not nicht nur am Mann, sondern auch an der Frau. Man muss ja heute vorsichtig sein, sonst heißt es, dass man Frauen nicht als gleichberechtigt betrachtet. Als Mann ist man dann sofort unten durch.«
»Schmarrn. Bei Redewendungen ist das etwas anderes. Du bist albern, Niklas.«
»Witzig, Schwesterchen, nicht albern.«
»Na ja, stimmt.« Sissi lachte. »Du bist und bleibst der beste Bruder seit der Erschaffung der Welt. Brüderchen uns Schwesterchen. Beinahe wären wir Zwillinge geworden, du und ich. Du bist nur ein Jahr älter als ich, und du hast am selben Tag Geburtstag – am 20. März! Also, das ist kein Zufall.«
»Nein. Ich wollte eben der große Bruder sein und hab mich vorgedrängt«, witzelte Niklas.
»Unsere Mama war jedenfalls außer sich, dass Baby Nummer zwei, also ich, so schnell nach Baby Nummer eins anklopfte«, lachte Sissi. »Sie hatte nicht damit gerechnet und Papa auch nicht. Eigentlich wollten sie mit dem zweiten Kind sogar drei, vier Jahre warten. Aber dann haben sie es doch gut in den Griff gekriegt – zwei kleine Nervensägen, die aber sehr bald unzertrennlich waren.«
»Um ein Haar Zwillinge, aber das Madel kam verspätet – klar. Mädchen müssen ja immer noch ein bisserl an sich herumputzen«, feixte Niklas. »Das kann schon gut und gerne ein ganzes Jahr dauern. Aber Scherz beiseite, ich finde es gut, dass wir nur ein Jahr auseinander sind. Als wir Kinder waren, hätte es für uns beide nicht besser sein können. Wir haben miteinander gespielt und zusammen die Welt entdeckt. Ein kleiner Bub und ein noch kleineres, blondes Madel.«
»Unsere ganze Welt war daheim auf dem Weidner-Hof«, erwiderte Sissi nachdenklich. »Das Große findet man im Kleinen, hat unser Ahnl immer gesagt. Das stimmt. Wir sind ja beide inzwischen schon ein bisserl herumgekommen, wenn auch net ganz weit fort. Wir haben einiges gesehen und erlebt und Erfahrungen gesammelt. Für mich ist es derzeit wirklich das Schönste, daheim zu sein. Aber ich würde gern mehr tun, verstehst du, Niklas?«
»Ja. Ich finde trotzdem, dass du genug machst«, wandte er ein. »Du bringst dich auf unserem Hof ein, für unsere Mutter bist du eine große Hilfe. Und du schaffst dreimal pro Woche im Berghotel.«
»Das ist mir eben nicht genug«, seufzte Sissi. »Mir schwebte es schon immer vor, mal selbstständig etwas auf die Beine zu stellen. Umsonst hab ich ja auch net eine Ausbildung im Hotel- und Gastronomiefach gemacht. Zwei Jahre in Baden bei Wien im Kurhotel, das war eine tolle Zeit. Dann das Schlosshotel Birkhall bei London – traumhaft! Als Mama dann nach ihrer Bandscheibenoperation noch Schonung brauchte, bin ich heimgekommen. Sie brauchte mich, und ich hab mich schweren Herzens aus England verabschiedet. Birkhall war einfach wunderbar! Und nun überlege ich, ob ich vielleicht wenigstens ein Café oder ein hübsches Bistro eröffnen kann, in dem sich jeder wohlfühlt.«
Niklas winkte ab. »Lass erst mal alles so, wie es ist. Du hilfst ja auch noch dem Luger-Egid in seiner Almwirtschaft aus. Ich frage mich eh, wie du das alles aus dem Ärmel schüttelst. Du warst eben schon immer ein Springinsfeld.«
»Du aber auch, Niklas. Ich bin sehr stolz auf dich, weil du unseren Hof so toll auf Vordermann gebracht hast. Unser Vater ist da leider ein bisserl schwerfällig«, lobte Sissi ihren Bruder.
