Der Bergdoktor 2221 - Andreas Kufsteiner - E-Book

Der Bergdoktor 2221 E-Book

Andreas Kufsteiner

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Beschreibung

Wenn Evelina tanzt, stockt ihrem Publikum der Atem. Die rassige Tänzerin ist der Star ihres Ensembles, wird mit Applaus, Einladungen und Blumen überhäuft. Niemand ahnt, dass sich ein tiefer Schmerz hinter ihrem Lächeln verbirgt: der Kummer über das Zerwürfnis mit ihrer Schwester.
Vor sechs Jahren hat Anni ihr den Verlobten ausgespannt. Seitdem herrscht Funkstille. Trotz allem vermisst Evelina ihre Schwester. Vor einiger Zeit hat sie versucht, Kontakt aufzunehmen und sich zu versöhnen, aber Anni war fortgezogen und nicht auffindbar.
An einem Frühlingsabend erreicht Evelina ein Hilferuf aus dem Zillertal: Ihre Schwester ist mit starken Kopfschmerzen zusammengebrochen. Der Bergdoktor hat ihr Leben vorerst gerettet, aber die Diagnose ist niederschmetternd: Hirnblutung aufgrund einer arteriovenösen Malformation. Anni hat ein Knäuel aus Gefäßmissbildungen in ihrem Kopf! Es ist angeboren und mitgewachsen. Mittlerweile droht der hohe Druck des Blutdurchflusses die Gefäßwände zu sprengen.
Die nächste Hirnblutung kommt mit Sicherheit - die Frage ist nur: Wann!
Evelina handelt sofort: Sie übergibt ihre Rolle der Zweitbesetzung und reist ins Zillertal ...

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Seitenzahl: 125

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Wilde Schönheit Evelina

Vorschau

Impressum

Wilde Schönheit Evelina

Kann sie im beschaulichen St. Christoph ihr Glück finden?

Von Andreas Kufsteiner

Wenn Evelina tanzt, stockt ihrem Publikum der Atem. Die rassige Tänzerin ist der Star ihres Ensembles, wird mit Applaus, Einladungen und Blumen überhäuft. Niemand ahnt, dass sich ein tiefer Schmerz hinter ihrem Lächeln verbirgt: der Kummer über das Zerwürfnis mit ihrer Schwester.

Vor sechs Jahren hat Anni ihr den Verlobten ausgespannt. Seitdem herrscht Funkstille. Trotz allem vermisst Evelina ihre Schwester. Vor einiger Zeit hat sie sogar einmal versucht, Kontakt aufzunehmen und sich zu versöhnen, aber Anni war fortgezogen und nicht auffindbar.

An einem Frühlingsabend erreicht Evelina ein Hilferuf aus dem Zillertal: Ihre Schwester ist mit starken Kopfschmerzen zusammengebrochen. Der Bergdoktor hat ihr Leben vorerst gerettet, aber die Diagnose ist niederschmetternd: Hirnblutung aufgrund einer arteriovenösen Malformation. Anni hat ein Knäuel aus Gefäßmissbildungen in ihrem Kopf! Es ist angeboren und mitgewachsen. Mittlerweile droht der hohe Druck des Blutdurchflusses die Gefäßwände zu sprengen.

Die nächste Hirnblutung kommt mit Sicherheit – die Frage ist nur: Wann!

Evelina handelt sofort: Sie übergibt ihre Rolle der Zweitbesetzung und reist ins Zillertal ...

»Bitte nicht!« Anni fuhr in ihrem Bett hoch. Ihr Atem jagte zischend durch die Lungen, und Wogen der Panik ließen ihren Herzschlag galoppieren wie ein wildes Fohlen. Ihre Haut war mit Schweiß bedeckt, und ein Schauer rieselte ihren Rücken hinunter. So, als wäre sie gerade einer Gefahr entronnen.

Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen an das fahle Dämmerlicht, das durch einen Spalt in den Vorhängen in ihre Schlafkammer drang.

Erleichterung machte sich in ihr breit.

Nein, sie war nicht mehr auf seinem Boot und auch nicht länger seinen Launen und seiner Grobheit ausgeliefert. Es war nur ein Traum. Hier in ihrem hübschen, ganz in warmen Holz- und Rosentönen eingerichteten Zimmer war sie in Sicherheit. Hier würde er sie nicht finden. Er konnte ihr nichts mehr antun. Nie wieder.

Trotz dieser beruhigenden Gedanken schlang Anni die Arme um sich selbst und machte sich ganz klein, als müsste sie seinen Schlägen ausweichen.

Die Leuchtziffer des Weckers neben ihrem Bett zeigten 04:38 Uhr an, aber an Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Anni war hellwach.

Sie schob ihre Zudecke von sich und schwang die Beine aus dem Bett. Barfuß tappte sie aus ihrer Kammer nach nebenan. Die Tür war nur angelehnt. Ein Nachtlicht brannte neben dem Bett, in dem ihre kleine Tochter schlief.

Finja hatte ihre Zudecke fortgestrampelt und lag zusammengerollt wie ein kleiner Igel da, an ihren weißen Plüschhasen gekuschelt. Alles war ruhig. Anni atmete auf. Sie hob die Decke auf und breitete sie über ihrer Tochter aus.

Finchen wachte nicht auf, sondern pustete nur leise, drehte sich um und schlief weiter. Ihren Hasen fest im Arm. Mit ihren fünf Jahren besuchte sie die Kindertagesstätte »Spatzennest«, die, nur einen Steinwurf entfernt, am Ufer des Mühlbachs stand. Finja liebte Tiere und träumte von einem eigenen Haustier. Anni hatte sich entschieden, ihr den Wunsch zu ihrem sechsten Geburtstag zu erfüllen.

Der Wind blähte die duftigen Vorhänge vor dem Fenster des Kinderzimmers und brachte mit dem milden Frühlingswind den Duft blühender Bergwiesen mit.

Anni blieb noch eine Weile am Bett ihrer Tochter, während das eisige Entsetzen allmählich aus ihren Gliedern wich. Die Fetzen des Traums ließen sich jedoch nicht so einfach abschütteln. In ihren Ohren schienen die betrunkenen Rufe ihres Freundes noch immer nachzuhallen. Fast spürte sie noch den unbarmherzigen Stoß in ihrem Rücken, den Fall und die harten Stöße der Stufen gegen ihre malträtierten Knochen ... Damals hätte er sie beinahe umgebracht. Sie hatte den ersten Zug genommen und war aus Hamburg geflüchtet.

Das Schicksal hatte sie in ein kleines Dorf im Zillertal geführt. Weit, weit von der nördlichen Stadt entfernt. Hier, umgeben von hohen Bergen und Menschen, die bodenständig und gutherzig waren, fühlte sie sich endlich wieder sicher.

Sie hatte ein Häusl gemietet und eine kleine Änderungsschneiderei aufgemacht. Mit Fleiß und vielen schlaflosen Nächten hatte sie sich einen guten Ruf erarbeitet und verdiente mittlerweile genug, um für ihr Kind und sich selbst zu sorgen. Das musste sie auch, denn es gab niemanden, an den sie sich um Hilfe hätte wenden können. Und die Schuld dafür gab sie ganz allein sich selbst.

Es war ihr eigener Fehler gewesen, der sie von der einzigen Familie entzweit hatte, die ihr noch geblieben war. Dafür konnte sie niemanden verantwortlich machen als sich selbst.

Leise verließ Anni das Kinderzimmer und ging ins Bad, um zu duschen und sich anzuziehen. Sie bürstete ihre dunklen Haare, die sie kurz geschnitten trug, sodass sie ihr bis knapp unter das Ohrläppchen reichten. Ein paar Fransen zupfte sie in ihre Stirn, was den strengen Eindruck milderte.

Sie kochte sich einen Instant-Kaffee und nahm den Becher mit hinüber in ihr Nähstübchen. Sie ging immer früh an die Arbeit, um schon einiges erledigt zu haben, wenn ihre Tochter aufwachte. Dann hatte sie Zeit, um mit Finja zu frühstücken und sie zur Kita zu bringen, bevor sie den Vormittag an der Nähmaschine verbrachte.

Obwohl sie daheim arbeitete, hatte sie sich entschlossen, ihre Tochter zur Kita zu schicken. Finja liebte den Kontakt zu den anderen Kindern, den wollte Anni ihr nicht nehmen. Es war für sie schlimm genug, dass ihr Kind seinen Vater entbehren musste. Doch dagegen konnte sie leider nichts tun.