»Er macht alles mit Bedacht. Aber inzwischen überlässt er mir eh das Ruder«, erklärte Niklas. »Papa wird bald fünfundsechzig und hält sich für angerostet und altmodisch. Das ist natürlich übertrieben, aber er bringt vieles net mehr auf die Reihe. Dass er es zugibt und mich mein Ding machen lässt, finde ich sehr gut. Wir müssen uns damit abfinden, Sissi, dass unsere Eltern keine jungen Hüpfer mehr sind. Die Mama ist dreiundsechzig und braucht tagsüber viele Ruhepausen, obwohl sie es net wahrhaben will. Dabei weiß sie doch selbst, dass sie ein Problem mit ihren Knochen hat ...«
»Dr. Burger sagt, es ist eine Osteoporose, noch gut behandelbar, aber ohne Physiotherapie geht es net«, meinte Sissi nachdenklich. »Ja, es stimmt, unsere Eltern werden ein bisserl tatterig. Sie haben immer viel gearbeitet und für uns beide alles getan, was ihnen möglich war. Aus uns ist etwas geworden, wir waren auf Fachinstituten und konnten uns für unser Praktikum einen Wunsch-Ort aussuchen.«
»Richtig. Und weil sie immer für uns Kinder da waren, dürfen wir sie jetzt noch nicht ins Austragshäusl setzen und so tun, als ob sie außer zum Rasenmähen zu nichts mehr nutze sind.«
»Auf keinen Fall, Niklas! Wir brauchen sie noch ganz dringend! Pst, sie stehen drüben am Brunnen – bis jetzt haben sie mit Dr. Burger und seiner Frau gesprochen. Wahrscheinlich über uns.«
»Über uns, Sissi? Wieso?«
»Weil wir ihnen sehr wichtig sind. Wichtiger als alles andere«, entgegnete sie. »Glaub mir, Niklas, unsere Eltern würden alles für uns tun. Und deshalb dürfen wir auch nicht nörgeln, weil sie heute Mittag mit uns im Ochsenwirt Krustenbraten essen wollen.«
»Nicht schon wieder!«, stöhnte Niklas. »Warum immer dieser Krustenbraten? Ich hatte außerdem vor, mit Margit nach Mayrhofen zu fahren, da gibt's einen neuen Italiener, Alberto oder so ähnlich. Jedenfalls soll die Pizza unwiderstehlich gut sein. Und riesig groß.«
»Ja, das hab ich auch schon gehört.« Sissi betrachtete ihren Bruder aufmerksam. »So, so, die Margit ist also deine neueste Errungenschaft.«
»Meine Frühlingsfee. Margit Hartl, die ich schon in der Schule gern hatte. Du kennst sie ja, Sissi. Und außerdem ist sie net meine neueste Errungenschaft, sondern wir sind schon eine ganze Weile ... na ja. Ich wollte es net an die große Glocke hängen.«
»Niklas, Niklas! Nicht mal deiner Schwester wolltet du es sagen?« Sissi drohte ihm scherzhaft mit dem Finger. »Aber ich hatte längst so eine Ahnung. Glückwunsch, Niklas, die Margit ist sehr nett. Und ein kluges Köpfchen hat sie auch.«
»Eben. Na gut, ich werde Krustenbraten essen und mit Margit abends zum Italiener gehen« beschloss Niklas. »Dann werd ich mich aber auf ein Tellerchen Spaghetti Carbonara beschränken. Mittags Braten und abends Pizza, das ist selbst für mich schwer zu schaffen. Und was hast du vor?«
»Ich treffe mich mit dem Breuninger-Simon. Wir wollten mal auf der Schöneck-Alm nach dem Rechten sehen. Der Egid hat mich gefragt, ob ich mal hinaufgehen könnte. Er ist derzeit net gut beisammen, meint er, wahrscheinlich eine Erkältung. Im Mai will er die Almwirtschaft nach der langen Winterpause ja wieder öffnen.«
»Ganz schön viel Arbeit für einen Siebzigjährigen«, fand Niklas. »Seine Schöneck-Alm liegt dem Egid sehr am Herzen, das weiß jeder. Die paar Viecherl, die er immer mit hinauf nimmt, machen keine Probleme. Aber es ist immer viel Betrieb in der Wirtschaft. Über einen Mangel an Gästen hat sich der Egid noch nie beklagen können.«
»Die Burgl und der Kilian sind doch da. Die beiden sind Gold wert«, erwiderte Sissi. »Wahrscheinlich sind sie jetzt schon auf der Alm und bringen alles auf Hochglanz. Bis jetzt hat droben immer alles wunderbar geklappt. Klar, die Burgl ist keine Superköchin, aber die Gäste sind zufrieden. Sie hat eine bestimmte Wochen-Speisekarte. Eierschmarrn, Auflauf, Gemüsesuppe, Geselchtes mit Kraut, Bergkäse oder Landschinken mit Hausbrot – das war's. Dafür gibt's aber eine ziemlich große Auswahl an Getränken. Der Egid kümmert sich immer selbst darum.«
»In erster Linie ist es die tolle Aussicht, von der die Leute immer wieder magisch angezogen werden«, überlegte Niklas. »Die Alm heißt net umsonst Schöneck. Es ist dort wirklich so schön und idyllisch zwischen dem Wald und den Bergen, dass man am liebsten abends gar net heimgehen will.«
»Muss man auch nicht«, warf Sissi ein. »Es gibt doch ein paar Kammern zum Übernachten im Almhaus. Und man könnte auch noch anbauen oder ausbauen, aber das will der Egid nicht. Für Neues ist er leider nicht mehr zu haben – schade. Alles soll so bleiben, wie es ist, das ist sein Wahlspruch. Und dann kommt er mit seinem Alter daher und sagt, dass er ja inzwischen ein knorriger Wurzelsepp geworden ist und keine weiten Sprünge mehr machen kann. Die Alm ist mein Leben, ich ändere nichts – das sagt er immer wieder.«
»Und du gehst also heute mit dem Simon hinauf?«, fragte Niklas, wobei er schon wieder sein vielsagendes Grinsen aufsetzte. »Da schau her. Der fesche Simon vom Jochberg-Hof. Ist er etwa doch der Richtige für mein wählerisches Schwesterlein? Es kommt mir so vor!«