Anni öffnete das Fenster ihres Nähstübchens, um die wunderbar klare Morgenluft hereinzulassen. Vom Nachbarhof drang das Krähen von Fridolin, dem Hahn, der jeden Tag gut hörbar begrüßte. Seinem Ruf folgte ein gedämpfter Fluch des Landwirts, der ihm regelmäßig drohte, ihn wegen des Lärms in den Topf zu stecken. Angesichts von Fridolins hohem Alter bezweifelte Anni jedoch, dass der Bauer seinem ruffreudigen Mitbewohner auch nur eine Feder krümmen würde.

Eine Wand ihres Nähstübchens war mit einem deckenhohen Regal ausgefüllt. Darin lagerten Stoffe und Boxen mit Nähutensilien wie Knöpfe, Garn und Reißverschlüsse. Außerdem gab es mehrere Fächer, in denen sie ihre wartenden Aufträge aufbewahrte. Die waren gut gefüllt, was ihr ein beruhigendes Gefühl gab.

Es schien ein Morgen wie jeder andere zu sein.

Anni nahm an ihrer Nähmaschine Platz und griff nach dem Dirndl, das sie für Paula Angerer reparieren sollte. Die Frau des Bürgermeisters hatte sich den Saum und ein Stück des Rocks eingerissen, als sie beim Maitanz an einer der Bänke hängen geblieben war.

Anni besah sich den Schaden und war zuversichtlich, dass sie den Stoff so vernähen konnte, dass später nichts mehr von dem Malheur zu sehen war. Es wäre aber auch zu schade um das fesche Dirndl, das rosenholzfarben und mit feinen, blassrosa Rosen bestickt war.

Anni legte sich den Stoff zurecht. Dabei wanderte ihr Blick durch das offene Fenster zu den Bergspitzen, die sich vor ihren Fenstern im warmen Morgenlicht abzeichneten. Der wolkenlose Himmel versprach einen schönen Frühlingstag.

Vielleicht können Finchen und ich heute Nachmittag einen Ausflug machen, grübelte sie. Sie möchte doch so gern mal wieder zu den Murmeltieren droben am Hexenstein. Wenn wir net zu spät aufbrechen, sollten wir vor Anbruch der Dunkelheit zurück im Dorf sein und können uns ...

Anni schaffte es nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen. Wie aus heiterem Himmel explodierte ein wilder Schmerz in ihrem Kopf. So stark, dass sie nicht schreien, ja, nicht einmal mehr atmen konnte. Es war schier vernichtend. Als wäre sie von einem Brocken aus brennendem Stein getroffen worden!

Anni wurde es schwarz vor Augen. Sie konnte nicht mehr klar denken, spürte nur noch, dass sich nun alles, alles ändern würde. Flehend dachte sie an den einen Menschen, den sie vor vielen Jahren aus ihrem Leben verbannt hatte.

Ihre Schwester – Evelina ...

***

Das Finch Theatre lag im Herzen der Weltstadt London – nur einen Steinwurf vom Ufer der Themse entfernt. In der Nähe befanden sich zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Restaurants, ebenso wie das King's College.

Dementsprechend breit gefächert war auch das Publikum, das die Vorstellung an diesem Abend besucht hatte. Urlauber und Ausflügler mischten sich unter Studenten und Nachbarn jeder Altersgruppe.

Evelina verließ die Bühne, während hinter ihr der Applaus brandete wie das Meer an einem stürmischen Tag. Die Musik brodelte noch in ihrem Blut und sie fühlte sich wie berauscht – wie immer nach einem Auftritt.

Der Stoff ihres grün-goldenen Kostüms mit dem Zipfelrock wehte um sie wie ein hauchzartes Blütenblatt und ihre Tanzschuhe trommelten ein Stakkato auf dem Bretterboden. Es war die dritte Woche, in der ihr Ensembles in der Themsestadt auftrat, und die Vorstellungen waren fast immer ausverkauft. In wenigen Tagen würden sie weiterziehen zu ihrem Engagement in Bath, aber der Intendant des Finch Theatres hatte sie bereits für den kommenden Winter wieder gebucht.

Die Fairy Flames waren für ihre märchenhaft verträumten Tanzstücke bekannt. Für das neue Stück war die Hauptrolle Evelina auf den Leib geschrieben worden. Evelina tanzte eine temperamentvolle Druidin mit Zauberkräften. Sie lebte und atmete für ihre Rolle, und das Publikum dankte es ihr mit Applaus, Einladungen und Blumen.

Auch jetzt warteten Fotografen und Reporter hinter der Bühne, um einen Schnappschuss oder eine Bemerkung von ihr zu erhaschen. Evelina warf ihnen eine Kusshand zu, ehe sie zur Garderobe stürmte und sich vergewisserte, dass die Tür hinter ihr zufiel und die Zeitungsleute aussperrte. Dann baute sie sich vor Ida auf. Die Kollegin war einen Kopf größer als sie, schien jedoch unter Evelinas lodernden Blick zu schrumpfen.

»Ich weiß ja«, setzte sie matt an.

»Wirklich?«, zürnte Evelina. »Ich nämlich nicht. Was war denn das eben?«

»Ich ...« Ida schluckte.

»Du bist gestolpert und hättest Sandro damit beinahe von der Bühne ins Publikum katapultiert.«

»Es tut mir leid ...«

»Evelina«, warf Sandro ein, der ebenfalls noch sein Tanztrikot trug. »Es ist ja nichts passiert. Ich bezweifle, dass jemand im Publikum den Patzer bemerkt hat.«

»Das ist nicht der Punkt. Wir werden engagiert und dürfen nicht weniger als Perfektion bieten. Ida ist Teil unseres Ensembles. Sogar meine Zweitbesetzung. Solche Fehler dürfen nicht mal einem Anfänger passieren.« Evelina stemmte die Hände auf die Hüften. »Was war denn los?«

»Ich war abgelenkt. Es tut mir furchtbar leid.« Idas Augen liefen über. Hastig wischte sie sich mit dem Zipfel ihrs Ärmels die Tränen ab, aber es kamen immer neue. Schluchzend wirbelte sie herum und floh aus der Garderobe.

»Was war denn das gerade?« Evelina sah ihrer Kollegin verdutzt nach. »Warum läuft sie weg?«

»Weil du sie ziemlich hart angefasst hast.« Sandro rieb sich das Kinn.

»Ich habe sie doch nur auf einen Fehler aufmerksam gemacht.«

»An einem anderen Tag hätte sie das vermutlich auch einfach weggesteckt. Heute aber nicht.«

»Wieso? Was ist denn heute?«

»Ihr Vater ist verunglückt. Deshalb war sie auch so abgelenkt beim Tanzen.«

»Verunglückt?« Betroffen starrte Evelina ihren Kollegen an. »Das ... das wusste ich nicht. Ist er sehr schwer verletzt?«

»Er ist tot.«

Die wenigen Worte hallten in ihren Ohren wie Kanonendonner.

»Warum hat sie denn kein Wort gesagt? Sie hätte sich freinehmen können.«

»Sie wollte dich nicht enttäuschen und uns auch nicht hängenlassen.«

Evelina presste die Lippen aufeinander. Sie hätte ihrer Kollegin gern etwas Versöhnliches gesagt, aber als sie in den Flur vor den Garderoben schaute, war Ida schon nicht mehr zu sehen.

Sie schloss die Tür wieder und sah zu ihrem Kollegen auf.

»Du denkst, ich verlange zu viel von der Truppe, nicht wahr?«

»Du verlangst nichts, das du nicht auch selbst zu leisten bereit bist.«

»Das ist wahr. Wir müssen perfekt sein, Sandro. Das Publikum verzeiht keinen Fehler.«

»Ist das wirklich so?« Der Blick aus seinen dunklen Augen war unergründlich.

»Das ist so«, beharrte sie. »Entsinnst du dich noch an Sascha Vormstein?«

»Vormstein? Nein. Wer soll das sein?«

»Er war ein Tänzer, einer der besten, aber das stieg ihm zu Kopf. Er wurde nachlässig, bekam keine Engagements mehr und geriet schnell in Vergessenheit.«

»Das wird uns nicht passieren, Evelina.«

»Nein, wird es nicht. Weil ich es nicht zulassen werde. Wir haben zu hart für den Erfolg gearbeitet.« Entschlossen hob sie das Kinn.

Sie hatte die Fairy Flames gegründet. Anfangs war es nur schleppend gelaufen. Hier und da ein Auftritt. Selten genug, um davon zu leben. Bis Eveline mit ihrer Truppe einen Rekord aufgestellt hatte: Sie hatten acht Auftritte in acht verschiedenen Ländern in nur vierundzwanzig Stunden absolviert. Das Echo in den Medien war enorm gewesen. Fernsehsender und Zeitungen hatten über ihren Versuch berichtet. Sie hatten es sogar ins Guinness Buch der Rekorde geschafft. Seitdem löste ein Engagement das nächste ab.

Plötzlich fühlte sich Evelina unendlich erschöpft.

Sie sank auf den Hocker vor dem Schminkspiegel, der beinahe hinter den Vasen mit Blumensträußen verschwand. Jeder Strauß war mit einem Kärtchen versehen, auf dem ihr Name stand.

»Deine Verehrer werden immer mehr.« Sandro musterte die Blumen und zog eine Braue hoch. »Du könntest einen Blumenladen als zweites Standbein eröffnen.«

Evelina schmunzelte. »Glaub mir, darüber habe ich selbst schon nachgedacht.«

»Kommst du nachher noch mit essen?«

»Ein andermal vielleicht. Ich bin müde und möchte nur noch ins Bett.«

»Wenn ich dich zum Essen einladen will, muss ich mir wohl etwas mehr als Blumen und schöne Worte einfallen lassen, oder?« Er zwinkerte ihr zu.

Evelina schüttelte den Kopf. »Keine Chance.«

»Das ist hart.« Er legte eine Hand auf seine Brust, und sein Lächeln verriet, dass er einer Romanze durchaus nicht abgeneigt wäre. Der attraktive Tänzer war ein Frauenschwarm, der Evelina durchaus gefallen könnte. Doch sie fing aus Prinzip nichts mit einem Kollegen an. Sie alle hatten zu hart gearbeitet, um die Harmonie in der Truppe zu gefährden.

Es klopfte an der Tür, dann schob Wiebke den Kopf herein. Sie war für die Kostüme zuständig, gleichzeitig aber auch die gute Seele des Ensembles. Sie hatte immer ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte und half, wo sie konnte.

»Vorhin kam ein Anruf für dich«, sagte sie an Evelina gewandt. »Ein gewisser Dr. Burger. Es klang wichtig. Ich habe ihm gesagt, dass du gerade einen Auftritt hast. Er will es nachher noch mal versuchen.«

»Burger?« Der Name sagte ihr nichts. »Wenn er uns buchen will, dann bitte nur über die Agentur. Kannst du ihm das ausrichten?«

»Er hat nicht wegen eines Auftritts angerufen. Wenn ich richtig verstanden habe, ging es um deine Schwester.«

»Meine Schwester?« Der Stich kam unerwartet und fuhr ihr geradewegs ins Herz hinein. Sie zwang die unbekümmerte Miene auf ihr Gesicht, die sie gelernt hatte, der Welt zu zeigen. Niemand sollte wissen, welcher Kummer sich dahinter verbarg: der Schmerz über das Zerwürfnis mit ihrer Schwester Anni.

»Deine Schwester?« Sandro atmete scharf ein. »Seit wann hast du denn eine Schwester?«

Evelina sah an ihm vorbei zum Fenster, ohne wirklich etwas von dem hell erleuchteten Riesenrad am Themseufer zu sehen.

Sechs Jahre war es her, seit Anni ihr den Verlobten ausgespannt hatte. Wie in einer dieser Romanzen, die sie früher so gern im Kino angesehen hatte, hatte Evelina sie zusammen im Bett erwischt. Anni und Rufus.

Du lieber Himmel! Daran zu denken, tat immer noch weh.

Sie ballte die Hände zu Fäusten, als könnte sie das lodernde Brennen in ihrem Herzen damit lindern.

Seit jenem unglücklichen Abend herrschte Funkstille zwischen ihnen. Wobei ... Anni fehlte ihr. Trotz allem. Seit dem Tod ihrer Eltern hatten sie nur noch einander.